Diese Frage haben Sie nicht beantwortet. Weil es dafür keine einfachen Lösungen gibt, sollten wir uns gemeinsam überlegen, welche Konzepte greifen. Da hilft es uns überhaupt nicht weiter, wenn wir die Debatte über Brechmittel von vor zwei Jahren wieder auflegen. Bei der Anwendung dieser Methode gibt es medizinische Bedenken, die der Rechtsmediziner Püschel schon vor zehn Jahren zu Protokoll gegeben hat. Es gibt juristische Einwendungen von einem Oberlandesgericht in Frankfurt, das später relativiert wurde, aber die Methode ist eben juristisch umstritten. In Hamburg ist von der Justiz und der Innenbehörde gemeinsam deutlich gemacht worden, wie überflüssig diese Debatte ist.
Wenn Ihre Lösung für dieses real existierende Problem der offenen illegalen Drogenszene darin besteht, zwölf Dealern pro Jahr Brechmittel zu verabreichen, wie in Frankfurt, dann zeigt das Ihre tiefe Hilflosigkeit diesem Thema gegenüber.
Uns geht es darum, das Zusammenleben von süchtigen und nichtsüchtigen Bürgern in dieser Stadt für alle Beteiligten erträglich zu gestalten. Da gibt es ein hochentwickeltes Hilfekonzept, das sicher noch weiterentwicklungsbedürftig ist. Wir brauchen Ruheräume für Crackkonsumenten, die durch nachlaufende Straßensozialarbeit in ihren Erschöpfungsphasen in diese Räume gebracht werden, dort medizinisch beraten und behandelt werden und Akupunktur angeboten wird. Das ist ein Punkt, der kommen wird.
Es ist außerdem nötig, daß wir den vier Säulen der Drogenpolitik, auf die wir uns als Koalitionspartner im Koalitionsvertrag geeinigt haben, eine fünfte Säule hinzufügen. Diese fünfte Säule heißt Kooperation. Das heißt, wir brauchen ein Gremium – wir müssen es nicht Montagsrunde nennen –, in dem sich Staatsanwaltschaft, Polizei, Drogenbeauftragte und vor allen Dingen auch die Suchthilfeträger regelmäßig treffen, um die Probleme vor Ort zu besprechen, zu entscheiden und auch umzusetzen.
Das ist ein offener Punkt, den wir weiter einfordern. Es gibt durchaus Signale, daß sich dort etwas bewegen wird.
Die Situation ist unbefriedigend und wird es bleiben, weil sie Drogenabhängige, die durch die Prohibition in Illegalität und Verelendung getrieben werden, nicht einfach unsichtbar macht oder zum Verschwinden bringen kann. Also geht es darum, die Belastungen durch Polizeimaßnahmen abzumildern. Daß die Polizei dieses Problem nicht lösen kann, können Sie in der Drucksache zum Thema Hauptbahnhof nachlesen; das hat der Innensenator darin schon deutlich gemacht.
Deswegen ist der Weg, dieses Problem grundsätzlicher zu lösen, richtig, den beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen auf ihrer Tagung im letzten Mai hier in Hamburg vorgeschlagen hat, nämlich eine konsequente Entkriminalisierung von Drogenkonsum und -besitz aller illegalen Drogen. Ich weiß, daß das ein schwieriger Weg ist, aber dazu sind Vorschläge gemacht worden, wie dies zu erreichen ist. Denn nur dadurch – über kapitalistische Marktgesetze muß ich die Kollegen von der CDU wahrscheinlich nicht belehren –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum Thema Brechmittel möchte ich gern eine kleine Notiz vorlesen, die einige Interessierte in der letzten Woche bereits in der Zeitung lesen konnten. Zitat:
„Nachdem der Beschuldigte zwei Becher warmes Salzwasser getrunken und dieses durch Würgen, nicht durch Erbrechen, wieder hervorgebracht hatte, lehnte er die Einnahme weiterer Salzwasserlösung kategorisch ab. Daraufhin wurde versucht, dem Beschuldigten Mandelmilch zu verabreichen, um sofortigen Stuhlgang auszulösen. Obgleich der Beschuldigte an den Armlehnen eines Toilettenrollstuhls mit Handfesseln angeschlossen war, scheiterte auch der Versuch, ihm die Lösung zwangsweise einzuflößen, an seinem heftigen Widerstand.“
Meine Damen und Herren, was wir gerade gehört haben, ist eine Behandlung von Gefangenen, die aus meiner Sicht an den Bereich von Mißhandlung grenzt.
Es ist hier noch einmal deutlich zu sagen, daß auch Gefangene ein Recht auf menschenwürdige Behandlung haben, auch im Zustand der Gefangenschaft. Daran hat sich auch Hamburg zu orientieren. Daher ist es aus unserer Sicht nicht akzeptabel, daß dieser Brechmitteleinsatz, der inzwischen auch in anderen Fraktionen diskutiert wird, in dieser Stadt durchgesetzt werden darf.
Wir haben gerade das eine oder andere Stichwort gehört, über das es gilt, viel intensiver nachzudenken oder zu diskutieren. Ich komme zum Stichwort Crack. Wir haben gerade von Herrn Zamory gehört, daß diesbezüglich viel zu tun ist in der Stadt. Das hat selbst Herr Wersich dargestellt.
Zu dieser Frage haben wir Ihnen unsere Forderungen seit zwei Jahren vorgetragen. Wir haben vom Senat hauptsächlich ein Hilfekonzept eingefordert. Wir haben die Ruheräume angeregt, die in Frankfurt jetzt tatsächlich zeigen, daß das ein Hilfsangebot ist, das Menschen nützen können. Rotgrün hat in dieser Richtung in dieser Stadt aber auch gar nichts bewegt, sondern einen Stillstand in der Drogenpolitik erzeugt. Und damit nicht genug, Sie haben in einigen Fragen sogar einen Rückschritt begonnen. Das finde ich völlig daneben und für die Hilfsbedürftigen total inakzeptabel.
Die fünfte Säule, die Herr Zamory genannt hat, die Koordination in der Drogenhilfe, finde ich klasse. Das haben wir seit zwei Jahren eingefordert, aber es passiert nichts. Ich mache Ihnen das Angebot, demnächst einen diesbezüglichen Antrag einzubringen. Dann bin ich gespannt, ob die Überzeugung in der SPD-Fraktion tatsächlich gereift ist, damit sie diesem Vorschlag auch zustimmt.
Die Anhörung im Ausschuß in der vorletzten Woche hat doch gezeigt, daß es hinsichtlich der Koordination des Hilfesystems mit den Behörden und vor allem behördenübergreifend ein sehr großes Defizit in dieser Stadt gibt. Hier hat Rotgrün in den drei Jahren überhaupt nichts gebracht.
Ich verspreche aber, daß wir diesen Antrag stellen, und ich bin gespannt, ob Sie tatsächlich auch den Mut haben, dieses notwendige und innovative Projekt gegen den Widerstand des Senats – denn der ist offenbar dagegen – voranzubringen.
Dem illegalen Drogenhandel in dieser Stadt ist entgegenzuwirken, Herr Wersich, damit haben wir überhaupt kein Problem. Die Methode aber, dem mit Polizeiknüppeln entgegenzuwirken – das habe ich vorhin schon ausgeführt –, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Das einzige, womit dieser Sumpf – wenn Sie es so nennen wollen – trockengelegt werden kann, ist eine kontrollierte Abgabe von Suchtstoffen, so wie es auch bei anderen Suchtmitteln der Fall ist. In diesem Fall ist es aber an der Zeit, die Forderung des ehemaligen Bürgermeisters Voscherau neu zu stellen, der dieses Problem genau erkannt und gefordert hat, daß eine flächendeckende Abgabe von Heroin an die Menschen, die es brauchen, erfolgen solle. In diesem Fall hat Herr Voscherau ausnahmsweise einmal recht gehabt. Ich finde, daß diese Forderung aufgenommen und umgesetzt gehört, auch von einem rotgrünen Senat, der zu dieser Tradition offenbar nicht mehr so gern steht.
(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Karl-Heinz Ehlers CDU: Wer bezahlt den Verdienst- ausfall der Dealer?)
in der Koalition so freundlich angesprochen worden und möchte gern den Gedanken noch einmal aufnehmen. Daß wir dieses Thema hier diskutieren, liegt doch nicht daran, daß uns diese Diskussion von irgendeiner Seite oder von bösen Mächten von außen auferlegt oder oktroyiert wird, sondern daran, daß hunderttausend Menschen dieser Stadt dieses Thema zutiefst bedrückt.
Die jetzige aktuelle Diskussion ist doch auch von niemandem diabolisch inszeniert worden, sondern liegt daran, daß der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Herr Freiberg – ein Sozialdemokrat übrigens –, die Drogenpolitik des Senats in massiver Form beklagt hat. Er hat es auf die Tagesordnung gebracht; nicht wir sind es gewesen.
Wenn man sich zunächst einmal auf eine Grundaussage einigen könnte, wären wir schon froh. Warum fällt es Ihnen so schwer zu sagen: jede erdenkliche Hilfe für Süchtige, aber jede Härte gegen Dealer? Darauf müßten wir uns doch zumindest einigen können.
Hinsichtlich des ersten Teils, Hilfe für die Süchtigen, verstehe ich die Vorurteile und die Behauptungen nicht, die von Ihnen uns gegenüber gemacht worden sind. Herr Wersich war es und früher, bis einige Jahre zurück, sein Vorgänger, Herr Dr. Kampf, mit denen wir gemeinsam über Fraktions- und Parteigrenzen hinaus dafür gesorgt haben, daß wir ein Methadon-Programm und Fixerstuben sowie Straßensozialarbeiter in Hamburg kriegen. Das ist parteiübergreifend in Hamburg so vereinbart worden. Das ist die Wahrheit, jede Hilfe für Süchtige, und dazu stehen wir.
Wir stehen aber auch zum zweiten Teil. Das macht aber nur Sinn, wenn man beide Seiten sieht, und diese zweite Säule heißt, ich sage es noch mal: jede Härte gegen Dealer.
Meine Damen und Herren, es ist doch kein CDU-Hobby, um das es hier geht, ich sagte es bereits, Herr Freiberg, Vorsitzender der GdP, ist Sozialdemokrat, und auch Herr Woydt, der Polizeipräsident, sagt neuerdings, man müsse über den Einsatz von Brechmitteln nachdenken. Das ist doch keine Erfindung von uns. Sogar Herr Edler, Ihr Sprecher, sagt im „Hamburger Abendblatt“: „Ich kann den Frust der Polizei verstehen. Es hapert bei der Justiz.“ Sie werfen uns Richterschelte vor, und Herr Edler sagt das gleiche wie wir.