Protocol of the Session on November 30, 2000

(Barbara Duden SPD: Bravo!)

Allerdings möchte ich auch noch darauf hinweisen, daß wir die Debatte in Berlin um die Erhöhung der Einkommensgrenzen im Auge behalten sollten. Ich denke, diese Erhöhung sollte nicht zu hoch ausfallen, denn eigentlich wollen wir geförderten Wohnraum für sozial schlecht gestellte Menschen erhalten. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte den Antrag aus der Drucksache 16/5003 annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag bei einigen Stimmenthaltungen einstimmig verabschiedet.

Ich rufe die Drucksache 16/4995 auf: Senatsmitteilung zur Förderung der Kinder- und Jugendkultur in Hamburg.

[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 13./14./15. Dezember 1999 (Drucksache 16/3557) – Förderung der Kinder- und Jugendkultur in Hamburg – – Drucksache 16/4995 –]

Diese Drucksache wurde am 14. November 2000 im Vorwege dem Kulturausschuß zur Beratung überwiesen. Die GAL-Fraktion hat die Senatsmitteilung dennoch zur Debatte angemeldet.

Die CDU-Fraktion beantragt, die Drucksache mitberatend an den Schulausschuß und an den Jugend- und Sportausschuß zu überweisen.

Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Die Abgeordnete Steffen hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben die Senatsmitteilung zur Drucksache „Förderung der Kinder- und Jugendkultur in Hamburg“ vorliegen und sind der Auffassung gewesen, auch wenn wir jetzt die Gelegenheit haben werden, diese Drucksache ausführlich in mehreren Ausschüssen noch einmal zu beraten, daß wir hierüber doch wenigstens ein paar Worte verlieren sollten.

Kinder- und Jugendkultur ist wie Kinder- und Jugendarbeit etwas, was als Querschnittsaufgabe verstanden werden kann. Wir haben auch bei der hier vorgelegten Drucksache festgestellt, daß es eine umfangreiche Arbeit ist, die ein beeindruckendes Beispiel dafür gibt, wo schon Angebote und Einrichtungen von Kinder- und Jugendkultur existieren und was auf diesem Sektor von der Stadt schon angeboten wird, allerdings – wie man auch feststellen konnte – durchaus in der Zuständigkeit von mindestens zwei unterschiedlichen Behörden. Wenn man die Bezirke mit ihren zahlreichen Angeboten noch dazu nimmt, dann ist es vielfältig aufgeteilt, und das ist auch das Problem, wo es dann manchmal schwierig wird zu sagen, wie man dieses verknüpfen kann.

Sinn der Sache war, diese Verknüpfung herzustellen und ein Konzept einzufordern. Hier bleibt natürlich die Mitteilung leider etwas schuldig, weil gerade dieses Konzept so noch nicht steht, aber es zumindest angedeutet oder auch zugesagt wurde, daß dieses nun für 2002 passieren soll. Begrüßenswert zu dieser Drucksache ist auf jeden Fall, daß jetzt eine Landesarbeitsgemeinschaft eingerichtet

werden soll, die sich dieses Themas dann auch intensiver annimmt und genau diese Verknüpfung herstellen will.

Warum halten wir es für so besonders entscheidend, sich auch diesem Thema zu widmen? Zum einen fand ich es in der Drucksache interessant, daß hier noch einmal der Hinweis auf die Niederlande erfolgte, der deutlich machte, daß dort zum Beispiel auch eine Verknüpfung von Schule und Kinder- und Jugendkultur für das Rahmenprogramm von 2001 bis 2004 dargestellt wurde. Wir sollten uns überlegen, ob das nicht auch eine Aufgabe für uns sein kann, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Zum anderen ist es so, daß in dieser Bestandsaufnahme deutlich wurde, daß es eine inhaltliche Diskussion über Kinder- und Jugendkultur und Kulturpädagogik in der Stadt Hamburg in diesem Sinne bisher gar nicht gegeben hat, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, wie auch noch geschrieben wurde. Ich denke, gerade dazu sollten wir diese Drucksache als Anstoß nehmen.

Kinder- und Jugendkultur ist ein genauso wichtiger Faktor im Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen – wir hatten heute schon eine Debatte über die Kultur des Aufwachsens beim Bericht der Enquete-Kommission –, eine weitere Facette, die wir mit im Blick behalten und fördern sollten. Das wird auch aus der Drucksache und den Äußerungen der Menschen deutlich, die sich in diesem Bereich als Kulturschaffende und Kulturanbieter betätigen. In dem Moment, wo ich Erfahrung machen kann mit der Kultur, nicht nur mit dem Konsumieren, sondern auch mit dem eigenen Handeln, sei es im Theater, sei es in der Musik, wird auch Selbstsicherheit und Selbstfindung geboten. Selbstsichere Kinder und Jugendliche brauchen wir in dieser Stadt in jeder Beziehung.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Schilling.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Legislaturperiode haben SPD und GAL in ihrem Koalitionsvertrag einen Schwerpunkt Jugendkultur gesetzt. Ich komme darauf zurück, weil wir damals auf dem Höhepunkt der öffentlichen Diskussion zum Thema Jugendkriminalität waren. Viel mehr als jetzt, wo wir den Enquete-Bericht diskutieren, hat das im Wahlkampf 1997 eine Rolle gespielt, und Jugend kam in den Medien nur noch unter negativen Schlagzeilen vor.

Deswegen haben SPD und GAL zweierlei beschlossen: erstens die Enquete-Kommission und zweitens den Schwerpunkt Jugendkultur. Er sollte staatliche Aktivitäten bündeln, ihre Effizienz und Verbesserungsmöglichkeiten ausloten, und zwar nicht, weil wir der Meinung waren, es gäbe da zu wenig, sondern um einen besseren Überblick und mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu erreichen. Wir wollten damit deutlich machen, daß Hamburg Enormes leistet, um Kinder zu couragierten Demokraten zu erziehen und Jugendliche vor Perspektivlosigkeit und krimineller Energie zu bewahren, denn das sind, wie wir vorhin gehört haben, 95 Prozent.

Wir begrüßen es daher sehr, daß der Senat auf unser bürgerschaftliches Ersuchen vom letzten Dezember noch einmal rechtzeitig zum letzten Haushalt der Wahlperiode mit einer umfassenden Stellungnahme geantwortet hat, und ich empfehle sie Ihnen zur Lektüre. Die 50 Seiten sind

(Andrea Franken GAL)

wahrscheinlich neben dem PUA- und Enquete-Bericht etwas untergegangen, aber Sie werden beeindruckt sein.

Ziel muß es aus unserer Sicht sein, allen Jugendlichen, auch denen mit weniger Teilhabechancen, den Zugang zu kulturellen Traditionen zu ermöglichen, Entwicklungsspielräume für ihre kreativen Potentiale und Phantasien zu eröffnen und auch die Nachwuchsförderung zu betreiben. Der Kern all dieser Maßnahmen zielt, wie Frau Steffen schon gesagt hat, auf die Entfaltung eigener Identität und die Entwicklung eines individuellen Kulturverständnisses, denn das ist flankiert von Mut, Kritik, Neugier, Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten, der Chance für konstruktives Sozialverhalten, für eine erfolgreiche, mit positiven Zukunftserwartungen verknüpfte Integration in die Gesellschaft. Kultur ist die Idee, die wir alle, aber jeder individuell, vom gesellschaftlichen Zusammenleben haben, und somit Voraussetzung für die Lebendigkeit und Standfestigkeit unserer Demokratie.

Dem widerspricht nicht, daß Jugendkultur ein eher besonderes, irgendwie kritisches Verhältnis zur Gesellschaft hat, sei es, daß der 68er Generation der Anti-Kurs zum politischen System unterstellt wurde, die 78er als Alternative etikettiert wurden, die Jugend der 90er als Spaßgeneration X und schon wieder von der neuen Generation @ die Rede ist, die eher mit E-Mails als mit Pflastersteinen wirft.

Was ist denn eigentlich Jugendkultur? Hier jedenfalls wird deutlich, daß Jugendkultur, so wie sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, kaum jemals ein Bild gesellschaftlicher Realität vermittelt, sondern eine mediale Inszenierung ist. Die kommerzielle Vereinnahmung von Trends und Stilen durch die Werbung verstärkt diese Tendenz noch. Für politische Handlungsansätze ist das wenig brauchbar. Ebenso findet sich in den Bibliotheken und Buchhandlungen wenig substantielle Literatur zu dem Thema, aber auch in der Politik fehlt ein bißchen die Aufbruchstimmung für den Bereich. Wir selber sollten die Jugendkultur zu einem Thema in der Stadt machen und positiver kommunizieren. Ich bin ganz optimistisch, daß das mit diesem Bericht gelingt und er eine Initialzündung für eine neue jugendpolitische Debatte in der Stadt sein kann, denn bundesweit und auch in den Niederlanden gewinnt die kulturelle Bildung, die Kinder- und Jugendkultur, erheblich an Bedeutung.

Die vorliegende Bestandsaufnahme, die eine in keiner anderen deutschen Stadt vorhandene Vielzahl an Aktivitäten aufzeigt, soll nicht nur mehr Transparenz und Anhaltspunkte für eine bessere Koordination zwischen den Behörden und mit den Trägern bieten, sondern auch Grundlage für eine kritische Auseinandersetzung um die Qualität der Angebote, ihre Attraktivität und Akzeptanz sein.

Neben einer wünschenswerten Professur an der Hamburger Universität begrüßt die SPD die Idee einer neu zu gründenden Landesarbeitsgemeinschaft. Diese könnte eine zentrale Instanz bilden, bei der alle Fäden zusammenlaufen, was bei dieser Querschnittsaufgabe ja notwendig wäre. Sie könnte Ort einer konzeptionellen Weiterentwicklung sein, und mehr öffentliche Aufmerksamkeit und auch journalistisches Interesse – eben nicht immer nur, wenn es um Kriminalität geht – könnte der Kinder- und Jugendkultur eine verbesserte Informationsarbeit und auch Programmwerbung verschaffen. Vor allem das Infomaterial der vielen Freizeiteinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft könnte optisch etwas ansprechender gestaltet werden. Für Jugendliche, die eine Fülle an kommerziellen Szenemagazinen, Veranstaltungskalendern und Flyern haben,

könnte die Internet-Performance als gerade sie ansprechendes Medium verbessert werden.

Weniger vielfältig und übersichtlich ist dagegen das Kinderkulturprogramm. Eine große Bereicherung für Familien, Lehrer und in der Kinderarbeit Tätige wäre es hier, ein monatliches Periodikum zu haben, vielleicht als Beilage in einer Tageszeitung, um die unzähligen, teils aber nur regional bekannten Zielgruppen zugänglichen Terminankündigungen zu bündeln, aber auch Raum zu schaffen für Kritik, Artikel, Tips, Adressen und so weiter.

Das deckt sich im Prinzip gut mit einer Diskussion, die von der SPD Altona veranstaltet wurde und wo es zum Thema Kultur auch eine Arbeitsgruppe Jugendkultur gab, die erstaunlicherweise ebensogut besucht war, und erfreulicherweise die Diskussion mal nicht nur um mehr Geld ging, sondern um bessere Koordination, Bündelung, mehr Öffentlichkeitsarbeit, Information; das war ein ganz großes Bedürfnis.

Hierfür gibt die Senatsmitteilung einige Anregungen, und ich fände es gut, wenn wir nach der Diskussion in den Ausschüssen das noch einmal an die Bürgerschaft zurücküberweisen könnten, um dann bis zum nächsten Haushalt eine konzeptionelle Erneuerung zu erreichen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Harlinghausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erwachsene können täglich aus einem breitgefächerten Kulturangebot wählen, Kinder haben es nicht so gut. Allzu oft gibt es für sie nur das Vorabend-Programm des Fernsehens. Aber die Sinne brauchen komplexere Genüsse, um sich entwickeln zu können. Ohren und Augen müssen Muskeln kriegen und sich an Ungewohntem und Ungewöhnlichem ausprobieren. So wird der Blick auf die Welt reicher, lernen wir, sie auch aus anderen Perspektiven zu betrachten, können wir Phantasie entwickeln.

Dieses Zitat aus einer Darstellung des Vereins „KinderKinder e.V.“ beschreibt exakt die Verantwortung, die uns im Hinblick auf die Förderung der Kinder- und Jugendkultur auferlegt ist. Nicht ohne Grund ist die Förderung von Kultur gleich zu Beginn des Kinder- und Jugendhilfegesetzes als wichtiges jugendpolitisches Ziel formuliert. Die vorliegende Drucksache wurde schon im Vorwege an den Kulturausschuß überwiesen. Es scheint sehr sinnvoll, das Papier auch im Schul- und Jugendausschuß eingehend zu beraten. Ich hoffe, Sie stimmen unseren Überweisungsanträgen zu.

In der Kürze der bisher zur Verfügung stehenden Zeit war eine angemessene Befassung in den Arbeitsgruppen beim besten Willen nicht realisierbar. Warum die GAL sie zu diesem Zeitpunkt debattieren wollte, kann man sich denken. Das hat jedoch mit einer sachgerechten und angemessenen Befassung nichts zu tun.

(Manfred Mahr GAL: Womit denn? – Andrea Fran- ken GAL: Sondern?)

Die Stellungnahme des Senats gibt einen Überblick über die Hamburger Kulturlandschaft. Wenn sich die Autoren auch vielerorts zu viel des Weichzeichners bedient haben, so rosig, wie es in diesem Papier dargestellt wird, sieht die gegenwärtige Situation nun wahrlich nicht aus. Wenn man

(Elisabeth Schilling SPD)

sich in Erinnerung ruft, mit welchen immensen Schwierigkeiten zahllose Einrichtungen zu kämpfen hatten und haben, ist die Darstellung einer geradezu paradiesischen Kinder- und Jugendkulturszenerie alles andere als hilfreich. Vorhandene Defizite werden nur in Nebensätzen erwähnt, wie zum Beispiel im Abschnitt Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendtheaterförderung oder hinsichtlich der Nichtwiederbesetzung einer Professur mit der Ausrichtung auf Kunst- und Kulturpädagogik.

In Wirklichkeit haben wir es mit drastischen Einsparungen, aber auch mit eklatanten Versäumnissen und ideologischen Ausrichtungen zu tun. Hin und wieder kann man den Geist der 68er in dem Papier deutlich erkennen. Frau Steffen hatte auf diese Versäumnisse schon hingewiesen, dafür danke ich ihr. Am deutlichsten wird dies sicher im Bereich Schule. Schule hat den Auftrag, sinnliche Wahrnehmung und kreative Ausdrucksformen zu entwickeln; das ist auch ihr Bildungs- und Erziehungsauftrag. Diesem werden die Schulen in Hamburg jedoch immer weniger gerecht. Die geschilderten Projekte vom Schulorchester bis zur Big Band beruhen in erster Linie auf dem großen Engagement der Lehrerinnen und Lehrer, die bereit sind, einen nicht unerheblichen Teil ihrer Freizeit zu opfern, um gemeinsam mit den Schülern etwas auf die Beine zu stellen.

(Elisabeth Schilling SPD: Das ist doch toll!)

Diese Einsatzbereitschaft liegt weit über dem, was normale Dienstzeit ist, und geht weit über den Lehrplan hinaus. Das wird vom Senat in dem Papier mit keinem Wort gewürdigt. Vielmehr wird das, was dort fernab von Bürokratie und heute auch im zähen Ringen mit ihr erreicht wird, als Senatsleistung vereinnahmt. Eine fachlich qualifizierte Kulturarbeit erfordert eine qualifizierte Aus-, Fort- und Weiterbildung. Die jeweiligen Angebote müssen diesen besonderen Anforderungen Rechnung tragen.

Kulturarbeit mit und für Kinder und Jugendliche erfordert zum Teil anderes Hintergrundwissen und andere Vermittlungskompetenzen als die Kulturarbeit mit Erwachsenen. Mich würde interessieren, welches Gewicht die Kulturarbeit in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrer, Erzieher und Sozialpädagogen hat. Und selbst wenn sie ausreichend vermittelt würde, bliebe immer noch die Frage, wie mit vielen zu großen Gruppen in Kindertagesstätten, zu großen Klassen in Schulen und zu wenig Personal in den Jugendeinrichtungen eine qualifizierte Kulturarbeit erfolgen soll. Um so angespannter die Lage in den staatlichen Einrichtungen ist, um so höher ist die Bedeutung der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit, der Sportvereine und anderer Träger.

Sehr detailliert geht die Drucksache auf die Bedeutung der Häuser der Jugend, der Jugendzentren, der Jugendclubs und Mädchentreffs ein. Es wäre schön, wenn die Öffnungszeiten sowie die personelle und Sachausstattung de facto auch diesem Anspruch entsprechen würden.

Ähnliches gilt für die Schulen. Auch hier tun sich zwischen den sprachgewaltigen Schilderungen des Anspruchs und der Wirklichkeit, die sich eher minimalistisch ausnimmt, vielerorts Gräben auf.

Nehmen wir weiterhin die Öffentlichen Bücherhallen, deren Bedeutung der Senat mit Nachdruck herausgestellt hat. Wir hingegen erinnern uns noch schmerzhaft an die Reduzierung oder gar Schließung gerade in den sogenannten sozial benachteiligten Stadtteilen. Es war eben nicht die Partei, die sich so gerne zum Anwalt der Schwachen und Entrechteten macht, die den Menschen vor Ort zur Seite