Protocol of the Session on October 12, 2000

Sich angenommen zu fühlen – das bestätigen alle Studien –, ist die Grundvoraussetzung für Selbstvertrauen, und zu lernen anzunehmen, das ist die Grundvoraussetzung für Toleranz, egal wie anders der andere ist. Die daraus abzuleitende realistische Selbsteinschätzung mündet in ein positiveres Fähigkeitsselbstkonzept. So ergab es die Anhörung für Integration hier im Rathaus. Das sind Werte, meine Damen und Herren, die es verschmerzen lassen, dem Endbericht der wissenschaftlichen Begleitung zum Schulversuch zu entnehmen, daß die Leistung in Mathe und Deutsch in nicht integrativen Klassen größer ist.

Ich habe einen schwerbehinderten Sohn und eine nicht behinderte Tochter. Aus dem täglichen Zusammenleben mit

meinem mittlerweile siebzehnjährigen Sohn kann ich Ihnen versichern, daß nichts in seinem Leben, das er eines Tages ohne mich und ohne seine Lehrer führen muß, ihn so weit bringen wird wie sein Selbstvertrauen.Dieses konnte er nur entwickeln, weil er immer angenommen wurde, wie er ist, ohne Wenn und Aber. Die Tatsache, im Rollstuhl zu sitzen, ist für ihn lediglich eine Tatsache, die zu ihm gehört, wie viele andere Facetten seines Seins. Von dieser Erfahrung, die ich mit ihm machen durfte, konnte auch seine acht Jahre jüngere Schwester profitieren, denn durch diese Erfahrung wuchs auch sie mit diesem selbstverständlichen Ansatz auf, mit allen Eigenschaften, die sie mitbringt, als wertvoll erachtet zu werden. Das wünsche ich mir für alle Kinder!

(Beifall des ganzen Hauses)

Stehen in der integrierten Grundschule soziales Lernen, Einsichten in ein individuelles Leistungsvermögen, Toleranz und Akzeptanz im Vordergrund, so ist es in der herkömmlichen Grundschule vorwiegend der leistungsorientierte Gedanke der Konkurrenz. Auch das, ergab die wissenschaftliche Begleitung, gibt Anlaß zum Nachdenken und zeigt mir den eigentlichen Erfolg des Schulversuchs „Integrative Grundschule“.

Um diesen erfolgreichen Schulversuch als feststehendes Angebot weiterhin hilfreich zu begleiten, haben GAL und SPD den Antrag zum Schulausschußbericht erarbeitet, damit die Schulprogramme weiterhin im Sinne der Integration weiterentwickelt werden, damit der Etikettierung von Kindern diagnostische Kompetenz und geeignete individuelle Förderkonzepte entgegengesetzt werden und damit den integrativen Grundschulen ein flexibler Einsatz der Mittel im Sinne der individuellen Förderung eines jeden Kindes möglich gemacht wird. Das, liebe CDU, ist der Grund, warum Ihre Ergänzung abgelehnt wird. Es ist nämlich gar keine. Sie geht hinter diesen umfassenden Ansatz zurück.

(Wolfgang Beuß CDU: Aha!)

Es geht nämlich beim Integrationsgedanken gar nicht darum, behinderte Kinder durch besondere Maßnahmen an die Normalität anzupassen. Ein besonderes Anliegen ist, wie ich eben gesagt habe, die Nichtetikettierung der Kinder. Es steht sämtlichen entwicklungspsychologischen Ansichten entgegen, Kindern bei Eintritt in die Schule einen Stempel aufzudrücken. Den werden sie in der Regel nie wieder los. Sie verinnerlichen sowohl die darin vorgenommene Bewertung als auch deren Methoden der Kompensation. Daher haben wir den gleichen Vorschlag, den die CDU schon im Ausschuß als Petitum gebracht hat, als allgemeingültig und unzureichend zurückgewiesen.

(Wolfgang Beuß CDU: Da waren Sie ja gar nicht da!)

Auch wenn ich nicht da war, hat meine Kollegin, Frau Goetsch, meine Unterlagen und Auswertungen immer dabei gehabt. Da können Sie getrost sein.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Ja, so sind wir!)

Wo ich war? Bei den Beratungen zur KTH, das ist doch selbstverständlich. Damals haben die Ausschüsse noch zur gleichen Zeit getagt.

Doch auch ich sage, wir sind noch lange nicht am Ziel. Nur sehen wir andere Gründe dafür. Fatal ist nämlich vielmehr, daß der Bericht bestätigt hat, daß oft gegen das interschulische Selektionsverbot verstoßen wurde. Ich hoffe, unser Antrag ermöglicht besonders durch die Punkte 2 und 3 den

(Sonja Deuter GAL)

nächsten Schritt, daß Kinder aufgrund oder wegen der Art ihrer Behinderung nicht von den Integrationsbestrebungen ausgegrenzt werden. Ziel muß sein, daß Eltern behinderter Kinder wirklich die Wahl haben, ob ihre Kinder eine Sonderschule oder eine integrative Schule besuchen. Solange auch nur ein angemeldetes Kind aufgrund fehlender Plätze oder zum Beispiel aufgrund von Elternprotesten abgewiesen wird und ein Quereinstieg aus diesem Grunde nicht möglich ist, solange auch nur ein inkontinentes Kind im Rollstuhl aufgrund seiner Behinderung von unserem gemeinsam erklärten Ziel, niemand dürfe aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden, ausgeschlossen wird, liegt zwar ein erfolgreich bewältigter Weg hinter uns, aber ein großes Stück sehr steiniger Weg noch vor uns. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.Wir kommen zur Abstimmung.

Wer den CDU-Antrag 16/4908 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich lasse über den Antrag 16/4892 abstimmen.Wer diesen annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist dieser Antrag angenommen. Im übrigen hat die Bürgerschaft Kenntnis genommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 54 auf:Antrag der CDU-Fraktion zu Kündigungsfristen bei stadteigenen Mietwohnungen.

[Antrag der Fraktion der CDU: Verkürzte Kündigungsfristen von stadteigenen Mietwohnungen beim Umzug in Seniorenwohnanlagen und Pflegeeinrichtungen – Drucksache 16/4723 –]

Diesen Antrag möchte die SPD-Fraktion zur federführenden Beratung an den Bau- und Verkehrsausschuß und zur Mitberatung an den Sozialausschuß überweisen.Von wem wird das Wort gewünscht? – Herr Forst, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Die CDU ist natürlich nicht nur für verkürzte Kündigungsfristen bei Senioren, wir sind natürlich auch für verkürzte Redezeiten bei den letzten Debatten und Flexibilisierung dieser Beiträge.

Worum geht es im Kern der Sache? Es geht darum, daß wir im Grunde genommen soziale Härten durch Doppelbelastungen vermeiden wollen, denn unverhofft kommt allzuoft. Wir erleben es immer wieder, daß insbesondere ältere Mitbürger – sei es durch akute Erkrankungen oder auch Unfälle – ins Krankenhaus kommen und im Anschluß an eine Rehabilitationsmaßnahme in eine Pflegeeinrichtung eingewiesen werden. Hier ergeben sich in der Tat Probleme, wenn wir die Bindung der Mietverträge sehen. So entstehen natürlich bei einer unflexiblen Kündigungsfrist eines Mietvertrages erhebliche Zusatzbelastungen und möglicherweise soziale Härten.Von daher wäre es also sinnvoll und hilfreich zugleich, wenn bei der Ausgestaltung der Mietverträge stadteigener Wohnungen, Herr Wagner, eine Klausel geschaffen würde, die es mit einem gewissen Rechtsanspruch möglich macht, daß diese Kündigungsfristen flexibilisiert sind und verkürzt werden. Somit könnten für

Senioren bei einer zeitnahen Überweisung in eine Pflegeeinrichtung oder in eine Seniorenwohnanlage soziale Härten erspart bleiben.

Herr Senator Wagner, Sie haben nicht immer den besten Ruf als Senator dieser Stadt. Wir kennen Sie als den „Beton-Eugen“, wir kennen Sie als den „Stau-Wagner“. Sie können heute Entscheidendes tun, um nicht noch zusätzlich das Image des Senators der sozialen Kälte auf sich zu ziehen. Sie können nämlich dafür Sorge tragen, daß dieser Antrag mit Leben erfüllt wird. Er ist richtig, er ist sinnvoll, auch wenn er von der Opposition kommt. Sie sollten diesem Antrag in der Form und seinem Petitum zustimmen, spätestens in den Ausschußberatungen.Die Senioren werden es Ihnen danken. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Baar.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Forst, es hört sich gut an, was Sie hier vorbringen. Nur, es war ein bißchen zu einfach. Ich möchte in die Thematik der Mietverträge und der Kündigungen eingehen, denn viele in diesem Hause stecken nicht so in der Thematik, aber das gehört einfach dazu. Man muß wissen, wie lange Mietverträge gelten.Dann muß man sich darüber unterhalten, wie und wann die gekürzt werden können.

(Antje Blumenthal CDU:Können wir alles im Sozial- ausschuß machen!)

Nein, nicht nur im Sozialausschuß.

Lassen Sie mich kurz auf die Diskussion eingehen, die zur Zeit in der Bundesrepublik läuft.

Es gibt den Referentenentwurf, der zur Novellierung des Mietgesetzes einiges aussagt. Der sagt: Wir wollen eine Verbesserung des Mietrechts für den Mieter, der beispielsweise acht oder zehn Jahre in der Wohnung lebt, indem wir das Mietrecht verkürzen.

Sie können ruhig abwinken, aber hier soll das Mietrecht auf ein halbes Jahr verkürzt werden. Ich sage dieses so pauschal – das ist sicher in Ihrem Sinne, wenn das auch in Berlin von einer anderen Regierung gemacht wird –, hier wird verkürzt und hier gilt der Mieterschutz.

Lassen Sie mich kurz darauf eingehen, wie das in Hamburg ist, denn das ist ja das Interessante. In Hamburg gelten bei allen Mitgliedern des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen beziehungsweise des Gesamtverbandes Mietverträge – sie sind vom Kartellamt und richterlich überprüft und werden nicht angezweifelt – zugunsten des Mieters für ein Vierteljahr und zugunsten des Vermieters für ein halbes Jahr. Das heißt, wir haben in Hamburg gegenüber anderen Bundesländern bei den Mitgliedern des Verbandes – dazu gehören auch die städtischen Gesellschaften – verkürzte Mietverträge.

In Ihrem Antrag sprechen Sie in der Überschrift von stadteigenen Mietwohnungen – die SAGA, die GWG müssen erst einmal ran –, und weiter unten schreiben Sie von der Hamburger Wohnungswirtschaft. Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Warum sagen Sie nicht gleich die Wohnungswirtschaft insgesamt? Wir können nicht immer nur sagen, die einen sollen das, und dann verzerren wir den Wettbewerb völlig. Die SAGA ist gut dafür, daß sie verkauft wird, daß sie angemacht wird, und auch gut dafür, wenn sie gemolken werden muß, und die anderen lassen wir

(Sonja Deuter GAL)

draußen vor. So geht das nicht. Hier muß ein fairer Wettbewerb her.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich lese Ihnen aus dem Hamburger Mietvertrag für Wohnraum vor, ausgestellt vom Grundeigentümerverband:

„Zwölf Monate bei Überlassung des Wohnraums seit mehr als zehn Jahren.“

Danach hat der Mieter, wenn er länger als zehn Jahre in seiner Wohnung lebt, zwölf Monate Kündigungszeit. Jetzt haben wir in Hamburg bei den Verbandsmitgliedern ein Vierteljahr. Das ist eine wesentliche Reduzierung, die positiver gegenüber den privaten Vermietern aussieht. Könnten Sie vielleicht sagen, ich mache mich auf die Socken und rede mit denen? Ich verspreche Ihnen, ich überrede auch die Privaten, daß die das auch machen. Das wäre ein Wort von Ihnen. Nur, das haben Sie mit keinem Wort gesagt. Sie haben nur gefordert: Senator, sorge dafür, daß die SAGA etwas macht.

Nun gibt es aber weitere Probleme. Es geht nicht nur um die ältere Dame, die noch ein bißchen Geld hat, und daß ein Teil ihres Vermögens weggeht, weil sie eventuell noch für drei Monate Miete bezahlen muß. Wir müssen auch über andere reden, zum Beispiel über Sozialhilfeempfänger. Hier haben wir die Klausel der drei Monate schon drin.

(Rolf-Rüdiger Forst CDU: Wer bezahlt denn die?)

Aber Sie erzählen das nicht. Auch dafür ist gesorgt, daß die drei Monate ihre Miete bekommen.

Sie reden davon, die Kündigungszeit müsse verkürzt werden. Haben Sie sich schon einmal eine Wohnung angesehen, in der ältere Leute lange Jahre gewohnt haben und dann über Krankenhausaufenthalt auf die Pflegestation kommen? Die Wohnung kann tiptop sein, aber sie kann auch in dem Zustand sein, daß man lange Zeit braucht, um sie wieder herzurichten. Aber Sie sagen, die SAGA macht nichts, die haben sowieso kein Geld. Sollen die sich das auch noch auf den Buckel nehmen, bei den Privaten gehen wir nicht ran, denn das schmälert den Verdienst. Dazu fehlt eine Aussage von Ihnen.

Mit keinem Wort erwähnen Sie, wie wir dieses machen wollen.Wer soll dieses prüfen? Das wäre wichtig zu wissen.Ab wann soll das gehen? Auch das wäre wichtig. Soll man grundsätzlich sagen, das betrifft den, der alt ist? Und dann gucken wir uns den an und sagen, der ist alt, bei dem ist es notwendig, oder sagen wir, das gilt ab 70 oder 75? Sie können noch so viel nicken, das sind Fragen, die man sich überlegen muß, bevor man einen solchen Antrag stellt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Angenommen, wir würden diesen Antrag heute annehmen, gibt es dann diese Fragen nicht mehr? Soll die Verwaltung das alles klären? Wollen wir einen politischen Antrag machen, oder wollen wir sagen, Verwaltung, mach unsere Arbeit? So geht das nicht, das ist zu einfach.