Protocol of the Session on September 20, 2000

Das Wort erhält der Abgeordnete Jobs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte von Kindern und Jugendlichen stärken ist ein Thema, mit dem wir uns immer wieder befaßten. Wenn wir uns mit Jugendhilfe und den tatsächlichen Interessen von Kindern und Jugendlichen befassen, sind wir hier einer Meinung, daß es tatsächlich sehr viel Nachholbedarf in dieser Stadt gibt.

Insofern bin ich ein bißchen unsicher, Herr Kahlbohm, ob wir eigentlich über dieselbe Drucksache reden. Das, was Sie hier an Zufriedenheit mit den tatsächlichen Beteiligungsmöglichkeiten präsentiert haben, kann ich nicht einmal in der Drucksache wiederfinden und darüber hinaus in der Realität natürlich noch viel weniger. Dementsprechend stellt sich das Ganze aus unserer Sicht ein bißchen anders dar, denn geregelte Verfahren zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gibt es in den Bereichen Jugendhilfe und Schule wirklich nur ansatzweise. In allen anderen Politikfeldern sind sie – wie wir in der Drucksache immer wieder lesen können – Zitat: „nicht vorgesehen“. Selbst die Interessenvertretungen für Kinder finden nur teilweise statt. Das unschöne Beispiel für damit verbundene Ergebnisse für Kinder sind die Vorgaben im öffentlich geförderten Wohnungsbau, die Kindern gerade einmal 8 Quadratmeter Wohnfläche zugestehen, weniger als Autos zugestanden wird. Herr Kahlbohm, wie Sie damit zufrieden sein können, ist und bleibt mir ein Rätsel.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU)

Gerade in den Bereichen Verkehrs- und Stadtplanung fehlen geregelte Verfahren, wie sich die Betonherren in dieser Stadt mit den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen und wie sie sie darüber hinaus möglicherweise auch noch beteiligen. Da gibt es gewaltigen Nachholbedarf.

Auch die Einschätzung der Jugendhilfeausschüsse ist ernüchternd. Die Beteiligung der Jugendhilfeausschüsse an bezirklichen Planungen funktioniert bislang völlig unzureichend. Wie die Jugendhilfeausschüsse Kinder und Jugendliche in geeigneter Weise beteiligen und beraten sollen, darüber fehlt jede Aussage. Es scheint nicht stattzufinden.

A C

B D

Wie ein roter Faden zieht sich durch den Bericht, daß die einzelnen Beteiligungsmöglichkeiten überhaupt in irgendeiner Art und Weise in ein Konzept münden. Dafür braucht es aber auch einen politischen Willen, Kinder und Jugendliche konsequent zu beteiligen. Das wird aus der Drucksache nicht deutlich und scheint in der Politik des Senats nicht präsent zu sein.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt Senator Dr. Maier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Harlinghausen, Sie haben im Grunde mit Hohn und Schmäh versucht zu sagen, was in der Stadt zugunsten der Kinder getan wird, ist gar nichts, es wird nur geredet.

(Rolf Harlinghausen CDU: Da ist eine große Dis- krepanz zwischen der Drucksache und der Rea- lität!)

Erstens ist das nicht richtig. Im Anhang zur Drucksache sind 45 konkrete Projekte angeführt, dieser Spielplatz, jene Verbesserung. Aber ich stimme Ihnen in gewisser Weise zu.Diese Drucksache ist von Leuten aus den Behörden gemacht worden, denen das Thema Kinder und Jugendliche ganz besonders wichtig ist. Man merkt an verschiedenen Punkten, daß sie sich richtig Mühe gegeben haben herauszufinden, was dort getan worden ist, wie man verbessern kann, wie man Leute besser heranziehen kann. Das sind Leute gewesen aus der Schulbehörde, aus der Umweltbehörde, aus der Baubehörde, aus unserer Behörde, ein ziemlicher Querschnitt durch viele Behörden hinweg.

Dennoch, wenn ich das lese und mich an meine eigene Kindheit erinnere, dann denke ich, was sind das doch für arme Kinder.Dann frage ich Sie aber, warum sind das denn so arme Kinder? Weil der Imperialismus der Erwachsenen ihnen die Stadt weggenommen hat.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei Heike Sud- mann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ich bin im Jahr 1942 geboren. Die frühesten Erinnerungen setzen gegen Ende des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein. Ich weiß, da hatten wir Hunger, da war es häufig kalt, aber die Stadt gehörte zumindest zu gleichen Teilen den Kindern wie den Erwachsenen. Die Trümmer gehörten sogar uns alleine. Die Straßen, die Bürgersteige, die öffentlichen Plätze, alles das war Kindermöglichkeit. Heute müssen die Kinder – oder manche Erwachsene stellvertretend – darum kämpfen, daß irgendwelche kleine Grünflächen für sie als Kinderspielplätze eingeräumt werden, und Mütter müssen hin- und herfahren und die Kinder kutschieren, damit sie die Grünflächen abwechselnd erreichen.Aber weswegen denn? Weil das, was wir früher mit Erwachsenen gemeinsam nutzen konnten, nämlich die ganze Stadt, inzwischen überhaupt nicht mehr gemeinsam nutzbar ist. Die Fahrbahnen nehmen Sie in Anspruch und demonstrieren auch noch dafür.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Gleichzeitig stellen Sie sich hier hin und quengeln und sagen, den armen Kindern wird alles weggenommen. Das sind wir doch selber, die das tun

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke – Holger Kahlbohm SPD: Jawohl!)

und anschließend sagen, es wird nicht genügend von seiten der Stadt getan. Dagegen kann gar keine Stadt anarbeiten, was jedes Jahr durch neue Autozulassungen und neue Autoverkehre weggenommen wird. Das ist einfach so und wird durch zusätzliche Plätze hier und dort nicht besser.

Die Leute haben ja recht.Die Kinder müssen in die Planung rein, aber trotzdem sind es arme Kinder. Das hatten wir überhaupt nicht nötig, solch einen Quatschplanungsprozeß. Wir sind nachmittags rausgegangen und waren dann für etliche Stunden verschwunden. Wie wir die Stadt, die Straßen und die Trümmer genutzt haben, war völlig unsere Sache, mit keinem Stadtplaner besprochen. Die Sache wurde erst schwieriger, als die Stadtplaner die Gebäude aufrichteten.Natürlich kann man nicht jetzt sagen, wo bleibt die RAF, ich meine Royal Air Force, nicht die andere.

(Heiterkeit bei der GAL)

Es ist natürlich klar, daß das eine Sondersituation war. Trotzdem muß man sich einmal vergegenwärtigen, wenn man ehrlich zum Thema Kinder reden will, was hier eigentlich los ist, und nicht auf die Verwaltung losschimpfen, die mühsam versucht, ein Stückchen Raum zu schaffen, und dabei den Versuch macht, Kinder mit einzubeziehen. Sie wissen ganz genau, wenn Sie sich hier umgucken, das ist aber überall so, wo so hochpolitisch geredet wird, wenn solch ein Thema drankommt, wird das nie als hartes Thema genommen. Dazu dürfen dann die Leute aus den hinteren Reihen sprechen.Das ist dann eher ein nicht ganz so wichtiges Thema. In diesem Haus werden meistens andere, sozusagen finanzträchtigere Themen viel wichtiger genommen, und gleichzeitig wird dann mit Emphase gesagt, der Senat macht da zuwenig.

Man kann nicht sagen, Berücksichtigung von Interessen der Kinder unmittelbar und mittelbar in der Planung muß sein, und sich gleichzeitig hinstellen und sagen, wir machen eine Demonstration dafür, daß die Erdölvorräte der Welt in dieser Generation billig und schnell verpulvert werden können, und wer dabei nicht mitmacht, handelt gegen Volksinteressen.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über den Überweisungsantrag abstimmen.

Wer möchte die Senatsmitteilung 16/4685 an den Jugend- und Sportausschuß überweisen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dies einstimmig geschehen.

Bevor ich nunmehr den Tagesordnungspunkt 4 aufrufe, teile ich Ihnen mit, daß die Fraktionen und die Gruppe darin übereingekommen sind, zu den Tagesordnungspunkten 59 „Personalpolitik für Lehrerinnen und Lehrer“ und 28 „Nationalpark Wattenmeer“ keine Debatten mehr durchzuführen.

Ich rufe sodann den Tagesordnungspunkt 4 auf: Drucksache 16/4304: Große Anfrage der GAL zur Wirtschafts- und Umweltkriminalität.

(Lutz Jobs REGENBOGEN – für eine neue Linke)

[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Wirtschafts- und Umweltkriminalität – Drucksache 16/4304 –]

Hierzu wird das Wort gewünscht. Der Abgeordnete Mahr bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wirtschafts- und Umweltkriminalität bewegen die Öffentlichkeit gemeinhin nur, wenn spektakuläre Einzelfälle die Gemüter erhitzen und eine Herstellung von Öffentlichkeit unvermeidlich ist.Ansonsten bestimmen – auch hier im Parlament – leider eher Straßen- und Jugendkriminalität die Debatte, während man sich an das in weiten Teilen äußerst komplizierte Thema der sogenannten Weiße-Kragen-Kriminalität kaum herantraut, es sei denn, man reduziert die Gesamtproblematik, wie kürzlich die CDU, darauf, ob bei der Staatsanwaltschaft und bei der Polizei genug Vollzugsdienststellen vorgehalten werden. Meine Fraktion möchte sich diesem Thema etwas anders nähern und hat deshalb diese Große Anfrage vorgelegt.

Wenn die auf Fachtagungen von Kennern der Problematik in die Debatte geworfenen Schadenssummen nur annähernd stimmen sollten, dann müssen wir davon ausgehen, daß es unserem Sozial- und Bildungssystem wesentlich besser gehen könnte, wenn wir in der Lage wären, die jährlich durch Wirtschafts- und Umweltkriminalität entstandenen volkswirtschaftlichen Schäden nur um die Hälfte mindern zu können. Das sollte uns doch eigentlich alarmieren.

Der Senat hat sich bei der Beantwortung der Großen Anfrage ohne Zweifel sehr viel Mühe gegeben, vorhandene Informationen zur Verfügung zu stellen. Insofern kann diese Drucksache in gewisser Weise als eine Art Kompendium des Status quo angesehen werden, an dem wir künftig bei parlamentarischen Initiativen nicht vorbeikommen.

Ein Ergebnis möchte ich vorwegnehmen. Es wird durch die Beantwortung der Großen Anfrage deutlich, was in Hamburg in diesem Bereich von Politik und Verwaltung geleistet wird.Die Antworten des Senats machen aber auch klar, wo noch Niemandsland ist und die besonderen Deliktsformen krimineller Geschäftsgebaren eine wirkungsvolle Antwort von Politik geradezu herausfordern.

Der Vorwurf trifft den Senat allerdings nur insofern, als vergleichbare Anfragen in anderen Bundesländern – egal, welche politische Farbenlehre dort die Regierung stellt – wahrscheinlich ähnlich mager ausfallen würden. Hier wird Politik ansetzen müssen. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn wir hier in der Bürgerschaft in eine gesunde Konkurrenz eintreten würden, die sich mit guten Vorschlägen gegenseitig zu überbieten trachtet.

Der GAL-Fraktion geht es vor allem um Straftaten, um Verhaltensweisen im rechtlichen Graubereich, die von vordergründig respektablen Geschäftsleuten begangen beziehungsweise an den Tag gelegt werden.Es handelt sich zum Beispiel um Delikte, wie Korruption oder Subventionsbetrug, die im Interesse von Unternehmen begangen werden und darauf zielen, im wirtschaftlichen Wettbewerb mithalten zu können oder dem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen oder um Delikte, wie Anlagebetrug – begangen von Unternehmen im Finanzdienstleistungsbereich –, die zunehmend auch Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und geringen Einkommen schädigen.

Meine Damen und Herren! Die Ermittlungen solcher Straftaten gestalten sich besonders schwierig, weil die Strafta

ten häufig in legale Abläufe des Wirtschaftslebens eingebunden sind und die Verantwortlichen im rechtlichen Graubereich agieren. Strafverfolgung allein kann diesem Phänomen des modernen Wirtschaftslebens nicht Herr werden. Darüber sind wir uns, denke ich, einig. Uns geht es deshalb auch darum, Möglichkeiten der Prävention auszuloten.

Als ein Ergebnis der Großen Anfrage muß festgehalten werden, daß zu den Fragestellungen, die uns insbesondere interessierten, leider außergewöhnlich wenige Erkenntnisse vorliegen beziehungsweise überhaupt keine geordnete Erkenntnissammlung stattfindet. Soweit unsere Fragen beantwortet werden konnten, stammen diese Antworten – wen wundert es – fast ausschließlich aus Erkenntnissammlungen der Strafverfolgungsbehörden. Für die Festlegung von Schwerpunkten in der Kriminalpolitik ist es nicht unerheblich zu wissen, welche tatsächlichen Schäden durch welche Delikte entstehen. Dem Senat stehen aber leider – wie wir erfahren haben – keine Informationen darüber zur Verfügung, in welcher Höhe der öffentliche Haushalt durch Wirtschaftsdelikte geschädigt wird oder/und ob den Schäden, die dem Haushalt durch Wirtschaftskriminalität entstehen, durch die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden bisher wirksam begegnet werden konnte. Besonders interessant wäre dies im Hinblick auf die Schadensverursachung durch Unternehmen, da es sich hier um größere Schadenssummen handeln dürfte.

Kommen wir zu einzelnen Delikten.Subventionsbetrug.Der Senat konnte weder mitteilen, wie viele Fälle dieses Deliktes zum Nachteil der Freien und Hansestadt Hamburg seit 1994 überhaupt verfolgt worden sind, noch konnte er Fragen beantworten, die sich möglicherweise mit strukturell bedingten Defiziten auseinandersetzen.

Hinsichtlich des Dunkelfeldes beim Subventionsbetrug liegen laut Auskunft des Senats keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor. In Zeiten, in denen wir es mit Einsparungen im öffentlichen Haushalt zu tun haben, die für jeden Bürger und jede Bürgerin spürbar sind, ist es eigentlich nur schwer nachvollziehbar, warum ein Delikt, das den öffentlichen Haushalt doch unmittelbar schädigt, so wenig von Interesse ist.

Zur Korruption. In den vergangenen Jahren sind vielfältige Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung entwickelt worden, die auch sehr häufig zu Erfolgen geführt haben. Das ist zu begrüßen. Der Senat hat hierüber wiederholt berichtet, aber auch im Hinblick auf diesen Deliktsbereich zeigen sich leider Informationsdefizite.So stehen dem Senat keine abrufbaren Informationen darüber zur Verfügung, welche Teile der hamburgischen Verwaltung von diesen Problemen besonders betroffen waren oder sind.

Hessen hat 1995 ein sogenanntes Antikorruptionsregister eingeführt, in das Unternehmen aufgenommen werden, die nachweislich eine schwere Verfehlung, zum Beispiel in Korruption, begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit in Frage stellt.Laut Antwort des Senats sind in Hamburg in lediglich zwölf Fällen gemäß den Vergabebedingungen Korruptionsvorwürfe gegen Unternehmen zutage getreten. Dies hat in keinem Fall zum Ausschluß von Unternehmen im Vergabeverfahren geführt. Es bleibt fraglich, ob alle Mittel der Aufklärung und der Einflußnahme auf Unternehmen genutzt werden, um Korruption zu bekämpfen. So hat die hamburgische Verwaltung bei bundesweiten Ausschreibungen bisher darauf verzichtet, bei der Zuverlässigkeitsprüfung auf das hessische Antikorruptionsregister zurückzugreifen.Warum eigentlich? Auf die Einführung eines ent

(Vizepräsident Berndt Röder)

sprechenden Registers in Hamburg wurde nach Auskunft des Senats bisher von der zuständigen Finanzbehörde unter anderem wegen der geringen Fallzahl verzichtet.Dieses ist meines Erachtens eine etwas verengte Sichtweise.

Angesichts der Informationsdefizite des Senats zum Thema Korruption im wirtschaftlichen Interesse von Unternehmen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß es sich tatsächlich nur um wenige Fälle handelt. Zudem sollten wir bei dieser Fragestellung nicht nur in den engen Grenzen unserer Stadt denken, denn diese Delikte machen bekanntlich nicht an den Stadtgrenzen halt. Deshalb wäre angesichts der internationalen Bemühungen zur Bekämpfung der Korruption die Einführung eines bundesweiten Antikorruptionsregisters als Mittel der Kontrolle und Sanktionierung von Unternehmen durchaus wünschenswert.