Protocol of the Session on March 1, 2000

„Wie stellt sich demgegenüber die Insolvenzentwicklung im Handwerk dar?“

wurde vom Senat wie folgt geantwortet:

„Angaben über die Insolvenzentwicklung im Handwerk können nicht gemacht werden.“

In meiner telefonischen Anfrage bei der Kammer habe ich darauf hingewiesen, daß darüber Unterlagen vorhanden seien. Die Antwort der Kammer lautete:

„Wir haben sogar detaillierte Angaben gemacht.“

Die Frage, wie viele Mitarbeiter eventuell ausscheiden, konnte natürlich nicht genau nachvollzogen werden, weil diese schnell in anderen Betrieben unterkommen. Aber die Zahl von 50 bis 60 Insolvenzen ist nicht nur gefallen, sondern auch detailliert dargelegt worden. Darum wiederhole ich meinen Vorwurf, daß die Antwort des Senats unwahr ist.

Zu der Statistik über Eigenkapital: Die Banken sind sehr wohl in der Lage, diese Statistiken mitzugestalten. Wenn ich höre und sehe, wie viele Aufträge für Umfragen von diesem Haus erteilt werden und wieviel Geld das kostet, dann wäre es sicherlich eine nützliche Überlegung, ob eine sol

che Umfrage für die Wirtschaft in Hamburg nicht ein guter Ansatz wäre. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Müller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zu den Statistiken etwas sagen. Bei meiner Anfrage zu dem Gründungsgeschehen in Hamburg gab es eine ähnliche Situation.

Herr Senator, Sie sagen, die Betriebe würden über zuviel Bürokratie klagen und könnten daher keine bessere Statistik liefern; das ist ein wenig verkürzt dargestellt. Wir kennen die Klagen der Unternehmen über zuviel Bürokratie. Aber es geht hier um andere Dinge als um Statistiken.

(Beifall bei Jürgen Mehlfeldt CDU)

Es geht nämlich im wesentlichen um das Genehmigungsverfahren für Erweiterungen, für Schilder und so weiter und nicht um Statistiken. Ein kleiner Hinweis: Es wird schon viel erhoben, aber nicht alles ausgewiesen. Hier gibt es eine Diskrepanz, und die sollte ernst genommen werden. Beispielsweise wird in Berlin die Frage nach dem Anteil der Frauen bei Firmengründungen ausgewiesen, ohne daß dieser zusätzlich abgefragt wurde. Beim Handwerk ist das – wie wir in der Antwort gesehen haben – auch möglich.

Die Führung einer Statistik über die Versorgung der Betriebe mit Eigenkapital ist Aufgabe der Handwerkskammer, denn sie führt Gründungsberatungen durch. Sie kann uns nicht erzählen, daß sie kein Bild darüber hat, wie die Situation aussieht. Machen Sie doch einmal eine Studie über die Kapitalbeschaffungen aller Unternehmensgründer in den letzten Jahren. Die Haspa, mit der sie sich verbünden könnte, hat daran bestimmt auch ein Interesse. Diese Studie wäre interessant und hilfreich; die Durchführung liegt aber im Aufgabenbereich der Handwerkskammer.

Bei den öffentlichen Aufträgen möchte ich den Senator unterstützen, der hinreichend die Klagen der Unternehmen kennt. Es gibt sicher auch in dem einen oder anderen Fall Probleme, was die Generalunternehmer betrifft. Aber es gibt auch die Probleme, daß sich das Handwerk noch nicht mit ganzer Kraft auf die Entwicklung der Bietergemeinschaften konzentriert hat. Auch das ist die Aufgabe der Handwerkskammer, die – so steht es auch in der Antwort des Senats – daran zwar schon arbeitet, aber offensichtlich noch nicht ausreichend genug. Ich bitte daher, die Anstrengungen zu verstärken und nicht immer nur das Klagelied gegenüber dem Senat anzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Ahrons.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Mit dieser Großen Anfrage hat sich die SPDFraktion wieder einmal zum willigen Helfershelfer des Senats machen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Demnach müßte es dem Handwerk in Hamburg goldig gehen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die Rede des Präsidenten der Hamburger Handwerkskammer, Peter

(Senator Dr. Thomas Mirow)

Becker, auf der Jahresschlußversammlung verfolgt und auch verstanden hätten,

(Dr. Martin Schmidt GAL: Lieber nicht!)

dann hätten Sie den Senat nicht nur mit dem Zusammentragen von statistischem Material belastet, sondern ihn mit den zentralen Problemen der Handwerkerschaft befaßt. Sie hätten ihn zu einem klaren Bekenntnis zum Handwerk gezwungen.

Wie gleichgültig der Senat das Hamburger Handwerk in Wahrheit sieht, wird an einer anderen Stelle deutlich. Schon im Juni 1999 hat die Wirtschaftsministerkonferenz einstimmig – also mit der Stimme Hamburgs – ihre Sorge darüber zum Ausdruck gebracht, daß Kommunen ohne ein rechtfertigendes öffentliches Interesse immer mehr in Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen treten. Hierdurch werden vor allem kleinere und mittlere Unternehmen durch Wettbewerbsverzerrungen vom Markt verdrängt. Aber – das ist für unsere heutige Debatte besonders interessant – die Bundesländer wurden beauftragt, einen detaillierten Bericht für die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen und deren Auswirkungen auf das Handwerk und den Mittelstand bis Ende November vorzulegen. Dieser Bericht liegt meines Wissens bis heute nicht, zumindest nicht vollständig vor. Genaueres werden wir vom Senat sicherlich nächste Woche auf meine Schriftliche Kleine Anfrage zu diesem Thema erfahren.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Ganz bestimmt!)

Einen Vorgeschmack darauf hat uns der Senat aber mit seiner Antwort auf diese Große Anfrage gegeben. Auf die Frage, wie viele öffentliche Unternehmen in welchem Umfang Handwerksleistungen für den freien Markt erbringen, antwortet der Senat lapidar in drei Zeilen – ich zitiere –:

„Ein Teil öffentlicher Unternehmen erbringt entsprechende Leistungen, die in Übereinstimmung mit den Wettbewerbsregeln stehen. Konkrete Zahlen werden aus Gründen der Bewahrung von Unternehmensinterna nicht genannt.“

Ich kann mich Herrn Hackbusch nur anschließen. Wir Parlamentarier haben ein Recht auf die korrekte Beantwortung dieser Frage und lassen uns vom Senat auf diese Art und Weise nicht abspeisen, schon gar nicht bei einem so wichtigen Thema.

(Beifall bei der CDU)

Eine Stellungnahme hierzu erwarte ich spätestens bei der Debatte über den in der letzten Wochen erstellten Beteiligungsbericht.

Daß Rotgrün auf Handwerk und Mittelstand in keiner Weise Rücksicht nimmt,

(Farid Müller GAL: Ja!)

wird auch in Anbetracht der drohenden Unternehmensteuerreform deutlich. Daß der Senat in seiner Antwort auf die Große Anfrage zu der Frage XI über Auswirkungen bundespolitischer Entscheidungen weitestgehend schweigt, kann ich ausnahmsweise verstehen. Denn schon der Ansatz von Eichels Unternehmensteuerreform ist mittelstandsfeindlich und damit auch handwerksfeindlich.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Was haben Sie denn vorher gemacht?)

Grund hierfür ist, daß die Masse der deutschen Unternehmen und insbesondere die im Handwerk vorherrschenden

Personengesellschaften und Einzelunternehmen nur durch ein kompliziertes Optionsmodell mit beträchtlichem Verwaltungs- und Beratungsaufwand den gesunkenen Körperschaftsteuersatz überhaupt in Anspruch nehmen können. Hier wird die steuerpolitische Unkenntnis der rotgrünen Koalition im Berliner Reichstag deutlich, wenn nach monatelangem Herumbasteln eine Reform herauskommt,

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Sie haben jahrelang nur rumgebastelt!)

die gerade einmal einer Handvoll Unternehmen eine steuerliche Entlastung bringt.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Die steuerliche Entlastung der Großkonzerne wird zu Lasten des Mittelstandes ausgetragen.

(Oh-Rufe bei der SPD)

Sie werden sich bei den Arbeitsplätzen wundern. Sie schreien doch jetzt schon, daß vom Mittelstand nicht genug Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden. Was meinen Sie denn, wo dieses Problem entsteht?

Die rotgrüne Bundesregierung hat im Prinzip sogar schon öffentlich zugegeben, daß die Unternehmensteuerreform aus dieser Sicht gescheitert sei. Nach ihrer Prognose sind de facto 90 Prozent aller Personengesellschaften und Einzelunternehmen von der Unternehmensteuerreform ausgeschlossen. Ihre zunächst optimistische Einschätzung, daß jedes dritte Unternehmen die sogenannte Optionslösung wählt, hat die Bundesregierung nachträglich bereits korrigiert. Die Antwort des Senats ist also in dieser Hinsicht bereits überholt. Allein über 85 Prozent aller in Deutschland ansässigen Unternehmen sind Personengesellschaften und Einzelunternehmen. Gerade für diese Unternehmen, die zwei Drittel aller Arbeitsplätze stellen, wäre eine steuerliche Entlastung zwingend notwendig. Aber schon die Aussage, man wolle die Unternehmen und nicht den bösen Unternehmer entlasten, zeigt ihre Gesamteinstellung. Die Unternehmensteuerreform ist also unterm Strich für die vielen mittelständischen Unternehmen nichts anderes als eine verdeckte Steuererhöhung; die Ökosteuer kommt zusätzlich noch dazu.

Sie sehen, meine Damen und Herren vom Senat – heute sind nur Herren anwesend –, daß Sie für das Handwerk in Hamburg besonders viel tun müssen,

(Dr. Holger Christier SPD: Das tun wir schon!)

um diese steuerlichen Ungerechtigkeiten auszugleichen und die Existenzen und damit die Arbeitsplätze zu sichern.

(Beifall bei der CDU)