Protocol of the Session on February 2, 2000

gen, sondern nicht mehr oder weniger als eine Zusammenfassung des Standes September 1999, und wir machen in dem Bereich weiter.

Ich nenne aufgrund der knappen Zeit nur noch drei Bereiche, in denen wir in den kommenden Wochen und Monaten Klarheit bekommen müssen.

Erstens: Wie schaffen wir es, daß gerade behinderte Kinder in Hamburg ortsnah ihre Betreuung finden? Wenn wir das Wahlrecht der Eltern formulieren, dann hat es auch für behinderte Kinder und deren Eltern zu bestehen.In diesem Bereich haben wir also zu arbeiten.

Zweitens: Dieser Systemwechsel führt zu verstärkten oder besonderen Anforderungen insbesondere an Träger von kleinen Einrichtungen. Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten regeln müssen, was wir als Stadt tun können, aber auch, was Träger tun müssen, um sich auf diese neue Situation einzustellen.

Drittens: Wie bekommen wir Kita 2000, das heißt den Systemwechsel von einer angebotsorientierten zu einer nachfrageorientierten Situation, parlamentarisch geregelt? Was regeln wir über Gesetz, was regeln wir über Verordnung, was regeln wir über Vereinbarung? Diesbezüglich haben wir als SPD-Jugendpolitiker den Trägern einen konkreten Vorschlag unterbreitet, zu dem sie sich nächste Woche äußern werden. Das KJHG, das Kinder- und Jugendhilfegesetz, kennt den Weg der Vereinbarung.Wenn es uns gelingt, größtmögliche Teile über diesen Weg konsensual auf dem Vereinbarungsweg hinzubekommen, dann wird das System von der Akzeptanz her noch besser. Es gibt in den Gesprächen mit den Trägervertretern, aber auch mit Elternräten und Erziehern keine Zweifel mehr daran, daß wir einen Systemwechsel vornehmen wollen. Es gibt aber eine Reihe von Fragen, die wir als SPDJugendpolitiker Punkt für Punkt abarbeiten werden, und dann werden wir Ihnen irgendwann hoffentlich zu etwas früherer Zeit darüber berichten können.– Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Harlinghausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Böwer sehr dankbar, denn er hat mit vielen Worten versucht, all die offenen Fragen und noch vorhandenen Defizite ein wenig in ein schönes Licht zu rücken.

In Hamburg – das räumen inzwischen sogar die Senatsvertreter ein – gibt es „ein noch nicht gänzlich zufriedenstellendes Platzangebot im Bereich der Kindertagesbetreuung“ – das war ein Zitat. Damit ist es der Senatorin gelungen, was eigentlich als unmöglich erachtet wurde. Nach der Änderung in der Schulpolitik und den hilflosen Versuchen, die Kosten im Bereich der Hilfen zur Erziehung unter Kontrolle zu bekommen, gesteht Frau Raab auch in diesem Bereich ihr persönliches Scheitern ein. Über Jahre hinweg hat sie jegliche Kritik einfach weggewischt, bis sie mit dieser Drucksache, die Ihnen vorliegt, ihre Fehler gesammelt eingestehen mußte. Die Senatorin wird das nicht weiter stören, nachdem sie ihren Rückzug zum Ende der Legislaturperiode groß angekündigt hat.

Nun zu den Beratungen im Jugend- und Sportausschuß. Wie der Senat einräumt, ist die Drucksache über die „Kinderbetreuung 2000“ nur ein Zwischenbericht über die bis

herigen Überlegungen und Planungen. Abgesehen davon, daß es höchst unbefriedigend ist, einen Zwischenbericht in der Bürgerschaft zu debattieren, und zwar in der Tagesordnung Kinder noch nach Autos, stellt es wohl einen einmaligen Vorgang dar, mit wie vielen Konjunktivkonstruktionen sich die Senatsvertreter in der Beratung helfen mußten.

Der Senat war aufgefordert, gemeinsam mit Trägern und Verbänden ein neues Gestaltungssystem zu entwickeln. Nach Aussage der Senatsvertreter habe die Behörde mit den Beteiligten intensiv diskutiert, so haben wir es eben schon wieder gehört.

Unerklärlich ist es aber, warum sich so viele Einrichtungen beklagten, daß sie an dieser Debatte überhaupt nicht beteiligt worden seien. Die SPD-Fraktion unternimmt seither den Versuch, die Ehre zu retten, und beginnt auf eigene Faust, mit den Einrichtungen und den betroffenen Eltern ins Gespräch zu kommen, mit dem Feuerlöscher in der Hand. Dies, Herr Böwer, verdient Anerkennung.

Ende 1998 beschloß der Senat, im Bereich der Kinderbetreuung 27 Millionen DM in drei Jahren einzusparen. Zu 80 Prozent machen Personalkosten die Ausgabenstruktur von Kitas aus. Daher lassen sich diese Einsparungen im wesentlichen nur beim Personal durchführen. Von diesen 27 Millionen DM sollen durch Reduzierung von Angeboten rund 5,5 Millionen DM erbracht werden. Die Umwandlung von Ganztags- in Halbtagsplätze soll ungefähr 8,5 Millionen DM erbringen. Diese Umwandlung wirkt sich direkt auf die Qualität aus.Für Elternabende gibt es keinen Ausgleich mehr, die Krankenvertretung ist gestrichen, und die Mitarbeiterinnen machen kaum noch Früh- beziehungsweise Spätdienst. Mit anderen Worten: Der Abbau von Qualität hat bereits begonnen.

Nachdem die CDU-Forderungen nach einem flexiblen Beitragssystem jahrelang ungehört verhallten, haben sich die Mühlen der Bürokratie nun doch in Bewegung gesetzt. Wir begrüßen die Intention, das sage ich hier ganz deutlich, trotz der Kritik im einzelnen. Aber die Reihenfolge der Änderungen wurde auf den Kopf gestellt. Bislang gibt es für viele Eltern eine unter Umständen erhebliche Beitragserhöhung; dazu einige Beispiele:

Eine alleinerziehende Mutter mit einem Schulkind, einer vierjährigen Tochter und einem Einkommen von 5000 DM muß statt bisher 490 DM nun 504 DM entrichten. Bei einer sechsstündigen Betreuung steigt der Betrag von 392 DM auf 403 DM, wobei Früh- und Spätdienst noch unberücksichtigt bleiben.

Das geforderte Äquivalenzprinzip kommt nicht zum Ausdruck.Wie erklärt es sich, daß eine fünfstündige Betreuung für diese Mutter 300 DM kostet, eine sechsstündige hingegen – nun hören Sie gut zu – 403 DM. Das heißt, eine Stunde mehr kostet 103 DM.

Im Hortbereich steigt der Höchstbetrag ganz erheblich, nämlich von 280 DM auf 380 DM. Es ist zu befürchten, daß Eltern ihre Kinder aus dem Hort herausnehmen werden, die sich dann als „Schlüsselkinder“ allein überlassen bleiben. Wohin das führen kann, ist uns wohl allen bekannt.

Von einem „Mehr an Flexibilität“ kann in dieser Phase auch noch nicht die Rede sein. Statt dessen sind die Eltern in einem ganz erheblichen Maße verunsichert.Das zeigt auch die große Zahl der Gäste bei den Ausschußsitzungen. Eltern, die im Einzelhandel tätig sind, haben noch immer keine Möglichkeit, ihre Kinder sicher in den Randstunden des Tages oder sogar am Sonnabend betreuen zu lassen.

(Thomas Böwer SPD)

(Ingrid Cords SPD: Betriebskindergarten!)

Auch für einen unregelmäßigen Betreuungsbedarf über die Woche sind keine entsprechenden Angebote vorgesehen.

Weiterhin unklar sind auch die Überlegungen für Kinder, deren Eltern arbeitslos werden oder vor der Aufnahme einer Berufstätigkeit stehen. Werden diese Kinder umgehend in eine neue Gruppe kommen, oder bleiben sie noch eine Zeitlang in ihrer bisherigen Gruppe?

Der Senat hat sich zu pädagogischen Gesichtspunkten noch nicht geäußert, und das, obwohl die Kindertagesstätten einen Bildungsauftrag erfüllen.Das betrifft auch die Betreuung behinderter Kinder in integrativen Kitas. Die Behörde beschäftigt sich zwar damit, könnte allerdings ein Zwischenergebnis schon vorgelegt haben. Hier scheint sie ihre Hausaufgaben nur sehr unvollkommen erledigt zu haben.

In der Sitzung des Jugend- und Sportausschusses berichtete der Senat, daß er noch nicht wisse, wann die sogenannte Kita-Card eingeführt werde. Nun hören auch Sie, Frau Deuter, bitte genau zu. Noch ist offen, ob sie überhaupt kommen wird. Immerhin ist bekannt, daß Frau Raab dieses System nicht mehr einführen wird.Wer im Jahr 2002 die Behörde leitet, steht noch nicht fest, wie auch die Mehrheitsverhältnisse in der Bürgerschaft noch nicht feststehen. Damit, meine Damen und Herren, lassen sich auch Hoffnungen verbinden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Deuter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben im wesentlichen ganz deutlich gemacht, wie sich das Pro und Kontra im Jugendausschuß immer wieder gestaltet. In den vorausgegangenen Debatten haben wir deutlich gemacht, was wir wollen, liebe CDU-Kollegen. Wir wollen die Kinderbetreuung in Hamburg heute dem Bedarf der Familien anpassen – das sage ich hier nicht zum ersten Mal –, also das Angebot der Stadt an der tatsächlichen Nachfrage orientieren.

Soweit herrscht Konsens, und daran ändert auch Ihre Polemik nichts, Herr Harlinghausen. Unser weitergehendes gemeinsames Ziel ist es, und damit meine ich das Ziel der GAL und der SPD – Herr Böwer, ich bin ein wenig über die Aufzählung Ihrer SPD-Aktivitäten verwundert, bei denen wir uns doch regelmäßig immer wieder treffen –, die Eltern mit Nachfragemacht auszustatten. Mit Schecks und über Verträge, für beide Seiten abgesichert, sollen sie sich ihre individuelle Betreuungsoption vor Ort einkaufen können. Die Feinheiten der hierzu vorausgegangenen Debattenbeiträge, das höre ich schon an der Geräuschkulisse, brauche ich zu dieser fortgeschrittenen Stunde nicht mehr wiederzukäuen.

Es gibt jedoch noch einen wesentlichen Punkt, den es heute gilt, besonders hervorzuheben, nämlich den Zeitfaktor.Er muß einerseits lang genug sein, Herr Harlinghausen, um mit den Trägern, den Einrichtungen und den Elternverbänden gemeinsam die Qualitätsstandards und Vertragsgrundlagen zu entwickeln, andererseits muß er aber kurz genug sein, damit diese erarbeiteten Faktoren auch noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden können. Nur so ist gewährleistet, daß das Ergebnis auch die Handschrift derer trägt, die heute versprechen, die Anregungen,

Ausarbeitungen und Vorschläge, die in den unzähligen Gesprächen bei unserer Tour durch die Kindergärten an uns herangetragen wurden, Herr Böwer, zu prüfen und unmittelbar einfließen zu lassen.

Diese Vorschläge beziehen sich auf Planungssicherheiten für beide Seiten durch Verträge, auf pädagogische Gesichtspunkte, die mir heute viel zu kurz geschildert wurden, und ausreichend Plätze für den angemeldeten Bedarf der Eltern.

Der erste Punkt wird schnell zu einer Einigung führen, denn hier muß zum Beispiel nur ein Kompromiß bei den Kündigungsfristen zwischen sofort und einem halben Jahr gefunden werden. Dies sind die beiden momentan gehandelten Extreme der unterschiedlichen Positionen.Hierbei müssen die Planungen der Einrichtung und die Bedürfnisse der Eltern gleichwertig betrachtet werden;das Wohl des Kindes muß aber in jedem Fall vorangehen.

Die pädagogischen Gesichtspunkte verlangen eine Ausarbeitung der Qualitätsstandards an Runden Tischen, und zwar mit allen Beteiligten, wie dies bereits in Initiativen der GAL, der Behörde und nach meiner Kenntnis auch der SPD begonnen wurde. Hat die CDU solche Initiativen auch? Schade, Sie haben wieder nicht zugehört. Darüber hinaus gibt es Schriften der Europäischen Kommission. Diese acht Schriften, Herr Harlinghausen, empfehle ich Ihnen durchzuarbeiten.

Zu den Qualitätszielen der Kinderbetreuung gibt es diese acht Schriften in Europa. Wir müssen also das Rad nicht neu erfinden, ganz im Gegenteil. Wir sind mit unserer Umstrukturierung der Kinderbetreuung diesen vom Netzwerk Kinderbetreuung herausgegebenen Empfehlungen an die europäischen Mitgliedstaaten gerade einen großen Schritt näher gekommen. Dort heißt es unter anderem:

„Die Einrichtungen sollen Flexibilität in den Öffnungsund Bringezeiten bieten, was die zeitliche Abdeckung der Arbeitszeit wie des Arbeitsjahres einschließt, wenn Eltern dies verlangen.“

Weiter heißt es:

„Die Elternbeiträge sollen 15 Prozent des Familiennettoeinkommens nicht überschreiten, besser noch, darunter liegen.“

Herr Harlinghausen, dies erfüllen wir bei weitem. Die Mindestbeiträge liegen zwischen 3,5 und 4,2 Prozent des Familiennettos und die Höchstbeträge zwischen 10,7 und 13,3 Prozent. Dabei habe ich hier nur die Teil- und Ganztagsangebote samt Früh- und Spätschicht aus diesem neu erstellten Faltblatt der Elternbeiträge berechnet. Die Beiträge für kürzere Angebote liegen noch weit darunter.

Doch es bleibt noch viel zu tun. So fordert die Kommission von den Mitgliedstaaten, daß sie den Eltern leicht zugängliche Informationen über die Einrichtungen der Kinderbetreuung zur Verfügung stellen sollen und Maßnahmen ergreifen, damit sich Eltern ein besseres Bild von den Einrichtungen machen können. Von der GAL wurde im Jugendausschuß hierzu ein übersichtliches Angebot für Hamburg angeregt – Frau Raab nickt –, das der Anforderung sich verändernder Angebote Rechnung trägt, also ergänzbar ist. Wir wünschen ausdrücklich die Beteiligung von Eltern an allen Prozessen. Wir sollten ihnen etwas an die Hand geben, damit auch Eltern, deren Kinder noch nicht in die Schule gehen, in die Position versetzt werden, wie dieser Ratgeber für Eltern von Schulkindern im Titel sagen zu können: Wir reden mit!

(Rolf Harlinghausen CDU)

Als Grundlage vielfältiger Rechte für Kinder und deren Folgerungen für die Kinderbetreuung fragt die Europäische Kommission weiter: „Wie sehen wir Kinder? Was erwarten wir von ihnen?“ und „Welche Kinder wollen wir?“ Sie benennt, daß „Annahmen darüber, was Kinder benötigen und wie wir Erwachsenen es ihnen vermitteln sollen, auch in unserem Jahrhundert“, und ich ergänze: Jahrtausend, „noch weitgehend auseinander gehen.“

Doch die Grundvoraussetzungen für Kinder, die wir in den Debatten und Runden Tischen berücksichtigen werden, fließen in die europäischen Qualitätsindikatoren ein.

Er hört schon wieder nicht zu!

(Rolf Harlinghausen CDU: Ich habe das doch schriftlich!)

Sie haben es schon schriftlich? Das ist ja wundervoll!

Soweit zum zweiten Punkt meiner Aufzählungen. Für den dritten Punkt, dem Angebot von ausreichenden Plätzen, bleibt anzumerken, daß es auch hier einen Konsens zwischen den Regierungspartnern gibt. Der in allen Umfragen geäußerten Nachfrage nach Teiltagsplätzen muß Rechnung getragen werden!

Lassen Sie mich abschließend ausführen...

Meine Damen und Herren! Ich möchte die vielfältigen, interessanten gruppendynamischen Prozesse nicht unterbrechen, aber der Geräuschpegel ist ein wenig zu hoch.