Protocol of the Session on September 5, 2001

(Beifall bei der CDU – Dr. Monika Schaal SPD: Die CDU konnte keine Prioritäten gegenüber der Han- delskammer nennen!)

Das Wort hat Herr Ehlers.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nur das Vorwort zum Finanzbericht mit nach vorne genommen, damit ich etwas habe, woran ich mich nach den Ausführungen von Herrn Dr. Freytag halten kann.

(Antje Möller GAL: Aber nicht mit werfen!)

Alle Abgeordneten haben den kompletten Finanzbericht in ihren Fächern vorgefunden, und er wird uns eine ganze Zeit beschäftigen.

(Hans-Detlef Roock CDU: Das ist so gut wie Altpa- pier!)

Es gibt in der Politik harte und weiche Themen. Innere Sicherheit ist ein hartes Thema. Haushalts- und Finanzpolitik könnten das eigentlich auch sein. Zumindest gibt es die geflügelten Worte:

„Ohne Geld geht nichts“

oder auch:

„Geld ist zwar nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts.“

Wir führen jedes Jahr eine Haushaltsdebatte, und deswegen wissen wir auch, wie das abläuft. Eigentlich ist das sehr langweilig. Auch wenn wir sehr detailliert drangehen, wird das nicht interessanter, auch wenn einzelne Abgeordnete versuchen, dem ein Licht aufzusetzen. Manchmal versucht sogar eine Journalistin, darüber zu berichten. Aber im allgemeinen wird nicht deutlich, daß der Haushaltsplan, in dem alles auf Heller und Pfennig enthalten ist, nichts anderes ist als das Dokument der gesamten Politik dieser Stadt. Vielleicht haben wir die Chance, ein bißchen interessanter zu werden, wenn wir nur die großen Linien aufzeigen.

Das zentrale Ereignis der letzten Legislaturperiode war der Angriff einiger finanzstarker Länder auf die Stadtstaaten dieser Republik. Sie hatten beim Bundesverfassungsgericht geklagt, um eine Veränderung des Länderfinanzausgleichs herbeizuführen. Es ist positiv zu vermerken, daß es in Hamburg bei dieser existentiellen Bedrohung, die es für die Eigenständigkeit dieser Stadt bedeutet hätte, ein Bündnis gegeben hat, in dem sich nicht nur die Kammern und die Gewerkschaften zusammengefunden haben, sondern auch die Opposition dieses Hauses. Daß das wichtig ist, haben wir des öfteren betont, und dies war auch die Basis dafür, daß wir unsere Position gegenüber anderen sehr einvernehmlich vertreten konnten. Wir halten es genauso wie die Opposition: Wenn etwas gut ist – und das Verhalten der Opposition war in diesem Falle gut –, dann sagen wir das auch.

(Dr. Michael Freytag CDU: Danke!)

Das ist zur Nachahmung empfohlen.

Dann mußte das Ganze operationalisierbar gemacht werden. Frau Senatorin, es kommt Ihnen und Ihrer Mannschaft ein großes Verdienst zu, diese sehr komplizierte Materie verständlich gemacht zu haben. Mitglieder dieses Hauses, die in der Enquete-Kommission mitgearbeitet haben, meinten, sich in einem Bildungskurs zu befinden. Diese nicht leichte Aufgabe haben Sie mit Ihrer Mannschaft gemeistert. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Aber das ist noch nicht alles, es muß auch politisch durchgesetzt werden. Dieses durchzusetzen – nicht nur mit den drei Stimmen, die Hamburg im Bundesrat hat, sondern für die gesamten SPD-regierten Länder – und auch mit der persönlichen Kompetenz, ist ein Verdienst unseres Bürgermeisters Ortwin Runde, das auch von denjenigen anerkannt wird, die anders an das ganze Thema herangegangen sind. Dafür auch Glückwunsch und herzlichen Dank.

(Dr. Michael Freytag CDU)

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das ist also abgewehrt. Wäre das nicht gelungen, hätten wir einen anderen Haushalt vorliegen. Dann hätten wir unser Konsolidierungsprogramm, das in dieser Stadt des öfteren geknirscht hat, mindestens weitere fünf Jahre fortsetzen müssen, wobei wir politisch natürlich von einer Opposition keine Unterstützung bekommen hätten. Bei der Einwohnerbewertung standen 1,5 Milliarden DM auf dem Spiel, und wir sind dank dieser bravourösen Leistung des Bürgermeisters im wesentlichen mit Plusminusnull herausgekommen. Deswegen steht darüber zum Glück auch nichts im Haushaltsplan.

(Dr. Michael Freytag CDU: Da haben andere auch noch mitgeholfen!)

Zum Schluß waren alle 16 Länder auf den Vorschlag des Bürgermeisters eingegangen. Versuchen Sie einmal, einen Vorschlag zu machen, auf den 16 Leute eingehen, die politisch unterschiedlichen Richtungen angehören. Da müssen Sie noch ein bißchen üben.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Michael Freytag CDU: Ein bißchen verteilen Sie mal!)

Weil das so ist, können wir zum politischen Alltag zurückkehren, also den Haushaltsplan 2002 mit seinen 18,2 Milliarden DM beraten. Wenn wir die große Linie sehen, dann ist mir auffällig, daß die Steigerungsrate der Gesamtausgaben nur 1,1 Prozent beträgt und damit unter den Planungen und Empfehlungen des Finanzplanungsrats bleibt. Das macht aber natürlich auch deutlich, wie wenig ein öffentlicher Haushalt wächst. Dann hat die Senatorin noch eine andere Zahl genannt, und zwar die Steigerung der Gesamtausgaben im Vergleich 1993 mit 2002 von 0,2 Prozent. Damit wird eine Tendenz klar, die sich spätestens seit Mitte des vorigen Jahrzehnts abzuzeichnen begann: Insgesamt wird in dieser Gesellschaft und in der Politik nicht auf mehr Staat, sondern auf mehr Privatheit gesetzt. Das hat sich auf verschiedene Weise umgesetzt, und dieser Haushalt ist auch ein Zeichen dafür.

Fest steht, wir haben in dieser Stadt lange Zeit über unsere Verhältnisse gelebt, weil wir sehr gute Einnahmesituationen hatten. Hamburg ist eben eine reiche Stadt, und die Politik, aber auch die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Stadt haben sich natürlich an das hohe Leistungsniveau des öffentlichen Haushalts gewöhnt. Die Freude über Steuersenkungen ist natürlich immer groß. Daß das aber auch mit einer Kehrseite verbunden ist, wenn der öffentliche Haushalt nicht mehr so viel Mittel zur Verfügung hat, ist etwas schwerer einzusehen; vor allem, wenn es die Menschen negativ betrifft.

Wir haben uns also auf andere Verhältnisse einrichten müssen, und das ist vor allem im Personalbereich nicht leichtgefallen. Die Neuigkeit in diesem Haushaltsplan ist vielleicht, daß es für 2002 keine generellen Personaleinsparungen gibt. Man sieht bei dieser großen Ausgabengruppe, daß einige Behörden mit 20 Prozent weniger auskommen müssen als zu Beginn des Sparprogramms. Das heißt, jede fünfte Stelle wurde gestrichen. Es ist klar, daß das bedeutende Veränderungen in den Amtsstuben hatte. Wenn das trotzdem auf eine vernünftige Weise ablaufen konnte, dann nur deswegen, weil sowohl Ihr Vorgänger als auch Sie, Frau Senatorin, auf die Modernisierung der Verwaltung gesetzt haben. Hier ist in der Tat sehr viel mit dem Neuen Steuerungsmodell und dem AKV-Prinzip geschehen. Diese Neuerungen haben den öffentlichen Dienst sehr stark motiviert, eigenverantwortlich und sinnvoll zu han

deln und dabei bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung Sparerfolge zu erzielen. Das hat sicherlich nicht jeder dem öffentlichen Dienst zugetraut. Dieses ist geschehen und ist sicher sehr verdienstvoll.

Nun hat es in diesen Tagen in diesem Zusammenhang im „Hamburger Abendblatt“ offenkundig eine hausinterne Intrige gegeben. Ich kann zwar akzeptieren, daß in Zeiten wie diesen vom „Hamburger Abendblatt“ 36 Reporter ausgeschickt werden, um in Behörden und Ämtern nachzuforschen, wie bürgerfreundlich sie sind. Aber als das Ergebnis vorlag, das positiv war und trotzdem veröffentlicht wurde, da konnte es sich nur um eine Panne handeln. Aber Pannen passieren ja überall.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das „Hamburger Abendblatt“ kommt erfreulicherweise zu der Feststellung:

„Ein dickes Lob für die mehr als 73 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden und Ämtern. Sie sind zum überwiegenden Teil freundlich, kompetent, hilfsbereit, unbürokratisch schnell und zeigen bei menschlichen Problemen ein großes persönliches Engagement.“

In unserer Verfassung steht:

„Der Senat ist die Landesregierung. Er führt und beaufsichtigt die Verwaltung“.

Trotzdem würde Herr Mehlfeldt an dieser Stelle sagen: Die sind nicht wegen der Leitung der Verwaltung durch den Senat so freundlich, kompetent und höflich, sondern trotz der Leitung des Senats. Ob das wirklich ein überzeugendes Argument sein kann, wird jeder für sich selber beantworten müssen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Unsere Haushaltskonsolidierung – die Senatorin hat darauf hingewiesen – ist zwar unter Schmerzen geschehen, aber sie ist geglückt.

Jetzt kommen wir zu dem interessantesten Punkt, und zwar zu den Alternativen. Wie kann man überhaupt mit dem öffentlichen Haushalt und seinen Problemen umgehen? Das Defizit, das sich aufgebaut hat, ist im Betriebshaushalt nicht voll durch Einsparungen gedeckt. Wir haben in den zurückliegenden Jahren auch öffentliche Unternehmen mobilisieren müssen und damit das Defizit im Betriebshaushalt ausgeglichen. Deswegen gibt es da überhaupt keine Tabus, sondern darüber wird man sehr sachlich und sachgerecht zu reden und zu handeln haben.

Nun sehe ich mir an, was die Konkurrenzparteien beabsichtigen. Ich will aber noch ganz generell ein Wort zu den Schulden sagen. Schulden sind ein süßes Gift. Jeder, der einen Dispo hat, kann ein Lied davon singen. Aber wie bei den Giften immer, kommt es auf die Dosierung an. So ist das natürlich auch bei den Schulden. Die Wirtschaft, die leben müßte, ohne daß die Konsumenten über Kredite verfügten und ohne daß die Investoren der Betriebe ihre Investitionen kreditfinanzieren könnten, ist unvorstellbar. Wer so redet, wie Herr Dr. Freytag, der ist Anhänger einer Neandertalerökonomie.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Michael Freytag CDU: Da haben Sie es mir aber gegeben. Da bin ich ganz baff!)

Das war nur das Vorspiel.

Zu den Finanzierungskonzeptionen haben wir immerhin schon Antworten, denn eigentlich ist es in der Politik üb

(Jan Ehlers SPD)

lich, alles mögliche zu behaupten, ohne daß man Finanzierungskonzepte vorlegt. Das ist jetzt anders. Die CDU hat sich eindeutig darauf festgelegt, alles über den Verkauf öffentlicher Unternehmen zu finanzieren. Man hat das 10-Milliarden-DM-Programm sehr anschaulich auf den Weg gebracht.

Die FDP hat sich auch geäußert. Herr Lange hat – das stand gestern oder vorgestern in der „Bild“-Zeitung – dargestellt, daß es auch der Wunsch der FDP ist, die öffentlichen Unternehmen zu privatisieren. Sie will daraus im wesentlichen die Finanzierung herleiten, die sie für ihre Programmatik braucht.

Nun könnte die Privatisierung der öffentlichen Unternehmen ein politisch inhaltlicher Streitpunkt sein. Dabei müßte man diskutieren, ob wir in diesem Jahr, in diesem Jahrzehnt wirklich in der Situation sind, daß das, was die Altvorderen durch ihre Arbeit angehäuft haben, mobilisiert werden muß, um unsere Weichen für die Zukunft zu stellen. Steckt dahinter nicht vielleicht auch ein Gutteil die Ausgabenlust derjenigen, die darüber befinden könnten, es aber ohne die Vorsorge der Altvorderen und die Mobilisierung nicht hätten machen können und dann aus eigener Leistung machen müßten? Zu einem Gutteil habe ich das Gefühl, daß das auch immer eine Rolle spielt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Vom ehemaligen französischen Finanzminister Colbert, der den Merkantilismus verwirklichte, gibt es eine Bemerkung, die erwägenswert ist. Er sagte, so manches unsinnige Projekt sei nicht nur deswegen nicht zustande gekommen, weil Verstand und Nachprüfungen das ergaben, sondern weil die Kassen leer waren. Übermäßige Fülle dessen, was man nicht selber erwirtschaftet hat, sondern woanders hernehmen kann, würde manche Sache auf den Weg bringen, die auf Dauer vielleicht doch nicht so positiv wirkt, wie man sich das im Moment vorstellt.

Wir wollen das aber nicht dogmatisieren. Auch wir erschließen durchaus neue Investitions- und Finanzierungsquellen. Das geschieht aber immer mit Überlegung.

Ein Beispiel ist das Asset-Management. Es werden beispielsweise Grundstücke der Stadt verkauft, um die HafenCity und auch die Umschlagterminals in Altenwerder zu finanzieren. Das macht auch Sinn, denn die Grundstücke, die dort mobilisiert werden, liegen dort untergenutzt und unterbewertet und bekommen ihren zukünftigen Wert eigentlich erst durch das Projekt HafenCity. Daß eine solche Veräußerung mit zur Finanzierung herangezogen wird, ergibt einen gewissen logischen Sachzusammenhang.