Protocol of the Session on June 14, 2001

(Beifall bei der CDU)

Die BKK, für die Sie, Frau Senatorin, die Aufsichtspflicht haben, hat aufgrund ihrer maroden Finanzlage auf dem Rücken der Versicherten und Vertragspartner eine skandalöse Politik betrieben. Pflegedienste und Einrichtungen mußten Monate auf das ihnen zustehende Geld warten. Wie will man dann noch Mitarbeiter in der Pflege motivieren? Der Landesseniorenbeirat, die Gewerkschaften und andere Verbände haben Sie in diesem Zusammenhang vollkommen zu Recht kritisiert, Frau Roth. Sie haben in der Diskussion um diesen Streit immer gesagt, daß sie keine Eingriffsmöglichkeiten hätten, und in dieser Zeit, Frau Senatorin, wäre gerade die politische Führung wichtig gewesen. Sie haben versucht, zu moderieren statt zu führen. Sie haben sich zu sehr auf Formalien zurückgezogen, anstatt über die Öffentlichkeit gegen diese Politik der BKK zu agieren. Sie haben sich in dieser wichtigen Frage nicht auf die

(Uwe Grund SPD)

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Seite der Schwachen, also der Versicherten, der Patienten begeben, sondern durch Ihr Schweigen die Starken, wenn Sie so wollen, die Monopolisten, die BKK, gestützt.

(Beifall bei der CDU)

Der Umgang mit den älteren Menschen in unserer Stadt sagt sehr viel über unser Gemeinwesen aus. Hier haben wir alle noch eine Menge Arbeit vor uns. Wir müssen aber feststellen, daß der rotgrüne Senat wenig für unsere älteren Mitbürger geleistet hat. Die vier Jahre dieser Legislatur waren auch für die älteren Menschen in Hamburg vier verlorene Jahre. Wir glauben, daß Sie dafür von dieser Wählergruppe am 23. September mit den nötigen Konsequenzen zu rechnen haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Dr. Freudenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist paradox: Seit wir die Pflegeversicherung haben, also seit fünf, sechs Jahren, wird sie heftig kritisiert. Die Kritik zielt fast immer auf Qualitätsmängel in der Pflege, für die in der Regel die unzureichenden Versicherungsleistungen verantwortlich gemacht werden. Paradox ist dies, weil wir überhaupt erst seit Einführung der Pflegeversicherung über Qualitätsstandards und Qualitätsmängel in der Pflege diskutieren. Bis dato wurde einfach irgendwie gepflegt, und niemand hat richtig hingeguckt, was da passiert. Daß wir diese Diskussion überhaupt führen, daß wir Standards in der Pflege überhaupt festlegen und darüber nachdenken und streiten, ist der eigentliche Fortschritt, und ich finde es einen Riesenfortschritt, der mit der Pflegeversicherung gekommen ist.

Die Bürgerschaft, voran der Sozialausschuß, hat sich in dieser Legislaturperiode intensiv mit der Pflege befaßt, insbesondere mit den Möglichkeiten der Qualitätssicherung. Anlaß waren nicht selten Mißstände, also das Bekanntwerden von gravierenden Pflegemängeln. Der vorliegende Senatsbericht spiegelt den Prozeß der Qualitätsentwicklung sehr gut wider. Er gibt einen ausgezeichneten Überblick über die komplizierten Regelungen auf Bundesund Landesebene und ordnet die hamburgischen Lösungsansätze gut in dieses Regelwerk ein.

(Uwe Grund SPD: Genauso ist es!)

Diese Drucksache, auf die wir lange gewartet haben – Herr Schira, da gebe ich Ihnen recht –, setzt dank ihrer hohen Qualität Maßstäbe für Senatsberichte. Es wurde, neudeutsch ausgedrückt, Benchmarking betrieben und wirklich eine sehr gute Arbeit geleistet.

Nun zu einzelnen Problemfeldern. Als positive hamburgische Lösungsansätze, die sonst nicht gewählt werden, können folgende Punkte hervorgehoben werden:

Bundesweit erstmalig und einmalig wird in Hamburg ein Anreiz in der ambulanten Pflege für höhere Qualität durch differenzierte Preise gegeben. Über einen höheren Punktwert wird ein Anreiz für die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen, für die Zertifizierung der Einrichtungen, wie zum Beispiel durch den TÜV, für interne und externe Qualitätssicherung, wie zum Beispiel die Teilnahme an der Dekubitusstudie, aber auch, und das ist wichtig, für die tarifliche Bezahlung des Personals gegeben.

Mit dem Dementenmodell beschreitet Hamburg einen Sonderweg. Die unzureichende Berücksichtigung des be

sonderen Pflegebedarfs schwer demenzkranker Menschen wird durch Eigenmittel der Betroffenen oder in den meisten Fällen aus Mitteln der Sozialhilfe kompensiert. Im Rahmen des Dementenmodells wird für 750 besonders schwer demenzkranke Menschen in Heimen der Pflegesatz um circa 1000 DM pro Bewohner und Monat aufgestockt. Damit lassen sich auf einer 25-Betten-Station immerhin vier zusätzliche Stellen finanzieren. Das ist eine ganze Menge, und wir finden das richtig, denn der oft elenden Situation demenzkranker Menschen in den Heimen muß mit mehr Pflegepersonal begegnet werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind uns auch bei allem Beifall für dieses Projekt bewußt, daß damit quasi akzeptiert wird, daß die Pflegeversicherung den Demenzkranken nicht gerecht wird, und manchmal wird Hamburg vorgeworfen, daß durch diese zusätzliche Leistung der Druck aus dem System genommen werde; aber wir denken primär an die Menschen und nicht so sehr an das System. Auf unseren Druck hin erhalten seit zwei Jahren auch die geschlossenen Pflegeheimstationen den gleichen erhöhten Pflegesatz zur Betreuung ihrer stark verwirrten und unruhigen Bewohnerinnen. Wir hoffen, daß das Geld mittlerweile auch für eine bessere Betreuung und mehr Personal ausgegeben wird. Die Installation von Videokameras an Stelle von Nachtwachen hatte ja gezeigt, wie wichtig klare Leistungsvereinbarungen und ihre Kontrolle sind und daß es eben nicht reicht, für mehr Geld zu sorgen, sondern daß auch geschaut werden muß, ob es ankommt.

Immer wieder wird die unzureichende psychosoziale Betreuung pflegebedürftiger Menschen kritisiert. In Hamburg gibt es seit einem Jahr im ambulanten Bereich die Möglichkeit zusätzlicher sozialer Betreuung aus dem BSHG, also aus Sozialhilfe finanzierte Leistungskomplexe. Dies bedeutet eine sehr große Hilfe für vereinsamte Pflegebedürftige, die in der eigenen Wohnung leben, und solche Menschen gibt es in Hamburg viele. Der Senat stellt ganz richtig dar, daß eine entsprechende Leistungsaufstockung im stationären Bereich nicht möglich ist. Die soziale Betreuung im Heim ist Teil der vom Träger zu erbringenden Leistung. Sie kann also nicht zusätzlich über die Sozialhilfe finanziert werden.

Dargestellt wird in der Drucksache auch – und das stimmt mit meinen eigenen Erfahrungen völlig überein –, daß die soziale Betreuung in den Heimen sehr unterschiedlich ist. Bei manchen klappt es gut, auch wenn sie nicht mehr Geld bekommen als andere, bei denen es hapert und die dann meist noch laut schreien, daß die böse Pflegeversicherung an dem Schlamassel schuld sei.

Im Gegensatz zum Senat sehe ich den Bereich Sterbebegleitung als einen Bereich an, in dem die Notwendigkeit besteht, durch Gesetzesänderungen Verbesserungen zu erreichen. Es genügt meines Erachtens nicht, für die Hospizidee zu werben, so wichtig das auch sein mag. Wir müssen auch die Sterbebegleitung als eine abrechenbare Leistung definieren, die von den Krankenkassen getragen werden muß. Daß die ärztliche und pflegerische Begleitung sterbender Menschen weder im Sozialgesetzbuch XI noch in den Krankenkassenleistungen, dem SGB V, verankert und geregelt ist, ist Teil der Tabuisierung von Sterben und Tod, die wir nicht weiter akzeptieren wollen. Hierüber haben wir schon in der Bürgerschaft gesprochen. Wir sollten uns für Umschichtungen im System einsetzen und hinterfragen, ob vielleicht manche Leistungen, die nicht so wich

(Frank-Thorsten Schira CDU)

tig sind, wie die künstliche Befruchtung, dafür gestrichen werden sollten.

Ich stimme mit der Aussage des Senats überein, daß ein kommunikatives Heimleben ohne Zivildienstleistende, ohne ehrenamtlich Tätige und ohne engagierte Angehörige nicht aufrechterhalten werden kann. Die Frage ist aber nur, ob wir genug tun, um dieses Engagement zu fördern. Die Lebensqualität im Heim hängt ganz entscheidend davon ab, ob das Heim offen ist für Menschen, die von außen kommen und sich am Heimleben beteiligen möchten, oder ob es sich abschottet. Die Pflegeversicherung hat leider in manchen Bereichen zu einem sehr starren Anspruchsdenken der Betroffenen und ihrer Angehörigen geführt und auch dazu, daß die Träger sich selbst immer mehr unter Rechtfertigungsdruck sehen. Das führt zu mangelnder Offenheit und verhindert so das kommunikative Klima, das wir ja alle wollen.

Wir als GAL denken, daß es wichtig ist, für bessere Mitwirkungsmöglichkeiten zu sorgen. Darum haben wir auch den Antrag eingebracht, die Mitwirkung und die Interessenvertretung von Heimbewohnern dadurch zu verbessern, daß Angehörige und Betreuer in die Heimbeiräte gewählt werden können. Leider hat der Senat dieses Ersuchen noch nicht beantwortet; den Bericht hierüber haben wir noch nicht bekommen. Wir freuen uns aber, daß unser Vorschlag, die Heimbeiräte für andere zu öffnen, inzwischen auch in das Bundesheimgesetz aufgenommen wurde. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Jobs.

Meine Damen und Herren! Zwei, drei Gedanken auch von uns. Pflege, da sind sich alle einig, bekommt eine zunehmende Bedeutung. Aber alle sind sich auch einig, daß im Bereich Pflege besonders deutlich geworden ist, wie groß die Probleme werden, wenn Marktmechanismen in das soziale Hilfesystem Einzug gehalten haben. Ganz deutlich wird dies in diesem Bereich, weil es dort einen großen Bedarf an Aufsicht, Überprüfung und tatsächlicher Kontrolle gibt, nachdem deutlich geworden ist, daß nicht alles unsere Zustimmung finden kann, was Pflegeleistende in diesem Bereich machen.

Natürlich ist die Heimaufsicht ein Bereich, auf den alle immer besonders gucken. Natürlich haben wir in den letzten Jahren immer wieder festgestellt, daß dieser Bereich in Hamburg viel zuwenig ausgebaut ist. Sie sind gar nicht in der Lage, den zunehmenden Aufgaben angesichts der sich verstärkenden Prozesse nachzukommen. Von daher ist es längst überfällig, die Heimaufsicht im Bereich der Bezirke auszubauen; dazu braucht es endlich einen Schub aus Hamburg.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die Kompetenzen der Beiräte müssen ausgebaut werden. Das ist gut und richtig, und es ist ja auch ein kleines Stück vorangekommen. Aber dies reicht nicht aus, es muß auch von außen eine Kontrolle kommen.

Die ambulante Pflege bleibt natürlich noch viel mehr ein Sorgenkind im Bereich der Pflege. Die Entwicklung von Qualitätsstandards ist sicherlich gut und richtig. Aber auch hier ist die Frage, wie die Leistungen kontrolliert werden, wie die Pflegedienste kontrolliert werden, immer noch

nicht vernünftig beantwortet. Da gibt es noch viel zu tun, um nicht zuletzt die Transparenz der Leistungen für die Nutzerinnen ein bißchen voranzubringen.

Mir ist noch ein Aspekt bei dem Zahlenwerk aufgefallen, und zwar die Ausbildung von Mitarbeiterinnen innerhalb der ambulanten Pflegedienste. Wenn Sie die Drucksache durchgeblättert haben, ist Ihnen vielleicht auch aufgefallen, wie gnadenlos wenig Ausbildungsplätze in diesem Bereich in der Hansestadt Hamburg überhaupt angeboten werden, und das bei der zunehmenden Bedeutung, die diese Bereiche bekommen. Hier braucht es eine Initiative, möglicherweise auch eine Initiative des Senats, um die Ausbildung im ambulanten Pflegebereich voranzubringen, denn natürlich brauchen diese Pflegekräfte eine Ausbildung in dem Bereich, in dem sie zukünftig besonders eingesetzt werden.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ein paar Randbemerkungen kann ich nur unterstützen. Die Veränderungen in der Gesellschaft haben dazu geführt, daß inzwischen viele psychosoziale Betreuungen von den Pflegediensten übernommen werden. Da muß es natürlich eine Möglichkeit geben, daß so etwas auch abrechenbar ist. Das Ehrenamt ist wichtig und gut, aber es ist – das ist für alle erkennbar – lange nicht mehr ausreichend. In diesem Falle braucht es weitere Initiativen, und das gilt ganz besonders für die Sterbebegleitung. Hier ist die Realität so, daß dies viel zu oft von Nichtprofessionellen übernommen wird. Es muß eine andere Möglichkeit geben, das auch professionell zu machen.

Alles in allem ist in der Drucksache deutlich geworden, daß die Situation in der Pflege in Hamburg noch lange nicht zufriedenstellend ist und es von daher in diesem Bereich noch viel zu tun gibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Frau Senatorin Roth.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorliegende sehr umfangreiche Drucksache versucht, die Bandbreite unseres Angebots im Pflegebereich darzustellen. Sie macht deutlich, daß wir in den letzten Jahren sehr viel getan haben, um insbesondere im Bereich der Qualitätssicherung voranzukommen. Ich bin sehr froh, daß wir Leitlinien entwickeln konnten, wie wir in Zukunft das Thema Qualität in der Pflege voranbringen können. Die Leitlinien sollen erstens die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen in ihrer Position als Verbraucher stärken, zweitens die Kontrollen durch unabhängige Sachverständige intensivieren, drittens dem Markt durch Regeln Grenzen setzen, viertens die Innovationspolitik für gute Qualität fördern und fünftens die Förderung des ehrenamtlichen Engagements vorantreiben.

Ich will zu den Positionen der Pflegebedürftigen und dem Verbraucherschutz zunächst feststellen, daß wir in der glücklichen Lage sind, in Hamburg durch unsere vielfältigen Angebote mehr Angebote als Nachfrage zu haben. Das ist insbesondere für die Angehörigen wichtig, denn sie können inzwischen sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich frei wählen und prüfen, ob Qualität, Leistungen und Preis richtig sind. Im Wettbewerb zwischen Leistung, Qualität und Preis ist insbesondere für die Verbraucher und Pflegebedürftigen eine Transparenz wichtig. Es spricht sich schnell herum, welche Einrichtung nicht so

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL)

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gut pflegt und welche Einrichtung im ambulanten Bereich nicht dem Standard entspricht.

Wir haben versucht, diese Angebotstransparenz zu organisieren. Wir haben bundesweit einmalig in einem Modellversuch eine sogenannte Preisvergleichsliste im Bereich der ambulanten Dienste erreicht. Es war eine schwierige Aufgabe, aber es wurde im Bereich der Pflegegesellschaft durchaus gesehen, daß diese Vergleichsliste für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen auch positiv ist. Wir haben darüber hinaus im Rahmen unseres Impulsprogramms neue Möglichkeiten, zum Beispiel Vertrauenspersonen im Bereich der stationären Heime, erprobt.

Darüber hinaus – Herr Grund hat es schon gesagt – ist die Einrichtung unseres Pflegetelefons eine Erfolgsstory. Wir haben das seit über zwei Jahren am Netz, und ich gehe davon aus – das ist auch so verabredet –, daß wir diese Einrichtung landesweit fortführen, denn die Inanspruchnahme des Pflegetelefons als Beschwerdetelefon, aber auch als Beratungstelefon zeigt mir, daß dieses ein Element von Qualitätssicherung ist.

Zum Thema Kontrolle durch unabhängige Sachverständige: Herr Schira, das neue Qualitätssicherungsgesetz und auch das neue Heimgesetz der jetzigen Bundesregierung sehen vor, diese Sachverständigen von seiten der Pflegeeinrichtungen zu engagieren. Diese unabhängigen Sachverständigen tragen dazu bei – so sieht es das Gesetz vor –, die Heime und Pflegeeinrichtungen zu prüfen. Sie sind unabhängig und ergänzen von daher sowohl die Qualitätssicherung durch den MDK als auch die der Heimaufsicht. Wir müssen, wenn Sie beim Thema Heimaufsicht kritisieren, daß dies zu wenig ist, beim Qualitätsmanagement auch neue Wege gehen. Und wenn ich die CDU richtig verstanden habe, sind Sie an dem Punkt gar nicht so weit von uns entfernt, denn es geht darum, gemeinsam diese unterschiedlichen Wege zusammenzubringen.

Das Qualitätssicherungsgesetz sieht unabhängige Sachverständige vor, die von den Pflegeeinrichtungen bezahlt werden müssen, und dann wird auf Grundlage dieser Gutachten ein entsprechendes Zertifikat ausgestellt. Das halte ich im Pflegeprozeß für unglaublich wichtig, da nicht allein die Heimaufsicht diese Managementaufgaben übernehmen kann.