Protocol of the Session on February 6, 2025

Die drei Jahre Krieg hat einzig und allein Putin zu verantworten und niemand anderes. Ihre Friedenspolitik hat nicht die Ukrainerinnen und Ukrainer im Blick, auch nicht die Russen, die darunter in Teilen auch sehr leiden müssen, nein, Sie sind einfach zu feige, Position zu beziehen,

(Zuruf Gerhard Schenk (Bebra) (AfD))

in einem Konflikt Stellung zu beziehen, der am Ende Europa direkt betrifft, der die Sicherheitsinteressen von Europa direkt betrifft. Deswegen sind Sie alles andere als Patrioten. Sie sind in diesem Haus alles andere als Patrioten; denn Sie sind zu feige, für die Interessen von Frieden und Freiheit in Europa einzutreten und damit auch für die eigenen deutschen Interessen.

(Anhaltender Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und Freie Demokraten – Zuruf AfD: Was?)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dorn. – Das Wort hat der Abgeordnete Stephan Grüger, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Russland hat völkerrechtswidrig die Ukraine überfallen – völkerrechtswidrig nicht nur, was das allgemeine Völkerrecht angeht, sondern auch, was Verträge angeht, die Russland mit der Ukraine selbst abgeschlossen hat. Das ist besonders widerwärtig. Damit hat die Ukraine das Recht, sich dagegen zu wehren. Genau das machen die ukrainischen Patrioten zurzeit. Sie wehren sich dagegen, von Russland überfallen zu werden, von Russland vereinnahmt zu werden, von Russland okkupiert zu werden, besetzt zu werden. Sie wehren sich gegen die Kriegsverbrechen, die von Russland in der Ukraine begangen werden. Das sind die simplen Fakten.

Hier im Hessischen Landtag gibt es eine Fraktion, die der Meinung ist, das alles ist eigentlich völlig normal.

(Zurufe AfD: Na! – Also!)

Das ist exakt das, was in Ihrem Antrag letztendlich drinsteht. Das ist auch exakt das, was Herr Gagel gerade – –

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt Freie Demokraten)

Er hat gerade dazwischengerufen: Es ist halt Krieg, da passiert so etwas. – Nein, so etwas darf in Europa nicht einfach so passieren. Das zerstört die gesamte europäische Sicherheitsordnung. Und jeder, der sich hierhin stellt und

sagt: „Russland hatte aber irgendwie auch das Recht, das zu machen“, und „Wir müssen irgendwie schauen, dass wir uns mit Russland einigen“, und „Das ist doch alles gar nicht so schlimm“, jeder, der das relativiert, jeder, der jetzt hingeht und sagt: „Die Ukraine darf sich nicht verteidigen, sie darf keine Waffen bekommen“, jeder, der das macht, gefährdet die europäische Sicherheitsordnung und unsere deutsche Sicherheit.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

Sie von der AfD sind deswegen alles andere als Patrioten. Sie zerstören Deutschlands und Europas Sicherheit, indem Sie paktieren und gemeinsame Sache mit Putin machen. Das ist die simple Wahrheit. Sie sind feine Patrioten, die die Patrioten in der Ukraine, die sich gegen diesen russischen Überfall wehren,

(Zuruf AfD)

einfach vor den Bus werfen wollen, indem Sie sagen: Sie sollen keine Waffen bekommen, sie sollen sich nicht wehren, dann ist es auch schnell vorbei. – Das ist exakt das, was Sie kalkulieren, und das ist exakt das, was in Ihrem Antrag steht. Das ist widerwärtig.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

Das ist moralisch völlig haltlos. Das ist etwas, was man wirklich nicht ertragen kann – daher auch die Zwischenrufe. Das ist etwas, was man nicht einfach so hinnehmen kann. Sie stellen sich hin und sagen: Die sollen eben keine Waffen mehr bekommen, um sich zu verteidigen. – Das ist so, als ob ich, wenn ich sehe, dass jemand angegriffen wird, mich danebenstelle und sage: Wehr dich nicht, dann geht es schneller vorbei. – Das ist exakt das, was Sie machen. Das ist exakt Ihre Haltung. Das ist exakt das, was in Ihrem Antrag steht.

Dann stehen da noch andere nette Sachen drin. Sie fangen mit dem Framing an, es sei die Biden-Administration, die die Ukraine im Krieg gegen Russland unterstützt, so, als ob die Ukraine das Problem sei, die Biden-Administration das Problem sei. Nein, es ist Russland, das die Ukraine überfallen hat.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

Wie häufig muss man Ihnen das eigentlich noch einbläuen? Russland ist der Aggressor. Die Ukraine hat das Recht, sich zu verteidigen. Deswegen haben wir die Pflicht – Art. 51 der UN-Charta –, die Ukraine dabei zu unterstützen, auch mit Waffenlieferungen. Das ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, auch als deutsche Patrioten, aber auch gegenüber den ukrainischen Patrioten.

Ich weiß, damit haben Sie nichts zu schaffen. Ihnen geht es vor allem nur um eines: Sie machen hier einen billigen Trick, um an Stimmen von Leuten zu kommen, die mit Russland sympathisieren. Das ist Ihre Vorstellung. Sie glauben, Sie nehmen noch ein paar Leute mit, die Angst vor dem Atomkrieg haben. Die alle wollen Sie noch einsammeln. Das ist hier ein Wahlkampfmanöver, und wir haben in den zwei Tagen die ganze Zeit aufgrund Ihrer Anträge Bundestagswahlkampf gehabt. Mit Landespolitik hat das so gut wie überhaupt nichts zu tun. Den einzigen landespolitischen Aspekt haben Sie gestern abgelehnt, als

wir gesagt haben, wir wollen mit einer ukrainischen Region gerne eine Partnerschaft haben.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten – Unruhe – Glockenzeichen)

Daher kann man Ihren Antrag nur ablehnen. Wie gesagt, man muss es immer wieder deutlich machen: Sie machen sich gemein mit dem russischen Aggressor. Sie stellen sich auf die Seite Putins. Sie sind keine Patrioten. Sie schaden Deutschland. Sie sind Landesverräter.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

Kollege Grüger, die Äußerung „Sie sind Landesverräter“ werde ich auch mit einem Fragezeichen versehen. Wir werden uns die gesamte Debatte noch in aller Ruhe ansehen, dann auch für den Ältestenrat. Hier sind so viele Dinge gesagt und gerufen worden, dass wir uns intensiv damit befassen werden.

Wir sind am Ende der Debatte, oder will die Regierung sprechen? – Das Wort hat der Staatsminister Pentz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegen der AfD, das Lesen Ihres Antrags – das will ich aus freiem Herzen sagen – war schwere Kost. Dr. Büger hat es eben angesprochen, viele Vorredner auch: Was Sie an Zynismus und an Verachtung für Menschenleben und Völkerrecht zusammengetextet haben, verschlägt einem eigentlich die Sprache.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

Trotzdem müssen wir immer sprachfähig sein. Ich stelle mir neben vielen anderen Fragen eine Frage. Denn, wenn man sich den Text genau anschaut, kann man sich die Frage stellen: Hat Ihnen Moskau diesen Text wirklich genehmigt? Denn Sie sprechen zum ersten Mal von einem Krieg in der Ukraine,

(Andreas Lichert (AfD): Was reden Sie denn jetzt?)

wohingegen Ihr geschätzter Genosse Wladimir Putin immer noch von einer Spezialoperation spricht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Unterschied zwischen Russland und Deutschland, Europa oder Hessen ist: Dort darf man es nicht sagen. Aber hier darf man das sagen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

Abgesehen von dieser kleinen Abweichung trägt die AfD ausschließlich die Kriegsziele Russlands vor: Friedensdiktat, keine westliche Unterstützung für die Ukraine mehr, keine Waffenlieferungen mehr, Aufhebung aller Sanktionen gegen Russland.

Meine Damen und Herren, kein Wort fällt zum Rückzug Russlands aus den besetzten Gebieten. Kein Wort fällt zum Wiederaufbau der Ukraine. Kein Wort fällt zur Kriegs

schuld. Kein Wort fällt zur EU-Mitgliedschaft, und kein Wort fällt zur Garantie der Souveränität des Staates der Ukraine.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

Ich hatte gerade ein Gespräch mit dem Botschafter von Kasachstan. Neben vielen anderen Themen, die wir mit Kasachstan und vielen anderen Ländern besprechen – Sie wissen, es ist ein gigantisch großes Land in Zentralasien –, sagte mir der Botschafter: Für uns ist das Allerwichtigste unsere Souveränität.

Meine Damen und Herren, dafür müssen wir alle gemeinsam stehen: für die Souveränität auch von Staaten, die vermeintlich schwächer sind als wir und andere Weltmächte.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

So widerwillig man Ihren Text durchliest, er offenbart natürlich das Innere der AfD. Meine sehr geehrten Damen und Herren der AfD, Sie müssen nicht unserer Meinung sein, aber Sie müssen schon zur Kenntnis nehmen, dass wir anderer Meinung sind. Wir sind ganz und gar nicht Ihrer Meinung, und das sage ich für die gesamte Hessische Landesregierung.

Ihnen ist das Schicksal der Ukraine offensichtlich völlig egal. Ihnen sind die Opfer, die Menschen, die Flüchtlinge offenbar egal.

Meine Damen und Herren, gestern gab es hier im Haus schon eine Debatte zur Ukraine. Die Dichte der Anträge zum Thema ist nicht zufällig, sondern hat mit dem anstehenden dritten Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine zu tun. Unfassbare drei Jahre kämpfen die tapferen Menschen in der Ukraine gegen eine Invasionsarmee, eine Armee, die an Zahlen größer, stärker und leider auch erfahrener ist. Es sind drei Jahre, in denen sich ein mutiges Volk permanent aufbäumt, in denen Mütter ihre Söhne, ihre Töchter, Frauen ihre Männer, Männer ihre Frauen, Eltern ihre Kinder an die Front geschickt haben, wohl wissend, dass sie tapfer ihr Land verteidigen und für ihre Freiheit kämpfen, aber vielleicht nicht zurückkehren werden.

Das sind die gleichen mutigen Menschen, die sich schon vor genau 20 Jahren in der Orangenen Revolution gegen russische Wahlbeeinflussung gewehrt haben. Es sind die gleichen Menschen, die sich in der Revolution der Würde, des Euromaidan, vor etwas mehr als zehn Jahren gegen erneute russische Einflussnahme gewehrt haben. Damals ging es um das EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen, das die Russen verhindern wollten. Es sind die gleichen Menschen, die sich seit zehn Jahren gegen die Besetzung der Krim wehren. Es sind die gleichen Menschen, die nun seit drei Jahren einen blutigen Verteidigungskrieg gegen Russland führen.

Meine Damen und Herren, für diese Menschen in dieser Situation empfiehlt die AfD – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –, ihnen die internationale und europäische Unterstützung zu entziehen und gleichzeitig die angeblich wirkungslosen Russland-Sanktionen komplett aufzuheben. Das ist so weit weg von einer redlichen Lösung, dass es sich eigentlich gar nicht lohnt, sich tiefer mit diesem Antrag auseinanderzusetzen. Aber wir tun es. Wir leben in einer lebendigen Demokratie.

Eines sage ich Ihnen ganz deutlich: Dieses Land, unser Land, Hessen und Deutschland, steht fest an der Seite der Ukraine. Dies ist keine Frage von Regionalität. Es ist keine Frage, ob man Russland vielleicht mehr mag als die Ukraine. Es ist auch keine Frage von wertvollen Rohstoffen. Es ist eine Frage unseres Selbstverständnisses, unserer Würde und unserer Verantwortung für den Frieden und die europäische Einigung.

Hätte die AfD nur ein wenig Empathie, nur ein wenig Mitgefühl für die Menschen in der Ukraine und nur eine vage Vorstellung davon, dass Freiheit in Sicherheit der Ausgangspunkt jeglicher Entwicklung ist, dann hätte sie diesen Antrag niemals gestellt.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Pentz. – Das Wort hat der Abgeordnete Lambrou.