Herr Gagel, Sie haben gestern zum Flughafen gesprochen: bedeutungslos. Den würde es gar nicht mehr geben, wenn man der AfD gefolgt wäre. Sie sagt:
„Da hat die Hessische Landesregierung die richtigen Schlüsse – mit Ausnahme der fehlenden maximalen Einschränkung des Flugverkehrs – gezogen.“
Ein Jörg Meuthen sagt: „Shutdown jetzt!“ und: „Deutschland steht unmittelbar vor der Katastrophe!“ – Sie verbreiten doch Angst und Panik.
„Ob die sinnvolle Maskenpflicht jetzt kommt oder nicht: Tragt Maske! Auch ich habe eine selbst genähte von der AfD Sachsen erhalten.“
Ich weiß nicht, wie es da mit Großhandelsangeboten aussieht. Aber das fordert ein Jörg Dornau aus Leipzig. Völlig faktenfrei, was Sie da gemacht haben.
„Unverantwortliche Verharmlosung durch Gesundheitsminister Jens Spahn. Virologen bestätigen: Die Sterblichkeitsrate beim Corona-Virus ist zehnmal höher als bei einer normalen Grippe.“
Vielleicht braucht ja die AfD einen Untersuchungsausschuss in den eigenen Reihen, damit die neuen Abgeordneten einmal mitbekommen, was die alten Abgeordneten der Altpartei AfD so von sich gegeben haben.
Für den Untersuchungsausschuss gibt es einen ganz wichtigen neuen Auftrag: Schauen wir mal, welche negativen Auswirkungen diese AfD-Forderungen auf die Corona-Politik hatten; wir werden das tun. – Vielen Dank.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer unfassbar schön, wenn man hinter dem Zug steht, anzuschauen, was vor ihm war. Das ist so eine typische Handlungsweise, die Sie an den Tag legen. Der Kollege Pürsün hat Sie ja zitiert. Ich könnte jetzt noch Alice Weidel dazunehmen, die die Bundesregierung damals – freundlich formuliert – angemacht hat, sie solle endlich massiv handeln, um die Gefährdung für die Bevölkerung abzuweisen. Aber das alles bringt uns nichts.
Ihre Anmaßung – das meine ich todernst –, man möge sich für politisches Verhalten entschuldigen, ist für mich kaum noch erträglich; das sage ich ehrlich. Wir müssen uns bitte noch einmal die Bilder vor Augen führen: Erinnern Sie sich an Italien?
Erinnern Sie sich an die Menschen, die in Krankenhäusern lagen, keine Luft bekamen und starben? Erinnern Sie sich an Indien, wo die Sauerstoffflaschen über die Straßen gerollt wurden, um Menschen mit Sauerstoff zu versorgen, die Atemnot hatten?
Erinnern Sie sich an New York, wo Kühllaster zu Dutzenden aufgefahren worden und Menschen sozusagen in Leichensäcken zwischengelagert worden sind, bis man sie beerdigen konnte? Weltweit war nahezu jedes Land dieser Erde dieser Pandemie ausgesetzt und hat nahezu identische Maßnahmen ergriffen, mit Abstufungen, aber nahezu identische Maßnahmen – von extrem massiv bis – –
Dazu komme ich noch. – Denken Sie an Neuseeland, an Australien, weit weg. Jetzt kommen wir zu Taiwan: Völlige Abschottung des Landes und massivste Maßnahmen bei jedem, der erkrankt war. Die wurden gar nicht gefragt, ob sie irgendwohin wollten, die wurden sofort massiv isoliert. Aber denken Sie einmal an unsere Alten- und Pflegeheime: Ein Viertel der Menschen ist in dieser Pandemie verstorben. Und was waren die Kommentare, erinnern Sie sich noch? Die wären ja sowieso bald gestorben. – Das waren so Zitate, die mir bei dieser Anmaßung einfallen, die uns hier heute zugemutet wird.
Denken Sie daran: Die ECMO-Maschine. Kein Mensch wusste vorher, was das ist, um es freundlich zu formulieren. Ich habe mit Schwestern und Ärzten gesprochen, die heulend vor mir standen und gesagt haben: Wenn wir einen an die ECMO legen und mit ihm darüber reden, wissen wir, dass 80 % derjenigen nicht mehr zurückkommen. – Die Wehrlosigkeit vor diesem Virus, und Sie sagen, das habe man alles wissen können? Das hätte man alles ändern können? Nein, das hat man nicht.
Politik muss für die Bürgerinnen und Bürger vorsorglich und fürsorglich handeln. Dabei werden Fehler gemacht – darüber müssen wir uns nicht unterhalten –, weil wir nicht wissen, was hinter dem Zug ist. Wir alle reagieren miteinander so, dass wir meinen, den richtigen Weg zu gehen.
Jens Spahn hat damals gesagt: Wir werden uns irgendwann viel verzeihen müssen. – Die Lage war völlig unsicher. Wir wussten nicht: Bringt dieses Virus weitere Probleme mit sich?
Ich finde, Sie können über das Impfen schimpfen, wie Sie wollen; das Impfen war keine falsche Reaktion. Im Gegenteil, es hat Hunderttausende Menschen gerettet.
Kolleginnen und Kollegen, ich sage, wie es mir am Herzen liegt: Das Geschwafel von einem experimentellen Impfstoff – –
Nein. – Zu dem Geschwafel von einer Impfung, die experimentell war, sage ich: Jede Grippeimpfung in jedem Jahr ist eine experimentelle Impfung, weil sie aufgrund einer Vorhersage entwickelt und verabreicht wird.
Bei diesen Milliarden von Impfdosen – da brauchen wir nur in die Medizinstatistik zu schauen – ist absehbar, dass es auch Schäden gibt. Darüber müssen wir heute offen diskutieren. Da muss man auch die Menschen mitnehmen; ihnen muss man helfen. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren.
Aber bitte denken Sie an die Lage von damals, an die Menschen, die in Verona weinend vor den Särgen standen, die in New York nicht mehr weiterwussten und die in Indien – – Insbesondere in den Entwicklungsländern: Schauen Sie es sich doch an, wie die Menschen dort im wahren Sinn des Wortes an diesem Virus krepiert sind und wir nicht wirklich helfen konnten.
Als damals Masken in die Welt geliefert worden sind, ist hier im Landtag – erinnern Sie sich? – von einer Fraktion gesagt worden, die heute eine Entschuldigung verlangt: Wir können doch nicht die Masken für unsere Bürger in die Welt geben, wenn wir sie doch brauchen. – Das ist doch keine Politik der Menschlichkeit; das ist doch keine Politik des Füreinander-Einstehens, sondern das ist das, was Sie immer – egal, wie – machen: Unmenschlichkeit ist bei Ihnen Standard, Menschlichkeit eben gerade nicht.
(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt Freie Demokraten – Robert Lambrou (AfD): So ein Quatsch!)
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir uns nicht zu entschuldigen. Wir haben die Verantwortung, nachdenklich zu sein und Dinge, die wir möglicherweise aufgrund der Pandemieerfahrung verändern müssen, in Zukunft anders zu machen.