Protocol of the Session on February 28, 2019

(Beifall DIE LINKE)

Erfahrungen mit anderen angedachten urbanen Seilbahnen zeigen allerdings auch, dass es an einigen Orten zu Widerständen in der Bevölkerung gegen Seilbahnen kommt, z. B. über bebauten Stadtgebieten. Die Menschen sorgen sich, dass ihnen zukünftig in den Garten oder in die Fenster geschaut werden könnte, dass ihre Grundstücke verschattet werden oder dass der Wert ihrer Immobilien sinkt. Das heißt, es ist sicherlich vorzuziehen, dass Seilbahnen über unbebautes Gebiet verlaufen; dort sind sie erfahrungsgemäß deutlicher einfacher durchzusetzen und finden mehr Rückhalt in der Bevölkerung.

Seilbahnen – auch das ist ein wichtiges Argument – sind vor Ort emissionsfrei. Das ist gut. Ihre Energiebilanz ist bei guter Auslastung zwar sehr gut, aber eine attraktive Verbindung muss natürlich auch zu Schwachlastzeiten betrieben werden, z. B. am späteren Abend. Ihre Energieeffizienz sinkt, je mehr „Luft“ transportiert wird.

(René Rock (Freie Demokraten): Ich bin beeindruckt, Frau Wissler! – Dr. Stefan Naas (Freie De- mokraten): Respekt!)

Ich habe mich in die Materie eingearbeitet.

(Heiterkeit und vereinzelter Beifall)

Wenn Sie nicht weitersprechen, Frau Kollegin, würde ich mich einschalten, weil auch ich vom Thema Seilbahnen sehr fasziniert bin.

(Heiterkeit)

Sie haben das Wort, Frau Kollegin.

Wenn ich in einer Plenarwoche erreicht habe, dass sowohl die FDP-Fraktion als auch Sie, Herr Präsident, fasziniert sind, dann habe ich mehr erreicht, als ich mir erträumt hätte.

(Große Heiterkeit – Beifall DIE LINKE, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Freie De- mokraten)

Ich weise auch noch darauf hin, dass mir als Mitglied des Deutschen Alpenvereins Seilbahnen grundsätzlich am Herzen liegen.

Aber heute geht es um urbane Seilbahnen. Ich will auf den Seilbahnkritiker zu sprechen kommen, der berechnet hat, dass die Londoner ÖPNV-Seilbahn etwa das Sechsfache an Energie pro Personenkilometer benötige als eine vergleichbare Stadtbahn. Das will ich mir gar nicht pauschal zu eigen machen, sondern ich denke, das sind Dinge, die man sich anschauen muss. Wie sind die Gegebenheiten vor Ort? Müssen Autos und Busse einen großen Umweg fahren, wenn es keine Seilbahn gibt? Dann könnte sich das Verhältnis zugunsten von Seilbahnen egalisieren. Wenn man mit einer Seilbahn einen attraktiven ÖPNV-Anschluss hat und das Auto bei der Weiterfahrt im Anschluss stehen lässt, dann verbessert das die Ökobilanz, und dann kann das sehr sinnvoll sein.

(Beifall DIE LINKE)

Klar ist aber auch: Eine Seilbahn darf immer nur eine spezialisierte Ergänzung und keine Low-Cost-Alternative zu wichtigen Bahnprojekten sein. Auch Buslinien, die womöglich näher an den Wohngebieten und mit geringeren Haltestellenabständen fahren, erfüllen eine ganz andere Funktion als Seilbahnen, die in der Praxis immer auch Umsteigezwänge beinhalten.

Insofern können wir die Aufnahme von Seilbahnen in das Mobilitätsfördergesetz befürworten. In besonderen Nischen können Seilbahnprojekte interessante Alternativen sein.

Wir können die aufgeworfenen Fragen gern in einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss vertiefen. Ich bin sehr gespannt, was die Experten dazu sagen. Dass Frankfurt ein Seilbahnnetz wie La Paz bekommt, würde ich aber eher nicht erwarten. Seilbahnen sind jedoch eine sinnvolle Alternative. Deshalb spricht aus meiner heutigen Sicht nichts dagegen, dem Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zuzustimmen und Seilbahnen in den Geltungsbereich des Mobilitätsfördergesetzes aufzunehmen.

(Beifall DIE LINKE und Freie Demokraten)

Herzlichen Dank, Frau Wissler. – Die nächste Rednerin ist die Abg. Karin Müller (Kassel) für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Müller, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Mobilitätsfördergesetz haben wir im letzten Jahr verabschiedet. Das wurde schon mehrfach gesagt. Wir hatten dazu eine Anhö

rung. Es gab Diskussionen, aufgrund derer Änderungen an dem Gesetzentwurf vorgenommen wurden.

Auch damals – also im letzten Jahr – gab es in Hessen bereits Diskussionen zum Thema Seilbahnen. Das Für und Wider wurde an unterschiedlichen Stellen diskutiert – ohne konkretes Ergebnis. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass es irgendwo in Hessen eine Seilbahn gibt. Aber auch wir sind offen für das Thema Seilbahnen. Die FDPFraktion hatte dieses Thema vor knapp einem Jahr allerdings noch nicht entdeckt; denn in der Anhörung und auch in den Diskussionen haben Sie nichts Diesbezügliches vorgebracht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Len- ders (Freie Demokraten): Und jetzt?)

Das ist aber völlig egal. Ob Seilbahnen eine Alternative sind, um die Mobilität in Ballungsräumen zu erhöhen, ist noch nicht ganz ausgemacht. Sicherlich können sie eine Ergänzung zu den Bussen und Bahnen bilden – darüber sollten wir ernsthaft diskutieren –, aber das Rückgrat der Mobilität in den Ballungsräumen ist eine gut ausgebaute Schieneninfrastruktur. Denn nur auf der Schiene kann eine nennenswerte Zahl von Passagieren schnell befördert werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Zurück zu den Seilbahnen. Wie gesagt, Ideen zum Bau von Seilbahnen gab es bereits in Marburg, bezüglich der Lahnberge, und auch in Kassel – ebenfalls von der FDP vorgeschlagen –, wo wir lieber die Herkulesbahn hätten.

(Jan Schalauske (DIE LINKE): In Marburg war das sehr umstritten!)

Es war nicht nur in Marburg, sondern auch in Kassel sehr umstritten. – Realisiert worden ist noch keine Seilbahn. Im Rhein-Main-Gebiet ist die Diskussion gerade im Gange. Der RMV will eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben, und wir warten gespannt darauf, wie das Ergebnis ausfällt.

Zum Thema Seilbahnen heute so viel: Sie können sicherlich eine Möglichkeit sein, um Busse und Bahnen zu ergänzen. Wie und wo sie realisiert werden können, wo sie einen Beitrag zum öffentlichen Verkehr leisten können, wissen wir noch nicht. Aber wenn entsprechende Vorhaben konkrete Formen annehmen, können sie im Rahmen des bestehenden Gesetzes gefördert werden. Ich habe das bereits erwähnt. Es braucht also keine Gesetzesänderung, wie von den Freien Demokraten vorgeschlagen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ich aber ganz erstaunlich fand, ist, dass Sie Satz 3 unter dem Punkt „Finanzielle Auswirkungen für hessische Gemeinden und Gemeindeverbände“ aus dem Ursprungsgesetz übernommen haben, bei dem Sie sich enthalten haben – daran möchte ich erinnern –, in dem steht, dass das Gesetz eine Verbesserung der nachhaltigen Mobilitätsentwicklung durch die Möglichkeit einer zusätzlichen Verkehrsmittelwahl bietet. Wahrscheinlich beziehen Sie sich dabei aber nur auf Seilbahnen, und meine Hoffnung ist unbegründet und auch nur kurz, dass Sie eingesehen haben, dass das Radfahren und das Zu-Fuß-Gehen durchaus zur nachhaltigen Mobilitätsentwicklung beitragen und nicht ins Lächerliche zu ziehen sind, wie Sie das gewöhnlich tun.

(Widerspruch Freie Demokraten)

Doch, das tun Sie jedes Mal, wenn Sie hier reden.

(Zuruf Freie Demokraten: Das ist aber sehr allge- mein formuliert!)

Da wir schon über das Mobilitätsfördergesetz und seine Fördertatbestände reden – eigentlich überflüssigerweise, aber egal –, möchte ich die Gelegenheit nutzen und Ihnen noch einmal erläutern, welche Chancen für die nachhaltige Mobilitätsentwicklung und damit für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer in dem Thema Rad- und Fußverkehr stecken. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben mit der Gründung der AG Nahmobilität eine Plattform geschaffen, die es ermöglicht, Konzepte für den Rad- und den Fußverkehr auf den Weg zu bringen, die durch konkrete Maßnahmen, gefördert durch das Mobilitätsfördergesetz, umgesetzt werden können.

Das haben wir im aktuellen Koalitionsvertrag noch einmal be- und verstärkt. Fast die Hälfte aller Wege von Pendlerinnen und Pendlern sind unter 5 km, und die allermeisten Wege sind unter 17 km. Da sind das Fahrrad und das Pedelec die schnellsten, gesündesten und kostengünstigsten Verkehrsmittel.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir es schaffen, diese Potenziale durch geeignete Infrastrukturmaßnahmen auszuschöpfen, haben wir nicht nur gesunde Pendlerinnen und Pendler, sondern auch mehr Platz auf den Straßen für diejenigen, die nicht auf das Auto verzichten können. Gleichzeitig haben wir mehr Lebensqualität und weniger Lärm. Wenn die Seilbahnen also dazu beitragen, dass die Freien Demokraten über nachhaltige Mobilitätsentwicklung nachdenken, dann habe ich heute gerne über ihren Gesetzentwurf geredet.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller. – Für die Landesregierung darf ich Herrn Staatsminister Al-Wazir das Wort erteilen. Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, dass die Region Frankfurt/Rhein-Main ein Verkehrsproblem hat. Erst kürzlich wurde über die durchschnittliche Staustundenzahl eines Pendlers in der Region berichtet: 107 Stunden pro Jahr. Das ist glücklicherweise ein bisschen weniger als im Jahr davor und deutlich besser als beispielsweise in Berlin oder München, aber das ist immer noch zu viel. Da sind wir uns alle einig. Allein schon deswegen muss der öffentliche Personennahverkehr mit allen sinnvollen Mitteln gestärkt werden. Ich will ausdrücklich sagen: Dazu können selbstverständlich auch Seilbahnen gehören.

Allerdings wundert mich manche Diskussion, weil ich merke, dass sie an einigen Punkten offensichtlich nicht zu Ende gedacht ist. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. In der Öffentlichkeit ist das Projekt Taunusblick bekannt. Wenn man das zu Ende denkt: Die Idee dahinter, an der Raststätte Taunusblick an der A 5 eine Seilbahn zu errichten, die über die A 5 zur U-Bahn-Station Heerstraße der U 5 führt – Stichwort: Entlastung der Stadt Frankfurt –,

ist, dass ein Pendler ins Auto steigt und sich auf die Autobahn begibt.

(Zuruf Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Weitere Zurufe)

Na ja, Herr Kollege Naas, an die Raststätte Taunusblick kommt man in aller Regel nur über die Autobahn.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Nein, nicht nur! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Oder mit dem Pferd von René Rock!)

Ja, es gibt noch die Panzerbrücke. Aber die Idee dahinter ist: Ein Pendler kommt dahin, steigt ins Auto und steht im Zweifel erst einmal zwischen Friedberg und dem Bad Homburger Kreuz im Stau.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich dachte, Hessen ist staufrei! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Seit 2015!)

Wenn er irgendwann an der Raststätte angekommen ist, steigt er in eine Seilbahn um, fährt vergleichsweise langsam zur U-Bahn, steigt dort in die U-Bahn um, fährt nach Frankfurt rein, um dann im Zweifel wieder umzusteigen, um dahin zu kommen, wohin er will.

(Zuruf Freie Demokraten: Das war jetzt ein bisschen Stoiber!)

Jetzt überlegen Sie sich einmal, wie viele Menschen das in der Realität machen würden und wie viele einfach im Auto sitzen bleiben würden. Deswegen kommt es immer darauf an, ob ein solches Projekt sinnvoll ist oder eben nicht.