Protocol of the Session on July 14, 2016

Es geht nicht nur den Milchbauern, sondern auch den Schweinebauern schlecht, weil sie von vielen Faktoren abhängig sind. Das ist zum einen das Wetter; zum anderen ist es aber auch die großpolitische Wetterlage. Beides führt dazu, dass Ernten schlecht sein können oder dass produziertes Fleisch nicht verkauft werden kann. Das heißt, wir müssen endlich über enge Grenzen hinausdenken. Wir müssen genau die Dinge beachten, die vorhin auch schon erwähnt worden sind. Wir können nicht nur auf Export setzen, wenn wir damit nichts anderes schaffen, als anderswo die landwirtschaftlichen Märkte zu zerstören. Dann schaffen wir wieder Armut, und mit der Armut schaffen wir wieder Wirtschaftsflüchtlinge – und dann haben wir wieder ein anderes Problem.

Wir müssen schauen, dass es uns gelingt, weltweit eine Produktion zu schaffen, mit der wir Menschen mit Lebensmitteln versorgen und einen wichtigen ökologischen Baustein haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass diese Situation derzeit nicht besteht, zeigt schon die Perversion, dass die Landwirte auf der einen Seite laut und deutlich beklagen, dass ständig mehr bewirtschaftetes Land verloren geht. Auf der anderen Seite geht es gar nicht verloren; sie sind doch die, die es verkaufen; und sie verkaufen es auch zweckfremd, wenn das denn möglich ist. Es gibt auch Druck auf kommunale Politiker, zu sagen: Jetzt widmet das bitte einmal um, denn wir wollen dafür gern ein bisschen mehr Geld bekommen als für Weideland. – Vor allem aber verkaufen sie, weil sie die Einnahmen benötigen. Aber dieser einmalige Verkauf des Tafelsilbers rettet sie auch nicht, ganz im Gegenteil.

Wenn wir diese Situation anschauen und sehen, dass es inzwischen bereits Landwirte gibt, die öffentlich über die Vergesellschaftung von Boden reden, dann wissen wir doch, dass ganz viele Menschen das Problem schon erkannt haben. Wenn wir hier darüber reden, als ob dieses Problem auf der Ebene von Konkurrenz zu lösen wäre, dann zeigen wir nur, dass wir es nicht erkannt haben – und dass wir auch nicht erkannt haben, dass wir es dringend und sehr viel umfassender angehen müssen.

Ich mache mir da keine Illusionen. Wir werden es nicht schaffen, dass sich alle Regierungen der Welt an einen Tisch setzen und sagen: Juhu, wir müssen die Landwirte retten.

Aber wir müssen die Anstrengung unternehmen. Wir müssen klarmachen, dass es hier ein Problem gibt und dass sich dieses Problem in den nächsten Jahren verschärfen wird; oder wir müssen akzeptieren, dass es Regionen in der Welt gibt, die dann Weizen, Schweinefleisch oder Soja produzieren – und wenn das einmal schiefgeht, dann geht es halt schief, dann müssen alle zusehen, wie sie klarkommen.

Das aber wollen wir doch nicht akzeptieren. Ich glaube, darüber besteht in diesem Hause Einigkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb geht mein Appell dahin, zu sagen: Lassen Sie uns wirklich einmal gemeinsam schauen – damit kann ich unmittelbar an den Vorredner anschließen –, wie man dieses Problem lösen kann. Das heißt natürlich: kurzfristige Hilfen. Die sind nötig, auch wenn sie keinen Bauern auf die Dauer retten werden, weder einen Ökobauern noch einen konventionellen.

Darüber hinaus müssen wir prüfen, welche Stellschrauben gedreht werden können, um zuerst einmal Abhilfe zu schaffen. Das ist notwendig, aber langfristig wird das nicht reichen. Wenn wir die Landwirtschaft in unserem Land langfristig sichern wollen, dann müssen wir global denken, und zwar nicht im Sinne von „Wie schaffen wir den Welthandel?“, sondern: Wie bekommen wir Gespräche mit den anderen zustande, und zwar in Form von weltweiten Gipfeln, die klarmachen, wenn wir es laufen lassen, läuft es möglicherweise in eine Katastrophe.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Schott. – Als Nächster hat sich Herr Kollege Wiegel für die CDU-Fraktion gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich ein kleines bisschen anders anfangen. Draußen hat gerade die Getreideernte begonnen. Sie sehen überall die Mähdrescher fahren. Sie ernten jetzt unser tägliches Brot. Das ist die eigentliche Hochzeit der Landwirtschaft.

Meine Damen und Herren, machen Sie sich einmal bewusst, dass, wenn Sie ein Brötchen kaufen, darin Getreide im Wert von 2 Cent enthalten ist. Wenn Sie sich dann dazu noch ein 100-g-Bratwürstchen gönnen, dann kommen davon bei den Landwirtinnen und -wirten – um das auch dem Hugo nochmals zu sagen – zurzeit ca. 17 Cent an. Beim Landwirt bleiben also 19 Cent für eine Semmel mit Bratwurst.

Nehmen wir dann noch 1 l Milch dazu. Zurzeit kommen davon beim Landwirt 21 Cent an. Dann haben wir eine volle Mahlzeit, von der gerade 40 Cent beim Landwirt ankommen. – Leider funktioniert das nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eines müssen wir uns sehr klarmachen: Davon können die Betriebe nicht existieren. Das sind Preise, die die Erzeuger in den Ruin treiben. Gerade die Milcherzeuger – das ist auch schon angesprochen worden – sind neben den Ferkelerzeugern sowie den Schweinemästern in einer der schwersten Agrarkrisen der letzten Jahrzehnte. Viele Betriebe sind in ihrer Existenz gefährdet, denn die derzeitigen Erlöse decken die Kosten nicht mehr. Es steht zu befürchten, dass es bei einer weiter andauernden Krise zu massiven Betriebsaufgaben gerade auch hier in Hessen kommen wird.

Meine Damen und Herren, das ist nicht einfach eine Marktbereinigung, wie sie in einer Marktwirtschaft vorkommt. Das ist eine Umwälzung, die die flächendeckende Landwirtschaft und mit ihr den Umweltschutz, die Kulturlandschaft und den ländlichen Raum infrage stellt. Jetzt ist diese Struktur, sind diese Betriebe in ihren Grundfesten bedroht – weil die Preise so sind, wie ich sie gerade dargestellt habe.

Sehr stichpunktartig will ich auf die verschiedenen Aspekte eingehen.

Erstens. Warum ist das so? Nach Auslaufen der Milchquote und auch schon vorher haben wir leichte Produktionsausweitungen. Die Nachfrage in Europa ist aber relativ konstant und ziemlich unelastisch. Der Absatz über den Export ist aus verschiedenen Gründen eingebrochen – auch das wurde schon angesprochen: von den russischen Gegensanktionen über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Nahen Osten wegen des Ölpreisverfalls bis hin zu Wachstumseinbußen im Fernen Osten. Das führt – dafür muss man kein Ökonom sein – zu Preisrückgängen. Gerade beim Milchpreis schlägt das aufgrund der Marktstruktur besonders auf den Erzeugerpreis durch. Wir müssen – auch das ist schon angesprochen worden – daher die Rahmenbedingungen so verändern, dass Bäuerinnen und Bauern sowie die Vermarkter mit dem Lebensmittelhandel auf Augenhöhe agieren können.

Die fünf größten Ketten machen 80 % des Handels aus. Das braucht mehr kartellrechtliche Regulierung. Es darf auch nicht sein – das passiert aber –, dass Einzelne gar nicht mehr verhandeln, sondern sich den Abschlüssen der anderen anschließen und somit immer den günstigsten Abschluss bekommen.

Am Dienstag hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka, die Bundesminister Gabriel gegen Empfehlungen genehmigen wollte, gestoppt. Ich begrüße das ausdrücklich und hoffe, dass das auch ein Signal für mehr Fairness bei den Preisverhandlungen sein kann.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Leider ist es auch so, dass Überlegungen zu einer freiwilligen Regulierung der Milchmenge durch die Marktakteure zur Entschärfung der Krise bisher zu wenig gegriffen haben. Das ist ärgerlich, weil die Politik mit dem Agrarmarktstrukturgesetz die Rahmenbedingungen geschaffen hat, dass die Vermarkter – also die Molkereien – sich durch Poolen stärker gegen den Handel und damit für die Erzeuger einsetzen könnten. Daher braucht es stärkere Schritte. Diese können aber kein Zurück zur Quote sein. Das wollte niemand, und das will auch jetzt niemand. Staatliche Mengen- und Preissteuerung funktionieren nicht und sind nicht effizient. Ich bin dankbar, dass es auch der gesamte Berufsstand so sieht.

Zweitens. Wie können wir helfen? Auch das ist schon angesprochen worden: Wir haben in Hessen einen wichtigen Schritt getan – wir haben uns sehr dafür eingesetzt, dass 5 Millionen € als Soforthilfe über die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete zur Verfügung gestellt werden. Damit können die existenzbedrohenden Auswirkungen der andauernden Marktkrise etwas abgemildert werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Ministerpräsident Bouffier, Ministerin Hinz und auch Finanzminister Dr. Schäfer sehr herzlich dafür, dass es gelungen ist, hier schnelle und unbürokratische Hilfe bereitzustellen.

(Beifall der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Durch diese Aufstockung können in diesem Jahr voraussichtlich insgesamt rund 20 Millionen € über die Ausgleichszulage ausgeschüttet werden.

Wir sind uns bewusst, dass nicht nur Milchviehbetriebe dieses Geld erhalten. Anders aber war eine schnelle Auszahlung ohne bürokratische Hürde nicht möglich – auch das muss man wissen. Wenn es über Brüssel gelaufen wäre, hätten wir erst Genehmigungen einholen müssen. Ich weiß nicht, ob diese Auszahlungen dann noch in diesem Jahr gekommen wären. So haben wir eine schnelle und unbürokratische Hilfe hinbekommen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Geld kommt vorrangig den Grünlandflächen zugute. Ca. 70 % dieser Flächen werden von rinderhaltenden Betrieben bewirtschaftet. Auch das will ich anmerken: Für Weizen- und Maisflächen gibt es wie schon bisher keine Förderung über die AGZ. Vor allem sendet die Hessische Landesregierung damit ein Signal an die Bäuerinnen und Bauern, das lautet: Wir lassen euch in der Krise nicht allein. Auch wenn wir als Landesregierung das Problem nicht allein lösen können, tun wir doch alles in unser Macht Stehende, um euch zu helfen, weil wir euch brauchen und weil ihr wichtig für unser Land seid.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber wir wollen auch nicht verschweigen, dass der Bund einiges getan und auf den Weg gebracht hat, um unmittelbar zu helfen. Die Bundesregierung und Bundesminister Christian Schmidt stellen zusätzlich 78 Millionen € für die bäuerliche Unfallversicherung zur Verfügung. Das entlastet die Betriebe unmittelbar. Außerdem wird es die Installation einer Soforthilfe in Höhe von 100 Millionen € plus x geben – ich hoffe, das Plus kommt auch –, zudem die Möglichkeit einer steuerlichen Gewinnglättung. Auch das erscheint mir wichtig. Auch die Bundesregierung hat also schon Maßnahmen ergriffen, um kurzfristig zu helfen.

Aber auch diese Maßnahmen allein werden das Problem nicht lösen. Wir brauchen daher europäische Lösungen. Ich möchte auch an dieser Stelle an die Europadebatte erinnern, die wir am Dienstag geführt haben, der zufolge nur dann alles möglich ist, wenn wir in Europa an einem Strang ziehen. Am Ende kann nur ein fairer Milchpreis den Betrieben auf Dauer helfen. Nur bei einer Reduzierung der Milchmenge auf der Ebene der Europäischen Union kann sich der Markt erholen und die Erzeugerpreise auf ein angemessenes Niveau ansteigen lassen.

Wir brauchen eine europäische Lösung; denn nur eine solche verspricht die nötige Wirkung auf dem europäischen Markt. Es gibt einige Vorschläge: Erst am 28. Juni 2016 hat der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs die Kommission dazu aufgefordert, dringend alle erforderlichen Unterstützungsmaßnahmen einzuleiten, gegebenenfalls einschließlich finanzieller Unterstützung für die Landwirte. Darüber hinaus appellierte er an alle Akteure der

Versorgungskette, zu Verbesserungen der Marktbedingungen beizutragen.

Ich bin dabei durchaus dafür, auch Anreize zu setzen, Mengen zu reduzieren. Auf europäischer Ebene kann man so sagen, dass zumindest diejenigen, die von Hilfestellungen profitieren wollen, Mengen zurückfahren und damit einen Beitrag zur langfristigen Problemlösung bringen müssen. Diese Position vertritt Deutschland auch in Brüssel.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es schon häufig gesagt, und gerade ich als praktizierender Landwirt in der CDU-Fraktion sage es gerne und immer wieder: Wir – das heißt, meine Fraktion, diese Koalition und die durch sie getragene Landesregierung – stehen fest an der Seite der hessischen Landwirte.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir lassen unsere Bauern nicht im Stich, sondern wir helfen und unterstützen sie, wo und so gut wir es können. Wir machen das nicht, weil die meisten Landwirte – das ist so – CDU wählen, sondern weil uns der Wert einer funktionsfähigen, flächendeckenden Landwirtschaft für unser ganzes Land, für unsere Gesellschaft in ländlichen Räumen bewusst ist. Landwirtschaft ist nicht irgendeine Form des Wirtschaftens.

Meine Damen und Herren, wir haben in Hessen eine kleinteilig und kleinbäuerlich strukturierte Landwirtschaft. So wollen wir sie erhalten. Vor allem wollen wir sie flächendeckend überall in Hessen erhalten. Warum? Weil Landwirtschaft noch viel mehr tut, als Waren zu produzieren, in diesem Fall Lebensmittel.

Ja, über 17.800 landwirtschaftliche Betriebe bieten in Hessen fast 60.000 Menschen Arbeit. Landwirtschaft ist gelebter Umwelt- und Artenschutz. Die Landwirte haben hohe Auflagen, und sie erfüllen diese Auflagen. Ich bin froh, dass die Freien Demokraten das in ihrem Antrag auch so formulieren.

(Florian Rentsch (FDP): Aha!)

Wir müssen gemeinsam dafür werben, dass diese Leistungen anerkannt und gewürdigt werden. Es ist viel passiert, und die Auflagen werden immer schärfer – sei es im Bereich des Tierschutzes, des Umwelt- oder des Natur- und Artenschutzes, wo Hessen ebenfalls vorangeht und Verantwortung übernimmt, sei es im Immissionsschutz oder beim Wasserrecht. Ob Amerika, Asien oder Afrika: Nirgends werden so hohe Standards eingehalten. Das müssen wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern da draußen auch sehr deutlich sagen.

Eng damit verknüpft ist der Erhalt unserer einzigartigen Landschaft in Hessen, die – das muss man immer wieder erwähnen – nur durch landwirtschaftliche Bewirtschaftung möglich ist. Nicht zuletzt sind Land- und Fortwirtschaft sehr wichtige Säulen für den ländlichen Raum.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies wollen und müssen wir erhalten. Das sind Familienbetriebe mit langer Tradition. Ein verlorener, ein aufgegebener Betrieb kommt nicht mehr zurück. Die Landwirte erhalten daher Gelder aus Brüssel, aus Berlin und auch vonseiten des Landes Hessen. Ich lege aber Wert auf die Feststellung, dass unsere Landwirte keine Subventionen erhalten. Sie erhalten ei

ne Entlohnung für gesellschaftlich gemeinnützige Leistungen, und sie haben dieses Geld verdient.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch einige Worte zum Antrag der FDP sagen. Vieles von dem, was Sie schreiben, ist vernünftig und geht in die richtige Richtung. Ich glaube Ihnen, dass Sie, trotz Ihrer sonst sehr marktliberalen Einstellung, ebenso wie wir den Landwirten Hilfestellung geben wollen.