Herr Kollege Merz, am Ende Ihrer Ausführungen wurde deutlich, dass auch Ihre Argumentation ziemlich am Ende ist. Das will ich einmal feststellen. Die entscheidenden Fragen haben Sie natürlich nicht beantwortet. Ich habe mehrfach die Frage der Finanzierung hier hinterlegt – keine Aussage dazu, genauso wenig wie im Gesetzentwurf.
Zweiter Punkt. Es ist Ihr gutes Recht, die Passagen, die Ihrer Intention am nächsten kommen, zu zitieren. Aber nun schreiben Sie mir bitte nicht vor, wen ich hier zitieren soll.
(Gerhard Merz (SPD): Ich habe nur auf etwas hingewiesen! – Fortgesetzte Zurufe des Abg. Gerhard Merz (SPD) – Glockenzeichen des Präsidenten)
Der dritte Punkt – darauf will ich Sie jetzt auch hinweisen, Herr Kollege Merz –, den ich hier erwähnen möchte, ist: Wen jetzt der DGB in die Anhörung schickt, ob das die Stellvertretung oder die Stellvertreterin der Stellvertretung ist, das ist mir zunächst einmal wurscht. Ich gehe davon aus, dass diejenige Person, die dort spricht, ein Mandat und einen klaren Arbeitsauftrag in einer Abstimmung hat, was dort gesprochen wird.
Ich sage es noch einmal: Diese Anhörung und die schriftlichen Stellungnahmen haben sehr eindrucksvoll dokumentiert, das wir auf dem richtigen Weg sind. Ich sage dazu: Wenn wir jetzt im Schlaraffenland wären und Geld überhaupt keine Rolle mehr spielen würde, dann könnten Sie hier mit Ihrer Gegenfinanzierung irgendetwas vorlegen. Aber Sie haben das getan, um in irgendeiner Form Aktivität zu dokumentieren. Das habe ich, glaube ich, mehrfach eindeutig entlarven können.
Insofern sage ich es noch einmal: Wir sind auf dem richtigen Weg, und der Gesetzentwurf ist in Ihrer Fassung auf jeden Fall mangelhaft. – Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser kurze und präzise Gesetzentwurf der SPD-Fraktion hat entgegen allen Erwartungen hier für mächtigen Diskussionsbedarf gesorgt. Wie mein Kollege Gerhard Merz in der letzten Sitzung des Kulturpolitischen Ausschusses schon bemerkte, mussten die Mitglieder der Opposition, also auch wir, leider schnell die Hoffnung begraben, dass die Mitglieder der Fraktionen der CDU und der GRÜNEN einem Gesetzentwurf zustimmen würden, den sie zwar für sinnvoll halten, der aber nicht von ihnen stammt. Genau das wird heute wieder passieren. Das ist sehr schade. Denn dieser Gesetzentwurf würde einer bestimmten, nicht zu
Es geht doch gar nicht um viele zusätzliche Ressourcen oder gar neue Strukturen. Es geht doch einzig und allein darum, die Schulpflicht-Altersgrenze für junge Menschen anzuheben, um ihnen den Besuch einer Schule oder einer schulischen Maßnahme auch über das 18. Lebensjahr hinaus zu ermöglichen. Herr Schwarz, das wäre dann lediglich ein neuer Mosaikstein für die von Ihnen richtig dargestellten weiteren Hilfen, um jungen Geflüchteten einen Bildungsabschluss zu ermöglichen.
Wem würde eine solche Maßnahme zugutekommen? Sie käme vor allem jungen Geflüchteten zugute, die das 18. Lebensjahr bereits überschritten haben. Das betrifft aber nicht nur Geflüchtete, sondern auch andere junge Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, den Anschluss einfach verpasst haben.
Herr Schwarz, da verstehe ich Ihre Argumentation auch nicht, dass eine Ausweitung der Schulpflicht eine zu große Herausforderung sei. Das ist unserer Ansicht nach zu kurz gesprungen. Denn die Frage ist doch, was zu einer größeren Herausforderung führt: die Beschulung junger Menschen bis zum 25. oder 27. Lebensjahr, die mit einem Schulabschluss endet, oder die Nichtbeschulung und damit die Inkaufnahme der Folgen, die sich ergeben, wenn man junge Menschen ohne Schulabschluss lässt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU, man ist Ihnen doch schon weit entgegengekommen. Die Altersgrenze wurde von 27 Jahren auf 25 Jahre abgesenkt. Ich verstehe einfach nicht, warum Sie da nicht über Ihren Schatten springen können.
Die Anzuhörenden, die sich weitestgehend für diesen Gesetzentwurf ausgesprochen haben, müssen sich meines Erachtens von Ihnen hinter das Licht geführt fühlen. Wir haben darüber eben schon gesprochen. Ihre Bedenken wurden in der letzten Ausschusssitzung ernsthaft diskutiert und mit Lösungsvorschlägen quittiert. Herr Schwarz, wie wollen Sie denen denn verständlich machen, dass Sie diesen Gesetzentwurf ablehnen?
In der Anhörung wurde von Frau Otten für den Gesamtverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Hessen wörtlich gesagt:
Nur gut ausgebildete Menschen haben langfristig eine Chance auf dem Arbeitsmarkt und können dann dauerhaft einen Beitrag zum Sozialsystem leisten.
Frau Otten weist auf einen anderen entscheidenden Punkt hin, nämlich auf den Fachkräftemangel. Die Umsetzung dieses Gesetzentwurfs würde einen Beitrag zur Überwindung des Fachkräftemangels leisten. Wir haben eben schon gehört, dass die Vertreter der Wirtschaft diesen Gesetzentwurf mit unterstützen. Also ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, wieso sich die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen derart sträuben.
Frau Ghasemi vom Caritasverband Gießen hat uns dann schließlich einen Einblick in den Alltag oder – wenn Sie so wollen – in die Praxis gegeben. Sie schilderte, dass junge
Menschen wegen der Erfahrung der Flucht eine gewisse Zeit brauchen, bis sie tatsächlich hier ankommen und realisieren, dass es auch Bildungsangebote für sie gibt. Sie brauchen Zeit, nachdem sie das ganze Erstaufnahmeverfahren und anderes abgeschlossen haben. Sie sagte:
Mit dem Programm InteA, das seit dem letzten Jahr eingeführt worden ist, sehen wir die Zeit als zu knapp an. Viele müssen noch alphabetisiert werden, sind sogar in der eigenen Herkunftssprache nicht alphabetisiert, sodass wir eine Ausweitung des Gesetzes sehr begrüßen würden im Sinne der jungen Menschen, …
So weit die Stellung des Caritasverbandes Gießen, der wohl wesentlich vertrauter mit der Problematik ist.
Ich will noch ganz kurz die vorgeschobenen Bedenken ansprechen. Herr Kollege May fürchtet, dass das zu einer Konkurrenz für die duale Ausbildung würde. Auf diese Argumentation ist Herr Kollege Merz schon eingegangen. Das ist unseres Erachtens ebenfalls absurd. Denn wenn dem so wäre, hätte sich das schon längst unabhängig von der Altersgrenze gezeigt.
Hinzu kommt, dass die geflüchteten Menschen um den Aufbau ihrer Existenz kämpfen. Für sie ist es wesentlich attraktiver, im dualen System schon Geld zu verdienen und trotzdem einen Berufsabschluss zu erlangen, als eine jahrelange unentgeltliche Ausbildung zu machen.
Herr Schwarz, Sie haben ein – ich sage es einmal so – interessantes Gegenargument eingebracht. Sie sagten, dass Menschen, die ohne Berufsabschluss nach Hessen kämen, eine Chance benötigten, sei richtig. Dies müsse aber auch für beispielsweise 28-Jährige oder 29-Jährige gelten.
Herr Kollege Schwarz, das ist schon bizarr: Wir verbessern deshalb ein Gesetz nicht, weil wir durch die Verbesserung zwar ganz vielen, aber nicht allen geholfen hätten. Analog wäre das so, wie wenn wir den Fluglärm nachts nicht verringern würden, sodass die Menschen von 0 Uhr bis 4 Uhr ruhig schlafen könnten, weil sie das von 4 Uhr bis 6 Uhr trotzdem nicht können.
Das ist absurd. Es zeigt sich leider, dass das prinzipienhafte Ablehnen ohne inhaltliche Gründe nun auch bei den Kolleginnen und Kollegen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Einzug gehalten hat. Prinzipien sind allem Anschein nach immer noch wichtiger als die einzelnen Biografien und die Existenzchancen junger Menschen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das ist traurig. – Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, bevor wir in der Debatte fortfahren, begrüße ich ganz herzlich auf der Besuchertribüne den Premierminister der südafrikanischen Provinz Gauteng, Herrn David Makhura, mit seiner Delegation. Exzellenz, Sie sind uns im Hessischen Landtag sehr herzlich willkommen.
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort erhält Herr Kollege Daniel May für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Dass die SPD-Fraktion mit ihrem Gesetzentwurf durchaus ein wichtiges Thema adressiert hat, nämlich wie wir junge Geflüchtete besser fördern können, habe ich beim letzten Plenardurchgang schon zugestanden. An dieser Feststellung ist auch nichts zu ändern.
Aber ich finde, dass die Debatte heute in eine Scheindebatte abgedriftet ist, nämlich eine Scheindebatte, die dahin geht – Frau Cárdenas hat das eben gerade auch noch einmal gemacht –, dass die einen die Förderung der jungen erwachsenen Geflüchteten wollen, die anderen aber nicht. Das ist einfach falsch. Ich finde es unredlich, dass Sie versuchen, das hier so aufzumachen.
Denn wir reden hier darüber, welches Instrument das richtige ist, um junge Geflüchtete bestmöglich zu fördern. Darum geht der Streit. Von daher finde ich, dass die Zitate, die Sie da geliefert haben, dass wir Fachkräfte und gut ausgebildete junge Menschen bräuchten, alle Teil der Scheindebatte waren. Denn an dieser Stelle gibt es keinen Widerspruch. Da besteht hoffentlich Einigkeit in diesem Haus. Die Frage ist aber, ob dieser Gesetzentwurf tatsächlich sinnvoll ist, um dieses Ziel zu erreichen. Daran haben wir immer noch Zweifel.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Michael Boddenberg und Judith Lan- nert (CDU))
Ich hatte im ersten Durchgang schon gesagt, dass ein Gesetzentwurf, der an und für sich den Zugang zur Berufsschule ändert, kein Konzept ersetzen kann. Ich habe schon seinerzeit gefragt, ob dieser Gesetzentwurf mit der vorgeschlagenen Änderung nicht auch Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringen könnte, die wir noch nicht absehen können.
Zweitens hatte ich schon festgestellt, dass wir weitere Förderangebote für junge erwachsene Geflüchtete brauchen und dass wir diese weiterentwickeln müssen. Ich hatte seinerzeit angeboten, dass wir uns darüber im Kulturpolitischen Ausschuss intensiv unterhalten. Das hat auch so stattgefunden.
Wenn man sich diese beiden Vorüberlegungen mit anschaut, kommt man zu dem Ergebnis, dass das Angebot des Besuchs einer Berufsschule an und für sich noch kein Förderangebot bedeutet. Das muss natürlich in den Berufsschulen mit Leben erfüllt werden. Das wird von den Berufsschulen auch verlangt. – Ich sehe Zustimmung des Kollegen Merz.
Zweitens müssen wir schauen, welche Nebeneffekte eine solche Öffnung haben kann. In diesem Sinne haben wir die Anhörung ausgewertet. Wenn wir die Anhörung auswerten, sehen wir, dass es kein so eindeutiges Votum gegeben hat, wie Sie, Herr Kollege Merz, es dargestellt haben. Ich glaube, es ist vom Kollegen Schwarz schon richtig darauf
hingewiesen worden, dass es dort einen Aspekt gibt, über den man nicht so einfach hinweggehen kann, nämlich was das für die Situation vollschulische Ausbildung versus duale Ausbildung bedeutet. Es gab dort einige Stellungnahmen, die das auch so angesprochen haben.
An dieser Stelle ist das Problem, dass Sie kein Angebot für die jungen Geflüchteten machen, sondern für alle bis 27Jährigen. Jetzt stellt sich aber die Frage – und darauf sind Sie bisher noch nicht eingegangen –, warum die Maßnahmen, die bisher für alle diejenigen, die in diese Altersgruppe fallen, schlecht sein sollen, sodass man diese neue Maßnahme braucht. Darauf sind Sie nicht eingegangen. Daher müssen wir das schon einmal näher betrachten.