Ich weiß, was die Leute denken. Ich weiß vor allem, was die Verkäuferinnen und Verkäufer denken, die da stehen, wenn sie sagen: „Scheiß langer Sonntag!“ Entschuldigung, das war jetzt unparlamentarisch. Aber die Menschen denken so, das gehört auch zu dem Bild.
Jetzt möchte ich noch einmal dringend davor warnen – es ist auch von Herrn Minister Grüttner zu Recht angesprochen worden –: Lassen Sie uns bitte die Diskussion um die Ladenöffnungszeiten nicht derart überhöhen, als ob die wirtschaftliche Entwicklung zentral von diesem Thema abhängen würde. Das geht nicht. Das erinnert mich ein bisschen an die Diskussion zum Mindestlohn. Als wir den durchgesetzt haben, haben Sie vonseiten der FDP einen Antrag mit einer Zahl angeblich wegfallender Minijobs eingebracht und haben als ehemals wirtschaftsliberale Partei das als den Untergang des wirtschaftlichen Abendlandes in Deutschland dargestellt.
Lassen Sie uns die Diskussion an der Stelle bitte nicht fortführen, die ist völlig falsch. Kassel und andere Städte haben sich auch ohne längere Ladenöffnungszeiten an Sonntagen kräftig entwickelt. Wenn man etwas Besseres machen kann, wenn es vernünftig ist und wenn es einen gesamtgesellschaftlichen Konsens darüber gibt, Kollege Rentsch, würden wir uns dem nicht versperren. Aber den kann ich bei Weitem nicht erkennen, auch nicht nach der Anhörung.
Wir sind gespannt auf das, was Sie zur dritten Lesung an Änderungen vorbringen, möglicherweise vor der Kommunalwahl. Ich weiß nicht, ob Sie das Thema in der Richtung ein bisschen hochziehen wollen; aber das ist eine andere Geschichte. Dann werden wir erneut darüber diskutieren, dann sehen wir uns wieder. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Decker. Das besagte Zitat setzen wir in Anführungszeichen, dann ist es erlaubt. Okay?
Es liegt keine weitere Wortmeldung vor. Dann kann ich darüber abstimmen lassen. – Nein, es wurde dritte Lesung beantragt.
Dann stelle ich fest, dass die zweite Lesung durchgeführt worden ist. Wir überweisen es an den zuständigen Ausschuss zur Vorbereitung der dritten Lesung. – Kein Widerspruch, somit beschlossen.
(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wirtschaftsausschuss! – Minister Stefan Grüttner: Nein, Sozialpolitischer Ausschuss!)
Minister Grüttner ist eindeutig nicht der Wirtschaftsminister. Jedenfalls habe ich das bisher immer so gedacht. Es bleibt beim Sozialpolitischen Ausschuss. – Danke schön.
Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Hessisches Gesetz über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und zum Abbau von Diskriminierungen von Frauen in der öffentlichen Verwaltung (Hessisches Gleichberechtigungsgesetz – HGlG) – Drucks. 19/2888 zu Drucks. 19/2637 zu Drucks. 19/2161 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich verlese die Beschlussempfehlung: Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von SPD, DIE LINKE und FDP, den Gesetzentwurf in dritter Lesung unverändert anzunehmen.
Vielen Dank, Frau Erfurth. – Ich eröffne die Aussprache. Es sind fünf Minuten Redezeit vereinbart. Das Wort hat Frau Erfurth für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir heute nach der dritten Lesung das hessische Gesetz über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der öffentlichen Verwaltung verabschieden, dann haben wir die Weichen für ein modernes und fortschrittliches Gesetz gestellt,
ein Gesetz, das mehr Frauen in Führungspositionen bringen wird und durch das neue Organklagerecht die Rechte der Frauenbeauftragten stärkt. Damit spielen wir im Bereich der Gleichberechtigungsgesetze bundesweit in der Spitzenliga.
Wir ermöglichen das Führen in Teilzeit, und wir bieten einen Strauß neuer Personalführungselemente an, die, klug angewandt, dazu führen werden, dass am Ende mehr Frauen in Führungspositionen sein werden. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen von der CDU sehr dankbar, dass wir es in einem konstruktiven Prozess geschafft haben, am Ende gemeinsam einen solchen Gesetzentwurf in den Hessischen Landtag einzubringen, und das Gesetz heute, wenn Sie alle zustimmen, so verabschieden können. Es war nicht immer leicht, aber am Ende waren wir doch gemeinsam erfolgreich.
Wir stärken die Rechte der Frauenbeauftragten durch eine Vielzahl von Maßnahmen. Wir sichern ihre Stellung, indem wir die Freistellung bereits ab einer Anzahl von 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesetzlich fixieren. Und wir werden ein Klagerecht für Frauenbeauftragte ermöglichen, das es erlaubt, ihre Rechte dann, wenn es nicht mehr anders geht, auch gerichtlich durchzusetzen.
Das gibt es nicht in allen Bundesländern. Das gibt es auch nicht in allen Bundesländern, in denen die SPD mitregiert. Ein erweitertes Klagerecht, das sogar gegen den Willen der Betroffenen möglich ist, so wie es im Gesetzentwurf der SPD-Fraktion stand und was die Fraktion DIE LINKE gerne wieder in den Gesetzentwurf hineinverhandelt und -gestimmt hätte, gibt es nach meinen Informationen in überhaupt keinem Bundesland. Ich kann deshalb an dieser Stelle durchaus mit Stolz sagen: Grün wirkt.
Schwarz-Grün wurde vorgeworfen, wir hätten auf zentrale Ausführungen in der Anhörung nicht reagiert. Dem kann ich heute nur wieder entschieden entgegentreten. Wir haben im Vorfeld sehr intensiv mit verschiedenen Vereinen und Organisationen gesprochen und uns sehr bemüht, das, was möglich und erreichbar war, in den Gesetzentwurf einzuarbeiten.
Es gab am Ende nicht den einen gemeinsamen Wunsch, auch nicht aus den Frauenverbänden, den wir hätten aufnehmen können. Der Wunsch nach einer eigenen Ansprechstelle im Landtag wurde am Ende auch nicht mehr von den Mitgliedern der SPD-Fraktion aufrechterhalten. Denn das ist schlichtweg nicht finanzierbar.
Den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, den Sie heute noch eingebracht haben, brauchen wir eigentlich bei verständigem Lesen des Gesetzentwurfs nicht. Denn § 16 des neuen Gleichberechtigungsgesetzes wird mit „Dauer der Bestellung und Abberufung“ überschrieben sein. Das wird der Titel in dem Gesetz sein. Damit ist klar: Es geht um die Neubestellung der Frauenbeauftragten. Alle Frauenbeauftragten, die derzeit in einer Personalvertretung sind, können ihr Amt im Personalrat noch problemlos bis zum Ablauf der derzeitigen Wahlzeit ausüben. Im Mai 2016 wird bereits die Wahl sein.
Dann müssen sie sich allerdings entscheiden, ob sie weiterhin im Personalrat oder Frauenbeauftragte bleiben wollen.
Wir werden mit dem neuen Hessischen Gleichberechtigungsgesetz den Fokus darauf legen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen. Es ist unstreitig, dass es da Nachholbedarf gibt. Das haben wir hier wiederholt diskutiert. Deshalb legen wir mit den Grundsätzen des Gesetzes fest, dass alle Dienststellen darauf verpflichtet werden, das neue Leitprinzip „mehr Frauen in Führung“ zu beachten. Das wird die gesetzliche Verpflichtung aus den Grundsätzen des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes werden.
Dazu gehört unter anderem ein ganzes Bündel an Maßnahmen für eine geschlechtergerechte Personalentwicklung. Dazu kann auch das Instrument der geschlechtergerechten Personalkostenbudgetierung genutzt werden. Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle Dienststellenleitungen auf Anhieb davon restlos begeistert sein werden. Es wird eine Weile brauchen, sich an neue Begriffe und die Umsetzung zu gewöhnen. Ich bin mir aber sicher, dass es die Lebenswirklichkeit in den Dienststellen verändern wird.
Unser neues Gesetz wird modern und pragmatisch sein. Wir wollen, dass eine geschlechtergerechte Führungskultur gelebt wird. Wir werden dazu das nötige Werkzeug liefern. Wir wollen, dass die Gleichberechtigung in den Dienststellen umgesetzt werden kann.
So wird es mit dem neuen Gleichberechtigungsgesetz auch möglich sein, dass Führungskräfte in Teilzeit arbeiten. Denn auch die Chefs und die Chefinnen haben ein Recht auf mehr Zeit für die Familie.
Mit dem neuen Gesetz wird es möglich sein, Karriere und Familie zu verbinden. Meine Damen und Herren, ich kann Sie nur einladen: Machen Sie mit. Stimmen Sie dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zu. Ich freue mich auf Ihre Zustimmung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Frauenbeauftragten und die Mitglieder der Hessischen Landesregierung leben offensichtlich auf verschiedenen Planeten. Noch diese Woche haben Frauenbeauftragte bei einer Veranstaltung in diesem Haus versucht, den Mitgliedern der Regierungsfraktionen deutlich zu machen, dass sie mit diesem Gesetzentwurf ganz und gar nicht zufrieden sind. Wir haben deswegen heute die dritte Lesung.
Die Beschlussempfehlung des Sozial- und Integrationspolitischen Ausschusses sieht vor, keine einzige Veränderung an dem Gesetzentwurf vorzunehmen. Frau Erfurth, da kann man nicht einfach sagen: Wir haben im Vorfeld alles mit ihnen besprochen und einen hervorragenden Gesetzentwurf gemacht. – Wenn man in der Anhörung so eine massive, fundierte und detaillierte Kritik bekommt, von der man nichts aufnimmt, dann ist das wirklich unangemessen.
Was sollen denn die Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten sowie die Expertinnen und Experten davon halten, die viel Arbeit in Stellungnahmen und Verbesserungsvorschläge gesteckt haben? Sie wollten mit uns gemeinsam ein solides Gesetz erarbeiten. Sie haben sich gefreut, dass endlich etwas passiert.
Ich nutze absichtlich die Vergangenheitsform. Denn was nach diesem Modernisierungsprozess übrig geblieben ist, ist Enttäuschung. Es ist eben nicht so, dass man ganz viel Zeit brauchen wird, sich auf das neue Gesetz einzustellen. Es wird einfach nicht so viele Veränderungen bringen.
Es ist skandalös, wie Schwarz-Grün mit den Einwänden und der Expertise der so motivierten und engagierten Sachverständigen umgegangen ist. Es wurden vier Jahre für einen Prozess und einen Gesetzentwurf gebraucht, der die, die es betrifft, also die, um die es hier geht, umfassend enttäuscht. Wir haben versucht, den Input, den wir sehr wertschätzen, den wir alle in einer Demokratie wertschätzen müssen, zu verarbeiten – denn wir brauchen das Mitmachen –, um das Hessische Gleichberechtigungsgesetz nicht nur mit einem neuen Datum zu versehen, sondern es mit zeitgemäßem Inhalt zu füllen.
Ich darf daran erinnern, dass während der letzten Plenarwoche der Landesregierung mehr als 1.000 Postkarten übergeben wurden, mit denen die Frauen und die Männer ihren Anspruch an die Frauenpolitik formuliert haben. Ich habe kein Verständnis dafür, wie man derartig respektlos mit dem Einsatz und dem Partizipationswillen der Bürgerinnen und Bürger umgehen kann.