Dieses Zitat ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Die Verlautbarungen dieser Gruppen triefen nur vor Fremdenhass, Aufrufen zu Gewalt und unverblümtem Hass gegen die Demokratie. Das sehen auch einige Verfassungsschutzämter in den anderen Bundesländern so. Die haben jetzt schon die Identitäre Bewegung als neue Entwicklung erkannt. Sie haben reagiert und stufen sie als rechtsextrem ein oder bezeichnen sie sogar als neonazistisch wie in Bremen. Aber in Hessen sieht die Landesregierung keinen Handlungsbedarf, und das halte ich für grob fahrlässig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann Ihnen nur raten, blenden Sie die neuen Organisationsformen der extremen Rechten nicht aus. Ich kann nur hoffen, dass diese Debatte und damit auch unsere Große Anfrage die Landesregierung zum Umdenken anregt.
Vor diesem Hintergrund des Ausblendens einiger Gruppen verwundert es nicht, dass die Landesregierung zu dem Ergebnis kommt, dass der Rechtsextremismus in Hessen auf stabil niedrigem Niveau ist, dass die rechtsextreme Szene in Hessen nicht vernetzt ist oder sogar nur aus losen regionalen Gruppierungen besteht. Leider hat das nichts mit der Realität zu tun.
Ein anderes Phänomen, wo ebenfalls jede Einschätzung der Landesregierung fehlt, ist die AfD. Nun haben sich die Ereignisse mittlerweile überholt. Man muss nicht mehr vor einem Rechtsruck in dieser Partei warnen; dieser Rechtsruck ist in vollem Gang.
Aber auch schon zum Zeitpunkt der Anfrage gab es mehr als genug Indizien dafür, dass es Rechtsextreme in der AfD gibt und auch Rechtsextreme, die gezielt versuchen, in der AfD eine neue Heimat zu finden. Da hätte ich mir von der Landesregierung schon ein paar Worte zur politischen Einschätzung gewünscht. Aber das war anscheinend zu viel verlangt. Das konnten wir von Ihnen nicht erwarten. Sie schweigen einfach zum Thema der AfD in der Antwort auf die Große Anfrage.
Meine Damen und Herren, abschließend will ich auf ein Problem eingehen, das in der Großen Anfrage zu erkennen ist, das immer drängender wird und auf das wir reagieren müssen. Das Zahlenmaterial aus der Beantwortung zeigt deutlich, dass bei Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte seit Herbst 2014 ein Anstieg zu verzeichnen ist. Wir hatten am Dienstag dieser Woche eine Debatte zur Regierungserklärung zum Thema Flüchtlinge. Ja, es ist richtig, es gibt vielerorts viele engagierte Menschen, die sich sehr positiv für die Flüchtlinge, die in unserem Land Schutz suchen, einsetzen. Das ist gut und wichtig so.
Aber Stimmungen können auch kippen. Damit das in Hessen nicht passiert, müssen wir die Zahlen seit 2014 im Blick haben, die Entwicklung sehr genau verfolgen und vor allem präventiv handeln. Wir müssen schon jetzt Konzepte haben, wie wir die Kommunen unterstützen können und wie wir für die Sicherheit der Menschen, die bei uns Schutz suchen, sorgen können.
Ja, ich komme zum Schluss. – Deswegen unterstützen wir ausdrücklich die Initiative aus dem Beratungsnetzwerk, die Kommunen dabei zu unterstützen.
Diese Landesregierung beweist aber immer wieder, dass sie entweder nicht alles weiß oder nicht alles wissen will. Wenn etwas bekannt wird, dann vor allen Dingen aufgrund von Berichtsanträgen und Anfragen der Opposition. Wir, die Mitglieder der SPD-Fraktion, hätten gerade aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre und nach dem Bekanntwerden der NSU-Mordserie neues Nachdenken erwartet. Darauf warten wir leider noch immer.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Rechtsextremisten schaden mit ihrer Fremdenfeindlichkeit, ihrem Rassismus und ihren Gewalttaten friedliebenden Menschen, den Opfern und deren Angehörigen. Sie schaden aber auch unserer Gesellschaft insgesamt. Die schreckliche NSU-Mordserie zeigt dies anschaulich. Der Kampf gegen Rechtsextremismus hatte und hat für uns daher immer eine hohe Priorität.
Hessen ist ein weltoffenes Land. Bei uns gibt es keinen Platz für extremistische Umtriebe jedweder Art. Wir wollen bei uns keine Extremisten, seien es rechte, linke, islamistische oder andere.
Bei uns gibt es Platz für vieles. Aber es darf keinen Platz für Gewalt gegen Andersdenkende, Andersgläubige und anders Abstammende geben.
Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage hat gezeigt: Hessen ist bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus gut aufgestellt. Es setzt dennoch, auch in diesem Jahr, bewusst neue Akzente. Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ist nicht wehrlos und darf es auch nicht werden. Sie besitzt Mittel, um sich gegen ihre Feinde zu verteidigen und um Menschen, die des Schutzes bedürfen, zu schützen.
Die Antwort zeigt aber auch: Der Extremismus bleibt für uns in Hessen und in Deutschland insgesamt eine Herausforderung. Deshalb investieren wir in Hessen in die Bekämpfung des Rechtsextremismus sehr viel Geld. Insgesamt stehen in Hessen 2,7 Millionen € zur Bekämpfung des Extremismus bereit, speziell für präventive Maßnahmen, wobei wir jede Form des Extremismus im Blick haben.
Viele wirkungsvolle Programme und Maßnahmen wurden von uns initiiert und werden angemessen finanziell ausgestattet. Lassen Sie mich einige exemplarisch aufführen.
Bewährte und neue Maßnahmen wurden in dem von der Landesregierung neu aufgelegten Programm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ gebündelt. Mit 1 Million € wird dieses Programm jährlich hinterlegt. Hinzu kommen fast 1,7 Millionen € aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“.
Das Beratungsnetzwerk Hessen bietet bereits seit dem Jahr 2007 professionelle und – das ist auch wichtig – kostenlose Beratung. An das Beratungsnetzwerk können sich alle wenden: Schulen, Eltern, Familienangehörige, Vereine, Gemeinden und andere Betroffene. Wer von Antisemitismus, Rassismus oder Rechtsextremismus betroffen ist, dem steht das Beratungsnetzwerk Hessen zur Seite. Bisher konnten in 369 Fällen Personen oder Institutionen beraten werden, welche von unterschiedlichsten Diskriminierungsformen betroffen waren. Das ist gelebte Hilfe.
Das Beratungsnetzwerk Hessen wird ständig erweitert, im Februar 2014 beispielsweise um den hessischen Landesverband Deutscher Sinti und Roma.
Das Beratungsnetzwerk Hessen bietet seit 2014 auch den Kommunen Unterstützung an, wenn es im Zusammenhang
mit der Aufnahme von Flüchtlingen zu Konflikten mit Rechtsextremisten kommt oder kommen könnte. Es ist schlimm, dass wir darauf vorbereitet sein müssen. Aber wir sind es.
Mit mobilen Interventionsteams kann die Beratung auch vor Ort erfolgen. Wir gehen dorthin, wo die Probleme sind. In diesem Jahr soll mit der Einrichtung einer Regionalstelle Nord- und Osthessen beim mobilen Beratungszentrum mit Sitz in Kassel im Rahmen eines Pilotverfahrens das Angebot noch besser in die Fläche getragen werden. Damit soll auch ein Beitrag geleistet werden, die Angebote des Beratungsnetzwerks noch bekannter zu machen. Denn wir erleben, dass die Nachfrage bisher regional unterschiedlich ist, woran das auch immer liegen mag.
Das Demokratiezentrum Hessen, vielen noch als die frühere Landeskoordinierungsstelle bekannt, ist seit 2011 an der Marburger Universität angesiedelt. Von dort aus werden die Beratungen fachlich versiert gesteuert, dokumentiert und ausgewertet. Hier findet unserer Ansicht nach die wichtige Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung statt, und zwar permanent. Von hier aus wird mit vielen Informationsangeboten die Öffentlichkeit über den Rechtsextremismus aufgeklärt. Vernetzungen, auch in der Zivilgesellschaft, werden aktiv begleitet. Das erhöht die Durchschlagskraft.
400.000 € stehen jährlich über das neue hessische Landesprogramm für das Demokratiezentrum Hessen zur Verfügung. Weitere 400.000 werden vom Bund hinzugefügt.
Auch die ressortübergreifende Arbeitsgruppe „Gewalt und Minderheiten“ des Landespräventionsrats befasst sich bereits seit dem Jahr 2002 mit dem Thema Prävention des Rechtsextremismus. Das Hessische Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus, kurz HKE, vernetzt diese landesweiten präventiven Aktivitäten für Demokratie und Toleranz und gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen. Gemeinsam mit dem Hessischen Landeskriminalamt, dem Hessischen Landesamt für Verfassungsschutz und dem Violence Prevention Network führt es Informations- und Sensibilisierungsmaßnahmen durch.
Ich nenne stellvertretend: Informationsveranstaltungen, Teilnahme an Schulleiterdienstversammlungen, Beratung der Kommunen, Durchführung und Teilnahme an Sicherheitskonferenzen, Sensibilisierungsmaßnahmen in Justizvollzugsanstalten – auch das ist leider notwendig – sowie Multiplikatorentraining innerhalb der hessischen Polizei. Es wird also Vielfältiges unternommen und getan, um Multiplikatoren zu schulen, damit sie rechtzeitig Tendenzen erkennen und vor allem auch präventiv tätig werden können.
Darüber hinaus führt das Hessische Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus eigene selbstständige Präventionsprojekte durch. Beispielsweise wurde ein Schulungsfilm über die virtuelle Radikalisierung erstellt.
Das Kompetenzzentrum Rechtsextremismus, kurz KOREX genannt, das im Landesamt für Verfassungsschutz angesiedelt ist, wurde 2008 eingerichtet. Es betreibt insbesondere durch gezielte Beobachtung rechtsextremer Aktivitäten, regionaler Schwerpunkte und rechtsextremer Umtriebe Aufklärungsarbeit. Das wird dann entsprechend zusammengefasst, aufbereitet und kommuniziert. Mit diesem so entstehenden Informationsmaterial kann allen Bürgern fundiertes
Grundlagenwissen vermittelt werden. Das erhöht deren Sensibilität. Das Kompetenzzentrum organisiert darüber hinaus zielgruppenorientierte Veranstaltungen. Damit werden wichtige Verantwortungsträger und Multiplikatoren erreicht.
Mit IKARus, dem Informations- und Kompetenzzentrum Ausstiegshilfen Rechtsextremismus, gibt es auch für diejenigen ein Angebot, bei denen die Prävention im Vorfeld nichts genutzt hat, die jetzt aus den Fängen extremistischer Gruppen herausgelöst werden müssen. Wir wissen, dass das Loslösen aus dem Extremismus mit Schwierigkeiten und Ängsten verbunden sein kann. Deswegen muss man auch hier entsprechend helfen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Jürgen Frömmrich und Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Seit der Einführung dieses Programms sind mehr als 60 Rechtsextremisten aus der Szene herausgeholt worden. Kontinuierlich werden weitere Aussteiger beraten und betreut. Das sei an dieser Stelle auch gesagt: Das ist sozusagen die Blaupause für ein ähnliches Programm hinsichtlich des Salafismus.
Ein weiterer Baustein ist das Programm „Rote Linie – Hilfen zum Ausstieg vor dem Einstieg“. Man muss die Leute tatsächlich rechtzeitig erreichen, nämlich dann, wenn man merkt, dass da einer abgleitet.
Auch die Betreuung der Opfer ist ein wichtiges Signal. Wir versuchen nicht nur die Täter dingfest zu machen. Uns ist auch wichtig, dass die Opfer rechtsextremer und rassistischer Taten nicht alleingelassen werden.
Das sei an dieser Stelle zu sagen auch gestattet: Wir wissen alle, dass wir neben den aktuellen Fällen mit Rechtsextremismus auch und vor allen Dingen zurzeit mit Salafismus zu tun haben. Ich darf darauf hinweisen, dass wir als erstes Bundesland auch hier tätig wurden. Wir haben ein spezielles Präventionsnetz gegen den Salafismus ins Leben gerufen. Wir unterstützen es jährlich mit 400.000 €.
Egal, um welche Extremismusfelder es geht, erwähne ich gerne bei dieser Gelegenheit die sinnvolle, wirkungsvolle und effektive Arbeit der Polizei. Sie schützt die Bevölkerung auch vor extremistischen Gewalttätern und leistet bei der Aufklärung der Straftaten mit extremistischem Hintergrund eine wichtige Arbeit.
Darauf hatte ich bereits hingewiesen: Auch das Landesamt für Verfassungsschutz leistet durch das Sammeln der entsprechenden Daten und Informationen, aber auch durch das Informieren der betreffenden Multiplikatoren einen wichtigen und wertvollen Dienst.
Wir vergessen nicht, dass viele Privatinitiativen – Menschen, die sich auch außerhalb geförderter Strukturen ehrenamtlich engagieren – ein unverzichtbarer Bestandteil im Kampf gegen den Extremismus und ein Ausdruck unserer lebendigen Demokratie sind. Gerne erwähne ich auch – und das erscheint mir besonders hervorhebenswert –, dass neben diesen speziellen Programmen durch staatliche oder
staatlich geförderte Einrichtungen, die ich angesprochen habe, die feste Integration in Vereinen und in der Schule, die Jugendliche von den Verführungen der Demagogen und Ewiggestrigen schützt, unterstützt werden muss. Der Hessische Jugendring, die freiwilligen Jugendfeuerwehren, der Jugendsport, Pfadfinder – kurz, die ganze Vielfalt der Jugendarbeit leistet Hervorragendes in der Aufklärung und in der Prävention bezüglich des Extremismus. Auch dort helfen wir mit speziellen Programmen. So wird beispielsweise der Hessische Fußballverband im Umfang von 100.000 € unterstützt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Dank gilt deshalb allen, die auf dem Boden unseres Grundgesetzes gegen Extremismus wirken und unsere Gesellschaft, unsere Demokratie und unsere Werte schützen. – Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.