Protocol of the Session on June 25, 2015

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz ist schon von mehreren erläutert worden, ich will es nicht wiederholen.

Im Wesentlichen haben wir es mit der Umsetzung bundesrechtlicher Vorgaben in das Landesrecht zu tun. Das muss so sein, das ist im Wesentlichen auch ordentlich und korrekt gemacht worden. Das Anhörungsergebnis war insoweit auch eindeutig.

Gleichwohl haben wir beantragt, eine Anhörung schriftlicher Art durchzuführen, weil uns insbesondere ein Thema umtreibt, und das will ich hier in Erinnerung rufen, weil es meines Erachtens auch nach der Verabschiedung dieses Gesetzes auf der Tagesordnung bleiben muss, und zwar die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung.

Dort haben wir eine Regelung in dem Gesetz. Sie ist auch besser als das, was wir bis jetzt hatten. Aber ich muss für meine gesamte Fraktion sagen, dass wir nicht der Überzeugung sind, dass dies der Weisheit letzter Schluss ist. Wir meinen, dass es mit der Öffentlichkeitsbeteiligung eigentlich deutlich weiter gehen muss, dass man sie anders organisieren und vor allem früher organisieren muss, als es auch jetzt vorgesehen ist.

(Beifall bei der FDP)

Die Bürgerbeteiligung, die ihren Namen wirklich verdient und Akzeptanz herstellen kann – wir haben es in jüngster Zeit immer wieder erlebt –, läuft letztlich nicht über Bürgerbegehren oder Bürgerentscheide. Das funktioniert nicht. Wer es sich konkret anschaut, stellt fest, es funktioniert nicht. Wenn wir uns demnächst wieder mit der Absenkung von Quoren beschäftigen, ist das ein Ausfluss dieser Erkenntnis, dass es nicht funktioniert bzw. dass die Bürgerbeteiligung auf diesem Wege nicht funktioniert.

Wir hegen gewisse Zweifel, dass die Absenkung von Quoren und damit letztlich die Infragestellung der demokratischen Legitimation solcher Bürgerentscheide der richtige

Weg ist. Wenn wir die Lehren aus Großprojekten wie Stuttgart 21 ziehen, wo zumindest über mehr als ein Jahrzehnt der Planungsprozess mit allen Beteiligungsformen lief und der Konflikt trotzdem richtig ausbrach und hochkochte, müssen wir doch realisieren, dass unsere vorhandenen Beteiligungsformen eigentlich nicht solche sind, die wirklich dazu führen, dass betroffene Bürger frühzeitig in entsprechende Entscheidungen einbezogen werden, sich auch einbezogen fühlen und dann gegebenenfalls eine größere Akzeptanz für letztlich in demokratischen Verfahren getroffene rechtstaatliche Entscheidungen haben.

Wenn das so ist, müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie wir möglicherweise sogar zu einer Beschleunigung von Verfahren kommen, indem wir Bürgerbeteiligung verstärken, aber in einem frühen Stadium im Vorfeld entsprechender Entscheidungen. Das ist ein Thema, das auf der Tagesordnung bleiben muss und zu dem ich ankündige, dass wir entsprechend initiativ werden. Bürgerbeteiligung nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz, wie wir es jetzt ändern, ist nicht der Weisheit letzter Schluss.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Greilich. – Für die Landesregierung hat sich Herr Staatssekretär Koch gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will der ganzen Debatte nichts mehr anfügen. Das, was ich auch angesprochen hatte, ist mehr oder minder schon besprochen worden.

Als Verwaltungsmensch in früherer Tätigkeit und als Jurist möchte ich allerdings sagen, dass dieses Gesetz nicht so lapidar ist, wie man meinen könnte. Es ist das Handwerkszeug unserer gesamten Verwaltungen. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als ich angefangen habe, zu studieren – da gab es das gerade erst, und es hat sich entwickelt.

Es ist wichtig, dass die Gesetze einigermaßen gleichmäßig sind und gleiche Inhalte haben. Ich denke, das haben wir hier erreicht. Herr Rudolph, wenn wir ein bisschen gewartet haben: Es ist manchmal auch ganz gut, wenn man sieht, wie sich etwas entwickelt, und dann hat man Möglichkeiten, zu reagieren.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist auch eine Begründung!)

Die angesprochenen Themen wie Öffentlichkeitsarbeit nehmen Konfliktpotenzial weg. Die Frage der elektronischen Signatur und sonstiger Möglichkeiten, in IT-Systemen entsprechend zu kommunizieren, ist erweitert worden. Aus meiner Sicht ist das gut. Im Hinblick darauf, dass sich diese elektronische Signatur in der Tat nicht durchgesetzt hat, sondern sozusagen nur für gewisse Bereiche geeignet ist, ist es machbar und möglich, jetzt ein wenig andere Erfahren zu sammeln.

Damit will ich nahezu schließen; denn es ist so: Alles, was jetzt geregelt worden ist, ist auch wieder einer Evaluation unterzogen. Im IT-Bereich gehen die Entwicklungen sehr schnell voran, bei der Beteiligung der Öffentlichkeit wird man sehen, wie sich das Ganze entwickelt. Es ist ja auch

eine Frage der Verfassungskonformität, das muss man sich einmal anschauen.

Ich möchte mit der Bitte schließen, dem Gesetzentwurf in zweiter Lesung zuzustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Koch. – Wir sind am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und anderer Vorschriften.

Wer dem Gesetz die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP, GRÜNE und SPD. Wer ist dagegen? – Das ist DIE LINKE. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen und wird zum Gesetz erhoben.

(Beifall des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Große Anfrage der Abg. Eckert, Faeser, Franz, Gnadl, Hartmann, Holschuh, Rudolph (SPD) und Fraktion betreffend Kenntnisstand zu rechtsextremen und neonazistischen Strukturen in Hessen sowie zu rechtsextremen Einstellungsmustern in der sogenannten Mitte der Gesellschaft – Drucks. 19/1759 zu Drucks. 19/691 –

Die vereinbarte Redezeit ist zehn Minuten. Als Erste hat sich Frau Gnadl von der SPD-Fraktion gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Juli letzten Jahres hat die SPD-Landtagsfraktion die Große Anfrage betreffend den Kenntnisstand zu rechtsextremen und neonazistischen Strukturen in Hessen sowie zu rechtsextremen Einstellungsmustern in der sogenannten Mitte der Gesellschaft eingereicht.

Wir wollten vor allem wissen, welche Veränderungen es seit unserer letzten Großen Anfrage aus dem Jahr 2006 zum selben Themenfeld gegeben hat, ob es neue Entwicklungen gegeben hat, ob es neue Bewertungen gibt, möglicherweise auch aufgrund einer neuen Regierungskonstellation, ob die Landesregierung nach dem Aufdecken der entsetzlichen, schrecklichen NSU-Mordserie zu einem Umdenken gekommen ist, ob sie vielleicht einen anderen Umgang mit diesem Themenfeld gefunden hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, leider sind wir bei der Beantwortung der Großen Anfrage durch die Landesregierung bitter enttäuscht worden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Man könnte so viel über fehlende Informationen oder Widersprüchlichkeiten sagen, z. B. wieso die Landesregierung keinerlei Erkenntnisse über die Aktivitäten des Rechtsterroristen Peter Naumann in den letzten zehn Jahren hat. Müsste man sich nicht auch für den als Bombenleger bekannten Rechtsterroristen interessieren, wenn beispielsweise aus öffentlich zugänglichen Quellen bekannt ist, dass

der Besagte auf mehreren Veranstaltungen der NPD in den letzten Jahren zugegen war?

(Günter Rudolph (SPD): Das hat der Verfassungsschutz nicht mitgekriegt!)

Es bleibt schleierhaft, warum die Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN vor einigen Monaten mit Zahlen aufgezeigt hat, dass es eine Zunahme bei rechten Musikveranstaltungen und Konzerten gibt, diese Zahlen aber nicht mit denen in der Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion übereinstimmen. Wieso wird hier nicht sauber gearbeitet? Wieso kommt es zu unterschiedlichen Zahlen?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Gerade eine Wiederbelebung der rechten Musikszene kann aus unserer Sicht schnell zu einer Mobilisierungs- und Rekrutierungsdynamik führen. Wieso werden in der Beantwortung der Großen Anfrage an einer solch zentralen Stelle, die ein Zeichen für ein Erstarken der rechten Szene ist, von der Landesregierung andere Zahlen angegeben als bei anderen Anfragen?

Auch geben Sie an, dass es anscheinend keine Erkenntnisse über den Vertrieb oder Umsätze von rechtsextremen CDs gibt. Das ist erstaunlich, da beispielsweise die Autonomen Nationalisten Wetzlar 2010 eine entsprechende DVD auf ihrer Homepage zum Download beworben haben oder die JN Hessen wiederum 2012 einen Artikel gepostet haben, in dem sie die neue Schüler-CD zum Verkauf anbieten.

Schleierhaft bleiben Ihre Angaben auch in Bezug auf den Waffenhandel. Wenn es ihn in Hessen nicht gibt, dann frage ich mich: Wo kommen dann die illegalen Schusswaffen her, die nur vereinzelt, aber regelmäßig bei Rechtsextremen auch in Hessen gefunden werden?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Sind hessische Neonazis weniger bewaffnet als die in anderen Bundesländern, oder werden sie nur schlechter überwacht? All das sind nur wenige Beispiele, die ich hier anführen wollte. Das Fehlen an Informationen zieht sich wie ein roter Faden durch die Beantwortung.

Die Frage ist: Wissen Sie diese Dinge nicht, die öffentlich bekannt sind, oder wollen Sie diese Dinge nicht wissen? Beides spricht Bände über die Ernsthaftigkeit der Landesregierung beim Kampf gegen rechts.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich will das gar nicht weiter thematisieren. Vielmehr will ich auf die grundsätzlichen Fehler der Landesregierung in der Analyse des Rechtsextremismus eingehen und auf die Herausforderungen, die sich aus unserer Sicht aus den Antworten ergeben. Dass die Landesregierung nicht zu einem Umdenken bereit ist, offenbart sie im Umgang mit den Studien und der Forschung, die sich mit den rechtsextremen Einstellungsmustern in der Mitte der Gesellschaft beschäftigen. Es macht mich, ehrlich gesagt, sprachlos, wie die Ergebnisse der wichtigsten Studien für die Untersuchung von rechtsextremen Einstellungsmustern in unserer Gesellschaft in der Antwort auf die Anfrage einfach so vom Tisch gewischt werden und angedeutet wird, dass diese Studien einen umstrittenen wissenschaftlichen Gehalt hätten.

Sie diskreditieren diese Studien nur, weil Sie sonst zugeben müssten, dass rechtsextreme Einstellungsmuster kein Problem nur von politischen Extremisten sind, sondern mitten in unserer Gesellschaft vorkommen und aus ihr hervortreten. Wir als SPD stellen uns diesem Problem in unserer Partei. Wir nehmen diese Studien ganz bewusst ernst. Wir sehen das Problem innerhalb von Volksparteien. Sie von der CDU-Fraktion und der Landesregierung sollten sich diesem Problem ebenfalls stellen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Es zeigt aber auch, wie diese Landesregierung an den neuen, wichtigen Veränderungen bei der Arbeit gegen rechts in Hessen kaum einen Anteil hat, außer dass sie diese Arbeit zulässt und die Kofinanzierung insbesondere der Bundesmittel sicherstellt. Die Konzepte, die Kompetenz und vor allem der Wille zur Umsetzung finden sich dagegen bei den zivilgesellschaftlichen Partnern wieder.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr Umgang mit diesen Studien führt zu weiteren Folgefehlern. Ein zentraler Fehler ist, dass Sie Gruppen bei der Betrachtung des Rechtsextremismus schlicht und ergreifend ausblenden, obwohl sie für das Gesamtbild zentral sind. Das gilt insbesondere für die Identitäre Bewegung. Ich möchte zitieren:

Hört endlich auf, zu jammern, hört auf, über die Migranten und Politiker zu schimpfen, die uns wie den letzten Dreck behandeln, stattdessen geht in Kampfsportvereine, treibt Sport und sucht Schützenvereine auf, um dann im Moment des Angriffs wehrhaft und bereit zur Verteidigung zu sein, so wie es unsere Großväter noch waren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was glauben Sie, von wem diese Verlautbarungen stammen? Dieses Zitat stammt von einer öffentlich zugänglichen Facebook-Seite der Identitären Bewegung in Hessen, die diese Landesregierung aber nicht überwacht und nicht als rechtsextrem einstuft.

(Zuruf von der LINKEN: Ach!)

Dieses Zitat ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Die Verlautbarungen dieser Gruppen triefen nur vor Fremdenhass, Aufrufen zu Gewalt und unverblümtem Hass gegen die Demokratie. Das sehen auch einige Verfassungsschutzämter in den anderen Bundesländern so. Die haben jetzt schon die Identitäre Bewegung als neue Entwicklung erkannt. Sie haben reagiert und stufen sie als rechtsextrem ein oder bezeichnen sie sogar als neonazistisch wie in Bremen. Aber in Hessen sieht die Landesregierung keinen Handlungsbedarf, und das halte ich für grob fahrlässig.