Protocol of the Session on September 25, 2014

Was aber nicht geht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist, aus der Tatsache, dass zu viel Wald für Windkraft gerodet wurde, ein grundsätzliches Argument gegen die Windkraft zu schmieden. Das wäre ungefähr so, als würde man, wenn für eine Autobahn oder einen Flughafen zu viel Wald gerodet worden wäre, grundsätzlich Autobahnen und Flughäfen infrage stellen.

(Beifall bei der SPD – Stephan Grüger (SPD): Das machen die vielleicht in Zukunft!)

Der FDP ist aufgrund ihrer Wendigkeit viel zuzutrauen, aber das nicht.

Dass die FDP auf ihre alten Tage das Demonstrieren als Mittel der politischen Auseinandersetzung entdeckt, ist nicht zu kritisieren. Lieber spät als nie, das gestehe ich Ihnen zu. Wenn ich dann aber sehe, dass ehemalige FDPLandtagskollegen mit ihren klimaschädigenden SUV direkt in den Wald fahren, um dort für Natur- und Landschaftsschutz zu demonstrieren,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

dann haben die nach meiner Auffassung ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Ein Glaubwürdigkeitsproblem haben Sie auch deshalb, weil die Grundlage der Planungen – das hat der Kollege Wagner schon gesagt – in der Tat Herr Rentsch unterschrieben hat.

Ein Glaubwürdigkeitsproblem hat aber auch die CDU. So gern ich Ihren heutigen Ausführungen in der Windkraftfrage gefolgt bin, Herr Stephan – bei dem Thema sind wir beide uns oft sehr einig –: Es ist sehr spannend, dass der CDU-Gemeindeverband Freiensteinau, wie am 13. September in der „Oberhessischen Zeitung“ nachzulesen, zu Folgendem aufgerufen hat.

(René Rock (FDP): Das ist überall in Hessen so, Herr Gremmels! Überall ruft die CDU zu Protesten gegen die Windkraft auf!)

Die CDU ruft … alle Bürgerinnen und Bürger auf, die am Sonntag, 21. September, um 11:55 Uhr stattfindende Demo „Rote Karte für Al-Wazir“ … zu besuchen.

(Günter Rudolph (SPD), zur CDU gewandt: Ihr Heuchler!)

Ich finde es in der Tat spannend, dass die CDU zu Demonstrationen gegen einen Minister ihrer Landesregierung aufruft. Das ist aus meiner Sicht schon ein Unding.

(Beifall bei der SPD)

Man könnte darüber hinweggehen nach dem Motto, das sei ja nur ein unbedeutender CDU-Gemeindeverband. Dieses Falschspiel ist aber auch für viele Kolleginnen und Kollegen der CDU-Landtagsfraktion symptomatisch, angefangen beim Abg. Beuth. Darüber haben wir ja schon diskutiert.

(Zurufe von der CDU)

Sie müssen sich das einmal vorstellen: Am 15. Juli hat Herr Al-Wazir hier im Haus seine erste Regierungserklärung zum Thema Windkraft abgegeben. Am gleichen Abend hat sich der Kreisverband Rheingau-Taunus, in dem zwei Regierungsmitglieder, Herr Jung und Herr Beuth, stellvertretende Vorsitzende sind, für die Regelung ausgesprochen, dass zwischen Wohnbebauungen und Windkraftanlagen ein Abstand von 2.000 m einzuhalten ist. Das heißt, diese beiden Kabinettsmitglieder sind noch am gleichen Abend ihrem Kollegen Al-Wazir in den Rücken gefallen.

(Zurufe von der CDU)

Ausgerechnet Herr Beuth, der als Generalsekretär der CDU den Koalitionsvertrag mit unterschrieben hat, lässt zu, dass vor Ort so etwas geschieht, und behauptet, er sei nicht dabei gewesen.

(Holger Bellino (CDU): Er war doch nicht da!)

Sehr geehrter Herr Beuth, das ist wirklich eine sehr billige Ausrede.

(Beifall bei der SPD – Holger Bellino (CDU): Das ist die Wahrheit! – Weitere Zurufe von der CDU)

Die Reihe der Beispiele können wir fortschreiben: Sie, Herr Bellino, agieren vor Ort gegen Windkraft, Herr Irmer agiert gegen Windkraft, Herr Reul agiert gegen Windkraft, Herr Kasseckert agiert gegen Windkraft – und Herr Dr Arnold.

(Judith Lannert (CDU): Lenken Sie nicht von sich ab! – Weitere Zurufe von der CDU)

Es gibt ganz viele Beispiele dafür, dass Sie vor Ort ganz klar sagen, wir brauchen Regelungen mit größeren Abständen. Vor Ort agieren Sie gegen Windkraft, und hier im Landtag sprechen Sie sich dafür aus. Diese Doppelstrategie können wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Eine gewisse Lesekompetenz scheinen Sie zu haben. Sie haben nämlich erkannt, dass wir jetzt wirklich wissen wollen: Steht jeder einzelne CDU-Abgeordnete zu dem, was im Koalitionsvertrag steht? Wir wollen jetzt einmal die Nagelprobe machen. Deswegen haben wir die Formulierung aus Ihrem Koalitionsvertrag abgeschrieben. Dazu stehen wir.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Überraschung! – Holger Bellino (CDU): Das können Sie öfter machen! Copyright!)

Copyright, ja. – Sie haben es geschrieben, aber jetzt wollen wir von jedem Abgeordneten wissen, ob er dazu steht – ja oder nein? –, damit wir den Bürgerinitiativen zukünftig zeigen können, wie die Kollegen im Landtag bei dem Thema agieren.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau!)

Doppelmoral geht nämlich nicht. Die werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Anhaltende Zurufe von der CDU – Gegenrufe von der SPD)

Deswegen werden wir heute die Nagelprobe machen, und dann haben wir eine klare Linie. Die SPD steht da zum

Ausbau der Windkraft, wo er sinnvoll ist. Wo die erforderlichen Windgeschwindigkeiten gegeben sind, macht das Sinn. Deswegen machen wir heute die Nagelprobe. Wir sind gespannt und gehen davon aus, dass alle – bis auf die FDP – zustimmen. Ihrer Ergänzung können wir selbstverständlich auch zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Vielen Dank. – Als Nächster hat Staatsminister Al-Wazir das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Florian Rentsch (FDP): Bitte die Redezeit unterschreiten!)

Ich war am Montag bei der Eröffnung einer neuen Produktionsanlage der chemischen Industrie im Industriepark Kalle-Albert in Wiesbaden. Auch zu solchen Eröffnungen gehe ich. Herr Kollege Rock, ich wäre auch gerne am Tag davor, am Sonntag, bei der Eröffnung des Windparks in Freiensteinau gewesen.

(Florian Rentsch (FDP): Am Samstag, oder nicht?)

Zu diesem konkreten Termin wurde ich von dem Windparkbetreiber eingeladen und nicht – wie Sie es in der Aktuellen Stunde nahegelegt haben – von den Demonstranten. Ich wurde von dem Windparkbetreiber eingeladen, und zwar schon sehr früh, im April. Ich habe auch schon im April 2014 zugesagt.

Entgegen der ursprünglichen Planung habe ich aus Gründen, die ich Ihnen gleich sagen werde, von einer Teilnahme abgesehen – ebenso wie Herr Witteck und der geschätzte ehemalige Kollege Görig, der jetzt Landrat im Vogelsbergkreis ist.

Ich will aber noch etwas zu dem Stichwort „Demonstrationen von Bürgerinnen und Bürgern“ sagen. Ob einem nun das Ziel gefällt oder nicht, Demonstrationen sind Ausdruck einer Meinungsäußerung in bestem demokratischem Verständnis.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Deswegen gilt das Demonstrationsrecht immer und absolut. Herr Kollege Rock, es gilt auch dann, wenn es Ihnen einmal nicht gefällt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Ich finde, es gibt überhaupt keinen Grund, sich nicht vor Ort mit den Argumenten der Bürgerinnen und Bürger auseinanderzusetzen. Ich stelle mich diesen Meinungen regelmäßig, und die Landesregierung stellt sich diesen Meinungen regelmäßig, z. B. in den Veranstaltungen des Bürgerforums Energieland Hessen.

(René Rock (FDP): Sicher nicht regelmäßig, Herr Al-Wazir! Da machen wir einmal eine Anfrage, was für Veranstaltungen Sie besuchen!)

Ich persönlich habe als Minister überhaupt kein Problem damit, auch dahin zu gehen, wo es Schwierigkeiten gibt und wo man davon ausgehen kann, dass man nicht mit Applaus empfangen wird. Die Landesregierung ist jetzt – lassen Sie mich einmal rechnen – ungefähr acht Monate im Amt. Ich finde, ich habe in meiner Amtszeit durchaus bewiesen, dass ich damit überhaupt kein Problem habe.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ich war im März bei einer Informationsveranstaltung zur A 44 im Lossetal, ich war bei einer Informationsveranstaltung zur A 49 in Schwalmstadt, ich war bei einem Vororttermin mit besorgten Anwohnerinnen und Anwohnern im Bereich des Tunnels Riederwald, ich war bei der 100. Montagsdemo am Flughafen. Ich habe aus eigener Initiative zu einem Infotermin zur geplanten Suedlink-Trasse in das Regierungspräsidium Kassel eingeladen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))