Da heißt es: Augen auf bei der Wahl des Koalitionspartners. Ein bienenfreundliches Hessen ist für die CDU und der FDP – wie wir eben gehört haben – nun einmal ein Klotz am Bein.
Anstelle des Greenwashings der CDU auf Biene-Maja-Niveau muss die Agrarwende eine der roten Haltelinien für die nächsten Koalitionsverhandlungen in Hessen werden.
Es ist völlig unverständlich, warum die hessische Umweltministerin die Umstellung auf ökologischen Landbau mit relativ großen Summen fördert, auf landeseigenen Ackerflächen aber noch immer konventionelle Landwirtschaft mit dem Biodiversitätskiller Glyphosat betrieben wird. 42 Domänen mit insgesamt 6.334 ha hat das Land Hessen, aber nur auf 13 Domänen mit 1.609 ha wird ökologische Landwirtschaft betrieben. Nur auf diesen ist der Einsatz von Glyphosat verboten.
Auch bei den Hessischen Staatsweingütern, in deren Aufsichtsrat Sie sitzen, Frau Ministerin, wird weiterhin Glyphosat eingesetzt. Frau Ministerin, Durchsetzungsvermögen sieht anders aus.
Frau Kollegin Schott, Frau Kollegin Feldmayer würde Ihnen gerne zum Thema Bienen eine Zwischenfrage stellen.
(Marjana Schott (DIE LINKE): Ich würde gerne zum Ende kommen, dann kann sie ihre Frage gerne anschließen!)
Mit dem Blühstreifenantrag werfen die GRÜNEN Nebelkerzen, um von dem beschriebenen Versagen abzulenken.
Es ist ein Armutszeugnis, dass es einer grünen Ministerin innerhalb von vier Jahren nicht gelungen ist, den Einsatz von Glyphosat auf landeseigenen Äckern und im Weinberg zu beenden.
Seit 1990 beklagen wir einen Biomasseverlust an Fluginsekten zwischen 70 und 80 %. In ihrem tollen Antrag betonen CDU und GRÜNE, dass Hessen im Artenschutz eine Vorreiterrolle einnehme. Damit erwecken Sie den Eindruck, dass das Artensterben in dem schwarz-grün regierten Bundesland besser bekämpft werde als anderswo. CDU und GRÜNE bleiben aber jeden Beleg schuldig.
Wer jetzt glaubt, dazu etwas in den Biodiversitätsberichten der Landesregierung zu finden, wird herb enttäuscht. In den Berichten gibt es keine Auskunft über die Entwicklung der Biodiversität, sondern nur über die Entwicklung der Maßnahmen und der Aktivitäten der Landesregierung. Angaben über die Entwicklung von Insekten- und Pflanzenpopulationen, die man erwarten könnte, gibt es nicht. Es gibt kaum Grundlagen. Das ist eines der schweren Versäumnisse. Wir reden in anderen Zusammenhängen auch nicht über die Entwicklung von Arbeitslosigkeit, ohne Arbeitslosenstatistiken zu erwähnen. Aber genau das machen Sie an dieser Stelle.
Frau Ministerin Hinz, in der Weiterentwicklung der Hessischen Biodiversitätsstrategie kündigt das Umweltministerium ein Naturschutz-Monitoring-Konzept im Bereich der Biodiversität an sowie die Beteiligung Hessens an der systematischen Evaluation der Wirksamkeit von Agrarumweltprogrammen. Wann, wenn nicht jetzt, wollen Sie Auskunft darüber geben, ob und wie die Maßnahmen der Landesregierung wirken?
2009 trat die EU-Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden in Kraft. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten der EU unter anderem dazu, nationale Aktionspläne zur Verringerung des Pestizideinsatzes einzuführen und dabei quantitative Zielvorgaben, Maßnahmen und Zeitpläne zur Verringerung der Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt festzulegen.
Teil des sogenannten Pflanzenschutzpakets sind auch statistische Erhebungen zum Absatz und zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Wir haben das 2016 abgefragt. Die Antwort der Landesregierung lautete – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis –:
Wie viele und welche Pflanzenschutzmittel in einem bestimmten Zeitraum in den Bundesländern zur Anwendung kommen, ist nicht Gegenstand von gesetzlichen Vorgaben und wird daher statistisch nicht erfasst.
Es gibt keine Daten. In der Richtlinie wird ein Risikomanagement für Pestizide zur Abwehr negativer Einflüsse auf Schutzgebiete vorgeschrieben. Dazu sollte man aber wissen, welche Pestizide in welchen Mengen auf den angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen ausgebracht werden. Auch hier: Fehlanzeige.
Frau Ministerin Hinz, der vorliegende Antrag stellt – wie alles bedruckte Papier, das auch aus Ihrem Haus kommt – die tollen Maßnahmen der Landesregierung dar. Es gibt aber keine Auskünfte darüber, ob die Maßnahmen überhaupt dazu geeignet sind, dem dramatischen Artensterben
etwas entgegenzusetzen. Es fehlen die Grundlagen, die eine fachliche Beurteilung ermöglichen würden.
(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Machen Sie nicht alles so schlecht! – Zuruf der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Man braucht keine ausgefeilte Statistik, um plausibel zu machen, dass die Anstrengungen der Landesregierung – so gut sie im Detail auch gemeint sein mögen –, der Ausbreitung von Monokulturen mit Raps, Mais und Getreide entgegenzuwirken, kaum eine Wirkung zeigen. Die Trendumkehr bis 2020, wie in der Biodiversitätsstrategie vereinbart, kann so nicht gelingen. Wie in allen anderen Bundesländern ist auch in Hessen die Entwicklung dramatisch, und die Maßnahmen kommen gegen das Problem nicht an. Das Problem ist die in der EU und im Bund herrschende Agrarpolitik, die die Landwirtschaft auf eine reine Warenproduktion reduziert, die zu möglichst niedrigen Preisen für einen sozial und ökologisch blinden Weltmarkt liefern soll.
Kommen wir nochmals auf die Bienen zurück. Sie sind nach Schwein und Rind – das haben wir hier gehört – das wichtigste Nutztier. Vor Schwein und Rind, könnte man eigentlich sagen; denn ohne die Insekten werden wir auch Schweine und Rinder nicht mehr füttern können, von uns selbst ganz zu schweigen.
Der Einsatz all dieser Gifte vernichtet Wild- und Honigbienen großflächig. Der Einsatz von Totalherbiziden entzieht ihnen und tausend anderen Insektenarten die Nahrungsgrundlage. Das zeigt den ganzen Irrsinn großer Teile unserer konventionellen Landwirtschaft. Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden Schweine und Rinder systematisch vergiften und ihnen die Nahrungsgrundlage entziehen. Das ist doch Wahnsinn. Bei den Bienen tut man das. Ohne Rücksicht auf die Produktionsmittel Boden, Wasser und Klima und ohne Rücksicht auf die biologische Vielfalt wird ausschließlich auf die kurzfristige Ertragssteigerung für eine profitablere Ackerkultur geschaut und dafür alles andere geopfert.
Warum wir eine solche Landwirtschaft zulassen, diese Landwirtschaft mit Milliarden aus Steuermitteln über die EU subventionieren und warum die Produktion von Milchprodukten, Getreide, Zucker und Fleisch auch noch auf Weltmarktniveau konkurrenzfähig sein muss, können nur die beantworten, die von diesem System profitieren.
Viele konventionell arbeitende Bauern haben in den letzten Jahren erfahren, dass es nicht mehr heißt „wachse oder weiche“, sondern „wachse und weiche“. Das EU-Agrarmodell begünstigt industriell wirtschaftende Betriebe und landwirtschaftsfremde Investoren, die keine soziale Beziehung zum Dorf, zur natürlichen Standortbedingung oder gar zu Landschaften mehr berücksichtigen. Dieses System beruht auf der Ausbeutung von Mensch und Natur gleichermaßen. Dieses System gefährdet unsere Ernährungssouveränität, und es gefährdet unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Dieses System ist gescheitert – sozial und ökologisch.
Um das zu ändern, braucht es mehr als Blühstreifenprogramme auf freiwilliger Basis und eine Unterstützung für den Umstieg auf Ökolandbau. Wir müssen die Versiegelung von Ackerböden stoppen und die Landwirtschaft umweltverträglich machen. Das heißt auch, dass wir bereit sein müssen, uns den Agrarkonzernen entgegenzustellen
und ihre Lobbyisten in Regierungen, Parlamenten und Bauernverbänden zu isolieren. Wir müssen gangbare Alternativen aufzeigen. Eine nachhaltige, sozial und ökologisch verantwortungsvolle Landwirtschaft braucht ein neues Agrarleitbild.
Mein letzter Satz. – Mit einer Ministerin, die es noch nicht einmal schafft, den Glyphosateinsatz auf den landeseigenen Flächen zu verbieten, sind wir in Hessen davon noch weit entfernt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es scheint mir, dass wir uns immerhin darüber einig sind, dass Bienen und viele weitere Insektengruppen einen unersetzbaren Wert für die Biodiversität und die Umwelt haben und dass sie für die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion der wesentliche Bestandteil sind – jedenfalls für einen großen Teil der Pflanzen, die auf die Bestäubung angewiesen ist.
Die Honigbiene, über die auch schon gesprochen wurde, deren Bienenvölker sich in Hessen Gott sei Dank einigermaßen stabilisiert haben, ist nur das Synonym dafür, um das Thema für die Bevölkerung plastisch zu machen. Mit den Honigbienen verbindet sie Honig und damit auch das Positive. Wenn man nur über Insekten reden würde, wäre für die Bevölkerung nicht so greifbar, worum es eigentlich geht.
Deswegen reden wir in der Regel über die Biene. Es geht aber um etwa 560 Wildbienenarten bundesweit, 424 Arten in Hessen, die zur Hälfte bedroht und zu einem kleineren Teil schon ausgestorben sind. Ihr Rückgang ist dramatisch, ebenso wie der Rückgang weiterer Bestäuber wie Schmetterlinge, Hummeln und andere Insekten.
Die volkswirtschaftliche Leistung wird auf bis zu 2 Milliarden € jährlich geschätzt. Deswegen ist es richtig, wenn die Bundeslandwirtschaftsministerin jetzt erkennt, dass Bienen und andere Bestäuber systemrelevant sind. Das sind sie. Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon einmal den Film über China gesehen hat, in dem Arbeiterinnen und Arbeiter herumgefahren werden und mit Q-Tips die Bäume bestäuben. – Das ist eine echt gruselige Vorstellung.
Das passiert, wenn wir nicht auf unsere biologische Vielfalt achten, wenn wir nicht darauf achten, welche Stoffe, Pflanzenschutzmittel schädlich für die Insekten sind, für die Arten, die wir für die Bestäubungsleistungen brauchen.
Jenseits der Frage, wie viele Arten schon ausgestorben sind, haben wir auch einen Rückgang der Insektenmasse zu verzeichnen. In den letzten zweieinhalb Jahrzehnten beträgt dieser Insektenschwund für die Sommerperiode über 80 %, meine Damen und Herren. Deswegen heißt es: Wir müssen alles daransetzen, dass wir für das, was in den letzten Jahrzehnten versäumt wurde, wieder eine Kehrtwende hinlegen.
Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung endlich auf dem Weg ist, mit uns gemeinsam diese Mittel auf EU-Ebene zu verbieten, die nachgewiesenermaßen schädlich sind.
Da nutzt es auch nichts, dass wir ein neues Verfahren haben, das innovativ sein soll. Ich bin auch für Innovation in der Landwirtschaft. Es nutzt aber auch nichts, wenn die Pflanzenmittel, die giftig sind, unter die Pflanzen gespritzt werden; sie bleiben für die Insekten trotzdem giftig, weil die Insekten auch unter die Pflanzen fliegen und nicht nur darüber bleiben.
Wir haben seit vier Jahren in der Agrarministerkonferenz versucht, die Neonicotinoide verbieten zu lassen. Nie ist uns die Bundesregierung gefolgt. Jetzt gibt es immerhin das Zeitfenster für drei Neonicotinoide. Trotzdem will die Bundesregierung in Brüssel dafür stimmen, dass sie in Gewächshäusern nicht verboten werden. Auch das ist noch ein Weg, den wir vor uns haben. Ich sage ganz klar: Die Differenzierung ist fachlich unsinnig, diese Mittel in Gewächshäusern zuzulassen.
Es ist auch unsinnig, nicht weiter an Alternativen zu forschen. Auch das ist wichtig. Deswegen werden wir auf der Agrarministerkonferenz in dieser Woche, die ab morgen beginnt, noch einmal einen hessischen Antrag einbringen, um das Thema zu erweitern. Es geht nicht nur darum, dass wir jetzt bei drei Stoffen am Ziel sind, sondern es geht auch darum, Alternativen zu erforschen, die besser sind, die insektenfreundlicher sind. Die Landwirtschaft braucht Möglichkeiten, um ihre Pflanzen zu schützen. Das wollen wir nicht insgesamt verbieten. Die Mittel müssen aber verträglich sein. Diesen Weg wollen wir weitergehen.
Meine Damen und Herren, ich habe auch lange daran gearbeitet, dass wir es auf Bundesebene schaffen, von Hessen aus den Aussaatzeitpunkt für die Blühstreifen nach hinten zu verlegen. Bis zum letzten Jahr war der Aussaatzeitpunkt immer der 31. März. Das macht fachlich keinen Sinn, weil dann die Blühstreifen zeitgleich mit dem Raps blühen und danach nichts mehr blüht. Wir brauchen aber gerade für die bestäubenden Insekten Blüten, die nach der Rapszeit im Feld stehen, damit auch dann noch für sie Nahrung vorhanden ist. Sie müssen sich auch zum Winter hin dick fressen können. Auch nach dem Juni und Juli müssen noch weitere Pflanzen bestäubt werden.
Ich habe zwei Jahre lang daran gearbeitet. Liebe Frau Löber, wäre Hessen nicht gewesen, hätten wir diese Entscheidung bis heute nicht.