Protocol of the Session on April 24, 2018

(Michael Boddenberg (CDU): Sind wir noch bei 3 Milliarden € oder bei 4 Milliarden €?)

Sie müssen nicht so laut dazwischenrufen.

(Michael Boddenberg (CDU): Werden Sie doch mal konkret!)

Das Problem ist, dass Sie in dieser Zeit immer wieder neue Aufgaben erfunden haben.

(Michael Boddenberg (CDU): Werden Sie mal konkret! – Glockenzeichen des Präsidenten)

Für diese neuen Aufgaben haben Sie den Kommunen nur eine Teilfinanzierung gegeben.

(Michael Boddenberg (CDU): Wie viel mehr wollen Sie für die Kommunen? Machen Sie Anträge in der nächsten Haushaltsberatung!)

Das können wir gern machen.

Herr Kollege, bitte. – Herr Warnecke hat allein das Wort.

Ein Kassensturz muss gemacht werden; das ist doch gar nicht die Frage. Darauf arbeiten wir hin. Aber wenn Sie einmal betrachten, dass ausgerechnet die hessischen Kommunen bei der Pro-Kopf-Verschuldung nach dem Saarland ganz vorne stehen, können Sie doch nicht behaupten, dass Sie in 20 Jahren CDU-Landesregierung gut gewirtschaftet hätten. Oder wollen Sie das ernsthaft behaupten?

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) – Zuruf von der CDU: Aber hallo! Wir sind die Guten!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können doch nicht ernsthaft behaupten – –

Herr Kollege, kommen Sie zum Ende.

Letzter Satz. – Sie können doch nicht ernsthaft behauptet, dass, wie Herr Dr. Arnold ausgeführt hat,

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

letzter Satz –, 423 Städte und Kommunen sowie fast alle Landkreise in 20 Jahren schlecht gewirtschaftet haben. Da muss es ein strukturelles Problem in Hessen geben. Das heißt wahrscheinlich „CDU-geführte Landesregierung“. Am 28. Oktober müssen wir das ändern. – Danke fürs Zuhören.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD – Man- fred Pentz (CDU): Alle Jahre wieder! – Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abg. Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie schon im Vorfeld der Anhörung zum sogenannten Hessenkasse-Gesetz vermutet, wurde der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen in der Anhörung durchaus an einigen Stellen heftig kritisiert. Einige sehr grundlegende Aspekte lösten bei den Kommunalen Spitzenverbänden – das ist in der Debatte zum Teil bereits genannt worden – nicht gerade Begeisterung aus. Während Sie sich sehr begeisterungsvoll und überschwänglich für Ihren Gesetzentwurf feiern lassen wollten, sah man die Ablösung der kommunalen Kassenkredite, finanziert überwiegend mit kommunalen Mitteln,

mit weniger Begeisterung in dieser Anhörung. Ich persönlich fand das schon ziemlich dreist.

In der Anhörung haben Sie sich also Kritik angehört dafür, dass die Gewerbesteuerumlage, die einmal für einen anderen Zweck erhoben wurde, für die Hessenkasse zweckentfremdet werden soll. Sie haben sich anhören müssen, dass die verschärften Befugnisse der Aufsichtsbehörden bei den Kommunen auf wenig Gegenliebe gestoßen sind und dass auch die Bestrafung von Kommunen, die nicht in der Lage sind, den von Ihnen geforderten Eigenanteil zu erwirtschaften, nicht gerade auf Begeisterung gestoßen ist.

Immerhin haben Sie auch ein bisschen etwas eingestanden. Mit dem vorliegenden Änderungsantrag ermöglichen Sie die Flexibilisierung der kommunalen Finanzierung. Zudem verzichten Sie auf die Erhebung der Gewerbesteuerumlage. Ferner haben Sie den Durchgriff der Aufsichtsbehörden ein wenig abgeschwächt.

Das heißt also, ein paar kleine Punkte der kommunalen Seite haben Sie aufgenommen. Doch diese Änderungen, die ich überwiegend als geringfügig einschätzen würde, ändern nichts daran, dass die Elemente von Gängelung und Drangsalierung der Kommunen in Ihrem Gesetzentwurf weiterhin überwiegen. Ich will Ihnen das auch erläutern.

(Beifall bei der LINKEN – Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Herr Dr. h.c. Hahn hat zwar gesagt, man solle jetzt nicht mehr über die Vorgeschichte reden. Gleichwohl möchte ich sagen, dass es befremdlich bleibt, dass die Landesregierung ein Jahr lang für einen Gesetzentwurf trommelt und mit den kommunalen Vertretern über einen Gesetzentwurf redet, den später die Regierungsfraktionen einbringen, der dann erst im Parlament beraten wird. Es gibt also vorher schon eine Roadshow und eine Werbetour. Das sagt etwas aus über Ihr Verständnis vom Hessischen Landtag als gewähltem Parlament.

(Beifall bei der LINKEN)

Da Sie sich hier immer so rühmen, dass Sie so intensive Gespräche mit den kommunalen Vertretern geführt hätten, will ich hier einmal Stimmen zu Wort kommen lassen, die Sie offenbar nicht gehört haben. Auch mich erreichen viele Wortmeldungen von kommunalpolitisch Aktiven, von Ehrenamtlichen, aber auch von hauptamtlichen Bürgermeistern. Da wird gesagt: Wir haben große Sorge bei der Hessenkasse. Wir sollen uns auf Jahrzehnte verpflichten. Was passiert eigentlich in Zeiten, in denen die Steuereinnahmen nicht mehr so sprudeln? Was passiert, wenn wir in eine Situation kommen, in der wir die Mittel für die Eigenfinanzierung der Hessenkasse nicht erwirtschaften können?

Vor allem in diesen Zeiten – und diese Zeiten werden kommen – haben viele die Sorge, dass dieses Gesetz ihnen erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Um den Eigenanteil der Kommunen zu finanzieren, befürchten sie eine weitere Runde des Kürzens und Streichens sozialer Leistungen und/oder den Griff in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger über neue Steuer- und Gebührenerhöhungen. Diese Tatsache fürchten viele kommunalpolitisch Aktive. Deren Stimmen scheinen Sie aber nicht gehört zu haben.

(Beifall bei der LINKEN)

In Ihrer Logik ist das aber auch nur konsequent. Schon bei den vorherigen Instrumenten haben Sie auf Gängelung und Drangsalierung gesetzt. Ich erinnere an den Schutzschirm.

Ich möchte noch eine andere Differenz benennen, die hier deutlich zutage getreten ist, auch in dem Beitrag von Herrn Dr. Arnold. Sie vertreten die Auffassung, die Kommunen trügen die Verantwortung für die Verschuldung ihrer Haushalte selbst. Sie seien schuld daran, dass die Kassenkredite in den vergangenen Jahren enorm gewachsen sind. Das sei die Verantwortung der Kommunen.

Wenn man Ihnen zuhört, bekommt man fast den Eindruck, als hätten Kommunalpolitiker in hessischen Rathäusern das Geld völlig verantwortungslos tonnenweise aus dem Rathausfenster hinausgeworfen und in Saus und Braus gelebt. Nur so sei diese Verschuldung entstanden. Ich will sagen: Das ist die Differenz, das glaube ich eben nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Es war eine andere Situation, nämlich die unzureichende Finanzierung der hessischen Städte und Gemeinden. Dazu möchte ich Ihnen ein paar Zahlen nennen, die ich eingangs bereits erwähnt habe.

Ich finde, es kommt nicht von ungefähr, wenn sich erst in der vergangenen Woche 23 Bürgermeister aus dem LahnDill-Kreis in einem offenen Brief an die Landesregierung gewandt und ihrem völlig berechtigten Unmut über die Landespolitik Luft gemacht haben. Wenn Sie vorher monatelang durchs Land getourt sind, frage ich mich, ob Sie diese Stimmen nicht gehört haben oder ob Sie diese Stimmen nicht hören wollten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir schließen uns deshalb dieser Kritik an und bleiben bei der grundsätzlichen Ablehnung des Gesetzentwurfs, auch in seiner etwas entschärften Fassung.

Da wir über die Finanzsituation der hessischen Kommunen geredet haben, lassen Sie uns noch einmal einen Blick auf die Zahlen werfen. Für das Jahr 1998 weist das Statistische Bundesamt einen Bestand an Kassenverstärkungskrediten für hessische Kommunen von etwas über 800 Millionen € aus. Im Jahr 2017, fast 20 Jahre später, reden wir dann von mittlerweile 5 Milliarden €. In Ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf war noch von 6 Milliarden € die Rede. Das heißt, in den 19 Jahren CDU-geführte Landespolitik hat sich der Bestand an Kassenkrediten um mehr als 4 Milliarden € erhöht. Das ist doch die Wahrheit.

Selbst dann, wenn man die Finanz- und Wirtschaftskrise, die einige Kommunen hart getroffen hat, außer Acht lässt, muss man feststellen, dass sich der Kassenkreditbestand in den Jahren 1999 bis 2008 von 800 Millionen € auf 3,2 Milliarden € ziemlich genau vervierfacht hat. Da können Sie doch nicht sagen, das sei auf die fehlende Wirtschaftstätigkeit der hessischen Kommunen zurückzuführen, sondern das ist die Verantwortung der Landesregierung. Das ist das Ergebnis einer strukturellen Unterfinanzierung der kommunalen Haushalte.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen. Sie tragen dafür eine gewaltige Mitverantwortung.

Was ist jetzt Ihre Lösung? – Sie schnüren ein Paket, das von den Kommunen zu zwei Dritteln selbst getragen werden muss. Die Landesmittel darf man dann mit der Lupe suchen.

Da wir so viel über die Gewerbesteuerumlage gesprochen haben, reden wir doch noch einmal über die fünfte Bundes

milliarde, die Mittel zur Entlastung der Kommunen aufgrund vom Bund zugewiesener sozialer Aufgaben. Geld, das Sie den Kommunen zumindest für diesen ursprünglichen Zweck verweigern, um es für einen anderen Zweck zu verwenden. Da fragt man sich: Was ist denn mit den Aufgaben, die der Bund den Kommunen zugewiesen hat? Diese müssen sie immer noch erfüllen. Die hessischen Kommunen müssen zudem den Eigenanteil von 25 € pro Einwohner erwirtschaften, obwohl nicht ganz klar ist, ob ihnen das auch gelingen wird.

Dann wollen Sie auch noch Kommunen bestrafen – ich finde, nichts anderes ist das –, wenn sie dieses Ziel nicht erreichen. Von denen, die die 25 € nicht bezahlen können, wollen Sie zukünftig sogar 50 € nehmen. Ein Anzuhörender hat in der Anhörung gesagt: Wie soll das denn gehen? Eine Kommune, die nicht in der Lage ist, 25 € pro Einwohner zu zahlen, soll dann die doppelte Summe auf den Tisch legen. Das ist doch Quatsch. – Ich finde, er hat völlig recht.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Warnecke hat bereits darauf hingewiesen. Sie tun so, als wäre die Hessenkasse eine freiwillige Veranstaltung. Nein, das ist sie nicht. Alle Kommunen, die nicht an diesem freiwilligen Programm teilnehmen, müssen innerhalb eines Jahres alle Kassenkredite tilgen. Das ist unmöglich. Weil das unmöglich ist, ist die Hessenkasse am Ende ein Zwangsprojekt und nichts anderes.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss möchte ich es mit einem lebenspraktischen Bild versuchen. Ich finde, die Sache mit der Hessenkasse ist in etwa so, als würde man in einer Wohngemeinschaft einen hungrigen und abgebrannten Mitbewohner, dem man in der Vergangenheit nicht genug Geld gegeben hat, zu einem Essen einladen. Dann aber sorgt man dafür, dass er zwei Drittel der Rechnung aus seiner eigenen Tasche bzw. aus der gemeinsamen WG-Kasse zahlt. Ablehnen darf er die Einladung auch nicht, weil er sonst gar nichts bekommt. Zur Wahrheit gehört auch, dass man vorher den WG-Kühlschrank leer gefuttert hat. Diese Landesregierung ist kein guter Mitbewohner in der Wohngemeinschaft, auch nicht für die hessischen Kommunen. Sie ist eher ein Wohngemeinschaftsärgernis.

Meine Damen und Herren, wir lehnen die Hessenkasse ab.

(Beifall bei der LINKEN)