Meine Damen und Herren, es hat dann wieder ein Jahr gedauert, nämlich bis zum 1. September 2016, bis die Kommission ihren Abschlussbericht auch im Innenausschuss vorstellen konnte. Da gab es dann noch einmal richtig auf die Ohren für die Koalition. Ich darf einmal aus dem Protokoll der öffentlichen Sitzung des Ausschusses zitieren:
Dieses neue Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz kann nach unserer Überzeugung nicht ergehen. In der vorgelegten Fassung ist es auch nicht geeignet, die einvernehmlichen Empfehlungen … umzusetzen. Diese sind darauf gerichtet, auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes ein größeres Maß an Gemeinsamkeit in Deutschland herzustellen. Immerhin – und schon dagegen verstößt der Entwurf – ist die Zuständigkeit für den Verfassungsschutz, die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter nicht Angelegenheit der einzelnen Länder, sondern ausschließliche Bundeszuständigkeit.
Das war die erste Lektion, die Sie gehört haben. Ich hatte dann die Hoffnung, Sie hätten etwas daraus gelernt. Denn am gleichen Tag, am 1. September 2016, hat sowohl Herr Kollege Bellino wie auch der Innenminister erklärt, noch im Jahr 2016 – also innerhalb von vier Monaten – würden sie einen Entwurf für ein Verfassungsschutzgesetz, hoffentlich für ein verfassungskonformes, vorlegen.
Wir haben gemerkt, was dann passiert ist: 14 Monate sind ins Land gegangen, bis wir jetzt endlich einen solchen Gesetzentwurf auf dem Tisch haben – nicht von der Landesregierung, sondern von der Koalition. Warum hat es denn die Verzögerung gegeben? – Weil Sie sich nicht einigen konnten. Das pfeifen doch die Spatzen von den Dächern.
Ich kann es auch verstehen, wenn ich mir dieses Machwerk ansehe, das Sie jetzt vorgelegt haben. Ich habe einen ganz klaren Eindruck, der sich am letzten Wochenende bestätigt hat: Hier haben die „Bestimmer“ der CDU versucht zu diktieren, die Expertenkommission missachtet, in dem man einerseits maximale Eingriffbefugnisse und andererseits nur rudimentäre Verbesserungen bei der Kontrolle des Verfassungsschutzes festschreibt.
Das fängt schon bei der Frage der Vereinheitlichung der Regelungen an – ein zentrales Anliegen der Expertenkommission. Nichts dergleichen haben Sie gemacht. Schon in der Präambel missachten Sie den klaren Hinweis der Expertenkommission auf die Tatsache, dass die Definition des Verfassungsschutzes eine Frage der Bundeszuständigkeit ist, wo das Land nichts zu melden hat.
Hier gelten die bundesrechtlichen Vorgaben. Was machen Sie? – Sie meinen, schon in der Präambel eine andere Definition aufnehmen zu müssen. Die Expertenkommission hat hierzu sehr klar geäußert, dass es Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit dieser Norm gibt.
Genauso ist es bei der Frage der organisierten Kriminalität. Die Definition dessen, was zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes gehört, ist nicht Sache des Hessischen Landtags, sondern Sache des Bundes. Trotzdem weichen Sie wieder von der Bundesregelung ab. Genauso ist es bei den Regelungen zu verdeckten Mitarbeitern, usw.
Es war genau das Ziel, zu einer Vereinheitlichung zu kommen, um eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden zu gewährleisten, was Ihnen die Expertenkommission vorgeschlagen hat. Darüber gehen Sie einfach hinweg, weil Sie alles besser wissen.
Ich sage dazu einen weiteren Punkt, auch wenn der Minister meint, die Expertenkommission hätte das wider besseres Wissen so dargelegt. Ich meine das nicht. Ich glaube an die Kompetenz insbesondere von Herrn Prof. Jentsch und stütze mich deswegen weiter auf diese Erkenntnisse und diese Empfehlungen.
Wenn es um die Eingriffe geht, sind wir beim Thema Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Damit habe ich kein Problem. Hier geht es darum, die technische Entwicklung von Internettelefonie gleichzustellen gegenüber den Regelungen der Überwachung herkömmlicher Telefonie. Das ist schon an strenge Regeln geknüpft gewesen, und das soll jetzt auch für diese technischen Neuerungen kommen.
Aber das ist natürlich ganz nah an einem anderen Thema dran, nämlich an dem Thema Onlinedurchsuchung. Das ist ein anderes Kaliber. Technisch ist das ganz ähnlich. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir im Gesetzgebungsprozess die entsprechenden Regelungen so treffen, dass der innerste Bereich privater Lebensführung eben nicht tangiert wird. Darüber setzen Sie sich hinweg. Sie wollen in den Bereich des elektronischen Gedächtnisses, des elektronischen Tagesbuches eindringen. Ich bin gespannt, wie das so kommt. Ich halte das für unmöglich, wenn ich Ihnen das hier so sagen darf. Ich wundere mich, dass ausgerechnet die GRÜNEN dabei sind, Onlinedurchsuchungen in Hessen zu ermöglichen.
Oder sind sie doch nicht dabei? Das ist jetzt die einzige spannende Frage, die bleibt. Ihre Landesmitgliederversammlung hat die Fraktion ja zur Ordnung gerufen. Ich kann für die Kollegen von der Union, die „Bestimmer“, nur die Lehre daraus ziehen: Wenn Sie es übertreiben, geht es schief. Das haben Sie am Wochenende in Berlin erlebt, und das erleben Sie jetzt hier.
(Beifall bei der FDP und der SPD – Zuruf von der CDU: Sie wissen doch genau, was passiert ist! – Weitere Zurufe von der CDU)
So ist es: Wenn man bestimmen will und sich nicht auf vernünftige offene Verhandlungen einlässt, dann geht es schief. Das ist eben etwas, was die Union wird lernen müssen, wenn sie auf Dauer noch die Möglichkeit zum Regieren haben will.
Meine Zeit wird knapp, aber wir haben noch ausreichend Zeit, das alles in Ruhe zu erörtern. Deswegen stelle ich nur fest: Die vollmundig angekündigten Verbesserungen bei der Kontrolle des Verfassungsschutzes sucht man ebenfalls vergeblich. Sie wollen dem Landtag die Möglichkeit geben, von Fall zu Fall zu beschließen, wie Sie weite Teile der Opposition aus der Parlamentarischen Kontrollkommission herauslassen – entgegen der Empfehlung der Expertenkommission. Sie wollen keine Unterstützung des parlamentarischen Kontrollgremiums durch Mitarbeiter, wie es die Expertenkommission empfohlen hat. Sie wollen keine Unterstützung durch Mitarbeiter für die Mitglieder der Expertenkommission. Da sind Sie völlig zu kurz gesprungen. Da ist keine Verbesserung, wie Herr Kollege Bauer es genannt hat.
Ich sage abschließend: Unser Antrag ist noch im Geschäftsgang. Punkt 3 hat sich erledigt. Punkt 1 und Punkt 2 sind nach wie vor absolut aktuell. Sie haben versagt. Sie können es anscheinend einfach nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege Greilich hat schon ausführlich berichtet, wie der Gang dieses Gesetzentwurfs war. Es ist schon sehr außergewöhnlich, dass wir bereits 2014 einen Gesetzentwurf in der
Presse hatten, der jetzt erst den Landtag erreicht, und zwar in völlig neuer Fassung. Ich glaube, so etwas gibt es sonst im Gesetzgebungsverfahren nicht, das ist schon einzigartig.
Aber ich will einmal daran erinnern, dass hinter diesem Gesetz etwas Tiefgreifenderes steht. Das ist mir bislang in der Debatte zu kurz gekommen. Wir reden nämlich deshalb über ein neues Verfassungsschutzgesetz, weil wir 2011 feststellen mussten, dass über zehn Jahre lang eine rechtsterroristische Bande durch Deutschland gezogen ist und Menschen brutal umgebracht hat, und wir aus dem Behördenversagen dieser Zeit die notwendigen Konsequenzen ziehen wollen. Deshalb stehen wir heute hier und haben ein neues Gesetz.
Da muss man leider sagen, da haben diese Landesregierung und Schwarz-Grün entgegen ihrer Ankündigung, dass wir etwas Gemeinsames machen wollen, ihr Versprechen nicht eingehalten. Angesichts der traurigen Vorgeschichte wollten wir aus dem Versagen der Behörden doch die Konsequenz ziehen, gemeinsam einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Ich glaube, dass das auch angemessen gewesen wäre. Aber das ist wieder einmal typisch für den fehlenden Willen der überparteilichen Aufarbeitung und die fehlende Einsicht, dass auch in Hessen sehr viel schiefgelaufen ist.
Was uns heute hier vorgelegt wurde, ist schon erstaunlich, weil es die Konsequenzen überhaupt nicht aufgreift. Zum einen ist der Sinn eines neuen Verfassungsschutzgesetzes aufgrund der Begebenheiten und der Lehren aus NSU, dass eine Verstärkung der parlamentarischen Kontrolle erfolgen soll – das hat der Kollege Greilich gesagt, das hat die Expertenkommission sehr eindrucksvoll gesagt –, in dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht gelungen. Zum Zweiten ist die Erkenntnis, dass der Verfassungsschutz stärker kontrolliert und reglementiert werden soll, auch nicht umgesetzt worden.
Der Kollege Bauer hat sehr schön zusammengefasst, was der Geist des Gesetzentwurfs ist. Ich zitiere den Kollegen Bauer aus der eben gehaltenen Debatte. Er hat gesagt: Wir stärken den Verfassungsschutz und geben ihm neue Kompetenzen.
Ich will schon etwas zu den einzelnen Regelungen sagen. Es ist gut, dass es ein eigenes Gesetz für die Stärkung der parlamentarischen Kontrolle geben soll – also, es wird ein eigenes Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle vorgelegt –, aber eine Stärkung findet leider nicht statt. Ich muss sagen, angesichts der Ereignisse, des schlimmen Mordes an Halit Yozgat in Kassel und der damaligen, wie wir inzwischen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss wissen, bewussten Nichtinformation der parlamentarischen Kontrollkommission, finden wir das mehr als unangemessen.
Alle anderen Bundesländer – bis auf eines, auf das komme ich noch einmal zurück, und bis auf den Bund – haben das Gegenteil gemacht, sie haben die parlamentarische Kontrolle substanziell verstärkt. Nur Sie machen das nicht.
Ich will kurz darauf eingehen. Der Kollege Greilich hat es schon gesagt: Sie machen es nicht bei der Besetzung des Gremiums; da kommt es immer auf die jeweilige Landtagsmehrheit an. Hier werden überhaupt keine Minderheitenrechte verankert. Nach wie vor ist der Gesetzentwurf, den Sie hier vorlegen, geprägt durch Misstrauen gegenüber Parlamentariern. Während andere Gesetze, wie das Gesetz über das Kontrollgremium des Bundes, erst einmal die Rechte des Kontrollgremiums darlegen, wird in dem hessischen Gesetzentwurf Parlamentariern sofort in § 2 erläutert, dass sie geheim zu tagen haben, dass Mobiltelefone verboten sind, was sowieso selbstverständlich ist, und dass nach wie vor handschriftliche Notizen nicht verwendet werden dürfen.
Meine Damen und Herren, die Stärkung von parlamentarischen Kontrollrechten und die Überwachung von Abgeordneten waren nicht das Problem beim NSU.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Janine Wissler, Gabriele Faulhaber (DIE LINKE) und Jürgen Lenders (FDP))
Es fehlen die Rechte bei der Unterrichtung des parlamentarischen Kontrollgremiums, wann berichtet werden soll. Es ist immer noch so, dass die Landesregierung Art und Umfang entscheiden soll. Das ist die grundsätzlich falsche Herangehensweise und konterkariert die Gesetzentwürfe aller anderen Bundesländer und des Bundes.
Zu den Mitarbeitern sagt der Kollege Bauer, Mitarbeiter dürften mitgenommen werden. Wann dürfen Mitarbeiter in das Kontrollgremium mitgenommen werden? – Wenn zwei Drittel des Kontrollgremiums das entscheiden. Das sind doch keine Minderheitenrechte, das sind Rechte einer Regierung.
Das Gleiche gilt für Sachverständige. Was bringt Sie eigentlich dazu, eine Regelung entgegen allen anderen Regelungen einzuführen? Ich sage es noch einmal: Alle anderen Bundesländer haben die parlamentarischen Kontrollrechte durch Hinzunahme von Sachverständigen und Mitarbeitern verstärkt, und Sie regeln hier, dass eine Zweidrittelmehrheit entscheidet, ob das zugelassen wird oder nicht.
Das fällt ein bisschen zurück in die alten Zeiten des „Schwarzen Sheriffs“ von einem Innenminister Volker Bouffier. Aber zu Schwarz-Grün passt das mit Sicherheit nicht und schon gar nicht zu den GRÜNEN.