Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach dieser sehr emotionalen Rede fällt es mir schwer, die richtigen Worte zu finden. Lieber Kai Klose, wir bleiben jetzt beim Du. Dafür haben wir zu lange für diese Sache zusammen gekämpft. Wir sind uns vielerorts immer wieder begegnet. Oftmals haben wir uns gemeinsam gegen Diskriminierung wehren müssen.
Es wurde schon von allen gesagt: Mit der Ehe für alle wird nicht irgendwem irgendetwas weggenommen. Vielmehr gewinnen alle im Prinzip ein Stück weit etwas hinzu.
Kai, falls du jetzt auf den Antrag anspielen solltest: Uns, den Mitgliedern der FDP-Fraktion, geht es überhaupt nicht darum, Honig daraus zu saugen. Honig daraus zu saugen wäre eine Geschichte nach dem Motto, wir würden das Abstimmungsverhalten der GRÜNEN bei der namentlichen Abstimmung irgendwo vermarkten und sagen: Die haben bei diesem Antrag dagegen gestimmt. – Kai, keiner hat diese Absicht.
Aber auch wir haben jahrelang dafür gekämpft. Die Sozialdemokraten haben es genauso getan. Die GRÜNEN taten es als Erste. Die Mitglieder der FDP sind dann gefolgt. Die Mitglieder der SPD sind dann gefolgt und haben gesagt: Es reicht jetzt mit dieser Diskriminierung.
Mit uns wird es keinen Koalitionsvertrag mehr geben, wenn nicht die Ehe für alle in ihm steht. Kai, dass das ein Stück weit Politik ist, wirst du uns zugestehen müssen. Wir wollen das mit einer Abstimmung im Landtag dokumentie
(Beifall des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP), bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LIN- KE))
Hinsichtlich der Ehe für alle bin ich oft gefragt worden: Muss das denn jetzt auch noch sein? Ihr habt doch schon so viel erreicht. Warum muss es jetzt auch noch die Ehe für alle geben? Ihr habt doch die eingetragene Lebenspartnerschaft.
Ich kann Ihnen sagen: Mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft sind viele Diskriminierungen abgeschafft worden. Das muss man sagen. Das haben die GRÜNEN damals mit den Sozialdemokraten eingerichtet.
Wenn Sie heute mit Ihren Eltern reden und Eltern haben, die Sie sehr liberal und sehr tolerant erzogen haben, und Sie leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, dann kommt man irgendwann an den Punkt, dass der eigene Vater sagt: Du willst doch jetzt wohl nicht deine eingetragene Lebenspartnerschaft mit der Ehe deiner Schwester vergleichen. – Dann wissen Sie, es ist eben doch nicht das Gleiche. Das gilt selbst für die Menschen, die Sie sehr liebevoll erzogen haben.
Wenn es einen Grund gibt, die Ehe für alle wirklich einzurichten und die Ehe für alle zu öffnen, dann ist das ein Stück weit dieser Situation geschuldet. Es muss endlich in den Köpfen der Menschen ankommen, dass beide Beziehungen gleich viel wert sind, unabhängig davon, ob es ein heterosexuelles Paar oder ein homosexuelles Paar ist.
Wir werden auch daran weiter arbeiten und wachsam bleiben müssen. All das, was wir erreicht haben und was wir morgen vielleicht erreichen werden, ist keine Selbstverständlichkeit. Das muss man den jungen Menschen und gerade auch jungen Schwulen und Lesben immer wieder sagen: Geht weiter auf die Straße und kämpft um eure Rechte. So weit wir auch gekommen sind, das ist alles keine Selbstverständlichkeit. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten der CDU)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Na klar, wir begrüßen es, dass endlich selbstverständliche Rechte der Menschen in unserem Land anerkannt werden. Nicht mehr und nicht weniger – darum geht es.
Meine Damen und Herren, was mich eigentlich am meisten erschreckt hat, ist, dass diese selbstverständlichen Rechte über mögliche Koalitionsoptionen zum politischen Spielchen verkommen. Das ist das, was mich in den letzten Tagen geärgert hat. Mich hat auch geärgert hat, dass sich die eine oder andere Veröffentlichung so anhört, als wäre das jetzt der ganz große Durchbruch der Gerechtigkeit oder als würden wir hier gerade die Französische Revolution wiederholen. Es geht selbstverständlich um die Anerkennung von Rechten von Menschen, egal mit welcher sexuellen Orientierung. Das ist gut so.
Selbstverständlich begrüße ich es auch, insbesondere für die ca. 40.000 Verpartnerten, die – wie Herr Klose aus meiner Sicht gerade vollkommen zu Recht dargestellt hat – jetzt erneut vor ein Standesamt gehen können und sagen können: jetzt die Ehe. Es ist ein Schritt dahin, gleichgeschlechtliche Beziehungen Hetenbeziehungen gleichzustellen. Das ist gut so.
Wir erleben aber in diesen Tagen doch auch noch etwas ganz anderes. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD in der Bundestagsfraktion, man kann sich durchaus auch an anderen Punkten aus dieser Groko lösen. Lassen Sie uns doch auch noch andere wichtige Dinge schnell regeln, wie z. B. den Nachzug von Familienmitgliedern bei subsidiär Geschützten. Da geht es auch um Ehe, aber auch darum, dass wir Ungerechtigkeiten abschaffen.
Wenn wir über die Gleichberechtigung aller Lebensentwürfe reden, dann spreche ich auch über die Gleichberechtigung der Lebensentwürfe, die sich nicht für die Ehe entscheiden. Das Problem bei Alleinerziehenden ist die drohende Armut, unter anderem weil Kita-Plätze fehlen. Das hat nichts mit der geschlechtlichen Orientierung der Alleinerziehenden zu tun. Lassen Sie uns gemeinsam diese Probleme angehen.
Morgen im Bundestag ist der Zeitpunkt, wo wir uns darüber freuen können. Ich sehe das durchaus auch als einen Schritt der Gleichberechtigung zwischen gleichgeschlechtlichen und heterosexuell orientierten Paaren.
Machen Sie mit uns jetzt aber auch den nächsten Schritt in die Zukunft, dass wir die Bevorzugung der Ehe gegenüber anderen Lebensentwürfen in Angriff nehmen. Ich bin sehr dankbar für das Zitat von Claudia Roth; denn ein bisschen schwingt mit dem Anspruch „Ehe für alle“ mit, dass das jetzt der Lebensentwurf sein muss, den wir für alle vorschreiben. – Das tun wir ausdrücklich nicht.
Deswegen zum Schluss noch zwei Sätze zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen. Ich finde es sehr gut, dass Sie dort eine viel bessere Formulierung, auch die korrekte Formulierung wählen, nämlich die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Das vermeidet das gerade von mir aufgeworfene mögliche Missverständnis eines Postulats „Ehe für alle“. Die Formulierung vermeidet auch das Postulat, dass jetzt jeder einen Anspruch darauf hätte, eine Ehe schließen zu dürfen, wie ich das auch schon gehört habe.
Meine zweite Bemerkung ist, dass Sie in Ihrem Antrag die Gewissensorientierung von uns Abgeordneten hochhalten. Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir Abgeordnete unserem Gewissen gegenüber verpflichtet
sind. Was Sie aber versäumt haben, sind die politischen Gründe, die bei dem einen oder anderen zu der einen oder anderen Gewissensentscheidung führen. Herr Klose, das, was Sie gesagt haben, nämlich dass es um ein Sakrament gehe, steht eben nicht in dem Antrag. Sie lassen vollkommen offen, ob es biologistische, religiöse oder was weiß ich für Gründe sind, die zu Gewissensentscheidungen führen. Diesen politischen Streit sollten wir aber weiter führen.
Zusammenfassend: Ja, auch wir begrüßen es, wenn ein selbstverständliches Recht demnächst auch hier in Deutschland wahrgenommen werden kann. Es ist ein richtiger Schritt; aber der Kampf geht durchaus weiter, wie meine Vorredner schon deutlich gemacht haben. – Ich bedanke mich.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vielleicht eine Vorbemerkung machen. Lieber Kai Klose, ich will ausdrücklich sagen, dass wir über diese Frage miteinander reden. Das tun wir nicht erst seit Beginn unserer gemeinsamen Arbeit in der CDU/GRÜNEN-Koalition, sondern das gab es auch schon vor dieser Legislaturperiode. Ich will zum einen sagen: Mir nötigt es bis heute – das wird auch so bleiben – großen Respekt ab, mit welchem Respekt und mit welcher Offenheit es möglich ist, mit Kai Klose und vielen anderen in den Reihen der GRÜNEN über diese Frage zu reden, ja, auch zu streiten. Aber vor allem nötigt es mir Respekt ab, mit welcher Empathie, Betroffenheit und großartigen persönlichen Haltung Kai Klose heute hier gesprochen hat.
Es ist, wie die Bundeskanzlerin – ich glaube, gestern – zu Recht festgestellt hat, tatsächlich keine gesetzliche Fußnote, über die wir hier reden. Wir reden über Art. 6 Grundgesetz. Wir reden über Überzeugungen von Menschen aus ganz unterschiedlichen, auch aus religiösen Gründen. Wir reden darüber, dass viele durchaus nach wie vor der Meinung sind, die Ehe sei eine Verbindung von Mann und Frau, wie es das Bundesverfassungsgericht, das sich 1993 sehr dezidiert mit der Definition der Ehe beschäftigt hat, gesagt hat. Aber ich will gleich hinzufügen: Wir reden auch über Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu all den Fragen, über die wir hier häufig gesprochen haben und von denen man sagen kann: Ja, es gibt eine Entwicklung in unserer Gesellschaft und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Insofern wäre ich dankbar, wenn wir uns zunächst alle miteinander vornehmen, dass wir nicht darüber spekulieren, was mögliche zukünftige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage beinhalten. Da darf jeder seine Vermutung äußern. Ich bin mir mit Blick auf die Genese der Entscheidungen der letzten 20, 25 Jahre jedoch nicht sicher, was das Bundesverfassungsgericht sagen würde. Insofern sollte man zunächst einmal diejenigen akzeptieren, die sagen: Ich habe auch aus verfassungsrechtlichen
Gründen ein Problem mit dieser Frage. – Ich will jetzt nicht von den Kirchen und den katholischen Bischöfen reden. Auch dort sehen wir übrigens Entwicklungen – wie ich finde, eine ganze Reihe von Entwicklungen –, die ich sehr gut nachvollziehen kann. Ich nehme für mich persönlich vielleicht einmal in Anspruch, dass auch ich selbst sehr mit mir ringe, wenn es um die Frage meiner katholischen Erziehung, meines katholischen Glaubens und meiner Überzeugung auf der einen Seite geht, ich auf der anderen Seite aber auch die Realitäten wahrnehme.
Deswegen ist es wohl an keiner Stelle der Debatte in dieser Woche – oder in dieser Zeit – so sehr angebracht, dass wir respekt- und würdevoll mit dieser Frage umgehen. Das ist mein Appell an alle Vertreterinnen und Vertreter im Parlament, falls es morgen zu der Aufnahme des Themas auf die Tagesordnung des Bundestages kommt. Aber das sind auch meine Bitte und mein herzlicher Appell an alle hier im Hause, wenn es zukünftig um diese Frage gehen sollte.
Ein Letztes. Ich habe mich bei Kai Klose bedankt und ihm wohl zu Recht – das bestätigt auch das ganze Haus – Respekt gezollt. Ich will ausdrücklich gerade den heutigen Tag zum Anlass nehmen und mich sehr herzlich bei Jo Dreiseitel bedanken. Herr Kollege Lenders hat zuletzt auch darauf angespielt, dass eine Entscheidung, wie auch immer sie ausgehen mag, am Ende nicht immer automatisch bedeutet, dass Diskriminierung endet. Ich glaube, in dieser Frage sind wir uns nun wirklich alle einig, und zwar ausnahmslos einig.
(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Lieber Herr Staatssekretär Jo Dreiseitel, in dieser Frage – das will ich ausdrücklich sagen – haben Sie Außergewöhnliches geleistet, in jeder Hinsicht und mit viel Überzeugung. Ich bedauere, dass es irgendwann den Tag geben wird, wo Sie sich mit anderen Dingen in Ihrem Leben beschäftigen müssen. Aber ich will den heutigen Tag schon einmal zum Anlass nehmen, ein herzliches Dankeschön zu sagen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Dann kommen wir zur beantragten namentlichen Abstimmung über den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und der FDP betreffend „Ehe für alle“ endlich umsetzen, Drucks. 19/5066.
Ist jemand noch nicht aufgerufen worden? – Jeder hat seine Stimme abgeben können. Dann schließe ich die namentliche Abstimmung und lasse auszählen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Ihnen das Ergebnis bekannt geben. Mit Ja stimmten 42 Abgeordnete, mit Nein 55 Abgeordnete. Entschuldigt waren 13 Abgeordnete. Damit ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/5080. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Die FDP-Fraktion. Ich gehe davon aus, dass sich die anderen beiden Fraktionen nicht an der Abstimmung beteiligt haben.