Protocol of the Session on June 29, 2017

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Kurz vor den Sommerferien sucht die FDP augenscheinlich nach einem Thema, um das Sommerloch zu füllen. Worum geht es im Konkreten? Es geht um die Beschäftigungssituation der Lehrkräfte in Hessen. Im Mittelpunkt steht dabei die von Ihnen so genannte Arbeitslosigkeit der Lehrkräfte.

Herr Kollege Greilich, es fragt sich, ob das ein geeignetes Thema ist. Das werden wir jetzt einmal abarbeiten. Wir werden da einmal ganz genau hinschauen.

Ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie den Erlass der Kultusministerin Henzler vom 5. März 2009 angeführt haben. Dieser Erlass ist nach wie vor in Kraft. Ich kann da Ihre Aussage bestätigen.

Ja, dieser Erlass hat dazu geführt, dass die Zahl der befristeten Arbeitsverträge ein Stück weit zurückgegangen ist. Zu den konkreten Zahlen komme ich gleich. Da werden wir sehr genau hinschauen.

Die Wahrheit ist – das will ich hier betonen –: Seit dem Jahr 2009 hat die Anzahl der Lehrerinnen und Lehrer an hessischen Schulen signifikant zugenommen. Wir haben mittlerweile an den hessischen Schulen 5.500 Lehrer mehr. Das darf ich einmal sagen. In dieser Legislaturperiode allein sind es 2.500 Lehrer. Darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Darauf haben auch Sie hingewiesen: Wir haben eine zusätzliche Herausforderung, für die wir die notwendige Flexibilität brauchen. Wir haben innerhalb von zwei Jahren 30.000 Seiteneinsteiger bekommen. Wenn Sie sagen, da sei eine bestimmte Dehnungsfuge im Sinne der Flexibilität und der Mobilität nicht erforderlich, dann müssten wir darüber noch einmal genauer sprechen.

Ich möchte noch einmal auf den Erlass der Kollegin Henzler zu sprechen kommen, mit der ich mich im Übrigen am Montag ausgetauscht habe. Das war am Montag dieser Woche. Da gab es den Termin des Bildungsforums der VhU.

Sie kann an dem Erlass nichts verkehrt finden. Der Erlass gilt nach wie vor. Wer 39 Wochen im Jahr arbeitet, wird auch während der Sommerferien bezahlt. Das war so, das ist so, und das bleibt so. Das will ich nur einmal feststellen. Wir können da auch nicht hin und her diskutieren, weil hier ein anderes Bild gestellt wird.

Deswegen will ich sehr deutlich sagen: Die Hessische Landeregierung und diese Koalition beschränken befristete Arbeitsverträge auf das unerlässliche Mindestmaß. Herr Kollege Greilich, befristete Arbeitsverträge sind die große Ausnahme und nicht die Regel. Befristete Arbeitsverträge – auch das ist die Wahrheit – lassen sich nicht vollständig ausblenden und vermeiden.

Ich habe es eben schon gesagt: Die Flexibilität bei Schwangerschaften, Mutterschutz, Erziehungszeit und Krankheit muss gewährleistet sein. Ich stelle Ihnen sehr konkret die Frage: Wollen Sie für jeden Schwangerschaftsfall eine Lehrkraft unbefristet einstellen? – Die Frage können Sie gerne beantworten.

Deswegen komme ich einmal auf die von Ihnen skizzierte positive Entwicklung zu sprechen. Im Jahr 2009 gab es 6.087 befristete Arbeitsverträge.

Lassen Sie eine Frage von Herrn Greilich zu?

(Armin Schwarz (CDU): Sehr gerne!)

Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Kollege Schwarz, ich höre Ihnen interessiert zu und finde es in großen Strecken auch richtig. Ich frage mich nur, in welchen Punkten Sie mir widersprechen. Ich habe bis jetzt noch nichts dergleichen gemerkt.

(Allgemeine Heiterkeit)

Sinnentnehmend zuzuhören, zu verstehen und auch meinen Ausführungen weiterhin folgen zu können: Deswegen wünsche ich Ihnen jetzt viel Erfolg beim Zuhören und Verstehen.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Das war keine Antwort auf die Frage!)

2009 gab es 6.087 befristete Arbeitsverträge, 2015 – damals war Schwarz-Grün schon zwei Jahre im Amt – waren es 4.546. Es ist festzustellen, dass im Jahr 2016 – ich teile auch da Ihre Einschätzung; man muss aber auch die Ursachen beschreiben – ein leichter Anstieg zu verzeichnen war, nämlich um 95 auf 4.641. Nebenbei – ich sage es noch einmal – sind 30.000 Seiteneinsteiger hereingekommen, die in Deutsch unterrichtet werden. Deutsch als Zweitsprache, Deutsch als Fremdsprache – all das haben Sie in Ihren Ausführungen vollständig ausgeblendet, auch wenn Sie sich hierhin stellen und sagen: Es ist alles fürchterlich, was hier passiert: die hohe Fluktuation und die ungewisse Aufenthaltsdauer von schulpflichtigen Flüchtlingen. – Angesichts dieser Herausforderungen, die in allen Bundesländern zu verzeichnen sind, muss man das einpreisen. Es ist verantwortbare und vernünftige Politik, dies mit entsprechenden Ressourcen auszustatten. Genau dies tut diese Landesregierung: präzise, planvoll und erfolgreich.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann wollen wir noch einen Punkt aufgreifen. Reden wir doch einmal von der Entfristung. Die Entfristung und die individuelle Prüfung bei der Entfristung – ich bin sehr dabei, das ist völlig in Ordnung. Aber das darf nicht dazu führen, dass gute und hoch qualifizierte Lehrkräfte, die nachwachsen und möglicherweise einen besseren Notendurchschnitt und eine tolle Fächerkombination haben, dann ins Hintertreffen geraten. Auch dies muss man im Blick behalten.

Herr Kollege Greilich, ich will einmal das Thema Kettenverträge ansprechen – auch wenn es jetzt unangenehm wird. Zur Ihren Zeiten, als Sie mit Frau Henzler und Frau Beer das Kultusministerium geführt haben, gab es Kettenverträge, die deutlich über zehn Jahre hinausgingen. Es gab

x Klagen. Noch einmal zum Mitschreiben: Es ging deutlich über zehn Jahre.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Waren Sie dabei?)

Ja ich war dabei. Ich war nämlich im Schuldienst. Ich rede da jetzt nicht wie der Blinde von der Farbe. – Es gab x Klagen, und Minister Prof. Lorz hat 2015 einen Erlass herausgegeben, der dazu geführt hat – –

(Zurufe von der FDP)

Warum sind Sie denn so aufgeregt? Ich verstehe das gar nicht. – Der Erlass unseres Kultusministers Prof. Lorz hat dazu geführt, dass wir de facto über Kettenverträge von fünf Jahren sprechen. Wir sind hier auf einem konsequenten Abbaupfad. Das ist gut und vernünftig. Das hilft nämlich den Lehrkräften vor Ort. Wir haben diese Zahl mehr als halbiert.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir machen da weiter. Über wie viel Prozent der Lehrkräfte reden wir eigentlich? Weniger als 1 % der Lehrkräfte, die wir in Hessen beschäftigen, werden in den Sommerferien nicht durchbezahlt. Nur davon reden wir. Deswegen lassen Sie uns einmal einen Strich darunter ziehen und genau hinschauen.

(Zurufe von der FDP)

Sie haben beim Thema wieder das große Besteck ausgepackt und alle Themen, die die Bildungspolitik bewegen, hier noch einmal aufgezählt. Das ist Ihr gutes Recht, das darf Opposition tun, das muss Opposition vielleicht auch tun. Aber man darf vielleicht auch einmal beim Thema bleiben. Sie haben das Thema zusätzliche Bürokratisierung wieder wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Aber sobald es konkret wird, können Sie nie ein Beispiel dafür nennen. Wir können uns das gerne einmal genauer anschauen und dann besprechen, wo die Bürokratie denn zunimmt.

Ich will einmal sehr deutlich sagen: Die Beschäftigungssituation der Lehrkräfte in Hessen ist gut. Die Lehrerversorgung ist so gut wie nie. Wer Unterrichtsausfall vermeiden will, wer 105 % Lehrerversorgung vorhalten will, wer Planungssicherheit für Schulen will und wer eine mobile Vertretungsreserve vorhalten will, der braucht die von mir eben beschriebene Flexibilität, um entsprechend steuern zu können. Wenn wir uns dieser Flexibilität entledigen würden, würden wir den Schulen, den Schülerinnen und Schülern und der Bildung in Hessen einen Bärendienst erweisen. Ein komplexes System, ein Riesensystem mit über 65.000 Köpfen und über 52.000 Stellen – so viel wie nie zuvor – bei 770.000 Schülern braucht genau diese Flexibilität, wenngleich wir weiter daran arbeiten, dass befristete Arbeitsverhältnisse an hessischen Schulen die Ausnahme bleiben. Sie sind die Ausnahme. Wir werden weiter daran arbeiten, dass diese Kurve noch weiter nach unten geht. Wir sind da auf einem sehr guten Weg im Sinne von guter Bildung in Hessen und für hessische Schulen. – Ich bedanke mich sehr für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Degen von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kollege Schwarz hat eben versucht, das Thema ein bisschen herunterzureden. Er hat auch gefragt, ob das überhaupt ein geeignetes Thema sei. Herr Kollege Schwarz, ich will Ihnen sagen, dass das kein Thema ist, das irgendwie neu wäre. Es ist hier eigentlich so wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Es kommt alle Jahre wieder. Ich habe da zufälligerweise auch einen netten Ausspruch des damaligen Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, in der „Süddeutschen Zeitung“ vom August letzten Jahres gefunden, der zu dieser Thematik der Sommerferienarbeitslosigkeit der Lehrerinnen und Lehrer gesagt hat, dass das eine gängige Praxis sei, die er als Ausbeutung bezeichnete, und dass es für die Betroffenen schwer sein dürfte, rechtlich dagegen vorzugehen. Es helfe da nur politischer Druck, indem die betreffenden Länder an den Pranger gestellt würden.

Meine Damen und Herren, der Ausdruck „Pranger“ ist nicht meine Wortwahl. Ich habe nur den Kollegen Kraus zitiert, der auch gerade der CDU-Fraktion sehr bekannt ist, weil er der ständige Sachverständige der hiesigen CDUFraktion in der Enquetekommission „Bildung“ ist.

(Beifall bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Hört, hört!)

Hessen vorn – das war einmal, außer bei der Lehrerarbeitslosigkeit. Kollege Greilich hat die Zahlen sehr deutlich dargestellt. Ich will das auch einmal in Bezug setzen. Man könnte jetzt ja meinen, Flexibilität müsse gegeben sein. – Herr Kollege Schwarz, warum schaffen es dann andere Bundesländer? Ich sehe jetzt einmal von Baden-Württemberg ab. Warum schaffen es andere Bundesländer, die zum Teil noch viel mehr Lehrkräfte im Dienst haben als wir? Ich will einmal Nordrhein-Westfalen mit 167.000 Lehrerinnen und Lehrern nennen. Warum gibt es dort einen deutlich geringeren Anstieg der Lehrerarbeitslosigkeit in den Sommerferien als in Hessen? Meine Damen und Herren, das muss mir erst einmal jemand erklären.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Frank Blechschmidt und Wolfgang Greilich (FDP))

Lehrkräfte, die erst nach den Sommerferien wieder beschäftigt werden, müssen auch in den Ferien bezahlt werden. Wir sind da sehr klar sortiert, auch bei dem, was Kollege Greilich gesagt hat. Meine Damen und Herren, alles andere ist einfach unsozial. So geht man nicht mit Menschen um. So nimmt man gerade jungen Lehrkräften die Motivation. So schafft man weder Zukunftssicherheit noch soziale Absicherung.

(Beifall bei der SPD)

Die Leidtragenden sind nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch die Schülerinnen und Schüler; denn durch die ständige Personalfluktuation kann keine stabile LehrerSchüler-Bindung aufgebaut werden. Das führt letztlich zu einem Nachlassen der Unterrichtsqualität.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung wird vermutlich darauf hinweisen, dass nur diejenigen nicht weiterbeschäftigt werden, mit denen kein neuer Vertrag für die Zeit nach den Sommerferien geschlossen worden ist. Da frage ich mich: Warum beendet nach den Sommerferien aber immer eine ähnliche Größenordnung von Lehrkräften wieder die Arbeitslosigkeit? Das heißt, die gleiche Anzahl von Lehrkräften wird nachher wieder eingestellt. Der Bedarf ist also doch da.

Außerdem wurde in der Antwort auf unsere Große Anfrage darauf hingewiesen, dies habe auch etwas mit der Flüchtlingswelle zu tun. Die Bundesagentur für Arbeit hingegen weist darauf hin, dass insbesondere durch die Flüchtlingswelle ein größerer Bedarf gegeben sei. Schließlich sind es keine Vertretungslehrkräfte, sondern es sind ordentliche Planstellen, die geschaffen wurden, sodass Leute eingestellt werden, die nicht Vertretung machen. Also auch das passt hinten und vorne nicht in der Argumentation.

(Beifall bei der SPD)

Nun möchte ich noch etwas zu dem Erlass aus dem Jahr 2009 sagen. Zur Erinnerung: Eine Lehrkraft muss für 39 Wochen eingestellt worden sein, sie muss bis zu den Sommerferien arbeiten, und sie muss eine Lehrkraft vertreten, die in den Sommerferien noch nicht wieder im Dienst ist. Vielleicht muss man einmal über diesen Erlass nachdenken. Jemand, der nur für 38 Wochen im Jahr einen Vertrag hat, bekommt dann eben keine Bezahlung in den Sommerferien.

Ebenso verhält es sich, wenn eine Lehrkraft eine andere Lehrkraft vertritt, die im Mutterschutz ist, und anschließend eine weitere Lehrkraft vertritt. Die Vertretungslehrkraft bekommt dann einen neuen Vertrag für die Zeit nach den Sommerferien, allerdings für die Vertretung einer weiteren Lehrkraft. Diese Lehrkraft bleibt also an der Schule, behält wahrscheinlich sogar ihre Klasse, bekommt aber nach Ihrem Modell keine Bezahlung in den Sommerferien. Darüber muss man einmal nachdenken.

Meine Damen und Herren, hier geht es auch um die Frage von befristeten Verträgen insgesamt. Natürlich kommt die Lehrerarbeitslosigkeit nur dadurch zustande, dass es befristete Verträge gibt. Deshalb will ich noch einmal deutlich machen, dass das Ausmaß der befristeten Verträge in Hessen nach wie vor extrem groß ist. Im Jahr 2014 – da habe ich andere Zahlen als der Kollege Schwarz – waren im hessischen Schuldienst 5.722 Lehrkräfte befristet eingestellt. Im Jahr 2015 waren es schon einige mehr. Im Jahr 2016 waren es über 6.000 Lehrkräfte.

Jetzt will ich mich nicht darüber streiten, ob es 5.000 oder 6.000 Lehrkräfte waren. Es sind zu viele Lehrkräfte. Es ist klar, dass man nicht ganz auf befristete Verträge verzichten kann, aber es sind zu viele. Deshalb müssen es weniger werden.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Frank Blech- schmidt (FDP))