Protocol of the Session on June 28, 2017

Dann machen Sie es doch per SMS.

Frau Kollegin Wissler, Sie haben das Wort.

Dann würde ich es auch nicht mitbekommen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Das sagt der Richtige, Herr Bellino. Sie sagen, ich solle nicht so empfindlich sein. Das ist schön.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Diesen gut gemeinten Ratschlag gebe ich direkt an Sie zurück, und zwar für alle Lebenslagen.

Es gibt sogar Unterrichtsmaterialien, die der Automatenunternehmerverband zur Verfügung stellt, mit Informationen zu „verantwortungsvollem Spiel“. Die Spielhallenlobby stellt sich als normaler Teil der Unterhaltungskultur dar, wie Kinos oder die Gastronomie. Das ist sie aber nicht. Sie verdient ihr Geld eben nicht mit Gelegenheitsspielern, sondern im Wesentlichen mit der Spielsucht anderer. Das sind keine Unternehmen wie alle anderen Unternehmen. Deswegen ist es richtig, dass diese Betriebe streng reguliert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Außerdem weist die Spielhallenlobby immer darauf hin, dass sie ja die gute, die regulierte Seite des Glücksspiels sei und Süchtige sonst in das „fiese“ Internet ausweichen würden. Experten für Spielsucht weisen aber immer wieder darauf hin, dass das nur teilweise stimmt. Spielsüchtige seien insbesondere durch die Verfügbarkeit von Spielautomaten im Alltag besonders rückfallgefährdet. Es macht also sehr wohl einen Unterschied, ob Spielhallen überall in den Innenstädten zu finden sind oder nicht.

Deshalb ist es richtig, die Zahl der Spielstätten so weit wie möglich zu reduzieren, sofern das alles ist, was wir auf Landesebene tun können, meine Damen und Herren. Diese Regelungen helfen vielleicht, das Ärgernis von vielen Spielhallen in einem Viertel zu senken, die nicht nur eine ständige Versuchung für Spielsuchtgefährdete sind, sondern auch einfach viele Menschen in ihrer Nachbarschaft stören. Das gilt oft aber auch für Sportwettenbüros, die nicht von diesem Spielhallengesetz berührt sind.

Neben den offiziellen und regulierten Spielhallen gibt es einen Graubereich in Form von angeblicher Gastronomie mit Geldspielautomaten, die häufig aussehen wie Spielhallen.

Neben der Suchtgefahr und dem Ärgernis über Spielhallenhäufungen in den Innenstädten gibt es auch das Problem, dass die Geldspielgeräte Geldwäsche und andere Finanzdelikte ermöglichen. Dennoch – und auch diese Seite muss man sehen – spülen die Spielhallen Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Vergnügungsteuer in die Kassen der chronisch klammen Kommunen. Auch deshalb kommen die Kommunen in einen Interessenkonflikt, wenn sie die Einhaltung der detaillierten Regelungen des Spielhallengesetzes kontrollieren sollen. Vielmehr führen die chronisch überlasteten kommunalen Ordnungsbehörden zu einem Vollzugsdefizit.

Auch deshalb dürfen die Kommunen nicht alleine gelassen werden. Es bräuchte auf Bundesebene eine strikte Gesetzgebung gegen das Automatenspiel und eine Reduzierung

auf das absolute Minimum. Dazu müssten Geldspielautomaten als Glücksspiel eingestuft und entsprechend reguliert werden. Gesetzliche Vorgaben müssen dafür sorgen, dass Spielautomaten weniger suchtauslösende Eigenschaften besitzen und ein konsequenter Spielerschutz durchgesetzt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Für gastronomische Einrichtungen fordern wir ein Verbot von Spielautomaten ohne Wenn und Aber. Das Spielhallengesetz auf Landesebene, das wir jetzt novellieren und in seiner Geltungsdauer verlängern wollen, hat leider nur beschränkte Möglichkeiten, die aber genutzt werden sollten. Viele Probleme werden damit nicht berührt. Viele Regelungen halten wir noch für zu großzügig und zu unkonkret, oder aber sie sind umgehbar oder in der Praxis nicht kontrollierbar. Dahin gehend sind wir gespannt auf die Anhörung und mögliche Verbesserungen.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Ich komme zum Schluss. – Ich bin sehr dankbar für diese Umressortierung, sodass ich dieses Thema von meinem Kollegen Herman Schaus übernehmen konnte.

Letztlich will ich anmerken: Wenn das Gesetz auch nur einen Menschen vor Spielsucht bewahren kann, dann hat es etwas genutzt. Deshalb sollten wir in der Anhörung schauen, an welcher Stelle man das Gesetz noch verbessern kann. Insgesamt ist das aber ein Schritt in die richtige Richtung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Greilich von der FDP-Fraktion. Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass das Thema Glücksspiel und insbesondere auch das Thema Automatenspiel ein Problem in unserer Gesellschaft beschreibt, das durchaus existiert und mit dem man verantwortungsvoll umgehen muss. Das haben wir in der vergangenen Wahlperiode auch getan, indem wir in der Koalition mit CDU und FDP ein gutes Spielhallengesetz vereinbart und verabschiedet haben, das sowohl den Interessen des Spielerschutzes und der Suchtbekämpfung wie aber auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.

Frau Kollegin Wissler, dass Sie eine komplette Branche mit Tausenden von Beschäftigten einfach so niedermeiern und in ein übles Licht stellen, spricht für die Art und Weise, wie Sie hier diskutieren. Der Gesetzentwurf der Landesregierung spricht leider keine sehr viel bessere Sprache, auch wenn er sich vornehmer ausdrückt.

(Beifall bei der FDP)

Ich will einige Einzelpunkte erwähnen. Zunächst zur Frage der Neuregelung der Mindestabstände und zur Konkretisierung, unter welchen Umständen hiervon abgewichen werden darf. Es geht um die Einführung einer Mindestabstandsgrenze von 500 m Luftlinie – ich zitiere – „zu einer Einrichtung oder Örtlichkeit, die ihrer Art nach oder tatsächlich vorwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht wird“. Das klingt ja ganz gut. Das ist offensichtlich auch gut gemeint, aber wie so oft, Herr Minister, schlecht gemacht.

(Beifall bei der FDP)

Das muss man sehr kritisch sehen. Bezüglich der Einrichtungen, also bezüglich Kindertagesstätten und Ähnlichem, ist das vielleicht noch vertretbar. Ich weise allerdings darauf hin, dass sich Kindertagesstätten ebenso wie Spielhallen oftmals im Stadtkern befinden. Insofern dürfte ein Mindestabstand von 500 m Luftlinie kaum einzuhalten sein. Deshalb ist das bezüglich des Begriffs „Örtlichkeit“ schlicht kaum darzustellen.

Was ist denn z. B. mit dem Parkplatz eines Einkaufszentrums, auf dem ja in der Regel in den Abendstunden viele Jugendliche zusammenkommen, um sich zu treffen, um Skateboard zu fahren usw.? Ich glaube, das ist auch Ihnen bekannt. Das ist Ihnen zumindest dann bekannt, wenn Sie hin und wieder mit Jugendlichen zu tun haben.

Ist das dann so ein Ort? Darf dann in diesem Einkaufszentrum keine Spielhalle mehr sein? Ist der Betrieb dort untersagt?

Sie sehen nicht einmal eine Ausnahmeregelung vor. Das Einzige, was bleibt, ist die Härtefallregelung. Nach Ihrem Konzept gilt die Ausnahmeregelung ausdrücklich nicht für diesen Fall.

(Beifall bei der FDP)

Außerdem sehen Sie vor, dass ein Sozialkonzept zur Suchtprävention alle zwei Jahre aktualisiert werden muss. Warum denn alle zwei Jahre, wenn es keine neuen Erkenntnisse gibt? „Laufend“ bedeutet einen dynamischen Prozess. Wenn es aktuelle Erkenntnisse gibt, muss etwas passieren. Dann muss das gemacht werden. Was Sie hier aber machen, ist schlichtweg ein Beispiel für Ihre Regulierungswut.

(Beifall bei der FDP)

Der dritte Punkt ist die Verschärfung der Bestimmung, was in oder im unmittelbaren Außenbereich einer Spielhalle unzulässig ist. Nicht nur in, sondern auch im unmittelbaren Außenbereich sind künftig z. B. Bargeldautomaten verboten. Das, was in der Begründung dazu ausgeführt ist, kann ich vollständig nachvollziehen. In der Begründung schreiben Sie, es gehe darum, dass z. B. das Aufstellen von Geldautomaten im Foyer verhindert werden soll. Da bin ich bei Ihnen. Aber warum schreiben Sie „im … Außenbereich“ und nicht „innerhalb der Räumlichkeiten“ oder „innerhalb des Gebäudes“? Das wäre eine Geschichte, mit der man klar umgehen könnte. So verhindern Sie z. B. – um bei dem Beispiel Einkaufszentrum zu bleiben –, dass in einer Entfernung von 500 m von einer Spielhalle ein Geldautomat stehen kann – damit aber auch in einer Entfernung von 500 m vom Einkaufszentrum. Ich bin sehr gespannt, was die Betreiber von Einkaufszentren zu dieser „Beglückung“ sagen.

(Beifall bei der FDP)

Ich will einen weiteren Punkt nennen: Die Verringerung der Höchstdauer der Erlaubnis. Bislang sind 15 Jahre festgeschrieben. Sie wollen diesen Zeitraum auf zehn Jahre reduzieren. Kollege Eckert hat schon darauf hingewiesen: Das ist eine Frage der Investitionssicherheit, eine Frage der Investitionsmöglichkeiten, eine Frage der Abschreibungsmöglichkeiten. Sie werden mit dieser Änderung für eine Konzentration im Markt sorgen. Ich dachte bis jetzt, wir seien eher der Auffassung, man sollte etwas für den Mittelstand tun. Wenn Sie den Mittelstand aber vernichten wollen, dann sollten Sie auf diesem Weg weitergehen.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt weitere Themen, z. B. die Konkretisierung der Funktionsweise des Sperrsystems. Darüber werden wir uns im Rahmen der Anhörung genauer auseinandersetzen können.

Es ist außerdem eine Neuregelung der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen vorgesehen, mit der Sie die Kommunen entmündigen wollen, die diese Aufgabe bislang als Selbstverwaltungsaufgabe wahrgenommen haben. Es ist erstens sachlich falsch, die sich in der Tat nahe am Problem befindenden Kommunen aus dem Verfahren herauszunehmen, und es ist zweitens kommunalfeindlich.

Das zentrale Problem, deshalb will ich das abschließend noch ansprechen, ist die Anpassung der Härtefallregelung in § 15 des Spielhallengesetzes. Bisher konnte die zuständige Behörde eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn das zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich war. Das ist genau die Formulierung, die dafür gesorgt hat, dass unser Spielhallengesetz noch verfassungsmäßig ist.

Nach der Neuregelung, die Sie jetzt vorschlagen, ist nur noch eine Befreiung vom Mindestabstand von 300 m sowie vom Verbot der Mehrfachkonzession möglich. Ich habe es schon erwähnt: Bezüglich des Abstands von 500 m zu Örtlichkeiten, die von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden, gibt es beispielsweise keine Befreiungsmöglichkeit. Herr Minister, mit der geplanten Abschaffung der Härtefallregelung überschreiten Sie die Grenze, die rote Linie zur Verfassungswidrigkeit.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen ist dieser Gesetzentwurf nicht zustimmungsfähig. Sie werden das in einer munteren Anhörung mit Sicherheit noch von sehr vielen hören.

Mein Fazit: Die Änderungen zielen ganz klar darauf ab, die Flexibilität der Gemeinden bezüglich der Nutzung und der Regulierung einzuschränken. Das fängt mit dem Entzug der sachlichen Zuständigkeit an, das geht mit der Beschränkung der Härtefallregelung weiter. Daraus ergeben sich weitreichende Einschränkungen der Berufsfreiheit der betroffenen Spielhallenbetreiber. Damit besteht die Gefahr, dass die Landesregierung den legalen Glücksspielbetrieb in Hessen überreguliert und das Spielen in den leider immer noch weitestgehend unregulierten Bereich Internet verlagert. Das sollten wir vermeiden.

Die Folgen für die Kommunen sind erheblich: Wegfall von Vergnügungs- und Gewerbesteuern, Wegfall von Arbeitsplätzen in einer Größenordnung von bis zu mehreren Tausend Arbeitsplätzen, gerade in minder qualifizierten Tätigkeitsbereichen. Damit versündigen Sie sich auch gegenüber diesen Beschäftigten.

(Beifall bei der FDP)

Ich komme zum Schluss. Auch an diesem Punkt zeigt sich, dass auf der Basis des völlig verkorksten Glücksspielstaatsvertrages keine sinnvolle Regulierung möglich ist. Deswegen sollte Hessen, nachdem nun auch NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein erklärt haben, den minimalinvasiven Eingriff am Staatsvertrag nicht mittragen zu wollen, die Beschlusslage des Landtags umsetzen. Den neuen Änderungsstaatsvertrag sollten Sie nicht unterzeichnen, sondern im Gegenteil kündigen.

Meine allerletzte Bemerkung geht an die Minister Al-Wazir und Beuth. Ich rege an, dass die Landesregierung ihre Geschäftsverteilung neu regelt; denn die Kompetenz für Fragen der Spielhallen sitzt offensichtlich nach wie vor im Innenministerium und nicht im Wirtschaftsministerium.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Kollege Greilich. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Debatte.