Protocol of the Session on June 1, 2017

Wir brauchen eine Reform der Lehrerausbildung. Das habe ich schon gesagt. Ich will da noch einmal auf die Frage zurückkommen, wie zeitgemäß unsere Lehrerausbildung ist. Ich habe das hier schon mehrfach gesagt: In sechs Semester für das Grundschullehramt können Sie nicht all das packen, was heute bei so einem Studium an Wissen notwendig ist. Wir brauchen eine Erhöhung der Studiendauer. Optimalerweise sollte es für alle Lehrämter zehn Semester betragen. Das würde am Ende auch bedeuten, dass alle Lehrämter gleich bezahlt werden. Das hat Frau Kollegin Faulhaber schon gesagt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nach dem Wortbeitrag der Frau Kollegin Faulhaber hatte ich die Möglichkeit, noch einmal zu recherchieren. Ich glaube, Herr Irmer war es. Ich weiß nicht, wer gerufen hat, wer das denn eigentlich mache. Das macht die CDU in Schleswig-Holstein. Offenbar wird sie künftig an der Regierung beteiligt sein. Die CDU in Schleswig-Holstein hat in ihrem Wahlprogramm geschrieben:

Deshalb werden wir: … die Einstiegsbesoldung der Grundschullehrerinnen und -lehrer durch die Ge

währung von Zulagen erhöhen und so schrittweise auf A 13 anheben.

Dazu sage ich: richtig so. Da gibt es endlich Gerechtigkeit für Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Gabriele Faulhaber (DIE LINKE))

Wir brauchen ein vernünftiges Fortbildungswesen. Denn wir müssen natürlich auch die Lehrkräfte mitnehmen, die wir aktuell haben. Das ist die Mehrheit. Das werden wir beim nächsten Tagesordnungspunkt noch ausführlich behandeln. Wir müssen zur weiteren Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer die Schulsozialarbeit endlich ausbauen. Auch das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der dazu beitragen würde, die Akzeptanz zu erhöhen, die Zukunftsaufgaben unserer Schulen wirklich anzugehen.

Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch auf die Frage des Ressourcenvorbehalts eingehen. Ich bin der Meinung, dass der Ressourcenvorbehalt nach wie vor im Schulgesetz steht. Denn nach wie vor bleibt es am Ende den Schulämtern überlassen, zu sagen, ob die inklusive Beschulung genehmigt wird oder nicht.

Ich muss sagen, ich bin da in der Tat beim Kollegen Wagner. Den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen: „Jetzt machen wir gar nichts mehr“, kann auch nicht die Antwort sein. Da müssen die notwendigen Bedingungen geschaffen werden. Ich glaube, wenn man sich einig wäre und wenn man hinsichtlich der Inklusion wirklich auch so handeln würde, wie man es immer in die Gesetze schreibt, würden wir das auch erreichen.

Bis dahin müssen wir die Lehrkräfte an den Schulen und die Eltern mit den aktuellen Belastungs- und Überlastungssituationen ernst nehmen. Ich erwarte, dass auch das Kultusministerium Überlastungsanzeigen ernst nimmt und mit den Mitarbeitern der Schulen spricht, dass es wirklich nach Abhilfe sucht und nicht nur immer mit der 105-%-Blase argumentiert wird. Sie ziehen sich dann auf die besagten statistischen Werte zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Degen, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Wir sollten den Lehrkräften auf Augenhöhe begegnen. Dann würden wir auch mehr Akzeptanz für die Inklusion, für die Ganztagsschulen und viele andere zukunftsorientierte Projekte gewinnen. – Danke sehr.

(Beifall bei der SPD)

Herr Degen, danke. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatssekretär Lösel.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Lehrkräfte üben einen anspruchsvollen

Beruf aus. Das setzt ein hohes Maß an Kompetenz und Professionalität voraus. Wie Vertreterinnen und Vertreter anderer ähnlich verantwortungsvoller Berufe sind auch unsere Lehrkräfte hohen Beanspruchungen ausgesetzt.

Ich freue mich deshalb, dass diese Debatte eine hohe Wertschätzung für die Arbeit an unseren Schulen zum Ausdruck bringt. Die Lehrkräfte leisten Großartiges. Ihr Einsatz sollte nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch von der Politik in einem großen Konsens immer wieder gelobt werden. Das geschieht hier heute. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es bietet sich allerdings an, sich zu vergegenwärtigen, dass der Beruf des Lehrers schon immer mit besonderen Herausforderungen und Anforderungen verbunden ist. Die Arbeit mit heterogenen Lerngruppen ist von jeher der Normalfall an den Schulen. Dennoch ist es unbestritten, dass das Maß an Heterogenität größer geworden ist.

Vonseiten der Opposition wird das Bild eines stetigen Abwärtstrends gezeichnet. Sie erwecken den Eindruck, als habe sich die Ressourcenausstattung der Schulen in den letzten Jahren verschlechtert. Das Gegenteil ist der Fall. Hessen stellt seinen Schulen kontinuierlich die für ihre Arbeit notwendigen Ressourcen zur Verfügung.

Selbstverständlich verlangt die Beschulung der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, dass Ressourcen in höherem Maß bereitgestellt werden. Genau das haben wir getan. In den letzten beiden Jahren wurden fast 2.000 zusätzliche Lehrerstellen nur für diese Aufgabe geschaffen. Diese Stellen werden den Schulen bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt, und zwar mit passgenauer monatlicher Nachsteuerung. Das gab es in Hessen noch nie. Dafür sind uns unsere Schulen sehr dankbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Erinnern Sie sich an die Neunzigerjahre. Hessen hat seinerzeit infolge der Balkankrise schon einmal eine hohe Zahl Flüchtlinge aufgenommen. Auch damals kamen Tausende Kinder und Tausende Jugendliche ohne Deutschkenntnisse in unsere Schulen. Eine Ressourcenanpassung, wie sie unsere Schulen in den letzten beiden Jahren monatlich erhalten haben, gab es damals in keiner Weise. In keiner Weise gab es ebenfalls eine abgestimmte Sprachförderung. Unser heutiges Sprachförderkonzept hat ein vordringliches Ziel: das Erlernen der Bildungssprache. Nur wer die deutsche Sprache beherrscht, hat eine realistische Chance auf Bildung und Integration.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Herr Degen, Sie haben die Neunzigerjahre angesprochen. Weder Mathias Wagner noch Armin Schwarz haben das getan. Man sollte in der Tat zumindest einen kleinen Blick auf die unsägliche Praxis der Lehrerzuweisung bis zum Jahr 1999 werfen. Aus 82 %, 83 % und 84 % unter Hans Eichel wurden unter Roland Koch und vor allem unter Volker Bouffier 105 %. Danke für die Steilvorlage.

(Beifall bei der CDU – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist der Unterschied!)

Auch an diese Entwicklung – weg vom Schlusslicht und hin zum Spitzenreiter – bei der Ressourcenausstattung erinnern sich unsere Lehrerinnen und Lehrer sehr gut.

Etliche weitere Maßnahmen über die 105 % hinaus erhöhen den Gestaltungsspielraum unserer Schulen und entlasten die Kollegien. Das geschieht trotz der zwischenzeitlich eingeführten Schuldenbremse.

Die Klassengrößen wurden reduziert. Die Durchschnittsgrößen der Klassen liegen im Gymnasium mittlerweile unter 26 Schülerinnen und Schülern. In der Realschule liegen sie unter 23 Schülerinnen und Schülern. In der Grundschule liegen sie unter 20 und in der Hauptschule bei 14 Schülerinnen und Schülern.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau!)

Diese Entlastung spüren unsere Lehrerinnen und Lehrer.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Alles gut, gell? Bei euch auch, ja?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dafür sind sie dankbar.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir verteilen mittlerweile 480 Stellen zusätzlich über den Sozialindex.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Es läuft ja alles rund!)

Wir haben die Vertretungsreserve auf über 300 Stellen aufgestockt. Dann gibt es den Bereich Ganztag.

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Mathias Wagner und Armin Schwarz sind auf die zusätzlichen Ressourcen, die wir den Schulen in dieser Legislaturperiode bereitgestellt haben, eingegangen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau, das läuft alles gut! – Gegenruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Nun zu dem im Antrag aufgeführten Punkt: zusätzliche Lehrkräfte für Grund- und Förderschulen. Herr Greilich, diese Thematik betrifft alle Länder der Bundesrepublik. Wir diskutieren das sehr intensiv in den verschiedenen Gremien der Kultusministerkonferenz. In Hessen haben wir drei Maßnahmen eingeleitet: zum Ersten die Reaktivierung von Pensionären bzw. das Verschieben des Ruhestands von Lehrkräften; zum Zweiten die Programme zur Weiterqualifikation, zum einen für das Lehramt an Grundschulen, zum anderen für das Lehramt an Förderschulen; zum Dritten die Ausweitung von Ausbildungskapazitäten an unseren Hochschulen. All das wurde in diesem Hohen Hause vom Kultusminister bereits ausführlich dargelegt. Ich verzichte deswegen mit Blick auf die Zeit auf Details.

Stattdessen möchte ich auf die beiden Themen eingehen, die sich ebenfalls durch den Antrag ziehen: die Inklusion und die Integration von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern.

Zum Thema Inklusion. Nach dem hitzigen Wortgefecht zwischen Herrn Greilich und Herrn Wagner zunächst einmal zu den Fakten. Die Förderschulbesuchsquote ist von 4,28 % im Vorjahr auf 4,11 % in diesem Schuljahr gesunken. Diesem behutsamen Rückgang steht eine deutliche Steigerung der Anzahl der Schülerinnen und Schüler gegenüber, die an allgemeinen Schulen inklusiv beschult werden, von 7.903 im Vorjahr auf 8.285 in diesem Jahr. Bei allen Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Behinder

tenrechtskonvention ist aber eines sicher: Unsere Förderschulen bleiben erhalten. Das Wahlrecht der Eltern muss doch in beide Richtungen gelten. Genauso wie Eltern das Recht haben sollen, ihr Kind mit einer Beeinträchtigung oder Behinderung inklusiv beschulen zu lassen, genauso muss Eltern, die für ihr Kind eine Förderschule wünschen, die Möglichkeit gewährt werden, ihr Kind auch weiterhin an einer unserer hervorragenden hessischen Förderschulen beschulen zu lassen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt in Hessen keine Brechstange, es gibt keine Zwangsinklusion, und es gibt auch keine Zwangsabschaffung von Förderschulen, sondern eine dem Kindeswohl entsprechende Lösung.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Aha!)

Eltern dürfen entscheiden, was das Beste für ihr Kind ist. Dabei werden sie von unseren Fachleuten in den Schulen und in den Beratungs- und Förderzentren von Beginn der Schulanmeldung an beraten. Wahlfreiheit heißt: Wir erhalten die Förderschulen mit ihrer hohen Expertise, und gleichzeitig schaffen wir Möglichkeiten zur Stärkung der Inklusion. Dabei überfordern wir weder die Schulen noch die Schulträger. Genau deswegen haben wir doch im Schulgesetz die inklusiven Schulbündnisse verankert. In den inklusiven Schulbündnissen werden alle Entscheidungsträger vor Ort an einen Tisch geholt: die Schulträger, die Schulen, die Eltern und die regionalen Förderzentren. Dieser gemeinsame Tisch ist der Ort, an dem alle gemeinsam nach den bestmöglichen Fördermöglichkeiten für das Kind suchen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Tisch ist auch der Ort, an dem die Ressourcen dem Bedarf nach verteilt werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)