Protocol of the Session on June 1, 2017

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es in einem enormen Kraftakt geschafft, die Menschen gut unterzubringen und hier menschenwürdig zu versorgen.

Hier gilt mein Dank auch ausdrücklich den vielen Ehrenamtlichen. Vielleicht an dieser Stelle: Wir waren in dieser Woche mit den Mitgliedern des Petitionsausschusses bei der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung. Es ist wirklich bemerkenswert, wie professionell dort die Abläufe sind. Das ist vorbildlich. Dafür will ich meinen herzlichen Dank aussprechen. Die Menschen werden bei uns gut versorgt und untergebracht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nichtsdestotrotz ist es natürlich so, dass die Herausforderungen für uns groß bleiben. Das ist doch völlig klar. Denn die Asylverfahren fordern natürlich die Verwaltung.

Diejenigen, die hierherkommen, müssen sich natürlich am Schluss an unsere deutsche Rechts- und Werteordnung anpassen und integrieren. Wir unternehmen enorme Anstrengungen und machen unglaublich viel, damit das auch gelingt. Wir vermitteln die Sprache. Wir qualifizieren sie beruflich. Wir vermitteln ihnen Wohnraum. Wir versorgen sie mit Arbeit. Sie werden in den Schulen unterrichtet. Insofern glaube ich: Wir brauchen hinsichtlich der Solidarität mit Flüchtlingen keine Nachhilfe der Mitglieder der Fraktion DIE LINKE.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ehrlich gesagt, ich finde, dass Deutschland für gelebte internationale Verantwortung steht. Ich würde mir eher wünschen, dass es auch andere Staaten gibt, die sich mit dem gleichen Engagement um die menschenwürdige Unterbringung der Geflüchteten kümmern. Hier aber werden mit einem solchen Antrag immer weitere Forderungen aufgestellt.

Hessen hat im Übrigen als einziges Bundesland einen „Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts“ beschlossen. Das

ist ein ganz wichtiges Fundament, damit die Gesellschaft nicht gespaltet wird. Das stärkt uns den Rücken für das, was wir hier geleistet haben.

Es bleibt natürlich unser Ziel, unser Land nicht zu überfordern. Fordern lässt sich immer leicht. Das machen die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE gern. Sie tun auch überfordern.

Ich muss jetzt einmal Frau Wagenknecht zitieren, Ihre Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Denn sie hat das offensichtlich erkannt. Ich zitiere:

Dass es Grenzen der Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung gibt, ist eine Tatsache, und dass Kapazitäten nicht unbegrenzt sind, auch. Das festzustellen, ist weder links noch rechts, sondern eine Banalität.

Sie können mir glauben, ich habe mit ihr nichts gemein. Aber sie ist auf jeden Fall schon einmal weiter als ihre hessischen Parteikollegen. Das finde ich schon bemerkenswert. Das ist immerhin die Spitzenkandidatin.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Es ist Ihre Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl. Ich finde, man kann das zumindest einmal hinterfragen, da Sie hier solche Anträge stellen. Wenn Sie hier solche Anträge stellen, finde ich, kann man zumindest einmal hinterfragen, was die Spitzenkandidatin dazu sagen würde.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir gemeinsam europäisch handeln, anstatt das zu tun, was Sie vorschlagen, nämlich Alleingänge zu machen. Wir haben in den letzten Monaten, also seit dem Jahr 2015, hinsichtlich der Flüchtlingskrise gesehen, wie schwierig es ist, in Europa gemeinsam zu Entscheidungen zu kommen. Mit weiteren Aktivitäten Alleingänge zu forcieren, halte ich für den falschen Weg.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Frau Wallmann, wie stehen Sie denn zu den Initiativen der Kommunen?)

Ich halte es für ganz wichtig, dass wir die nationalen Maßnahmen weiterführen, dass wir aber am Schluss europäische Maßnahmen finden, um den Flüchtlingszustrom zu stoppen und zu verringern.

Das erwähnen Sie natürlich nicht. Die Wahrheit ist doch auch, dass Menschen nicht immer mit einem Asylgrund nach Deutschland kommen. Das heißt, dass sie Verfolgung und Krieg ausgesetzt waren. Die Wahrheit ist doch – deswegen wird das Schlepperwesen so professionell betrieben –, dass die Menschen kommen, weil es viele Verheißungen und viele Versprechungen von einem Leben gibt, das sie manchmal dann so hier nicht vorfinden. Oftmals sind sie dann auch enttäuscht.

Sie kommen natürlich auch, weil wir ein wirtschaftlich starkes Land sind. Wir leben in Freiheit und in Sicherheit. Das ist natürlich auch die Wahrheit.

Ich sage klar und deutlich: Ja, es gibt in Italien und Griechenland sehr schwierige Situationen. Die Menschen dort sind nicht zu beneiden. Aber die Bundesregierung arbeitet daran, deren Situation zu verbessern. Es ist nicht so, dass man da nichts tut.

Ich sage auch klar und deutlich: Ja, unser Land hat viel geleistet. Es kann auch weiterhin noch einiges tun. Aber das machen wir auch.

Ich finde es immer ganz schwierig, bei so ethischen Fragen in Gut und Böse zu unterteilen, wie Sie das machen. Gut sind die einen. Böse sind die, die in dem Zusammenhang auch einmal über das Thema Rückführung sprechen. Ich finde, das geht so nicht. Hilfsbereitschaft und das kluge Bedenken der eigenen Möglichkeiten gehören am Schluss zusammen.

Wie groß die Herausforderungen sind, das sehen wir doch. Das betrifft die Vermittlung der Sprache, die Berufsqualifizierung, die Vermittlung des Wohnraums und einer Arbeit. Auch das gehört zur Ehrlichkeit: Es gibt manchmal natürlich auch Spannungen wegen der unterschiedlichen Wertund Glaubensvorstellungen.

Sie fordern mit Ihrem Antrag die direkte Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Ausland und „mehr Schutzsuchenden unmittelbar aus Drittstaaten“. Ich glaube nicht, dass das die Antwort ist. Man muss nämlich immer auch die Folgen bedenken.

Ich habe eben etwas zu Alleingängen gesagt. Aber es gibt da ein Problem, vor dem man auch nicht die Augen verschließen darf. Es ist so: In der Regel kommen die Menschen, die gut ausgebildet sind und die jung sind. Man sieht das an den Zahlen. Das ist auch gar nicht im Sinne der Länder. Wir nehmen diesen Ländern eine wichtige Grundlage, wenn wir uns bestimmte Menschen nach Deutschland wünschen. Das ist keine gute Möglichkeit, um Menschen aus ihrem Heimatland zu holen.

Ich glaube, es wäre viel wichtiger, dass die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE mit konstruktiven Vorschlägen dazu beitragen, wie wir mit den Herausforderungen umgehen sollen, die wir zweifelsohne haben.

Frau Faulhaber, Sie haben eben verschiedene Bürgerinitiativen genannt. Ich will kurz eine Initiative anführen. Denn ich finde es bemerkenswert, was auf deren Homepage steht. Es geht um die Initiative Bürgerasyl in Hanau. Da geht es darum, dass Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, versteckt werden sollen. Die Initiative fragt dann auf ihrer Homepage, ob ein Bürgerasyl gegen Abschiebung legal sei. Dort wird dann auch die Antwort gegeben. Ich darf das zitieren:

Nein, aber wir halten es für legitim und für notwendig. Wenn Appelle und Demonstrationen nicht ausreichen, ist ziviler Ungehorsam und Mut im Namen der Menschlichkeit geboten.

(Demonstrativer Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen uns im Klaren sein, dass damit zu rechtswidrigem Handeln aufgerufen wird. Wir leben noch immer in einem Rechtsstaat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Das ist übrigens auch der Grund, warum die Menschen hierherkommen. Sie wollen gerne in einem Rechtsstaat leben. Das ist gut so. Das ist ein Grundsatz, hinter dem wir, die Mitglieder der Union, sehr deutlich stehen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was würden Sie denn machen, wenn man Ihre Angehörigen abschieben würde?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, anlässlich der heutigen Debatte will ich noch einmal sagen, dass mir das sehr wichtig ist. Denn eben wurde von Frau Faulhaber mit einem Zitat der Eindruck erweckt, bei uns hätte Abschiebung oberste Priorität. Das ist eine Aussage, die einfach nicht stimmt. Das wissen Sie auch. Ich weiß nicht, ob Sie die Zahlen kennen. Wir haben sie hier oft debattiert. Das stimmt doch gar nicht. Wir setzen primär auf freiwillige Ausreise. Das belegen die Zahlen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): „Freiwillig“ ist gut! Total „freiwillig“!)

Die Abschiebung soll nur im Ausnahmefall erfolgen. Wir wollen das doch gar nicht. Wir setzen auf die freiwillige Ausreise. Deswegen ist es gut, dass die Menschen das wahrnehmen.

Wenn jeder, unabhängig davon, ob er legal oder illegal nach Deutschland gekommen ist, hierbleiben könnte, würde das am Schluss bedeuten, dass man hierbleiben kann, unabhängig davon, ob man Straftaten begangen hat oder ob man einen Asylgrund hat. Dann könnte einfach jeder hierbleiben. Damit würden wir unsere Gesellschaft ganz klar überfordern. Es gibt immer auch Grenzen. Ich finde, das hat Bundespräsident Gauck im Jahr 2015 sehr schön formuliert.

Ich glaube, am Schluss gehören Abschiebungen auch zum Prinzip der Asylpolitik. Wir müssen unsere Ressourcen für die Menschen verwenden, die unsere Hilfe dringend benötigen.

Ich sage noch einmal für die Mitglieder der CDU-Fraktion sehr deutlich: Wir sind solidarisch. Wir sind weltoffen. Deutschland ist hier mit gutem Beispiel vorangegangen. Es ist der humanitären Verantwortung nachgekommen.

Wir sind vernünftig und tragen Verantwortung. Das unterscheidet uns von den Mitgliedern der Fraktion DIE LINKE.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Nicht nur das!)

Das ist auch gut so. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Wallmann, vielen Dank. – Als Nächster hat sich Herr Kollege Dr. Blechschmidt für die Fraktion der Freien Demokraten zu Wort gemeldet.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die Weltoffenheit der hessischen CDU ist legendär!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Der Zwischenruf zu der Formulierung „über Leichen gehen“ kam von mir. Ich bin froh, wie Frau Wallmann darauf eingegangen ist. Denn es ist für mich unvorstellbar, dass man in diesem Hause überhaupt so etwas verwendet. Ich glaube, dass keiner von uns und auch keiner, der mit Asylrecht in Europa zu tun hat, über Leichen geht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ich halte das, gelinde gesagt, für ungebührlich. Ob das parlamentarisch ist, wage ich anzuzweifeln.