Auch zahlreiche Gemeindevertretungen werden initiativ. In Darmstadt und Marburg wurden Beschlüsse gefasst, die auf die zügige Umsetzung des Relocation-Programms abzielen.
Der Oberbürgermeister der Universitätsstadt Marburg – das ist der ehemalige Landtagsabgeordnete Dr. Thomas Spies – hat sich an die Landesregierung gewandt. Die Landesregierung hat sein Angebot, weitere Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen, abgelehnt. Erstaunlich ist die Begründung aus dem Sozialministerium: Dort fürchtet man um den Bestand des Flüchtlingsdeals mit der Türkei. Dessen Rahmenbedingungen würden ins Wanken geraten, würde Hessen außerplanmäßig Flüchtlinge von dort evakuieren.
(Marjana Schott (DIE LINKE): Ach du liebe Güte! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist eine abenteuerliche Argumentation! – Gegenruf des Ministers Stefan Grüttner: Wieso?)
Ganz genau. – Meine Damen und Herren, die Hessische Landesregierung sollte ihre Asylpolitik keinesfalls am EUFlüchtlingsdeal mit der Türkei ausrichten.
Dieses Abkommen missachtet die Menschenrechte, es bringt Tausende von Menschen in ausweglose Situationen und macht Europa erpressbar. Der Deal sollte schnellstmöglich aufgekündigt werden, statt sich daran festzuhalten.
Meine Damen und Herren, es gibt inzwischen zahlreiche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die freiwillig mehr Geflüchtete aufnehmen würden. Sie dringen mit ihrer Stimme nur seltener durch als jene, die Obergrenzen oder Zuzugsverbote fordern.
In ganz Europa haben sich Netzwerke von Städten gebildet, die für eine solidarische Flüchtlingspolitik stehen. 160.000 Menschen demonstrierten im Februar in Barcelona für die Aufnahme weiterer Asylsuchender, und mehrere Zehntausend zeigten Anfang dieses Monats in Mailand ihre Solidarität mit Geflüchteten.
Auch in Hessen entstehen zahlreiche Initiativen, die sich der Logik der Ausgrenzung und Abschottung verweigern. Es sind Initiativen wie das „Project Shelter“ in Frankfurt, das „Afghan Refugees Movement“, das „Aktionsbündnis gegen Abschiebung Rhein-Main“ oder die „Initiative Bürgerasyl“ in Hanau.
Ich danke diesen Initiativen für ihr solidarisches und mutiges Handeln. Sie zeigen, dass es auch in Hessen Menschen gibt, die sich an Menschenrechten orientieren und die keine Asylpolitik wollen, bei der Abschiebungen oberste Priorität haben.
Vielleicht sollte sich die Landesregierung einmal mit dem Modell auseinandersetzen, das Gesine Schwan von der SPD entwickelt hat. Sie zeigt, wie Kommunen Asylsuchende unmittelbar aufnehmen können, ohne einen starren
zentralistischen Verteilungsmodus befolgen zu müssen. Aufnahmebereite Kommunen sollten aus einem EU-Fonds finanzielle Unterstützung erhalten und könnten so ein Integrationsangebot aufbauen. Die Flüchtlinge könnten selbst entscheiden, in welche Stadt sie gehen.
Ein auf Freiwilligkeit basierendes Modell wäre eine gute Alternative zu dem aktuellen Plan der Landesregierung, Flüchtlinge mit Wohnsitzauflagen in Orte zu zwingen, in denen sie nicht leben wollen.
Meine Damen und Herren, 2016 war das tödlichste Jahr in der Geschichte der EU-Flüchtlingspolitik. Über 5.000 Menschen sind bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, ums Leben gekommen, und das Massensterben geht weiter. Seit Jahresanfang 2017 sind schon wieder 1.400 Menschen im Mittelmeer ertrunken.
Diese Toten sind nicht die Folge einer Naturkatastrophe. Diese Toten, meine Damen und Herren, sind das wohlkalkulierte Ergebnis einer Flüchtlingspolitik, die auf Abschreckung setzt und bereit ist, dafür über Leichen zu gehen.
Ja, so ist es. – Warum sollten wir diesem Verbrechen weiter zuschauen, Herr Dietz? Wir fordern eine grundlegende Umkehr in der Asylpolitik. Flüchtlinge müssen legal und vor allem sicher nach Europa kommen können. Deswegen fordern wir vom Bund – aber auch hier von der Landesregierung –, Resettlement-Programme, die es schon gibt, substanziell zu erweitern.
Meine Damen und Herren, ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass das hessische Aufnahmeprogramm für Familienangehörige hier lebender Syrerinnen und Syrer sang- und klanglos eingestellt wurde. Hessen sollte dem Beispiel anderer Bundesländer wie Berlin folgen und das Programm verlängern. Eigentlich müssten auch noch Länder wie der Irak darin aufgenommen werden.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung macht es sich zu einfach. Sie muss die Menschen, die Solidarität vorleben, besser unterstützen. Das gilt z. B. auch für die Bürgen, die jetzt vor Regressforderungen der Jobcenter stehen und für die die Landesregierung keine Verantwortung übernimmt, obwohl sie Zusicherungen gemacht hat, die nun nicht eingehalten werden. Wir sehen die Landesregierung hier in der Verantwortung. Asylpolitik ist eine Frage einer menschlichen Politik. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Faulhaber. Ich habe vorhin kurz gezuckt, ob ich dazwischengehe. Ich möchte doch appellieren, dass wir in Zukunft solche Formulierungen wie „eine Politik, die über Leichen geht“ vermeiden. Das ist zumindest sehr grenzwertig in der politischen Auseinan
(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Frau Kollegin Wissler, das war ein Hinweis des Präsidenten. Damit sollten wir es bewenden lassen. Ansonsten, wenn es Ihnen nicht passt, können Sie gerne eine Sitzung des Ältestenrats beantragen. Dann können wir es dort besprechen.
Gut. Dann hoffe ich, dass das gewirkt hat. – Frau Kollegin Wallmann, Sie haben das Wort für die Fraktion der CDU.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich dem Präsidenten ganz herzlich für seine Ausführungen zu dem Wortbeitrag von Frau Faulhaber – –
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das geht nicht nach der Geschäftsordnung! – Weitere Zurufe von der LINKEN)
Frau Kollegin Wallmann, auch das ist nicht das Thema. Wenn, dann diskutieren wir über Entscheidungen des Präsidiums im Ältestenrat und an keiner anderen Stelle.
Trotzdem war es richtig, dass man etwas zu den gewählten Worten sagt. Formulierungen wie „über Leichen gehen“ brauchen wir hier in der Debatte nicht.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Die Leichen ignorieren Sie mit Ihrer Politik seit Jahren, Frau Wallmann! – Unruhe)
Auch in dieser Plenarwoche versuchen Sie wieder mit Ihrem Antrag – in der Überschrift sprechen Sie von „für eine solidarische Asylpolitik – –
Ich bitte doch – – Jetzt ist Ruhe eingekehrt. Insofern ist es erreicht. Aber ich bitte, sich jetzt auf die Debatte zu konzentrieren.
„Für eine solidarische Asylpolitik statt Abschiebungen und Ausgrenzung von Geflüchteten“ – das ist die Überschrift des Antrags der Linksfraktion. Dem muss ich klar widersprechen. Es ist doch nicht so, dass die Asylpolitik von Deutschland oder Hessen unsolidarisch wäre, dass Ausgrenzung das Leitbild wäre und dass man Abschiebungen das Wort redete. Dem möchte ich klar und deutlich widersprechen.
Solidarität mit Flüchtlingen und die konsequente Rückführung gehören natürlich zusammen. Ich verstehe, ehrlich gesagt, den Antrag in keiner Weise.
Schließlich muss man bedenken, was Deutschland geleistet hat. Es gibt kein weiteres Land in Europa, das das geleistet hat, was Deutschland getan hat. Wir haben im Jahr 2015 über 1 Million Menschen aufgenommen und in Hessen über 80.000 Menschen.