Protocol of the Session on November 17, 2011

(Die Anwesenden erheben sich von den Plätzen.)

Der Hessische Landtag gedenkt der durch rechtsextreme Gewalttäter Getöteten. Es erfüllt uns mit Scham und Zorn, dass ganz offensichtlich politisch motivierte Gewalt über Jahre unentdeckt in unserem Land geschehen konnte. Es ist unser fester Wille, diese schrecklichen Taten aufzuklären und alles dafür zu tun, damit solche Gewalt in Zukunft verhindert wird. Unsere Gedanken sind in diesen Tagen bei den Familien der Opfer und bei denjenigen in unserer Gesellschaft, die in besonderem Maße von der

rechtsextremen Gewalt bedroht sind. Den Angehörigen gelten unsere Anteilnahme und unser aufrichtiges Beileid.

(Schweigeminute)

Sie haben sich zum Andenken und zur Würdigung der Opfer von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

(Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt den letzten Tagesordnungspunkt vor der Mittagspause behandelt. Wir treten in die Mittagspause ein. Die Sitzung ist bis 14:30 Uhr unterbrochen.

(Unterbrechung von 13:34 bis 14:34 Uhr)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort

(Günter Rudolph (SPD): Das gilt auch für die Regierung!)

das gilt genauso für die Hessische Landesregierung, jawohl – mit dem Setzpunkt von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Tagesordnungspunkt 24:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Hinterlassenschaften von Ministerpräsident Bouffier im Innenressort „beschädigen“ Ansehen der hessischen Polizei – Drucks. 18/4536 –

Hierzu gibt es einen Änderungsantrag, Drucks. 18/4703.

Es ist ein Setzpunkt, somit zehn Minuten Redezeit pro Fraktion. Das Wort hat der Kollege Frömmrich. Bitte schön.

(Staatssekretär Ingmar Jung unterhält sich mit Abg. Holger Bellino (CDU) an dessen Platz.)

Die Gespräche und wichtigen Abhandlungen, auch mit der Landesregierung, finden am besten außerhalb des Saales statt, damit die anwesenden Abgeordneten auch dem Redner folgen können. Herr Kollege Bellino, vielleicht – –

(Günter Rudolph (SPD): Die Regierung stört das Parlament!)

Die Regierung ist Dienstleister für dieses Parlament.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Hoch auf den Präsidenten!)

Deshalb wollen wir sie nicht hindern. – Das Wort hat Herr Frömmrich. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon beim Aufruf hat man gesehen, dass wir noch einen Änderungsantrag nachgereicht haben. Daran erkennt man, dass sich in dieser Causa praktisch täglich etwas ändert. Wir wollten, dass Ihnen ein aktueller Antrag vorliegt.

Wir wollen uns über die Hinterlassenschaften des ehemaligen Innenministers und heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier im Innenressort unterhalten.

Man hat schon ein bisschen Verständnis dafür, dass der jetzige Innenminister sozusagen einen Fluchtversuch in das Amt des Stadtoberhauptes der Stadt Frankfurt unternimmt und dort Oberbürgermeister werden will.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Herr Minister, man muss schon von einem „Fluchtversuch“ sprechen, denn Sie sind noch nicht gewählt. Es ist ein Versuch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Ich habe ein bisschen Verständnis dafür. Fast könnte man mit Ihnen ein bisschen Mitleid haben – wenn nicht das „Schmerzensgeld“ für das, was Sie gerade machen, so hoch wäre. Herr Innenminister, bei diesen Hinterlassenschaften kann ich es mir gut vorstellen, dass Sie sich nach einer gut funktionierenden Koalition und einer wunderschönen Arbeit in der wunderschönen Stadt Frankfurt sehnen. Das kann ich in der Tat nachvollziehen – wenn aus Ihrem Innenressort jeden Tag Meldungen kommen, die im Prinzip allesamt die Hinterlassenschaften des heutigen Ministerpräsidenten betreffen.

Meine Damen und Herren, eigentlich sind das unvorstellbare Dinge, mit denen wir es hier zu tun haben. Das spielt nicht etwa in einem schlechten Film, sondern diese Meldungen stammen mitten aus der hessischen Polizei, aus dem Innenministerium, aus der Führungsebene der hessischen Polizei. Es sind also keine schlechten Filme.

Wir mussten lesen, dass es im Polizeipräsidium Frankfurt ein Jeder-gegen-jeden gibt: Da wird beobachtet, bespitzelt und denunziert. Wir haben es mit Schmerzensgeld- und Schadenersatzforderungen von Polizeibeamten gegen das Land Hessen zu tun, mit Verstößen gegen die Unschuldsvermutung und mit der Verfolgung Unschuldiger. Es gibt Mobbingvorwürfe. Es sollen Wohnungen von Polizeibeamten durchsucht werden, ohne dass es dafür einen Grund gibt. Gott sei Dank funktioniert da bei uns der Rechtsstaat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei all diesen Überschriften muss man sich in der Tat fragen: Was für ein Ministerium, was für eine Führungskultur hat dieser Ministerpräsident seinem Nachfolger hinterlassen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das Letzte, das wir zu lesen bekamen, war die Herausgabe von geheimen – auch gestern hatten wir es mit Geheimem zu tun; wir sind auf „geheim“ vergattert worden – Abhörprotokollen über Telefonüberwachungskommunikation, die nach außen gespielt wurden. Es geht um Geheimnisverrat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind Straftaten – Straftaten, die mitten in der hessischen Polizei stattfinden, im Ministerium, im Landespolizeipräsidium. Das alles sind Hinterlassenschaften dieses leider nicht anwesenden Ministerpräsidenten, die er seinem Nachfolger Boris Rhein in seinem Haus vermacht hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, man muss sich auch bei den Personalentscheidungen wundern. Boris Rhein entbindet die Präsidentin des Hessischen Landeskriminalamtes von ihren Aufgaben.

(Minister Boris Rhein: Wegen Führungsversagens!)

„Führungsversagen“ sagt der heutige Innenminister. Ich kann Ihnen einmal sagen, was Volker Bouffier kurz vorher zur Einführung der LKA-Präsidentin gesagt hat. Bei der Einführung sagte er:

Sabine Thurau – eine innovative, qualifizierte, engagierte Polizistin und Juristin.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was stimmt denn nun? Ist das nun eine qualifizierte Polizistin? Oder ist das eine Führungspersönlichkeit, die „keine Führungskultur“ hat, wie es der Innenminister gesagt hat, der also Führungsversagen nachzuweisen ist? Herr Innenminister, Sie müssten sich schon einmal einigen, welches Personal Sie für die oberste Führungshierarchie der hessischen Polizei ausgewählt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wir haben es damit zu tun, dass der ehemalige Landespolizeipräsident Nedela von diesem Innenminister in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist – ausgesucht vom Hessischen Ministerpräsidenten, ausgesucht, gelobt und eng verbunden mit dem heutigen Hessischen Ministerpräsidenten, aber von seinem Nachfolger rausgeschmissen und in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wo ist er denn?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das spricht nicht gerade für die Qualität der Personalauswahl, die diese Landesregierung und dieser Ministerpräsident an den Tag gelegt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wie suchen Sie eigentlich das Führungspersonal der hessischen Polizei aus?

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Geht es da streng nach dem Beamtengesetz? Wird da nach Eignung und Befähigung ausgesucht? Oder wird danach ausgesucht, wer dem Ministerpräsidenten und ehemaligen Innenminister am nächsten sitzt?

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wo ist er denn?)

Oder wird danach ausgesucht, wer der hessischen CDU angehört, um darüber in Führungspositionen zu kommen? Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Fragen müssen Sie hier doch einmal beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Ja- nine Wissler (DIE LINKE))

Auch die Auswahl des Präsidenten der hessischen Bereitschaftspolizei wird derzeit von einem veritablen Untersuchungsausschuss beleuchtet: ob gegen Urteile des höchs ten hessischen Verwaltungsgerichts verstoßen worden ist. Gestern wurde Ihnen zum zweiten Mal vom hessischen Staatsgerichtshof bescheinigt, dass Sie gegen die Verfassung verstoßen, indem Sie die Minderheitenrechte der Opposition in diesem Haus eklatant verletzen.