Vielen Dank, Herr Kollege Schork. – Das Wort hat Herr Kollege Klose für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten zum einen das Hessische Vergabegesetz der LINKEN und das Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz der SPD. Am Anfang müssen wir uns die Frage stellen, was die Aufgabe ist, die das Vergaberecht leisten muss. Da gibt es aus unserer Sicht drei Hauptaufgaben.
Erstens muss das Vergaberecht fairen Wettbewerb gewährleisten. Lohndumping untergräbt fairen Wettbewerb. Deshalb müssen Verstöße Strafen nach sich ziehen. Da sind wir mit beiden Entwürfen durchaus d’accord. Fairer Wettbewerb braucht aber auch maximale Transparenz öffentlicher Auftragsvergaben. Deshalb ist auch das notwendiger Bestandteil des Vergaberechts.
Die zweite Aufgabe des Vergaberechts ist es, die schnelle und effiziente Auftragsvergabe nicht zu behindern. Das war insbesondere bei den Konjunkturprogrammen besonders bedeutsam. Wir haben darüber mehrfach gesprochen.
Drittens hat das Vergaberecht die Aufgabe, Korruptionsschutz sicherzustellen. Auch dafür braucht es sehr klare formale Regeln.
Wir wären durchaus damit einverstanden, einige ausgewählte weitere Kriterien hinzuzufügen, beispielsweise die Ausbildungsleistung von Betrieben oder die Tariftreue. Aber die übrigen im Gesetzentwurf der LINKEN getroffenen Bestimmungen überfrachten unseres Erachtens ein Hessisches Vergabegesetz, und deswegen werden wir uns dazu enthalten.
Enthalten werden wir uns auch beim Gesetzentwurf der SPD, allerdings aus anderen Gründen. Den Vergaberechtsteil finden wir hier weitaus gelungener und durchaus nahe bei unseren eigenen Vorstellungen. Das ist der Teil, in dem Sie sich mit der Rolle des Staates als Auftraggeber beschäftigen. Anders beurteilen wir allerdings den Teil Ihres Gesetzentwurfs, der sich mit der Rolle des Staates beschäftigt, der Rahmenbedingungen setzt und Unternehmen fördert, also den Teil, der sich mit der Mittelstandsförderung beschäftigt und das Gesetz von 1974 ersetzen soll.
Nun ist dieses Gesetz von 1974 selbstverständlich eines, das inzwischen ein wenig anachronistisch anmutet, weil es auch einige Selbstverständlichkeiten enthält. Darin steht, dass die Aus- und Fortbildung unterstützt werden sollen, Selbsthilfeeinrichtungen, Innovationen und, man höre und staune, beispielsweise die Einführung der elektronischen Datenverarbeitung. Das alles sind Standards der Wirtschaftspolitik, die längst übliche Praxis und in einer Vielzahl anderer Gesetze geregelt sind.
Was wir in Ihrer Novellierung nicht erkennen können, ist, dass es neben der Vielzahl von Stellen, Beiräten und Be
auftragten im Bereich der Wirtschaftsförderung nun auch noch, wie Sie es vorschlagen, Frau Waschke, eines Mittelstandsbeirates und eines Mittelstandsbeauftragten bedarf. Die Verbände und Kammern nehmen diese Interessenvertretung jetzt schon wahr.
Deshalb beantworten wir die Frage, ob es eines solchen neuen Gesetzes bedarf, mit Nein. Der Mittelstand braucht weniger Bürokratie, und die Wiederbelebung dieses Gesetzes bringt unseres Erachtens keinen effektiven zusätzlichen Nutzen.
Ich will die Gelegenheit nutzen, um auf das Thema öffentliche Auftragsvergabe ganz konkret hier in Hessen zurückzukommen. Wir haben darüber in den letzten Monaten sehr intensiv diskutiert. Leider hält die Landesregierung immer noch an dem Teil ihres Runderlasses aus dem Herbst fest, der fairen, transparenten Wettbewerb untergräbt. Sie hält daran fest, dass die nachträgliche Veröffentlichung von Auftragsvergaben bei den aktuell geltenden Wertgrenzen, bis zu 100.000 € für freihändige Vergaben, zur Anwendung freigestellt wird. Das heißt, es muss nach einer Vergabe in Hessen seither nicht mehr veröffentlicht werden, wer den jeweiligen Auftrag bekommen hat.
Sie haben Hessen zum einzigen Bundesland gemacht, das die sogenannte Ex-post-Transparenz für freiwillig erklärt und Wettbewerbern, aber auch der Öffentlichkeit so die Möglichkeit entzieht, die öffentlichen Auftragsvergaben zu kontrollieren. Herr Minister, ich weiß, wir haben hier einen Dissens. Genau an der Stelle ist das Verhalten der Landesregierung aber wirklich ein Ärgernis. Sie wissen sehr genau, dass es genau diese nachträgliche Transparenz war, die es uns GRÜNEN überhaupt ermöglicht hat, die erheblichen Vergaberechtsverstöße bei der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung aufzudecken.
Wenn Sie ausgerechnet wenige Wochen nach dem Aufdecken solcher Vorgänge durch Ihren Erlass dafür sorgen, dass uns Abgeordneten, aber z. B. auch Journalistinnen und Journalisten, genau diese Kontrollmöglichkeit entzogen wird, dann glaubt doch kein vernunftbegabter Mensch mehr an einen Zufall. Meine Damen und Herren, ich sagte es eingangs schon: Transparenz ist ein unverzichtbarer Bestandteil fairen Wettbewerbs. Öffentliche Aufträge brauchen auch öffentliche Kontrolle. Alle Aufklärungsmaßnahmen, die insbesondere der Finanzminister für sich in Anspruch nimmt, bleiben unglaubwürdig, solange dieser Aspekt des Runderlasses
in Kraft ist. Wir werden nicht müde werden, das immer wieder anzuprangern, auch nach 19 Uhr, bis Sie diese Fehlentscheidung endlich korrigieren.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nur wenige Bemerkungen machen, weil eine Vielzahl der hier Anwesenden zu einer Veranstaltung des Handwerks eingeladen ist. Unter anderem das Handwerk ist von genau diesen Regelungen betroffen. Die Betroffenen haben deutlich gemacht, dass die Gesetzentwürfe, die hier zur Debatte stehen, für sie als Lösungsvorschlag nicht in Betracht kommen.
Ich möchte eine grundsätzliche Bemerkung machen. Warum gibt es eigentlich ein öffentliches Beschaffungswesen? Es gibt ein öffentliches Beschaffungswesen, damit die Bedarfsdeckung der öffentlichen Verwaltung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfolgt. Es soll bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wirtschaftlich und sparsam gehandelt werden.
In dem Moment, in dem Sie einen vergabefremden Aspekt in das Vergabegesetz hineinnehmen, tun Sie genau das Gegenteil; denn jeder vergabefremde Aspekt führt zu einer Verteuerung der Dienstleistung, beispielsweise einer Bauleistung. Das ist der Grund für die unterschiedliche Sichtweise, die wir haben.
Das hat nichts damit zu tun, dass man die Probleme, die Sie ansprechen, gesetzlich möglicherweise anders regeln kann. Das Vehikel des Vergaberechts ist aber schlicht und ergreifend nicht das richtige Instrument.
Deswegen ist es auch dazu gekommen, dass eine Vielzahl von Regelungen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ad absurdum geführt worden sind. Meine Damen und Herren, Sie wissen das doch. Wir haben das sogenannte Rüffert-Urteil zum Thema Stundenentgelt, das zeigt, dass diese Maßnahmen in einem Vergabegesetz nichts verloren haben. Ich sage es noch einmal: Wir haben hier gar keine Gesetzgebungszuständigkeit. Ich wehre mich dagegen, in einem Gesetz etwas zu manifestieren und zu regeln, was letztlich keine Rechtswirkung erzeugt. Es ist in Wahrheit nicht redlich, wenn ich den Eindruck erwecke, hier etwas zu gewährleisten, was durch das Vergaberecht nicht gewährleistet werden kann.
Ich will die Diskussion jetzt nicht wiederholen. Wir hatten heute Morgen eine sehr interessante Diskussion, die ich mit großem Interesse verfolgt habe. Frau Staatssekretärin Müller-Klepper hat in überzeugender Weise dargestellt, dass nicht nur aus formalen Gründen – wie ich jetzt argumentiere – ein gesetzlicher Mindestlohn für diejenigen kontraproduktiv ist, für die er eingeführt werden soll, sondern dass er auch am Schluss nichts bringt, weil wir bei uns in Deutschland eine andere Systematik haben. Ich fand das einen sehr bemerkenswerten Beitrag, der diese Probleme sehr deutlich gekennzeichnet hat.
Ich wehre mich auch dagegen – ich weiß, dass wir insofern einen Dissens haben –, gewissermaßen nachrichtlich etwas in ein Gesetz hineinzuschreiben, was keinerlei Rechtswirkungen erzeugt.
Deswegen nur so viel zu der Frage des Mittelstandsgesetzes – die SPD hat das ja miteinander kombiniert –: Das, was Sie einerseits fördern, wird durch die Maßgaben, die Sie in Ihrem Mittelstandsgesetzentwurf formulieren, geradezu konterkariert. Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Die ILO-Kernarbeitsnormen sollen verpflichtend eingeführt werden. Wissen Sie, meine Damen und Herren, was das heißen würde? Die ILO-Kernarbeitsnormen sind in der Europäischen Union umgesetzt, nicht nur in Hessen. Wie soll ein Unternehmen des Mittelstandes eine rechtssichere Erklärung abgeben, wenn dieses Unternehmen seine Lieferantenkette nicht bis zum Beginn kennt und auch nicht kennen kann? Der Betrieb soll für Vorlieferanten aus anderen Erdteilen seine Hand dafür ins Feuer legen, dass sich diese entsprechend den ILO-Kernarbeitsnormen verhalten. Das ist eine Zumutung für ein kleines und mittleres Unternehmen.
Das, was Sie den kleinen und mittleren Unternehmen versprechen, verbirgt in Wahrheit etwas ganz anderes, nämlich eine Erschwernis für kleine und mittlere Unternehmen, an öffentliche Aufträge zu kommen.
Ich will ein weiteres Beispiel anführen, Frau Kollegin Waschke: die Präqualifikation. Bei der Präqualifikation stützen Sie sich in Ihrem Gesetzentwurf allein auf das aufwendige Präqualifizierungsverzeichnis des Vereins für die Qualifizierung von Bauunternehmen. Es gibt aber eine Vielzahl anderer Unternehmungen und Organisationen, die die Präqualifikation überprüfen. Warum werden die ausgeschlossen? Das macht doch keinen Sinn.
Deswegen sage ich noch einmal: Das, was Sie versuchen – nehmen Sie es mir ab –, ist ein Widerspruch in sich. Sie können nicht auf der einen Seite etwas fordern, was Sie auf der anderen Seite – im gleichen Gesetz – dem Mittelstand an Erschwernissen zumuten. Das ist der Kernpunkt.
Lassen Sie mich noch eines sagen. Ich weiß natürlich, dass das Mittelstandsgesetz schon alt ist. Wir denken darüber nach, wie man das Mittelstandsgesetz reformieren kann. Diese Forderung ist berechtigt.
Herr Minister, gestatten Sie mir den freundlichen Hinweis, dass die für die Fraktionen vereinbarte Redezeit bereits abgelaufen ist.
Diesen freundlichen Hinweis erlaube ich Ihnen natürlich sehr gerne. – Ich will nur darauf hinweisen, dass es generell darum geht, Normen im Steuerrecht und im Arbeitsrecht zu schaffen, die es dem Mittelstand ermöglichen, effektiv zu arbeiten, Arbeitsplätze zu schaffen, Gewinne zu erwirtschaften und damit zu einem guten Steueraufkommen beizutragen. Das ist der entscheidende Punkt bei der Mittelstandsförderung.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will es bei diesen Punkten bewenden lassen. Wir haben die freundliche Mitteilung bekommen, dass wir eine dritte Lesung machen. Der dritte Teil meiner Ausführungen kommt in der dritten Lesung.
Für beide Gesetzentwürfe ist die dritte Lesung beantragt. Deshalb überweisen wir beide Gesetzentwürfe zur Vorbreitung der dritten Lesung an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Großkundenrabatt für hessische Landesbedienstete – Drucks. 18/4133 –