Was Sie uns vorlegen, ist ein reiner Schaufensterantrag. In Punkt 5 Ihres Antrags sehen Sie die Notwendigkeit, die Förderprogramme und -instrumente stärker auf die Bedürfnisse der Unternehmen auszurichten. Die Kultur- und Kreativwirtschaft soll auch künftig unterstützt und nach Möglichkeit ausgebaut werden.
Da drängen sich mir einige Fragen auf: Was soll ausgebaut werden? Wo sehen Sie den Verbesserungsbedarf? Wo klemmt es zurzeit, weshalb Sie einen weiteren Ausbau vorsehen? Sie sehen, das, was Sie heute in Ihrem Ent
schließungsantrag abfeiern wollen, ist und bleibt heiße Luft; denn Sie fordern nichts Konkretes, und Sie handeln auch nicht entsprechend.
Mit der heutigen Verabschiedung des Haushaltes für das Jahr 2011 haben Sie wichtige Anträge aus der Opposition, die in diese Richtung gehen, abgelehnt, die wichtige Förderprogramme ausbauen und neu entwickeln wollen. Dafür möchte ich Ihnen Beispiele nennen.
Die Filmförderung, Hessen-Invest. Die Veränderungen bei der Vergabe von Hessen-Invest-Film I zu dem aktuell noch laufenden Hessen-Invest-Film II haben sich aus unserer Sicht nicht bewährt. Sowohl im Hinblick auf die geförderten Projekte wie auch im Hinblick auf die Rückflussquoten hat sich gezeigt, dass viele der hessischen Unternehmen kaum in der Lage sind, an den Mitteln zu partizipieren.
Hier müssen – das ist unsere Forderung – die Förderkriterien dringend in Zusammenarbeit mit der hessischen Filmwirtschaft überarbeitet werden. Seit Jahren fordern wir als SPD-Fraktion eine Aufstockung des Fonds auf 12 Millionen €. Seit Jahren fordern wir die Neuorganisation der Filmförderung. Eine solche professionelle und unabhängige Organisationsform existiert in anderen Bundesländern schon lange.
Als zweites Beispiel möchte ich Ihnen das von uns geforderte Sonderprogramm zur Digitalisierung von Kinos nennen. Eine Umstellung auf eine digitale Speichertechnik der Kinos ist gerade von kleinen Kinos alleine nicht zu finanzieren. Das wissen wir alle.
Diese Digitalisierung ist aber erforderlich, da die Filmwirtschaft immer stärker auf die digitale Speichertechnik des Filmmaterials setzt. Wenn wir also die kulturelle Vielfalt in Hessen in der Kinolandschaft, in der Filmlandschaft erhalten wollen, gerade auch in ländlichen Regionen, dann brauchen wir eine entsprechende Landesförderung, dann brauchen wir ein Sonderprogramm, damit wir an der Bundesförderung entsprechend partizipieren können und die Kinos diese Umstellung, die Digitalisierung vollziehen können.
Tun wir das nicht, dann sind die kleineren Kinos in Hessen in ihrer Existenz bedroht. Deswegen halte ich es für sehr bedauerlich, dass Sie unserem entsprechenden Haushaltsänderungsantrag nicht zugestimmt haben.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, wenn Sie es also ernst meinen mit Ihren wohlfeilen Worten zur Kultur- und Kreativwirtschaft, dann fördern Sie das Cluster der Kreativwirtschaft durch die Einrichtung eines Clustermanagers nach dem Vorbild des Landes NRW. Dann bauen Sie die Ausbildungsschwerpunkte an den hessischen Hochschulen, die mit der Kreativwirtschaft zusammenarbeiten, entsprechend aus. Dann schaffen Sie Förderinstrumente bei der WI-Bank, mit denen insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeit gegeben wird, ihre Produkte marktfähig zu machen, beispielsweise die Förderung von Prototypen im Games-Bereich. Dann steigen Sie endlich in ein Förderprogramm zur Digitalisierung der kleinen Kinos in Hessen ein. Dann strukturieren Sie die Filmförderung neu.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, was in Ihrem Antrag völlig verloren geht, ist, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft anders funktioniert als andere Wirtschaftsbranchen. Ausgangspunkt für die Wertschöpfung ist und bleibt der schöpferische Akt der künstlerisch und kreativ Tätigen. Dafür braucht es eine entsprechende Förderung. Dafür braucht es aber – da kann ich meinem Kollegen von den GRÜNEN nur zustimmen – mehr Freiräume für die individuelle künstlerische Entfaltung.
Ein Blick auf die kommunale Debatte kann das erhellen, wenn wir uns beispielsweise anschauen, was in den Kommunen bezüglich bezahlbarer Ateliers passiert. Dafür braucht es aus unserer Sicht auch eine stärkere Zusammenführung und Vernetzung von Kultur und Bildung. Kultur- und Kreativwirtschaft hat eine gesellschaftspolitische Dimension. Die darf uns nicht verloren gehen. Auch hier kann ich Herrn Klose von den GRÜNEN nur zustimmen: Kreativwirtschaft darf nicht auf den Standortfaktor reduziert werden, sondern bedeutet sehr viel mehr.
Wohlfeile Worte wie die, die von CDU und FDP in ihrem Antrag formuliert werden, reichen nicht aus. Es müssen entsprechende Taten folgen. Ich habe die Forderungen aufgezählt. Dazu haben wir auch einen eigenen Antrag eingebracht.
Wir alle begrüßen die wachsende Bedeutung der Kulturund Kreativwirtschaft. Aber das allein reicht nicht aus. Es ist halbherzig, es auf der einen Seite zu begrüßen, auf der anderen Seite aber Haushaltsanträge zur weiteren Förderung der Kreativwirtschaft abzulehnen. Das passt nicht zusammen. Das ist scheinheilig. Deswegen kann ich Sie nur bitten, unserem Antrag zuzustimmen. – Ich danke Ihnen.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Gnadl. – Das Wort hat Frau Abg. Janine Wissler, Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde, Herr Paulus hat, wenn ich das kurz zusammenfassen darf, im Wesentlichen gesagt: Wir finden die Branche super. Aber Geld gibt es nicht. – Herr Paulus, das haben Sie im Wesentlichen gesagt.
Das Problem ist, dass warme Worte wenig helfen. Leider ist auch Ihr Antrag eine ziemlich inhaltslose Sprechblase. Denn konkrete Maßnahmen, wie Sie der angesprochenen Branche helfen wollen, wie Sie sie konkret fördern wollen, stehen in dem Antrag nachweislich nicht. Dazu haben Sie leider auch nichts gesagt.
Die Hessen-Agentur hat ihren Datenreport 2010 zur Kultur- und Kreativwirtschaft gerade veröffentlicht. Ich habe ihn mir gründlich durchgelesen. Ich glaube, hätten Sie ihn gründlich durchgelesen, hätten Sie es sich noch einmal überlegt, ob Sie hier wirklich eine solche Aussprache pro
vozieren wollen. Denn es ist allgemein bekannt, die Hessen-Agentur ist kein Organ der Opposition in Hessen. Aber dieser Report lässt Ihre Arbeit als Landesregierung nicht besonders gut aussehen.
Zwar ist der Umsatz in der Kultur- und Kreativwirtschaft in den letzten Jahren gestiegen, aber in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich. Der mit Abstand stärkste Teilmarkt ist der Bereich Werbung und Public Relations. Der macht 38 % des gesamten Umsatzes aus, aber nur 14 % der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Das sollte zu denken geben.
Auf Platz zwei ist die Branche Software und Games, während Branchen wie Literatur, Buch und Presse, Design und Kunsthandwerk Umsatzeinbußen hinnehmen mussten – nur damit klar wird, über welche Branchen wir hier reden.
Sie betonen in Ihrem Antrag, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft 135.000 Beschäftigte in Hessen umfasst. Aber Sie verschweigen, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse abnimmt und die prekäre Arbeit auch hier auf dem Vormarsch ist.
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in künstlerischen Berufen werden zunehmend in die Selbstständigkeit gedrängt. Immer mehr künstlerische Leistungen werden nur noch im Rahmen von Werkverträgen bzw. als freiberufliche Leistungen eingekauft.
Herr Blum, laut Hessen-Agentur haben hessische Künstler für das Jahr 2009 ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 13.883 € angegeben, wohlgemerkt, wir reden hier vom Jahreseinkommen, liebe FDP, nicht vom monatlichen Einkommen.
Wenn man sich in dem Datenreport der Hessen-Agentur einmal die einzelnen Branchen anschaut, stellt man fest – Seite 20, wenn Sie mitblättern möchten –: Bei der Werbegestaltung und bei Public Relations sind die Umsätze seit dem Jahr 2000 um 51 % gestiegen, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im gleichen Zeitraum ist um 5 % zurückgegangen. Im Bereich Software ist es ähnlich: hohe Umsatzsteigerungen, kaum Zunahme bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Im Verlagsgewerbe, bei Presse und Nachrichten gingen der Umsatz und die Beschäftigung deutlich zurück.
Rundfunk und Fernsehen spielen laut Hessen-Agentur in Hessen eher eine untergeordnete Rolle. Auch hier sind die Umsätze übrigens rückläufig. Warum Markt- und Meinungsforschung zur Kreativwirtschaft gehören, erschließt sich mir nicht ganz. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass das besonders kreative Statistiken sind, oder ob das die Kreativität der Meinungsforschungsunternehmen meint, die Frage immer so zu formulieren, dass am Ende die vom Auftraggeber gewünschten Antworten herauskommen. Ich weiß nicht, wie Sie das gemeint haben. Ich hätte das spontan nicht zur Kreativwirtschaft gerechnet.
Die klassischen Branchen, wie z. B. die darstellende Kunst und die Musikwirtschaft, haben in Hessen nur einen geringen Stellenwert. Das ist auch nicht meine Aussage, sondern das alles sagt der Report der Hessen-Agentur.
Reden wir einmal über die Filmherstellung. Die Landesregierung schlägt fast vollzählig beim Hessischen Filmpreis auf und stolziert da über den roten Teppich. Bei der Filmherstellung in Hessen sinken die Umsätze. Seit dem Jahr 2000 ist die Beschäftigtenzahl um ein Viertel gesunken.
Ich verweise weiter auf den Bericht. Auf Seite 33 – wenn Sie weiter mitblättern wollen – steht geschrieben: „Filmkunsttheater, Programmkinos und kommunale Kinos in Hessen tragen zur vielfältigen Filmkultur bei. Die mittelständischen Kinos sind jedoch einem starken Wettbewerb ausgesetzt, dem die meisten nur schwer finanziell standhalten können.“ In dem Bericht wird gesagt, die Modernisierung, d. h. die Digitalisierung – die Kollegin Gnadl hat es angesprochen –, ist dringend notwendig, um die kommunalen Kinos erhalten zu können.
Liebe Landesregierung, wenn Sie schon die HessenAgentur geschaffen haben, sollten wenigstens Sie sie ernst nehmen. Die Filmwirtschaft wartet dringend auf ein Programm des Landes für die Digitalisierung der Kinovorführtechnik. Andere Bundesländer wie Bayern haben vor Jahren ein eigenes Programm aufgelegt. Ohne ein Landesprogramm bleibt den hessischen Kinobetreibern der Zugang zum Bundesprogramm versperrt; denn die Bundesregierung hat ein Programm aufgelegt. Aber anstatt dass das Land Hessen die Kofinanzierung sichert, lässt man die Bundesmittel lieber verfallen.
Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zur freien Kulturszene in Hessen. Ich meine, da sieht es ganz traurig aus. Für die Soziokultur sind im Haushalt gerade einmal 1 Million € eingestellt. Dabei handelt es sich nicht um reine Kulturanbieter, sondern es handelt sich um Orte für Demokratie und Dialog, für Partizipation und Mitgestaltung. Es geht um kulturpädagogische Arbeit in Theatern, Museen, es geht um Erwachsenenbildung. Hier stehen nicht die großen und teuren Events im Vordergrund, bei denen Sie sich vielleicht ab und zu gerne sehen lassen, sondern es geht um eine offene, um eine regional ausgewogene, auch im ländlichen Raum vorhandene ganzjährige Kulturarbeit.
Die freien darstellenden Künste sind Marktführer im Bereich Kinder- und Jugendtheater. Sie bringen Theater in die abgelegenen Gebiete. Sie setzen neue Impulse, sind Vorreiter auf dem Gebiet der kulturellen Bildung, sind interkulturell vernetzt und schaffen es, neue Zuschauerschichten in Kultureinrichtungen zu bringen. Meine Damen und Herren, diese Arbeit muss doch die Hessische Landesregierung unterstützen. Aber statt sie zu unterstützen: Zur Finanzierung der freien Kulturszene heißt es auf Seite 49, dass die Förderung durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst mit 350.000 € seit der „Operation Zukunft“ – das schreibt die Hessen-Agentur; wir kennen das als „Operation düstere Zukunft“ – unter dem Ansatz von 1993 liegt. Sie liegen heute unter dem Ansatz von 1993, und das, obwohl sich die Zahl der Einrichtungen und das Angebotsspektrum ganz erheblich ausgeweitet haben.
Zudem erfolgt Ihre Unterstützung fast ausschließlich als Projektförderung. Das heißt, Kulturschaffende können immer nur kurzfristig planen. Unbefristete Beschäftigung wird verunmöglicht. Kurzfristige Förderung fördert prekäre Arbeitsverhältnisse. Das steht fest. Deswegen muss auch daran etwas geändert werden.
Immer mehr Arbeit muss in dem Bereich durch Ehrenamtliche geleistet werden. In den Kernstrukturen der freien Kulturszene sind ganze 755 Mitarbeiter beschäftigt, davon nicht einmal ein Viertel sozialversicherungspflichtig. Das ist das niedrigste jemals vorhandene Niveau. Das haben Sie in Ihrem Antrag leider nicht erwähnt, Herr Paulus.
Zudem stellt die Hessen-Agentur einen erheblichen Entwicklungsstau bei Investitionen fest. Das Land zieht sich zunehmend aus der Finanzierung zurück. Die anteilige Finanzierung der soziokulturellen Zentren durch das Land ist von 10 % im Jahr 2000 auf 5 % gesunken. Deutlich gestiegen sind aber die Zuschüsse der Kommunen, seit dem Jahre 2000 nämlich um 57 %. Das heißt, auch hier schieben Sie den Kommunen die Verantwortung zu, während Sie den Kommunen gleichzeitig im KFA die Mittel kürzen. Das ist Ihre Kulturpolitik.