Protocol of the Session on November 18, 2010

Das Anrüchige an diesem Wechsel ist – das kritisiert auch Transparency International –, dass Bilfinger Berger in den letzten Jahren vom Land Hessen millionenschwere Aufträge erhalten hat. Beim Bau des Wiesbadener Justizzentrums beispielsweise belief sich das Auftragsvolumen auf knapp 130 Millionen €, und am Bau der neuen Lande bahn am Frankfurter Flughafen, für den sich Roland Koch vehement eingesetzt hat, war Bilfinger Berger mit 75 Millionen € beteiligt.

Deshalb hat es natürlich ein Geschmäckle, wenn ein ausscheidender Ministerpräsident direkt nach seiner Amtszeit zu einem Unternehmen wechselt, das von Aufträgen des Landes in einer solchen Größenordnung profitiert hat,

(Beifall bei der LINKEN)

zumal Roland Koch nicht unbedingt ein Fachmann für das Baugewerbe ist.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Woher wissen Sie das denn?)

1,5 Millionen € Jahresgehalt wirken auf viele Menschen wie ein nettes kleines Dankeschön, und das ist das Problematische. Es weckt den Verdacht der Käuflichkeit, und es schadet dem Ansehen der Politik insgesamt.

(Beifall bei der LINKEN)

Koch versicherte zwar, er habe während seiner Zeit als Ministerpräsident in keinem einzigen Fall etwas mit Entscheidungen für oder gegen die Firma Bilfinger Berger zu tun gehabt, und deshalb könne er den Wechsel „sehr gut“ verantworten. Das Problem ist aber, dass Roland Koch vieles gut verantworten konnte, weswegen andere Leute längst zurückgetreten wären.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, wer einmal die Unwahrheit sagt und dabei ertappt wird, muss sich gefallen lassen, dass seine Glaubwürdigkeit auch bei anderen Fragen in Zweifel gezogen wird.

Es kam nämlich auch noch heraus, dass ein gemeinsamer Bekannter von Roland Koch und dem Aufsichtsratsvorsitzenden von Bilfinger Berger bereits im Sommer die Idee entwickelt hatte, dass Roland Koch Chef des Baukonzerns werden könnte. Koch habe während seiner Amtszeit regelmäßig Kontakte zu dem Aufsichtsratsvorsitzenden gehabt, erklärte ein Konzernsprecher.

Roland Koch hat also, als er den Wechsel so vehement dementieren ließ, die Öffentlichkeit getäuscht. Er hat als Regierungschef seinen Wechsel vorbereitet, und das halten wir für ein großes Problem.

(Zuruf von der CDU: Purer Neid!)

Auf Roland Koch? Worum soll ich ihn beneiden?

(Judith Lannert (CDU): Um seine Beliebtheit!)

Um seine Beliebtheit? – Die Verbindung von Roland Koch zu Bilfinger Berger ist aber auch deshalb politisch brisant, weil Bilfinger Berger Auftragnehmer von vielen Public-Private-Partnership-Projekten – kurz: PPP – ist. In der Realität bedeutet PPP meistens eine Privatisierung auf Kosten der Steuerzahler. Aber Roland Koch ist ein bekennender Fan von PPP-Projekten, und er hat maßgeblich dazu beigetragen, diese in Hessen zu verbreiten. Das geschah auch über ein Kompetenzzentrum, das im Finanzministerium angesiedelt ist. Das PPP Kompetenzzentrum soll die Kommunen bei PPP-Projekten beraten.

Auf der Homepage des Finanzministeriums ist nachzulesen, dass es nicht nur das Kompetenzzentrum gibt, sondern auch einen Verein „PPP in Hessen“. Auch dieser Verein soll die Kommunen beraten und die Entwicklungen voranbringen. Wer sitzt im Vorstand? Ein Vertreter von Bilfinger Berger, nämlich Herr Knop.

Bilfinger Berger hat ein materielles Interesse an der Ausweitung von PPP-Projekten, und die Landesregierung gibt Bilfinger Berger die Möglichkeit, direkt an der Schaltstelle mitzuarbeiten. Herr Boddenberg, wenn das keine Verquickung von Interessen ist, weiß ich gar nichts mehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun will Bilfinger Berger sein Image aufpolieren; denn das Unternehmen ist in die Kritik geraten, nachdem es das Kölner Stadtarchiv versenkt hatte. Ob einem besseren Image ausgerechnet Roland Koch mit dem Geruch von schwarzen Kassen und unappetitlichen Wahlkämpfen förderlich ist, wird das Unternehmen in Zukunft merken. Die Aktie des Bauunternehmens hat erst einmal mit einem Kursrutsch auf die Berufung Roland Kochs reagiert: Das Papier verlor am Tag der Entscheidung 4,5 % seines Werts.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Frau Lannert, ich gebe zu, Herr Koch ist höhere Verluste gewohnt. Aber das zeigt, dass es auch an der Börse keine Begeisterung über seinen Wechsel gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Eines steht fest: Aus nackter Geldnot hat Roland Koch diesen Wechsel nicht vollziehen müssen. Wir haben erfahren, dass das vorzeitige Ausscheiden des Ministerpräsidenten das Land Hessen 120.000 € kostet. Darin inbegriffen sind ein Übergangsgeld, die Zuverfügungstellung einer Schreibkraft und eines Mitarbeiters für den Zeit raum von sechs Monaten, die Inanspruchnahme eines Regierungsfahrzeugs und eines Fahrers sowie eines Büros samt Ausstattung. Er kann Reisekosten abrechnen und für bis zu 3.000 € im Jahr 2010 Gesprächspartner zum Essen einladen. Die Abschiedsfeier wollen wir auch nicht vergessen. Dieses geschmackvolle Event hat immerhin 57.000 € gekostet.

Angesichts der Tatsache, dass den Menschen ständig erzählt wird, für Bildung und Soziales sei kein Geld da, halte ich eine derartige Abschiedszeremonie derzeit für nicht vermittelbar. Das muss ich einmal ganz ehrlich sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wenn diese Vollversorgung überhaupt einen Sinn hat, dann doch den, dass ausscheidende Politiker eben nicht sofort in einen Job wechseln müssen, bei dem eine Verquickung von Interessen zu befürchten ist. Nicht so Roland Koch. Er gibt sich nämlich nicht mit dem lukrativen Posten bei Bilfinger Berger zufrieden; die Verzehnfachung seines bisherigen Gehalts reicht ihm nicht. Er hat einmal erklärt, dass Politiker viel zu wenig verdienen würden. Um die mageren Jahre des Politikerdaseins zu kompensieren, nimmt er jetzt, zusätzlich zu seiner Tätigkeit bei Bilfinger Berger, den Job des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der schweizerischen Bank UBS an.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): UBS Deutschland – wenn schon, dann richtig!)

Koch habe sich in seiner Zeit als Ministerpräsident für den Finanzplatz Frankfurt eingesetzt, heißt es in der Begründung vonseiten der Bank. Das ist eine Anerkennung seiner Tätigkeit als Ministerpräsident. Das ist ein Problem, Herr Milde.

(Beifall bei der LINKEN)

Richtig ist, dass der Finanzplatz Frankfurt durch das Zwangspensionieren engagierter Steuerfahnder in seinem Sinn attraktiver für das Kapital gemacht wurde.

(Judith Lannert (CDU): Wer hat Ihnen denn diesen Schund aufgeschrieben? – Zuruf des Ministers Michael Boddenberg)

Die Steuerfahnder wurden daran gehindert, den Großbanken auf die Füße zu treten und Steuerhinterziehungen aufzudecken.

(Zuruf des Ministers Michael Boddenberg)

Frau Wissler, entschuldigen Sie bitte kurz. – Ich muss es doch noch einmal offiziell sagen: Ich darf diejenigen, die auf der Regierungsbank sitzen, bitten, keine Zwischenrufe zu machen.

(Beifall bei der LINKEN – Minister Michael Bod- denberg: Da kann man sich gar nicht beherrschen, wenn man das hört!)

Es kann sein, dass Sie sich kaum beherrschen können. Wenn das so ist, gehen Sie vor die Tür, oder setzen Sie sich auf die Abgeordnetenbank. Aber bitte machen Sie keine Zwischenrufe von der Regierungsbank aus. Danke schön.

(Minister Michael Boddenberg setzt sich auf einen Abgeordnetenplatz.)

Tschüs, Herr Boddenberg. – Die Bank hat sicher auch nicht vergessen, dass die Landesregierung beschlossen hat, die Steuersünder-CD, die dem Land Hessen angeboten wurde, nicht zu kaufen. Das hat der Bank UBS und ihren Kunden gut gefallen; denn die UBS gehört zu den Banken, die im Fokus standen, als wir die Debatte über Steuerhinterziehung in der Schweiz geführt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Offensichtlich hatte das Land Hessen auch zu UBS geschäftliche Verbindungen. Die UBS ist wohl beauftragt worden, Optionen für die Zukunft der Helaba auszuarbeiten. Zudem leistete die Schweizerische Bankgesell

schaft, die inzwischen in der UBS aufgegangen ist, der hessischen CDU Dienste bei den Geldtransfers aus den schwarzen Kassen. Jetzt wird Roland Koch Aufsichtsratsvorsitzender bei genau dieser Bank. Ich finde, das hat mehr als ein Geschmäckle.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun gibt es, zugegeben, vielleicht viele Unternehmen, die dem Herrn Ministerpräsidenten zu Dank verpflichtet sind. Da stellt sich mir die Frage: Was kommt denn als Nächstes? Ein Posten in den Aufsichtsräten von RWE und E.ON, ein Beratervertrag mit der Lufthansa oder vielleicht ein Vorstandssitz bei K + S? Wie viele Dankeschöns will sich Roland Koch denn noch abholen?

Roland Kochs Verhalten schadet dem Ansehen der Politik.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie sind die Einzige, die dem Ansehen der Politik schadet! – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): Das hätten Sie gern, Herr Boddenberg!)

Aber leider ist das kein Einzelfall. Er ist nicht der Einzige aus seinem Kabinett, der direkt in die Wirtschaft gewechselt ist. Europaminister Volker Hoff ist heute Cheflobbyist bei Opel, und Silke Lautenschläger, bis vor Kurzem Gesundheitsministerin, kann jetzt ihre Politik zugunsten der privaten Versicherungskonzerne direkt bei der größten privaten Krankenversicherung Deutschlands fortsetzen. Solche Wechsel sind der Grund dafür, warum sich Politiker in weiten Teilen der Bevölkerung nicht allzu großer Beliebtheit erfreuen. Solche Drehtüreffekte erwecken nämlich den Anschein von Käuflichkeit.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Leider ist es gang und gäbe, dass Regierungsmitglieder in die Privatwirtschaft wechseln, oftmals in Bereiche, die in einem Zusammenhang mit ihrer früheren Regierungstätigkeit stehen. Ein Regierungsmitglied verfügt über exklusive Kenntnisse aus dem Ministerium sowie über Kontakte und Beziehungen, die es in die Privatwirtschaft mitnimmt und die dem Unternehmen damit zugutekommen. Das ist auch der eigentliche Grund, warum Unternehmen Politiker einstellen. Ich glaube kaum, dass Opel sonst auf die Idee gekommen wäre, Volker Hoff einzustellen.

Frau Wissler, ich darf Sie bitten, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Das Problem ist, dass viele Unternehmen Geld genug haben, Politikern lukrative Jobangebote zu machen. Das können andere gesellschaftliche Gruppen nicht. Das kann die Erwerbsloseninitiative nicht, das kann die Umweltgruppe nicht. Deswegen unterstützen wir die Forderung von Transparency International, dass es eine dreijährige Karenzzeit zwischen dem Ausscheiden aus einem Regierungsamt und dem Wechsel in die Wirtschaft geben muss, wenn ein Zusammenhang zur vorherigen Tätigkeit besteht, und das vor allem auch bei Unternehmen, die in großem Umfang staatliche Hilfen oder aber auch öffentliche Aufträge erhalten haben, damit nicht der Eindruck entstehen kann,