Herr Koch war nicht nur Politiker. Er war elf Jahre lang Spitzenbeamter des Landes Hessen. Er war Ministerpräsident. Er war staatliches Organ. Den Wechsel eines staatlichen Organs hin in die Wirtschaft zu definieren – auf einem solchen Niveau können wir die Debatte gern weiter führen. Das können wir aber auch im Ausschuss machen. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Hahn. – Wir hatten vorhin kurz darüber gesprochen, ob wir den Entschließungsantrag abstimmen oder in den Ausschuss geben. Wir nehmen ihn in den Ausschuss.
Hauptausschuss, okay. – Dann haben wir das so beschlossen und kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt.
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Erster Redner ist Herr Kollege Krüger für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir erlaubt, heute Vormittag einmal auf die Uhr zu schauen, und habe festgestellt, dass mittlerweile knapp vier Stunden vergangen und wir jetzt bei dem ers ten sachlichen und wirklich politischen Thema sind.
Da wir uns schon mit dem Thema „EU-Steuer ablehnen“ auf der internationalen Ebene befinden, muss ich noch – ich hoffe, es wird mir nachgesehen – einen Satz zu der vorherigen Debatte sagen. Wir sind auf der internationalen Ebene. Ich möchte alle meine Kolleginnen und Kollegen daran erinnern: Wenn wir uns im angloamerikanischen Raum oder innerhalb der EU bewegen, wird in der Mehrzahl dieser 27 Staaten kein Mensch diese Debatte verstehen, die wir gerade geführt haben. Dort ist der Austausch zwischen Politik und Wirtschaft und umgekehrt gang und gäbe. Das ist eigentlich auch eine Überleitung, wenn wir uns einmal mit dem Thema „EU-Steuer ablehnen“ beschäftigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, um was geht es bei diesem Thema? Es geht darum, dass ungefähr seit dem September 2007 über eine umfassende Reform des EUHaushaltsrechts gesprochen wird. Was war der Auftrag der Kommission? Es geht prinzipiell um die Ausgabenstruktur, aber auch um die Einnahmestruktur.
Leider Gottes ist dabei anstelle von mutigen Reformvorschlägen für eine verhaltene Ausgabenstruktur letztendlich nur ein Katalog herausgekommen, wie man zu mehr sogenannten Eigenmitteln kommt – ich werde darauf noch eingehen –, und man hat dazu mehrere Vorschläge unterbreitet.
Nun sollte man einmal darüber nachdenken, wie das verkauft worden ist. Dazu ein kurzer Blick auf die gegenwär
tige Einnahmestruktur: Die gegenwärtige Einnahmestruktur sieht so aus, dass ca. 80 % des gesamten EUHaushalts durch Beiträge der Mitgliedstaaten und darüber hinaus ein kleiner Rest aus sogenannten Eigenmitteln, Zöllen und einem Anteil an der Mehrwertsteuer abgedeckt werden.
Es wird erst einmal gesagt, wenn es eigene Einnahmequellen gäbe, werde der Zuschussbedarf der Mitgliedsländer zurückgefahren. Aber ich stelle in diesem Raum einmal die Frage – die meisten von uns bewegen sich auch in kommunalen und anderen Parlamenten –: Wann ist historisch schon jemals eine einmal eingeführte Steuer, eine einmal eingeführte Abgabe abgeschafft worden?
Wenn man die jüngste Diskussion um den Haushalt der EU nimmt, wird man feststellen, dass es eigentlich um eine Erhöhung der Einnahmen und damit um eine zusätzliche Auswirkung auf die Ausgaben geht. Zumindest die EU-Kommission hat eine Steigerung von 6,9 % in diesem Haushalt vorgeschlagen. In der Zwischenzeit hat man sich noch nicht geeinigt, aber bei 2,9 % eingeschossen. Voraussichtlich werden wir im Dezember beim Treffen der Staats- und Regierungschefs einen Schritt weiterkommen.
Was ist der Katalog dieser sogenannten Eigenmittel? – Da wird einmal von der Finanztransaktionsteuer, von der Finanzaktivitätsteuer geredet, der Luftverkehrsabgabe, Einnahmen aus der Versteigerung der CO2-Emissionsrechte, einer EU-Körperschaftsteuer, einem separaten EU-Mehrwertsteuersatz oder einer Energiesteuer. Meine sehr geehrten Damen und Herren, was heißt denn das eigentlich? Lassen Sie uns das kurz beleuchten.
Wenn wir, im Konzert der 27 EU-Staaten, z. B. über eine Finanzierung durch eine Finanztransaktionsteuer oder Finanzaktivitätsteuer reden würden, dann stellt sich einmal – ohne Diskriminierung – die Frage, welchen Beitrag der hervorragende Finanzplatz Riga gegenüber den Finanzplätzen Frankfurt, London, Paris und anderen liefern wird.
Es wird eigentlich klar, worum es geht. Hier geht es nicht mehr darum, dass die Haushaltskontrolle und die Ausgabenkontrolle durch die Mitgliedstaaten gewährleistet sind, wie wir es in der Vergangenheit hatten, sondern hier geht es wirklich darum, sich im Grunde wie immer geartete Einnahmen zu verschaffen. Dies ist definitiv abzulehnen. Das gilt auch für alles andere, was dort vorgeschlagen worden ist.
Dazu noch eine Bemerkung. Wenn Sie sich einmal die unterschiedlichen Wachstumsraten der 27 Länder in den vergangenen drei Jahren anschauen – ich habe das getan –, dann werden Sie ein solches Auf und Ab sehen. Ich möchte gern einmal wissen, wie das funktionieren soll. Wenn irgendwo ein Bruttosozialprodukt zurückgeht, ist es zwangsläufig so, dass auch die Steuereinnahmen zurückgehen. Auch davon würde die EU betroffen werden.
Darüber hinaus – das ist eigentlich die wesentlichste und wichtigste Frage – beruht das Prinzip der EU nicht etwa auf einer föderalen Struktur. Auch die EU-Kommission ist keine föderale Regierung von Europa, sondern wir reden über eine supranationale Behörde. Wir haben darunter souveräne Mitgliedstaaten. Ein wesentliches Prinzip,
das wir in der EU haben, ist das Prinzip der Subsidiarität und – das soll auch so bleiben – die Kompetenz der Mitgliedstaaten, Steuern zu erheben. Diese ist nicht auf eine wie immer geartete supranationale Organisation zu verlagern.
Meine Damen und Herren, richtig wäre es, auf die Ausgaben zu schauen. Wir haben gestern eine schöne Debatte, teilweise anspruchsvoll, teilweise weniger anspruchsvoll, wenn es um die Ausflüge des linken Hauses geht, über die Ökonomie geführt. Man muss ganz klar feststellen, dass in der EU noch sehr viel Luft und sehr viel Spielraum für Einsparungen sind.
Wenn sich alle Mitgliedstaaten dieser EU ein Konsolidierungsprogramm auferlegen, weil sie finanziell in ihren Haushalten mit dem Rücken zur Wand stehen, dann kann sich die EU nicht gegenläufig verhalten und versuchen, ihre Einnahmen mehr als zu stabilisieren und zu erhöhen.
Dasselbe gilt übrigens – was genauso abzulehnen ist – für die Kreditfinanzierung, dass nicht das Kreditfinanzierungsverbot eines EU-Haushaltes ausgehöhlt wird. Auch hier gibt es den Vorschlag, über EU-Anleihen – was ist das letztendlich anderes als eine Kreditfinanzierung? – dieses bisherige Verbot auszuhöhlen. Ich will Sie nicht langweilen, jeder hat den Bericht gelesen.
Ich weiß, Ihnen ist es lieber, über Skandalgeschichten wie den Übergang von Koch in die Wirtschaft usw. zu diskutieren, als sich einmal mit einer zukünftigen Sachproblematik auseinanderzusetzen.
Das haben wir gestern gemerkt. Das haben wir heute früh gemerkt. Ich bin einmal gespannt, wie Sie sich zu diesem Thema verhalten. Ich nehme an: so, wie Sie das auch ges tern diskutiert haben. Da haben Sie die drei E vorangestellt. Bei diesem Thema sind wir ja zusammen:
Effizienzsteigerung, Einsparungen. Wir sind aber komplett auseinander, wenn Sie das immer nur durch Einnahmeerhöhungen erzielen wollen.
Meine Damen und Herren, dann würde ich auch gerne einmal sehen und hören, wie Sie sich zu dem Thema verhalten: Welche Einsparungen sind möglich? Nehmen wir ein willkürliches Beispiel, das Thema Agenturen. In der Zwischenzeit ist dieser Bereich auf einen Finanzbedarf von 1,66 Milliarden € gewachsen. Sinn der Veranstaltung war einmal, die Bürokratie zu straffen, das Ganze etwas zu dezentralisieren. Was ist aber daraus geworden? Daraus wurde eine Inflation der diversen Agenturen.
Die beste und schönste Beschreibung dafür hat Frau Gräßle geliefert, Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im Europäischen Parlament, indem sie gesagt
hat: Jede neue Agentur im eigenen Land ist der Skalp, den der Regierungschef vom Gipfel zurückbringt.
Meine Damen und Herren, das sollten wir nicht unterstützen. Wir können darüber reden, wie wir die Dinge gestalten wollen – auch da möchte ich vorsichtig sein –, beispielsweise die Frage, welche Gehälter den EU-Beamten gezahlt werden, welche sonstigen Gehälter bezahlt werden. Auch wenn das nur 6 % der Verwaltungskosten sind, so gibt es auch dort Einsparmöglichkeiten.
Meine Damen und Herren, deswegen steht für die Hessische Landesregierung und für die sie tragende Koalition im Vordergrund, in Übereinstimmung mit dem, was auf Bundesebene die schwarz-gelbe Regierung entschieden hat, die eindeutige Ablehnung einer EU-Steuer, einer Ausdehnung der Eigenmittel.
Ich komme mit dem Satz zum Schluss: Die EU-Kommission träumt von neuen Geldquellen – lassen Sie es bei diesem Traum, und stimmen Sie unserem Antrag zu.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Krüger, wir werden dem nicht zustimmen, das konnten Sie sicherlich ahnen.
Erlauben Sie mir zunächst eine Bemerkung zur Klarstellung. Wir, die LINKEN, die Sozialisten, aber auch die Arbeiterparteien verstehen uns als die ältesten Verfechter des europäischen Gedankens.
(Fritz-Wilhelm Krüger (FDP): Ach! – Zurufe von der FDP und der CDU: Großartig! – Lachen und weitere Zurufe von der CDU und der FDP)