(Beifall bei der SPD – Dr.Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Das ist aber lange her! – Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vorsitz.)
Roland Koch hat weder mit dem Ausbau begonnen noch ihn beendet. Die Anfänge des jetzigen Ausbaus lagen im Mediationsverfahren unter Führung von Hans Eichel in der rot-grünen Landesregierung vor 1999.
Aber es gab etwas, was die drei ausbaubefürwortenden Fraktionen, die FDP, die Union und die SPD, über zehn Jahre verbunden hat, und zwar im Übrigen auch in namentlichen Abstimmungen, Herr Ministerpräsident, auch mit Ihrer Stimme: dass der Ausbau kommt, dass wir ihn wollen, auch um Arbeit und Wertschöpfung in der Region zu erhalten, zu stabilisieren und auszubauen;dass aber die andere Seite der Medaille – so hat es der stellvertretende Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn mehr als einmal formuliert – das Nachtflugverbot am Flughafen ist, das Bedingung für den Ausbau ist.
Sie haben als Landesregierung einen persönlichen Wortbruch zu verantworten, als Roland Koch mit dem Planfeststellungsbeschluss aus dem Wirtschaftsministerium und der politischen Rückendeckung dafür dieses Wort an die Region gebrochen hat. Dieser Wortbruch, der sehr persönlich an Roland Koch adressiert war, weil er in den letzten zehn Jahren besonders dafür gekämpft hat, ist auch Ihr persönlicher Wortbruch, weil Sie ebenfalls in namentlichen Abstimmungen genau dieser Regelung zugestimmt haben. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.
Sie haben den Flughafen immer dann im Repertoire, wenn es einfach ist.Wenn es aber darum geht,die Zusagen an die Region umzusetzen, haben Sie sich in den letzten Jahren verdrückt; Sie waren nicht präsent. Herr Bouffier, ein wichtiges Vertrauenssignal wäre gewesen, dass nach Antritt Ihrer Regierung ein Signal an die Region derge
Deswegen werden Sie damit leben müssen, dass dieser Wortbruch, den wir politisch immer an Ihre Koalitionsfraktionen und an die Regierung adressiert haben, auch Ihr persönlicher ist.
Dass Sie zu den Fragen der Industriepolitik, der Kreativwirtschaft und den Potenzialen nichts gesagt haben, nehmen wir zur Kenntnis. Es ist nicht Ihr Metier. Sie haben in den letzten elf Jahren Sicherheitspolitik gemacht, da waren Sie eher Hardliner. Es ist auch Ihr gutes Recht, sich so zu positionieren, wie Sie wollen. Das ist nicht Ihr Metier gewesen. Aber wir werden zukünftig darauf angewiesen sein, dass ein Ministerpräsident, der dieses wirtschaftsstarke Land führt, sich auch mit den zentralen wirtschaftspolitischen Fragen dieses Landes beschäftigt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das gilt im Übrigen auch für die Stärkung, die Regulierung und den Ausbau des Finanzplatzes Frankfurt. Auch da sind 75.000 Menschen in Beschäftigung. Wir haben nach der Finanzmarkt- und Wirtschaftkrise Chancen, dass der Finanzplatz Frankfurt und die eher kontinentaleuropäische Philosophie zur Regulierung von Finanzmärkten stärker in der Welt wahrgenommen werden. Dazu muss man aber Position beziehen, auch national, beispielsweise zu der Frage, wie wir den außerbörslichen Handel regulieren und an die Börse zurückholen, wie wir die Hinterzimmergeschäfte zwischen den Großbanken in das Licht der Öffentlichkeit holen, um die Spekulation zu verhindern. Das ist ein Wachstumsprogramm für die Deutsche Börse, und es ist ein Stabilisierungsprogramm für die Volkswirtschaft. Dazu haben Sie keinerlei Anmerkung gemacht, und das finde ich entschieden zu wenig für einen Ministerpräsidenten, der auch für den Finanzplatz Frankfurt spricht.
Besonders abenteuerlich und wenig zielführend waren allerdings Ihre Ausführungen zur Energiepolitik.
Ich will Ihr Angebot zum neuen Ton aufnehmen und will zunächst die beiden Herausforderungen beschreiben und dann das, was Sie beschrieben haben, an den Herausforderungen messen, an der Messlatte, die Sie selbst aufgestellt haben.
Frau Merkel, unsere Bundeskanzlerin und Ihre Parteifreundin,hat sich international immer wieder verpflichtet, dass das Ziel, die Erderwärmung in den nächsten 40 Jahren auf 2° zu reduzieren, unsere gemeinsame Anstrengung ist. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung. Ich lasse jetzt den Streit darüber aus, ob das zu wenig oder zu viel ist. Ich beschreibe jetzt das, was wir vereinbart haben: 2°.Das heißt,dass wir in den nächsten 40 Jahren nach den konservativen Berechnungen den CO2-Ausstoß in der Bundesrepublik Deutschland um 85 % reduzieren müssen, weltweit um 50 %. Es gibt ein paar Studien, die sagen, dass wir das schon in 20 Jahren erreicht haben müssen, um den prognostizierten CO2-Ausstoß einzudämmen: 85 % CO2-Ausstoß.
Zweitens. Nach einer Studie, die vor zwei Jahren veröffentlicht wurde, vor der Finanzmarkt- und Wirtschafts
krise – die Daten sind heute schon wieder deutlich schwieriger –, sagt das Bundesumweltministerium, dass 40 %, also fast die Hälfte, der Kosten des produzierenden Gewerbes inzwischen für Energie und Rohstoffe aufgebracht werden müssen.
Wenn man diese beiden Herausforderungen erfolgreich bewältigen will, ist völlig klar, dass ökonomisch d i e Volkswirtschaft die erfolgreichste im 21. Jahrhundert sein wird – das Thema Arbeit ist für uns ein wichtiges –, die die rohstoff- und energieeffizienteste Volkswirtschaft der Welt ist.
Das ist die Messlatte. Das gilt erst recht für ein Bundesland wie Hessen, das Industriestandort ist, das Luftverkehrsstandort ist.
Dann kommen Sie mit dem,was da in den Hinterzimmern – ich sage: an schmutzigen Geschäft – vereinbart worden ist.
Denn wenn Sie sich alle einmal genau anschauen, was da gerade wem an Geld über den Tisch geschoben wurde, nach dem Motto: „Ihr zahlt uns jetzt zwar 2 Milliarden c an Brennelementesteuer und ein bisschen was für erneuerbare Energien; dafür erhöhen wir die Einspeisevergütung für Offshore-Windparks,
die nicht den Bürgerinitiativen, den Bürgerprojekten oder den Kommunalen gehören, und gleichzeitig erlauben wir, dass ihr die Aufwendungen dafür auch noch von den Betriebskosten abziehen dürft, dass ein Drittel der Kosten, die da entstehen, vom Steuerzahler bezahlt wird, ohne dass es eine Pflicht zur sicherheitstechnischen Nachrüstung beispielsweise für Biblis A gibt“,dann sage ich Ihnen, das ist ein schmutziges Geschäft.
Es ist doch so, Herr Bellino. Wollen Sie an den Fakten vorbeireden? Ich bin für evidenzbasierte Politik. Über die Fakten müssen wir schon reden dürfen.
In dem Ton vielleicht ein bisschen vermittelnder, klar. Aber in der Faktensituation müssen wir schon Klarheit schaffen.Deswegen sage ich:in der Sache klar,im Ton verbindlicher.
Lieber Kollege Bellino, das, was der Ministerpräsident hier vorgestellt hat, ist ein völlig unambitioniertes Programm:Wir wollen bis 2020 das Programm von Frau Lautenschläger umsetzen, die gegen harte Widerstände in der Fraktion gelaufen ist.
Ich bin sehr gespannt,was Frau Puttrich – jetzt ist sie nicht mehr da – zu liefern hat. Das ist entschieden zu wenig. Sie laufen unter den Anforderungen einer modernen Volks
wirtschaft, einer modernen Energiepolitik und einer modernen Wirtschaftspolitik einfach untendrunter durch. Herr Ministerpräsident, das ist zu wenig, wenn man Hessen regieren will.
Daraus leitet sich ab, dass wir sagen, es droht die Gefahr – ich will es jetzt vorsichtiger formulieren, damit Herr Bellino seiner neuen Rolle als parlamentarischer Geschäftsführer nicht gleich zu engagiert Rechnung tragen muss –, dass der Stillstand ein neues Gesicht zu bekommen droht.
Sie haben noch ungefähr 95 Tage Zeit, das Gegenteil zu beweisen. Aber nach der Regierungserklärung bin ich nicht sehr zuversichtlich,
dass Sie wirklich ernsthaft die energiepolitischen und wirtschaftspolitischen Herausforderungen angehen wollen. Für die Bildungspolitik habe ich das schon formuliert.
Zum Thema Bildungspolitik muss ich noch einen kleinen Nachtrag machen.Sie haben aus meiner Sicht zu Recht etwas zur Frage der Verschulung des Kindergartens und auch zu der Frage gesagt, dass frühkindliche Bildung stärker betont werden soll.Auch dazu haben Sie nicht gesagt, wie Sie das eigentlich machen wollen. Das Einzige, was hier im Haus im Moment präsent ist, ist, dass der ehemalige Minister für Arbeit, Familie und Gesundheit
der ehemalige, Herr Banzer – den Kommunen zugesagt hat: „Natürlich werden wir die Mindestausstattung entsprechend dem Konnexitätsprinzip finanzieren“, und dass Sie ihn bei dieser enormen Anstrengung schlicht kielgeholt und bei der Umsetzung alleingelassen haben. Auch dazu haben Sie heute kein Wort gesagt.
Der Herr Ministerpräsident hat sehr vielen Akteuren der Zivilgesellschaft Dank gesagt. Er hat das gegen Ende seiner Ausführungen dann mit dem Thema der Integrationspolitik verbunden. Man hat Ihren Worten angemerkt – ich glaube, das ist in diesen Tagen auch notwendig –, dass wir das Thema Integrationspolitik anders angehen müssen. Ich will Ihnen freimütig einräumen: Ich habe mich über mich selbst sehr geärgert, als ich in meinem ersten Zorn über Herrn Sarrazin gesagt habe, was ich gesagt habe. Nicht, weil ich irgendetwas zurückziehen will, sondern weil es die falsche Ebene der Auseinandersetzung mit dem ist, was da passiert. Auf der einen Seite ist für mich völlig klar – da mache ich auch keinen Millimeter Rückzug –, dass Thilo Sarrazin mit seinen Vergleichen zur genetischen Veranlagung eine rote Linie übertreten hat.Das ist nicht akzeptabel. Herr Ministerpräsident, da haben auch Sie aus meiner Sicht dankenswerterweise sehr klar Position bezogen.