Protocol of the Session on May 19, 2010

Wenn wir diese tief liegenden Ressentiments auflösen wollen, müssen wir klare Zeichen setzen.

(Clemens Reif (CDU): Sie sind sehr quengelig!)

In Ihren Augen bin ich das doch auch. – Wenn wir es schaffen wollen, unsere Gesellschaft tatsächlich so zu verändern, dass Männer und Frauen gleiche Rechte, gleiche Chancen und gleiche Grenzen haben – bei all unserer Unterschiedlichkeit –, dann müssen wir dieses Thema in die Mitte unseres Alltagsbewusstseins rücken.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Feiertag wertet ein Thema im Alltagserleben auf.Was wären Weihnachten oder Ostern ohne die Feiertage? Der 8. März als Feiertag böte die Gelegenheit,

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

durch Veranstaltungen, Aktionen, Feste und Weiterbildung an all diesen Problemen zu arbeiten.

Zu dem Argument der Kosten. Wenn Arbeitgeber durch einen Feiertag schneller dazu gebracht werden, gleiche Löhne zu zahlen, und wir durch andere Veränderungen tatsächlich zu gleicher Lebensqualität kommen,

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wer hat Ihnen denn diese Rede geschrieben?)

dann können wir erneut darüber nachdenken, ob wir den Internationalen Frauentag noch als Feiertag brauchen. Bis dahin wäre dieser Feiertag weit mehr als nur ein Zeichen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schulz-Asche für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Schott, in vielen Punkten, die Sie hier als Missstände aufgezählt haben,gebe ich Ihnen völlig recht.Aber Sie sind zum zweiten Mal die eigentliche Erklärung schuldig geblieben, was ein Feiertag dazu beiträgt, diese Missstände abzustellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Wenn ich mir diesen Gesetzentwurf zum zweiten Mal anschaue und auch die Anhörungsunterlagen, dann glaube ich, wir tun der Frauenpolitik im 21. Jahrhundert keinen Gefallen,wenn wir mit Wünsch-dir-was-Anträgen in diese Debatte gehen. Ihr Antrag ist ja noch mehr als Wünschdir-was. Ich glaube, er ist tatsächlich kontraproduktiv.

Wenn wir heute die Gleichstellung der Geschlechter fordern, dann muss man Prioritäten setzen, gerade auch in finanzieller Hinsicht. Sie haben gerade gesagt, dass man Unternehmen dadurch, dass sie höhere Ausgaben für einen Feiertag haben, dazu zwingt, bessere Löhne zu zahlen. Das ist eine Argumentation, die an Absurdität kaum noch zu übertreffen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Denken Sie doch einmal an den Buß- und Bettag!)

Meine Damen und Herren, natürlich ist ein zusätzlicher Feiertag mit zusätzlichen Kosten verbunden. Deswegen

teile ich völlig das, was die hessischen Frauenbeauftragten in der Anhörung in ihrer Stellungnahme gesagt haben. Sie haben gesagt, sie können die Intention Ihres Vorschlags durchaus nachvollziehen, aber sie fordern andere Prioritäten – weil wir zur Gleichstellung der Geschlechter wollen und nicht zu einer reinen Wünsch-dir-was-Politik, wie Sie das machen.

Meine Damen und Herren, zu diesen Prioritäten gehören – ich berufe mich auf die Stellungnahme der Frauenbeauftragten des Landes Hessen aus der Anhörung – die Verabschiedung eines Gesetzes zur Gleichstellung für die Privatwirtschaft, die existenzsicherenden Einkommen für Frauen – und natürlich für Männer –, um drohender Altersarmut entgegenzuwirken.Dazu gehören alle Maßnahmen, die zur paritätischen Besetzung von Aufsichtsräten und natürlich von Gremien führen. Dazu gehört eine bedarfsdeckende Kinderbetreuung bester Qualität. Dazu gehören andere Maßnahmen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu gehören eine ausreichende finanzielle Absicherung von Frauenhäusern, Beratungsstellen und Interventionsstellen gegen Gewalt und die Verabschiedung des Hessischen Aktionsplans gegen häusliche Gewalt.

Dazu gehören auch Bleiberechtsregelungen für Frauen, die Opfer von Gewalt werden und in unserem Land kein ausreichendes Bleiberecht haben. Dazu rechne ich z. B., um das auch zu erwähnen,die Frauen,die Opfer von Menschenhandel werden und hier zur Prostitution gezwungen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sind die Prioritäten, die auf der Tagesordnung stehen, und hierzu trägt kein Feiertag bei.

Meine Damen und Herren, das zeigt auch, dass Sie sich nicht ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, welche Gesellschaft wir wollen, welchen Staat wir wollen. Für mich bedeutet dieser Staat, dass wir die Vielfalt von Frauenleben, auch die Vielfalt von Männerleben endlich in ihrer Vielfalt wahrnehmen. Dazu gehören keine Massenveranstaltungen. Was soll es bringen, wenn wir alle Frauen, die an Frauengleichstellung interessiert sind, zu einer Veranstaltung bringen, wo irgendwelche Funktionäre oder Funktionärinnen uns mit langweiligen Reden löchern?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ändert doch nicht die Welt, sondern die Frauen und die Männer, die vor Ort konkret an der Geschlechtergerechtigkeit arbeiten, sind diejenigen, die die Welt verbessern, die die Welt verändern. Diese Möglichkeiten möchte ich erhalten und ausbauen. Deswegen halte ich die Konzentration auf einen einzelnen Feiertag für völlig kontraproduktiv in dieser Frage.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Wir haben ungefähr zwei bis drei Wochen im Umfeld des 8. März, in denen an vielen Orten in den Betrieben, in den Kommunen Veranstaltungen stattfinden.Diese Veranstaltungen haben drei Ziele:

erstens die bessere Vernetzung,um tatsächlich Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen,

zweitens die Stärkung der Initiativen vor Ort, die sich um ganz konkrete Probleme kümmern. Sie zu stärken, das verändert tatsächlich das Leben und das Zusammenleben von Menschen.

Drittens brauchen wir im 21. Jahrhundert Strategien, die dazu führen, Geschlechtergerechtigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen zu entwickeln. Dazu brauchen wir nicht nur die Frauen, sondern dazu brauchen wir selbstverständlich auch die Männer.

Das geht am besten vor Ort mit ganz konkreten Maßnahmen, täglich und in konkreten Einzelaktionen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, der Internationale Frauentag am 8. März ist ein wichtiger Tag in unserer Gesellschaft. Er ist im 21. Jahrhundert der Ausdruck nicht nur der Vielzahl, sondern auch der Vielfalt von Veranstaltungen und von Lebensformen. Seine Stärkung ist ein wichtiger Beitrag zur Vision einer geschlechtergerechten Gesellschaft. Deswegen werden wir den Gesetzentwurf der Linkspartei hier ablehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche. – Das Wort hat Frau Kollegin Ravensburg für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Bereits in der ersten Lesung im Parlament habe ich ausführlich die Argumente dargelegt, warum meine Fraktion den Gesetzentwurf der Fraktion der LINKEN zur Einführung eines gesetzlichen Feiertags am Weltfrauentag ablehnt. Unsere Meinung wurde von der Mehrzahl der Anzuhörenden in der letzten Innenausschusssitzung sehr eindrücklich bestätigt. Daraus folgt natürlich, dass wir den Gesetzentwurf auch in zweiter Lesung ablehnen werden.

Frau Schott, ich habe nichts, aber auch gar nichts dazu gehört, wie ein Feiertag die Situation der Frauen irgendwie ändern sollte. Ich möchte aber noch einmal betonen, dass die CDU-Fraktion den Weltfrauentag am 8. März als solchen natürlich ausdrücklich begrüßt.Es ist ein Tag mit fast hundertjähriger Tradition, ein Tag, der seit 1977 auch Internationaler Frauentag ist und von der UNO anerkannt wurde.

Nur – da sind wir uns einig – durch das entschiedene gemeinsame Auftreten von Frauen, aber auch sehr vielen Männern bei den verschiedensten Aktionen an diesem gemeinsamen Tag gelingt es uns immer wieder, weltweit die Rechte der Frauen und die Ungerechtigkeit gegenüber Frauen auch in den Medien zu transportieren.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, das ist unumstritten und auch in der Anhörung unzweifelhaft gewesen. Ich begrüße deshalb auch die Anregung von Minister Bouffier aus der ersten Lesung, dass wir durchaus darüber nachdenken sollten,wie wir den Weltfrauentag aufwerten können.Gerade der 100. Geburtstag, den wir erwarten, ist in meinen Augen ein guter Anlass dafür.

Den 8.März aber zu einem Feiertag zu machen,verbessert die Situation der Frauen nicht. Das hat die Mehrheit der Anzuhörenden zum Ausdruck gebracht.Auch die meisten Frauenverbände – Frau Schulz-Asche hat es vorhin in ihrer Rede sehr eindrücklich bestätigt – haben das in der Anhörung kundgetan. Weltfrauentag ja, ein zusätzlicher Feiertag nein.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Die Frauen selbst wissen viel besser als die Partei der LINKEN, dass ein zusätzlicher Feiertag völlig kontraproduktiv in der jetzigen Zeit ist, in einer der größten Finanzkrisen des Landes, einer Krise, die sich durch Griechenland und auch die Eurokrise seit dem letzten Plenum sogar noch verschärft hat.

Ich möchte auch darauf aufmerksam machen: Die Einzelmeinung aus der Anhörung, dass man einen der christlichen Feiertage streichen könnte – der Pfingstmontag wurde von Frau Prof. Luise Pusch in der Anhörung genannt –, um einen Freiraum für einen neuen Feiertag zu schaffen, lehnen wir ab.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Beim Buß- und Bettag hatten Sie keine Probleme!)

Lassen Sie es mich noch einmal ganz klar und deutlich sagen: Das ist mit der CDU nicht zu machen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Buß- und Bettag!)

Liebe Kollegen von der SPD, Sie haben sich bisher in den Abstimmungen hier im Plenum, aber auch im Ausschuss enthalten. Herr Rudolph, der jetzt wieder hereingekommen ist, hatte in der ihm eigenen Art als neuer frauenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion keine Meinung – das ist für ihn, gelinde gesagt, sehr ungewöhnlich.

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP)

Statt eine klare Meinung zu beziehen, wie das Frau Schulz-Asche schon im Plenum gemacht hat,wollte er erst die Anhörung abwarten.