Herr van Ooyen, ich war im Gegensatz zu Ihnen über sechs Jahre Mitglied der Härtefallkommission und Mitglied des Petitionsausschusses. Das war zu Zeiten, als Sie noch in der Apo unterwegs waren. Ich weiß, wie intensiv man sich über alle Parteigrenzen hinweg mit den Härtefällen auseinandergesetzt hat. Das ist auch heute noch der Fall. Ich brauche da von Ihnen wirklich keinen Nachhilfeunterricht.
Zu den angesprochenen Änderungen. Wir werden einen sogenannten Vorprüfungsausschuss einrichten, da immer wieder der Verdacht geäußert wurde, dass sich die Geschäftsstelle mehr oder weniger an dem orientiere, was die örtlichen Ausländerbehörden vorgeben. Ich sehe das anders, weil ich aus meiner mehrjährigen Tätigkeit in der angesprochenen Kommission und im Petitionsausschuss weiß, wie intensiv und professionell sich die Geschäftsstelle mit diesen Fällen auseinandergesetzt hat und wie oft dort kritisch hinterfragt wurde, was die Ausländerbehörden vorgegeben haben. Wenn diese Sorge aber nun einmal bei dem einen oder anderen Mitglied einer anderen Fraktion oder bei Nichtregierungsorganisationen existiert, dann können wir hier mit Sicherheit Abhilfe schaffen.
Zweitens. Wir haben uns dazu entschieden, keinen normierten Ausschlussgrund mehr vorzugeben, sondern von „in der Regel“ zu sprechen. Wir werden aber auch Folgendes nicht vergessen. Wer 180 Tagessätze auf den Buckel hat, wer vorsätzlich getäuscht hat, wer straffällig wird oder vorsätzlich trickst und täuscht, hat kein Recht, belohnt zu werden.
In der Debatte wurde auch das Quorum angesprochen. Hierzu ist festzustellen, dass manche in der Anhörung anscheinend nicht richtig zugehört haben.
Nein.– Von vielen wurde bestätigt,dass ein Quorum sogar hilfreich sein kann. Es wurde davon gesprochen, dass man in gewisser Weise auf den zuständigen Minister Druck ausüben kann, wenn ein Beschluss nicht mit einfacher Mehrheit, sondern mit qualifizierter Mehrheit gefasst wird. Deshalb halten wir an dem Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit fest. Frau Öztürk, das meinen wir, wenn wir von einer „breiten Basis“ sprechen. Je breiter die Basis ist, auf der ein Beschluss gefasst wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Entscheidung in der Gesellschaft eine breite Zustimmung findet.
Wir wollen noch einmal deutlich machen – das wurde von den Vorrednern nicht genügend herausgearbeitet –, dass wir niemanden ausschließen.Alle, die bisher in der Härtefallkommission mitgearbeitet haben, dürfen und sollen das auch künftig tun. Wir sagen aber auch: Wer in dieser Härtefallkommission mitmachen möchte, wer sich benennen lässt, von Pro Asyl oder anderen Gruppierungen, der hat in den Sitzungen gefälligst anwesend zu sein.
Bezüglich des Quorums möchte ich auch mit der Mär aufräumen, die immer wieder kolportiert wird, dass sich die Abgeordneten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums immer einig seien und dadurch automatisch eine Sperrminorität hätten. Das entspricht nicht der Wahrheit. Das ist eher eine fiese Unterstellung.
Da hier die Rolle der Abgeordneten thematisiert wurde: Ich verwahre mich – zumindest im Namen zweier Fraktionen, aber das sollte eigentlich für das gesamte Haus gelten – dagegen, dass wir hier so tun, als ob Abgeordnete Menschen zweiter Klasse seien.Warum können Abgeordnete nicht in einer Härtefallkommission mitarbeiten? Haben wir da kein Mitspracherecht? Haben wir das Herz nicht am rechten Fleck? Da haben wir ganz andere Erfahrungen gesammelt.
Ich möchte abschließend noch einmal sagen, dass wir im Vergleich zu dem, was in der 16.Wahlperiode Gesetz war, bewusst eine Öffnung vorgenommen haben. Im Übrigen: Die Entscheidungen der Kommission sind fast immer einstimmig oder mit qualifizierter Mehrheit, auf jeden Fall in ganz, ganz großem Konsens und mit hoher Professionalität getroffen worden. Dieses Verfahren war in der 16. Wahlperiode zwar erfolgreich, aber wenn der große Wunsch besteht, dass auch andere mitwirken wollen, von den Kirchen über die Kommunalen Spitzenverbände bis zur Liga, dann wollen wir uns dem nicht verschließen.Wir haben uns zwar geöffnet, aber wir sagen, wir werden als Landtag in dieser Kommission vertreten sein müssen; denn wir sind schließlich diejenigen, die draußen gefragt werden, die die Entscheidungen letztendlich zu rechtfertigen haben.
Meine Damen und Herren,sofern Sie dem Gesetzentwurf bisher ablehnend gegenübergestanden haben, sollten Sie Ihre Position noch einmal überdenken. Stimmen Sie dem geänderten Gesetzentwurf zu.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die Argumente sind wohl weitgehend ausgetauscht. Ich kann für die Landeregierung erklären, dass ich die jetzige Fassung des Gesetzentwurfs begrüße. Ich glaube, das ist ein guter Kompromiss.
Die Kollegen Bellino und Reuscher haben den eigentlichen Anlass für die geplante Gesetzesänderung beschrieben, nämlich den Wunsch nach Mitwirkung der Abgeordneten. Deshalb ist es eigentlich allein Sache des Parlaments, darüber zu entscheiden, wie die Abgeordneten sich und ihre Arbeit einschätzen.
Frau Cárdenas hat vorhin gesagt, man lege keinen Wert auf die Mitarbeit engagierter Bürgerinnen und Bürger. Aus der Sicht der Landesregierung kann ich nur sagen: Das ist eine grobe Verzerrung. Alle, die in der Kommission waren, bleiben in der Kommission. Niemand wird ausgegrenzt; aber die Wichtigsten in einer engagierten und aktiven Bürgergesellschaft, die das Ganze im Auge haben und nicht einzelnen Interessengruppen verpflichtet sind, das sind doch nun einmal die Damen und Herren Abgeordneten. Deshalb ist aus der Sicht der Landesregierung sehr zu begrüßen, dass die Abgeordneten wieder mitwirken werden.
Zweitens. Ich akzeptiere, verstehe und achte das Engagement vieler Persönlichkeiten, wenn es um solche Fragen geht. Gleichwohl – auch das muss klar sein – entscheiden sie nichts. Die Härtefallkommission hat lediglich das Recht, eine Verfahrensregelung vorzunehmen. Zur Entscheidung ist allein der Innenminister berufen. Das kann man gut oder schlecht finden; ich bin keineswegs nur glücklich darüber.
Das wird auch so bleiben, und deshalb will ich diesem Haus kurz in Erinnerung rufen – ich weiß nicht, wer das gesagt hat –: Ich habe in diesem Jahr 23 von 26 Ersuchen zugestimmt. Ich gebe zu, in einer Reihe von Verfahren – das wissen die, die dort arbeiten – erfolgte dies erst nach einer längeren Darlegung, unter welchen Bedingungen ich bereit bin, zuzustimmen.
Ich habe die Absicht, in Zukunft an folgender Linie festzuhalten. In all diesen Fällen geht es um Menschen, die nach einer Reihe von Gerichtsentscheidungen – nicht nach Entscheidungen von Verwaltungen – verpflichtet sind, das Land zu verlassen. Sie sind aufgrund gesetzlicher Bestimmungen dazu verpflichtet. Die kann man für falsch oder für richtig halten; aber wir sind eine gesetzesgebundene Verwaltung, und wir haben diese Gesetze umzusetzen.
Wenn jemand der Auffassung ist, dass wir sie fehlerhaft umsetzen, hat er die Möglichkeit, vor Gericht zu gehen. Mir ist im Moment überhaupt kein Fall in Erinnerung, in dem von diesem Recht nicht Gebrauch gemacht worden wäre. Ich habe dieses Haus schon einmal davon unterrichtet,dass es im Schnitt zu 13 Gerichtsverfahren kommt, bevor der Fall überhaupt an den Petitionsausschuss gelangt. Das heißt, unabhängige Richter haben entschieden, dass die Menschen das Land verlassen müssen.
Herr Kollege Merz, auch wenn sich alle um diese Menschen kümmern – nicht nur diejenigen, die permanent die Flagge der moralinsauren Empörung vor sich hertragen, nach dem Motto „Das sind die Guten, und das sind die weniger Guten“ –, bleibt es dabei, dass die Vertreter des Volks immer das ganze Volk im Blick haben müssen. Das ganze Volk hat Anspruch darauf,dass noch immer das gilt, was wir gesagt haben, nämlich dass wir keine Zuwanderung in die Sozialsysteme wollen. Das gilt immer noch.
Oder bestreitet das hier jemand? Wenn wir keine Zuwanderung in die Sozialsysteme zulassen wollen, die sowieso schon überlastet sind, sagen wir: Wir legen Wert darauf, dass sich jemand, der hierbleiben darf, nach Möglichkeit selbst unterhält, dass ihn also die Allgemeinheit nicht finanzieren muss.
Vielleicht ist es interessant, das Haus über Folgendes zu unterrichten.Ich habe in einer Reihe von Entscheidungen die Härtefallkommission davon unterrichtet, dass ich bereit bin, zuzustimmen, wenn die Betroffenen ihren Lebensunterhalt selbst oder mithilfe von Verwandten – wie auch immer – bestreiten. Es ist doch erfreulich, dass dies in einer ganzen Reihe von Verfahren gelungen ist, in denen ich diesen Vorbehalt gemacht habe. Die Betroffenen konnten das nachweisen.
Ich halte es für richtig, dass wir jeden Einzelfall prüfen und dass wir zwar humanitäre Aspekte nicht aus den Augen lassen, es uns aber nicht so einfach machen, die Allgemeinheit für einzelne Entscheidungen bezahlen zu lassen, die letztlich nicht rechtlich begründet sind, sondern einen Gnadenakt darstellen. Um nichts anderes geht es hier.
In diesen Gesetzentwurf ist eine, wie ich finde, äußerst großzügige Regelung aufgenommen worden. Dort steht nämlich, in der Regel könne geprüft werden – damit entfallen generell Ausschlussgründe, die sich sozusagen vor der Klammer befinden –, sodass noch individueller ermittelt wird, ob diese Menschen, die seit Jahren wissen, dass sie gehen müssen, nicht trotz aller Gerichtsentscheidungen und trotz ihres Verhaltens hierbleiben können.
Es gibt keinen einzigen Fall, in dem der Betreffende nicht über Jahre hinweg gewusst hat,dass er gehen muss.Es gibt eine Fülle von Fällen,in denen sich die Betroffenen mehrfach schriftlich verpflichtet haben, freiwillig auszureisen, mit der Unterstützung und zusätzlich mit dem Geld dieses Landes, damit sie sich in der Heimat wieder eine Existenz aufbauen können. Sie haben unter Umständen drei-, vieroder fünfmal hintereinander ihre eigenen Versprechen nicht gehalten. Sie sind dann untergetaucht, und teuerste Einsätze der Polizei sind umsonst erfolgt.
Da wir gleichwohl immer noch sagen, es gibt Umstände, die uns davon überzeugen, dass hier „Gnade“ vor Recht ergehen muss, finde ich: Dieser Gesetzentwurf ist eine sehr gute Grundlage, um die Arbeit der Härtefallkommission – die im Übrigen vernünftig ist – zu begleiten.
Aus der Sicht der Landesregierung begrüße ich dies. Ich sage hier: Die Landesregierung – ich in Person – wird weiter dafür streiten, dass wir nicht blind und kaltherzig, aber auch nicht ohne Achtung vor dem entscheiden, was Recht und Gesetz in diesen Fällen gebieten. Sie kennen die Praxis. Ich glaube, dass jenseits der öffentlichen Debatten die Grundüberzeugungen sehr viel weiter verbreitet sind und sehr viel stärker tragen, als man gelegentlich glaubt. Der Kollege Reuscher hat schon darauf hingewiesen.
Wenn ich mir anschaue, wie die Debatte läuft, wenn die Öffentlichkeit nicht dabei ist und die Presse nicht berichtet, stelle ich fest, dass wir dort eine sehr sachliche Arbeitssituation haben. Das wünsche ich mir auch für die Zukunft.Soweit es das Innenministerium angeht,wird das von uns auch zukünftig gewährleistet sein. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Minister, ich habe mich noch einmal gemeldet, als Sie die Ausführungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemacht haben. Ich finde es erstaunlich, dass Sie in Ihren Beispielen immer jene Negativfälle nennen, in denen die Leute über Jahre hinweg versuchen, irgendwie ein Aufenthaltsrecht zu bekommen.
Aber Sie erwähnen nie die humanitären Fälle, also die Leute, die aufgrund ihrer Situation – etwa der bürgerkriegsähnlichen Situation, die sie aus ihren Herkunftsländern hierher getrieben hat – durchaus ein Aufenthaltsrecht nach der Gnade haben könnten.Sie erwähnen nicht, dass junge Leute zum Teil ihre Ausbildung abbrechen oder die Schule verlassen müssen und z. B. kein Abitur machen können, damit sie in der Lage sind, zu arbeiten und den Lebensunterhalt der Familie zu sichern, sodass diese ein Aufenthaltsrecht bekommt. Ist das in Ordnung? Wollen wir das so? Für die GRÜNEN kann ich sagen: Nein, das wollen wir nicht haben.
Herr Minister, es gibt auch noch andere Fälle, von denen Sie nicht reden. Ich spreche von älteren Frauen, von alleinerziehenden Müttern und von traumatisierten Menschen, bei denen Gutachter festgestellt haben, dass sie nicht mehr arbeitsfähig sind. Was machen Sie in diesen Fällen? Fordern Sie auch von diesen Menschen, dass sie die Sicherung ihres Lebensunterhalts nachweisen, oder sagen Sie: „Nein, tut mir leid, Pech gehabt, wir schieben Sie jetzt ab“?
Die Frage möchte ich jetzt gern beantwortet haben. Es reicht nämlich nicht aus, immer nur die Negativbeispiele zu bringen, bei denen es überhaupt keinen Streit gibt.Wir reden von dem Großteil der Menschen, die aus humanitären Gründen zu uns gekommen sind und die durchaus ein Aufenthaltsrecht bekommen sollten.
Bei der Sicherung des Lebensunterhalts kommen ganz schwierige und schiefe Lagen zustande. Ich weiß nicht, ob Sie es in Ordnung finden, dass Jugendliche ihre Ausbildung abbrechen oder die Schule verlassen und auf das Abitur verzichten müssen, damit sie arbeiten und den Lebensunterhalt sichern können. Die Frage möchte ich beantwortet haben. – Herzlichen Dank.
Vorab will ich zur Freude meiner Fraktion sagen:Ich habe die Redezeit vorhin nicht ausgenutzt. Aber meine Ausführungen werden kurz ausfallen.
Meine Damen und Herren, das kann so nicht stehen bleiben. Ich habe im Zusammenhang mit diesen Themen an anderer Stelle schon einmal gesagt: Wir reden hier über Menschen und nicht über Schrauben.