Protocol of the Session on November 22, 2012

Hierzu:

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP – Drucks. 18/6522 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend zukünftige Finanzierung des ÖPNV nachhaltig sichern – ÖPNV-Gesetzentwurf dringend veränderungsbedürftig – Drucks. 18/6393 zu Drucks. 18/6295 –

Berichterstatterin zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung ist Frau Kollegin Müller (Kassel). Bitte sehr.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD, GRÜNEN und LINKEN, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung anzunehmen.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Auf die Berichterstattung über den Antrag verzichten wir. Dann können wir in die Aussprache eintreten. Ich erteile Herrn Müller für die FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute in zweiter Lesung über das ÖPNVGesetz. Mit diesem Gesetz schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass der ÖPNV in Hessen auch in den nächsten Jahren effiziente und qualitativ hervorragende Angebote für die Menschen aufrechterhalten kann.

Die ständig steigenden Kundenzahlen im ÖPNV zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass wir die richtigen Ansätze gewählt haben, um den ÖPNV in Hessen auf gute und sichere Standbeine zu stellen. Ein zukunftsfähiger und funktionierender ÖPNV ist gerade in einem Pendlerland

wie Hessen eine wichtige Voraussetzung für Wirtschaft und Gesellschaft. Er ist ein ganz wichtiger Faktor, wenn es darum geht, für die Menschen in Hessen ein gutes Mobilitätsangebot zu schaffen.

(Zurufe von der SPD)

Heute stauen sich die Verkehrsthemen ein bisschen. Deshalb verstehe ich Ihre Begeisterung, Herr Rudolph.

(Günter Rudolph (SPD): Herr Frankenberger kam zu spät, weil er im Stau stand!)

Wir haben im Ausschuss und auch in der Anhörung sehr intensiv darüber diskutiert, warum wir dieses Gesetz auf den Weg bringen und die Strukturen verändern. Wir wollen nicht bei der Qualität und dem Leistungsangebot des ÖPNV kürzen und sparen. Wir haben aber auf der anderen Seite ständig steigende Kosten im ÖPNV, und wir wollen auch die Angebote ausweiten. Ich nenne nur die Nordmainische S-Bahn, die vorhin schon erwähnt wurde, die MainWeser-Bahn, die Regionaltangente West, Gateway Gardens, die Anbindung von Terminal 3: Alle diese Projekte verursachen Mehrkosten, verursachen Betriebskosten in Höhe von etwa 60 Millionen € im Jahr. Die müssen wir erwirtschaften.

Deswegen gehen wir daran, die Strukturen zu verändern. Wir fragen uns: Brauchen wir wirklich rund 30 Nahverkehrsgesellschaften in den beiden Verkehrsverbünden? Können wir den regionalen Busverkehr – anders als bislang – mit den überörtlichen Busverkehren nicht besser koordinieren? Können wir bei der Durchführung von Ausschreibungen, bei der Erstellung von Fahrplänen, beim erforderlichen allgemeinen Verwaltungsaufwand durch interkommunale Zusammenarbeit nicht Einsparungen erzielen? Wir sagen: Ja, das können wird. Es ist aber der schwierigere Weg, weil wir an die Strukturen herangehen müssen. Das hat der Herr Verkehrsminister gestern schon deutlich gemacht. An die Strukturen zu gehen, ist aber der richtige, der liberale Ansatz, weil wir damit die dauerhafte Finanzierung in diesem Bereich verbessern können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die GRÜNEN, die SPD und auch der Hessische Landkreistag wollen, wie immer, den einfachen Weg gehen. Sie sagen: Gebt uns einfach 140 Millionen € mehr aus Landesmitteln, dann haben wir bis 2019 kein Problem. – Ein Problem haben die SPD, die GRÜNEN und auch der Hessische Landkreistag aber doch: Wir haben in Hessen eine Schuldenbremse und müssen diese einhalten. Selbst wenn wir – wie es SPD und GRÜNE wollen – eine Vermögensteuer einführen würden, selbst wenn wir die Einkommensteuer erhöhen würden, selbst wenn wir die Erbschaftsteuer erhöhen würden, was Sie wollen: Sie haben die Mittel aus diesen Mehreinnahmen durch Steuererhöhungen schon mehrfach verfrühstückt. – Deshalb ist der einfache Weg, den Sie gehen wollen, schlicht und einfach nicht machbar. Er wird nicht dazu führen, dass wir am Ende mehr Geld im System haben, weil das Geld nämlich gar nicht da ist. Deshalb gehen wir an eine Veränderung der Strukturen heran. Das ist für uns der richtige Weg.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, das ist für die Beteiligten – gerade auf der lokalen Ebene, in den Nahverkehrsorganisationen – nicht einfach, weil man Veränderungsprozesse einleiten muss. Das

ist immer schwierig. Es ist immer mit Problemen auch für die Betroffenen verbunden, weil sie Sorgen und Ängste haben. Dennoch glaube ich, dass wir einen solchen Übergang brauchen. Ab 2014 werden wir ein Finanzierungsdefizit haben. Hiergegen können wir schon jetzt – mit Vorlauf ab 2012 – Vorkehrungen treffen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich Dank sagen. Wir haben einen Gesetzentwurf auf dem Tisch liegen, der sehr ausführlich, sehr lange und auf einer sehr breiten und transparenten Basis diskutierten worden ist. Wir haben seit zwei Jahren mit allen Beteiligten aus dem Bereich des ÖPNV intensiv darüber diskutiert, welche Ansätze wir machen müssen. Wir hatten Treffen, da waren auch Oppositionsabgeordnete dabei. Vielen Dank an den RMV, den NVV, an den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, an den Landesverband Hessischer Omnibusunternehmer und an eine Reihe lokaler Aufgabenträger. Ich will hier ganz ausdrücklich die traffiQ und Herrn von Berlepsch aus Frankfurt nennen, weil auch dort – auch wenn sie parteipolitisch auf einer anderen Linie liegen – alle intensiv und konzentriert daran mitgearbeitet haben, dass wir jetzt ein gutes Gesetz haben.

Wenn ich mir die Anhörungsunterlagen anschaue: Alle am ÖPNV wesentlich Beteiligten sagen, dass wir mit diesem Gesetzentwurf auf dem richtigen Weg sind. Deswegen freue ich mich darauf, dass wir den Gesetzentwurf heute verabschieden können – hoffentlich mit möglichst großer Mehrheit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Nächste Wortmeldung, Frau Abg. Müller (Kassel).

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie werden sich nicht wundern, dass wir dem Gesetzentwurf auch in der zweiten Lesung nicht zustimmen. Dabei hatten wir, wie ich zugeben muss, eine sehr muntere und angeregte Debatte im Ausschuss.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Herr Müller, ganz ruhig, ich komme noch zu den anderen Argumenten.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Zu welchen Argumenten? – Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt wurde kurzfristig ein Änderungsantrag von CDU und FDP vorgelegt, in dem etwas von der Kritik der Anzuhörenden aufgenommen und eine Klarstellung vorgenommen wurde. Dem können wir zustimmen. Aber die grundsätzliche Ausrichtung des Gesetzentwurfs können wir nicht unterstützen; denn er gibt gerade keine Antworten auf die drängenden Fragen, was den Klimaschutz und die Finanzierung angeht: Was für Ziele haben Sie im ÖPNV? Wie viele Umstiege wollen Sie erreichen?

Die Zahl der Nutzer nimmt zu; das haben Sie selbst gesagt. Das muss weiter ausgebaut werden, und eigentlich muss man mehr bestellen. Aber indem Sie mehr Ebenen einziehen und neue Verwaltungsstrukturen schaffen, werden Sie keine neuen Einnahmequellen erschließen; denn so

schlecht ist der ÖPNV nicht aufgestellt, als dass man das alles mit einer Umorganisation retten könnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie den ÖPNV weiter stärken und ein bisschen auf den Klimaschutz achten würden, hätten wir auch das Thema Stau erledigt, über das wir vorhin diskutiert haben. Herr Caspar hat es vorgeschlagen, und ich finde, das ist eine super Idee: Jeweils 50 Menschen fahren nicht mehr mit dem Auto, sondern mit dem Bus, der eine besondere Spur bekommt und ganz schnell ist. Auf diese Weise hätte man das Stauproblem und das Klimaschutzproblem ganz schnell gelöst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber wir vermissen in dem Gesetzentwurf einen weiteren Aspekt. Wir haben vor drei Jahren die Geltungsdauer des alten ÖPNV-Gesetzes um zwei Jahre verlängert. Es wurde argumentiert, dass auf der Bundesebene die Geltungsdauer des Personenbeförderungsgesetzes verlängert würde und man deswegen noch so lange warten und einige Anpassungen an die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vornehmen sollte.

Vor einem Jahr war immer noch nichts passiert. Also hat man gesagt, man verlängert die Geltungsdauer und macht dann eine große Novellierung des Gesetzes. Jetzt, am 2. November, ist das PBefG auf der Bundesebene in einem großen Konsens verabschiedet worden. Was steht im Gesetz? Nichts davon steht in dem Gesetz. Dann hätten Sie auch nicht drei Jahre zu warten brauchen.

In diesem Gesetz wird auch das Thema Fernbuslinien behandelt. Herr Caspar, zu dem, was Sie vorhin gesagt haben: Wir waren nicht gegen die Fernbuslinien, sondern wir haben ihre Einrichtung an Bedingungen geknüpft. Wir haben uns nicht in allen Punkten durchsetzen können – so ist das in der Politik –, sondern mussten Kompromisse eingehen. Aber jetzt gibt es zumindest eine Regelung, wonach ein Fernbus eingesetzt werden kann, wenn die Entfernung mehr als 50 km beträgt, und die Barrierefreiheit in den Bussen bis 2019 hergestellt werden muss.

In dem Gesetz steht aber nichts davon, wie Sie das regeln und die Unternehmen darin unterstützen wollen. Gerade die FDP, die doch so unternehmerfreundlich ist, hätte darauf drängen müssen, dass man den Unternehmen vonseiten des Landes Angebote macht, wie die Barrierefreiheit bis 2020 komplett umzusetzen ist. Aber dazu finden wir in dem PBefG nichts weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zurück zu der Anhörung. Ein ganz wesentlicher Punkt war die Finanzierung des ÖPNV. Das ist durchweg von allen angesprochen worden. Auch uns ist klar, dass das Land nicht jede Finanzierungslücke im ÖPNV schließen kann. So viel Geld – Sie haben die Schuldenbremse erwähnt – haben wir nicht. Aber dass die Landesregierung nichts in den Haushalt einstellt, sondern nur die Bundesmittel und die KFA-Mittel durchreicht, ist zu wenig.

Außerdem schaffen Sie noch nicht einmal Möglichkeiten für die Kommunen, neue Einnahmen zu generieren. Ein Beispiel, das ich immer gern nenne, ist die Stellplatzergänzungsabgabe in Frankfurt. Das hat für Frankfurt 10 Millionen € ausgemacht. Herr Caspar hat gesagt, das seien Peanuts, das bringe nichts. Sie werden wahrscheinlich gleich wieder sagen, dass es die Stellplatzablöse noch gibt. Ja, die

gibt es; aber die Stellplatzeinschränkungssatzung existiert nicht mehr. Das war die Grundlage für die Stadt Frankfurt, Gebühren zu erheben, obwohl keine Stellplätze errechnet werden konnten. Die haben Sie abgeschafft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es sind auch keine Ideen enthalten, wir man Anreize schafft, um den Verkehr zu verlagern, oder wie man eine Nahverkehrsabgabe gestaltet. Es steht dort nichts darüber, wie man die Einnahmen erhöhen kann. Die Stelle des Mobilitätsbeauftragten ist das Einzige, was man dort findet. Sie haben sich gewundert, dass sich Herr Dieter darüber aufgeregt hat.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Er hat sich über etwas anderes aufgeregt!)

Ja, aber er hat sich auch darüber aufgeregt. Sie können es noch einmal nachlesen. Dort sind explizit 50.000 € aufgeführt. Das gibt es bei keinem anderen Beauftragten, dass das explizit im Gesetz steht. Dass sich dann all diejenigen, die selbst sparen sollen, darüber aufregen, sollte Sie nicht allzu sehr verwundern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Das sagen immer die anderen!)

Genau. – Aber selbst bei den Regionalisierungsmitteln vermisse ich das Engagement der Landesregierung. Herr Saebisch hat gesagt, Sie würden sich engagieren. Ich habe hier noch nichts davon gesehen. In anderen Bundesländern werden Anträge gestellt, z. B. im Zusammenhang mit dem GVFG. Das sind investive Mittel.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Sie brauchen mich nicht zu korrigieren. Aber Sie, Herr Müller, haben in einer Ausschusssitzung angekündigt, die Landesregierung werde einen Gesetzentwurf vorlegen.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich habe noch zwei Sekunden.