Protocol of the Session on November 21, 2012

Das entscheiden die Wählerinnen und Wähler. Sie haben die Nase von einer solchen Partei wie der FDP ziemlich voll.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen heute eine Aufklärung der Landesregierung, ob sie beabsichtigt, wie von der FDP bestätigt, Herrn Noll als Vizepräsidenten des Hessischen Rechnungshofs dem Hessischen Landtag vorzuschlagen. Wenn Sie sich um die Antwort drücken, werden wir Ihnen Gelegenheit geben, anderweitig darauf zu antworten. Hier gibt es keinen Ausweg für Helden. Der Hessische Rechnungshof muss weiter unabhängig arbeiten und bietet keinen Platz für Parteibuchwirtschaft. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat sich Herr Staatsminister Dr. Schäfer zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Schäfer.

(Timon Gremmels (SPD): Sie hat es also getroffen!)

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Redebeiträge der Landesregierung werden selbstverständlich nicht intern ausgelost, Herr Abg. Gremmels, sondern es geht nach der Geschäftsordnung der Landesregierung und der Verteilung der Zuständigkeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Sie kennen die gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Hessischen Rechnungshofs. Zu dieser gesetzlichen Grundlage gehört, dass die Mitglieder des Rechnungshofs – –

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Frau Fuhrmann, ich habe eben mit unglaublicher Gelassenheit den Elogen Ihres Kollegen Rudolph gelauscht. Vielleicht sind so nett, mir erst zuzuhören, bevor Sie sich eine Meinung zu dem Sachverhalt bilden.

§ 4 des Hessischen Rechnungshofgesetzes sieht vor, dass die „normalen“ Mitglieder des Rechnungshofs vom Ministerpräsidenten auf Vorschlag des Präsidenten des Rechnungshofs ernannt werden. Präsident und Vizepräsident werden auf Vorschlag der Landesregierung vom Hessischen Landtag gewählt. Dem Vorschlag der Landesregierung geht ein Kabinettsbeschluss voraus. Den Kabinettsbeschluss zur Nominierung der Kandidaten erstellt traditionsgemäß – deshalb stehe ich hier – der Hessische Minister der Finanzen. Ich habe bisher weder eine Kabinettsvorlage

unterschrieben noch eine solche in Auftrag gegeben. – So weit zum Sachstand und zur Beantwortung Ihrer Fragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin nicht sicher, ob wir klug beraten sind, in allen Fällen, wenn Menschen eine politische Vita aufweisen, bevor sie, auf welchem Weg auch immer, ins Gespräch für weiterführende Positionen kommen, mit den üblichen Ritualen, wie sie eben bei Herrn Rudolph erkennbar wurden, zu reagieren und uns im nächsten Schritt gemeinsam darüber zu beschweren, wie schlecht das Image von Politikern ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD)

Deshalb bin ich sehr froh, dass bei der Ernennung einer langjährigen wissenschaftlichen Mitarbeiterin der SPDLandtagsfraktion zur Direktorin beim Hessischen Rechnungshof,

(Günter Rudolph (SPD): Ich weiß, wen Sie meinen, aber das ist falsch!)

die vor Kurzem erfolgte, die Frage ihrer Qualifikation bisher nicht Gegenstand öffentlicher Diskussionen gewesen ist. Ich bin genauso froh, dass nach der Debatte in der letzten Woche über die berufliche Zukunft des Abg. Milde, dessen Qualifikation von niemandem bestritten worden ist, die vorangegangenen Berufungen in die Geschäftsleitung eines unserer Infrastruktur-Förderinstitute, die jahrelang mit sozialdemokratischem Spitzenpersonal belegt worden sind, niemals thematisiert und negativ beantwortet worden sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Was erzählen Sie denn da? – Norbert Schmitt (SPD): Das ist sachlich richtig!)

Das ist zwar sachlich richtig, zeugt aber nicht davon, dass Sie vollständig zugehört haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich habe nämlich „unsere Wirtschaftsförderinstitute und ihre Vorgängerinstitute“ gesagt. Dabei reden wir über die IBH und die LTH. Da können wir gern in die Vita dieser Unternehmen eintauchen und parteipolitische Zuordnungsspiele machen. Die werden sicherlich so ausgehen, dass Sie dort über Mehrheiten verfügen, die Sie hier im Hause nicht haben.

(Gernot Grumbach (SPD): Der Rechnungshof und die LTH sind das Gleiche, oder wie?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abstrakt auf etwas – –

(Zurufe von der SPD)

Ich habe doch versucht, auf die Debatte in den letzten Wochen zu rekurrieren.

Lassen Sie mich einen Punkt zur Frage der Vereinbarkeit von Amt und Mandat hinzufügen. Selbstverständlich ist das gleichzeitige Wahrnehmen einer Funktion beim Rechnungshof und als Abgeordneter des Hessischen Landtags unvereinbar. Aber es ist keineswegs so, dass das unmittelbare Anschließen von Tätigkeiten auf unterschiedlichen Ebenen der Staatsgewalt und eine Tätigkeit beim Rechnungshof einander ausschließen.

Ein Beispiel: Bei der letzten Berufung in einen bundesdeutschen Landesrechnungshof, den Landesrechnungshof von Nordrhein-Westfalen, ist ein amtierendes Mitglied der

Landesregierung, eine amtierende Staatssekretärin, von einem zum anderen Tag zur Präsidentin des Rechnungshofs berufen worden – eine ausgesprochen qualifizierte Bewerberin, die ich aus gemeinsamer Arbeit kenne. Das schließt sich offensichtlich nicht aus, und die Frage der Befangenheit aus vorhergehendem Tun kann man durch ordentliche Compliance-Regelungen ausschließen. Der langjährige, für die hessische Sozialdemokratie – –

(Norbert Schmitt (SPD): Hat die die gleiche Superqualifikation wie Herr Noll?)

Herr Kollege Schmitt, es gibt Geeignetere als Sie, die sich über Qualifikationen öffentlich äußern dürfen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Sie vielleicht? Mit dem Noll kann ich noch mithalten!)

Der langjährige Präsident des Bundesrechnungshofs Karl Wittrock war vorher Staatssekretär und auch Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Die Liste ließe sich fortsetzen. Damit es parteipolitisch ausgewogen bleibt: Die Abgeordnete des Deutschen Bundestages Christa Vennegerts von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist nahtlos aus dem Amt einer Abgeordneten heraus Vizepräsidentin des Thüringer Rechnungshofs geworden.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Ah!)

Es mag Argumente dafür wie dagegen geben. Das will ich nicht bestreiten. Wir sollten aber gemeinschaftlich nicht so tun, als sei das eine des Guten und das andere des Bösen.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, zu handeln. Man muss jeweils abwägen. Es gibt in der Praxis der Bewerbung von Rechnungshöfen unterschiedlichste Vorlieben. Die Hessische Landesregierung wird Ihnen im kommenden Jahr auf der Basis des Rechnungshofgesetzes einen Vorschlag für die Besetzung des Amts sowohl des Präsidenten als auch des Vizepräsidenten machen, der einen ausgewogenen Mix von Qualifikationen an den Tag legen wird. Diesen Vorschlag werden wir Ihnen zu gegebener Zeit unterbreiten – und zwar als Landesregierung in eigener Verantwortung.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Staatsminister Schäfer. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Wagner das Wort. Bitte schön, Herr Wagner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Finanzminister, das waren ziemlich viele Worte für einen angeblich ganz normalen Vorgang.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Der Rechnungshof in unserem Land ist etwas Besonderes. Es war bis vor Kurzem in diesem Hause unstrittig, dass der Rechnungshof für parteipolitische Spielchen, für eine parteipolitische Versorgung tabu ist. Offenkundig gilt das nicht mehr. Wir bedauern das ausdrücklich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir erleben in diesen Tagen einen unverfrorenen Angriff auf die Unabhängigkeit des Rechnungshofs.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Es ist das große Verdienst des amtierenden Präsidenten, Prof. Eibelshäuser, der sich um die weitere Professionalisierung des Rechnungshofs bemüht hat, und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass der Rechnungshof heute eine ungeahnte Qualität hat, dass er uns allen ein wichtiger Berater bei unseren Entscheidungen ist, dass er ein wichtiger Mahner für uns im Parlament ist, dass er unabhängige Berichte liefert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Er liefert unabhängige Berichte, die manchmal der Opposition nicht gefallen, weil sie aussagen, dass das, was wir für einen Skandal gehalten haben, gar keiner war, und die manchmal der Regierung nicht gefallen, weil sie aussagen, dass die Opposition doch recht hatte. Das ist die Unabhängigkeit, das ist die Qualität, die der Rechnungshof unter Prof. Eibelshäuser erlangt hat. Dafür Ihnen, Herr Prof. Eibelshäuser, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Weil Herr Prof. Eibelshäuser die Professionalisierung derart vorangetrieben hat, gilt eine ganz einfache Feststellung: Herr Noll würde bei diesem Rechnungshof mit seiner Qualifikation nicht als Mitarbeiter eingestellt.

Sie wollen ihn aber zum Vizepräsidenten dieser Behörde machen. Das ist unanständig, und das zeugt von mangelndem Respekt vor den Institutionen unseres Landes. Meine Damen und Herren, Sie versündigen sich damit an der Lebensleistung von Prof. Eibelshäuser.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der FDP)