DIE LINKE sagt schon immer: Die Menschen müssen nicht aktiviert werden. Kein Mensch gerät freiwillig in Armut. Kein Mensch bleibt freiwillig in Armut. Die Eltern der 22 % Kinder, die in Frankfurt auf Sozialtransfers angewiesen sind, würden sicher alles tun, um der Armut zu entkommen, damit sie ihren Kindern mehr als Nahrung und Kleidung – das Existenzielle – bieten können.
In ganz Hessen haben wir nach offiziellen Statistiken knapp 85.000 erwerbstätige Menschen, die dennoch SGB II beziehen, weil der Lohn die Existenz nicht sichert. Der Autor der erwähnten Studie hat zur Ursache wachsender Armut trotz sinkender Arbeitslosigkeit Folgendes vermutet: „Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist nicht mehr so armutsvermeidend, wie sie es früher einmal war.“ Wenn selbst sozialversicherungspflichtige Beschäftigung immer weniger armutsvermeidend ist, dann zeigt das, dass wir ein gravierendes Problem haben, das heißt: arm trotz Arbeit.
Hier hat eine problemorientierte Sozialpolitik anzusetzen. Aktivierung und Ehrenämter lösen gar nichts, sondern verschlimmern die Lage. Die Sanktionen und Leistungskürzungen im Bereich Hartz IV belegen das. Sie wurden von SPD und GRÜNEN – tut mir leid – eingeführt. Mehrere Anträge der LINKEN zur Abschaffung wurden im Landtag auch von SPD und GRÜNEN abgelehnt.
Ich behaupte, es ist gar nicht das Ziel der sogenannten aktivierenden Sozialpolitik von Schwarz-Gelb, die eben skizzierten Probleme zu lösen. In den letzten zehn Jahren hatte die ärmere Hälfte der Bevölkerung reale Nettoeinkommensverluste hinzunehmen, während die oberen 50 % gewonnen haben. Nennenswerte Zuwächse gab es nur in den oberen 10 %. Den höchsten Zuwachs, nämlich sage und schreibe knapp 50 %, konnte das obere 1 % zu verzeichnen; mein Kollege van Ooyen ist heute Mittag bereits näher darauf eingegangen.
Herr Grüttner, Sie haben mehr oder minder vehement gegen die Umverteilungsabsichten breiter zivilgesellschaftlicher Bündnisse gesprochen. Ich erinnere mich an den Abend mit der Liga. Ihr Benehmen dort fand ich hart an der Grenze dessen, was erträglich ist. Ihr Ziel und das der Landesregierung ist es, den Reichtumszuwachs der oberen 10 % abzusichern. Dagegen setzen wir eine aktive und umfassende Sozialpolitik.
Im Gegensatz zur SPD meinen wir das ernst. Mit Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, dass die SPD all unsere sozialpolitischen Anträge abgelehnt hat. Ich danke Ihnen für diese klare Aussage. Jetzt wissen wir, was die SPD meint, wenn sie von einem sozialpolitischen Neustart redet. Selbst kleinste sozialpolitische Vorhaben stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Sie unterliegen den finanziellen Restriktionen, die Sie zusammen mit Ihren enormen Steuersenkungen für Kapitalgesellschaften und Spitzenverdiener erst geschaffen haben.
Meine Damen und Herren von SPD und GRÜNEN – Sie von Schwarz-Gelb sowieso –, Sie haben folgende Anträge von uns abgelehnt: die Mittel für Gehörlosengeld – in anderen Bundesländern gibt es ein solches Gehörlosengeld –; die Erhöhung des Schulgeldes in der Altenpflege – wir haben heute gehört, wie wichtig und zentral dieses Thema ist, aber das geht nur, wenn man die Altenpflegeschulen vernünftig ausstattet;
(Beifall bei der LINKEN – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielleicht schlagt ihr einfach nur die falschen Sachen vor! – Unruhe)
Einen Moment, Frau Kollegin. – Der Geräuschpegel ist jetzt in allen Teilen des Raumes so hoch, dass man der Rede kaum folgen kann. Ich bitte darum, wichtige Gespräche nach außen zu verlagern, damit wir der Rednerin folgen können. – Bitte.
danke, Herr Präsident –; die Erhöhung der Mittel für die Schwangerenkonfliktberatung auf das alte Niveau; das Rückgängigmachen der CDU-Operation „Düstere Zukunft“; die Finanzierung der Mehrbedarfe für Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen – dies haben die GRÜNEN
Herr Schäfer-Gümbel, Sie haben heute Morgen ein Beispiel über Ausbeutung übelster Sorte gebracht. Ich habe Ihnen Beifall geklatscht, als Sie gesagt haben: Das wollen wir nicht. – Ich bin froh darüber, dass Sie das auch nicht wollen. Aber Ihre Partei ist doch verantwortlich für Hartz IV und die völlige Liberalisierung der Arbeitswelt. Sie haben doch die Ursachen für genau diese Situationen geschaffen. Es ist das Ergebnis dessen, was Sie haben wollten.
Jetzt bringen Sie hier das traurige Beispiel und sagen, wie schrecklich es ist und dass Sie das nicht wollen. Wenn Sie es nicht wollen, dann distanzieren Sie sich von dem, was Sie damals erfunden haben.
(Beifall bei der LINKEN – Thorsten Schäfer-Güm- bel (SPD): Ich habe überhaupt keinen Anlass, mich zu distanzieren!)
Den haben Sie, wenn Sie das, was Sie heute Morgen gesagt haben, auch nur im Allergeringsten ernst meinen.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sie verstehen es seit acht Jahren nicht und werden es auch in Zukunft nicht verstehen!)
Sie haben die Grundlage für solche Arbeitsbedingungen geschaffen, wie Sie sie heute Morgen tränenreich beschrieben haben.
Das ist doch der Hohn, da sind Sie sich doch selbst untreu. Entweder Sie wollen solche Arbeitsverhältnisse nicht, dann sagen Sie klar, dass Hartz IV ein Fehler war. Oder Sie finden in Ordnung, dass das passiert ist, was Sie eingetütet haben. Aber dann stehen Sie auch dazu.
Wer soll Ihnen Ihre Betroffenheit glauben, wenn Sie 330.000 € für Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen ablehnen? Wer soll Ihnen das glauben?
Sie haben es auch abgelehnt. Also brauchen Sie gar nicht so hämisch Beifall zu klatschen. Sie waren nicht die Bohne besser.
Die Frauen, die dort ihre Arbeit machen, die wirklich engagiert ihre Arbeit machen, betreuen doch genau die Frauen, die Hilfe brauchen.
Herr Bouffier hat heute Morgen gesagt: Wenn man einen armutsfesten Lohn schaffen will, müsste man mindestens 11,50 € fordern. Er hat behauptet, dass sei nicht machbar.
Die Kehrseite der Armut der vielen ist der immense Reichtum der wenigen, der oberen 5 % oder des oberen 1 %. Die Kehrseite der um sich greifenden Armut trotz Arbeit ist der weiter wachsende Reichtum ohne Arbeit. Statistisch sind ca. 80 % der Einkünfte der oberen 5 % Kapitaleinkommen, also Einkommen, welches ohne jede Arbeitsleistung zufließt.
Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, wissen Sie, ich hätte noch nicht einmal ein Problem, wenn wir darüber reden würden, ob ein Betrieb in der Gründungsphase Menschen zu niedrigen Löhnen beschäftigt, wenn ein Betrieb in der Krise Menschen zu niedrigen Löhnen beschäftigt. Aber es gibt keine Form der Kontrolle, wie viel jemand in seiner Firma verdient und wie wenig er seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bezahlt. Jeder Hartz-IVEmpfänger muss jeden Tag die Hose runterlassen,
um auch nur dieses geringe Geld zu kriegen. Aber wenn jemand ausbeuten kann und will, dann kann er das, ohne dass in irgendeiner Form kontrolliert wird, ob das Grund hat oder ob es nur der eigenen Bereicherung dient. Das ist eine Sauerei, und das ist eine einseitige Politik.
Diese Regierung nimmt billigend in Kauf, dass Menschen in Armut leben, obwohl sie arbeiten, und dass immer mehr Menschen ihr Alter in Armut verbringen. Ihr Gerede, ein armutsfester Mindestlohn sei nicht möglich, folgt – ich sagte es schon – dem Ziel, die Einkommenszuwächse der oberen 10 % zu sichern und weiter zu erhöhen. Die aktivierende Sozialpolitik und die Sanktionen haben eine ganz einfache Funktion: die Menschen dazu zu bringen, die Armutslöhne zu akzeptieren. Sie haben noch mehr Angst vor der Arbeitslosigkeit.
Gegen diese Politik der Verarmung setzt DIE LINKE eine aktive und umfassende Sozial-, Arbeitsmarkt- und Einnahmepolitik. Dazu gehört insbesondere ein armutsfester Mindestlohn. Dazu gehört weiterhin eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Denn allein ein armutsfester Mindestlohn würde auch in Hessen nicht ausreichen, alle Menschen, die arbeiten wollen, mit existenzsichernder Beschäftigung zu versorgen.
Deshalb werden wir wie in den letzten Jahren auch in diesem Jahr wieder einen Antrag für ca. 6.000 mehr Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas einbringen sowie einen Antrag auf Umwandlung der verbliebenen Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige und existenzsichernde Stellen.
Ich weiß, dass der Arbeitsmarkt, was die Erzieherinnen betrifft, leer geräumt ist. Aber dann ist es die Aufgabe, zu schauen, was man da tun kann. Da reicht nicht aus, was hier getan wird. Wir verlieren jedes Jahr 20 % junger, gut ausgebildeter Erzieherinnen und Erzieher, weil die Arbeitsbedingungen so sind, dass sie lieber im Supermarkt Regale einräumen gehen. Das weist eine Studie nach. Sorgen Sie dafür, dass die Arbeitsbedingungen besser werden. Das ist ein Teil davon, das Problem zu lösen. Dann gewinnen wir diese Menschen vielleicht zurück und verlieren nicht jedes Jahr weitere gut ausgebildete Menschen.
Diese Gesellschaft verfügt von Jahr zu Jahr über einen pro Kopf wachsenden Reichtum. Er ist nur immer ungleicher verteilt. Deshalb ist eine der Leitlinien linker Gesellschafts- und Sozialpolitik: Es ist genug Geld da, um sinnvolle Arbeit zu schaffen, und es gibt mehr als genug sinnvolle Aufgaben und Herausforderungen, für deren Bewältigung dieses Geld eingesetzt werden muss.
Meine Damen und Herren von CDU, SPD und GRÜNEN, sollten Sie unseren beiden noch ausstehenden Anträgen für
mehr Erzieherinnen in Kitas und für die Umwandlung von Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen nicht zustimmen, werden wir das sehr bedauern. Aber einmal mehr wären dann die sozial- und arbeitsmarktpolitischen Fronten geklärt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Normalerweise laufen Haushaltsdebatten nach festgelegten Ritualen. Dieses Mal haben wir etwas anderes erlebt. Dass sich die Opposition mehr mit sich selbst beschäftigt und gegeneinander geht, statt sich mit dem Haushalt auseinanderzusetzen, ist sozusagen eine Premiere. Allerdings ist es natürlich auch mehr als verständlich; denn viele Aussagen, die heute Morgen in der Aussprache zum Einzelplan 02 getroffen worden sind, haben nicht gerade von tiefer gehender Sachkenntnis gezeugt.
Herr Kollege Dr. Bartelt hat das an dem Beispiel Betreuungs- und Versorgungsquote festgemacht und verdeutlicht. Dass Herr Spies nicht weiter darauf eingegangen ist, ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass es morgen noch einen Setzpunkt zu dieser Thematik gibt. Dann kann man sich noch intensiv damit auseinandersetzen. Gehen Sie allerdings davon aus, dass in diesem Haushalt für den Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren insgesamt im Investitionsbereich 100 Millionen € zur Verfügung stehen
und dass insbesondere für Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung im Doppelhaushalt mehr als 860 Millionen € zur Verfügung gestellt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein deutliches und klares Bekenntnis einer Schwerpunktsetzung in die Zukunft unseres Landes, wenn wir in unsere Kinder investieren, und das machen wir. Wir machen das zielgerichtet.
Was in dieser Debatte auch deutlich geworden ist – das sage ich immer wieder –: Es gibt einen fundamentalen Unterschied in der Sozialpolitik zwischen dem, was die Regierungsfraktionen und diese Landesregierung vertreten, und dem, was die Opposition in diesem Landtag vertritt. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen sehen die Menschen an. Sie wollen den Menschen helfen. Sie verordnen den Menschen nicht das, von dem sie zu wissen glauben, was besser ist, sondern sie versuchen, sie mit ihren Kräften, die sie haben, zu fördern, um ihnen zu helfen, wenn sie in Notlagen sind, sich aus diesen Notlagen selbstständig herauszuarbeiten. Dafür bieten wir alle Unterstützung an. Wir bieten nicht einen Sozialstaat an, der weiß, was für die Menschen gut ist, oder der meint, zu wissen, was für die Menschen gut ist, und ihnen vorschreibt, was