Protocol of the Session on September 6, 2012

Das Wort hat Herr Sozialminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle zwei Punkte aufgreifen, weil ich durchaus nachvollziehen kann, dass die Fragestellung des Verhältnisses zwischen hauptamtlichen Betreuern auf der einen Seite und ehrenamtlichen Betreuern und Betreuungsvereinen auf der anderen Seite schon eine wesentliche Betrachtung beinhaltet. Ich finde, wo wir uns nicht verstecken müssen – das war auch in den Beratungen auf Bundesebene relativ klar –: Wir haben in Hessen mit dem Modell Betreuung im Tandem eine Funktion, die es bundesweit sonst nicht gibt, in dem ehrenamtliche Betreuungsvereine und Betreuer und hauptamtliche Betreuer in einer Zusammenarbeit zwischen Justizministerium auf der einen Seite und Sozialministerium auf der anderen Seite wirken.

Das hat massiv Eingang auch in die Beratungen der Arbeitsgruppe auf Bundesebene bis hin zur Fragestellung des hessischen Curriculums zur Weiterqualifikation im Bereich des Betreuungswesens gefunden. Wir wissen, dass genau diese Punkte Anlass dafür gewesen sind, dass sich auf der Bundesebene die Meinung durchgesetzt hat, dass das Betreuungsrecht weiterentwickelt werden soll, und für uns die Ansage gilt, dass im Laufe des ersten Halbjahres des nächsten Jahres der Entwurf eines neuen Betreuungsrechts vorliegt, in den vieles von den hessischen Erfahrungen einfließt.

Das war für uns der Grund, an dieser Stelle nur in eine Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes hineinzugehen, nicht eine grundlegende Strukturreform und damit die Gesamtproblematik der divergierenden Finanz- und Handlungsverantwortung im Bereich der Finanz- und Sozialhaushalte aufzugreifen, sondern zu warten, was auf Bundesebene an Rahmen vorgegeben wird, den wir durch Landesrecht entsprechend ausfüllen können.

Ich finde, dass wir uns nicht verstecken müssen. Wer die Tagung im Hinblick auf die Betreuungssituation in Hessen und das Erfolgsmodell Betreuung im Tandem gesehen hat, wird wissen, dass wir auf einem guten Weg sind. Die Anerkennung der ehrenamtlichen Arbeit ist da. Möglicherweise folgt auch durch die Rahmengesetzgebung des Bundes noch eine stärkere finanzielle Unterstützung. Das sollten wir abwarten. Aber da das Gesetz befristet ist, ist das jetzt der richtige Weg, eine Verlängerung vorzunehmen, damit wir dann eine Anpassung durchführen können, wenn die entsprechenden bundesrechtlichen Rahmenbedingungen vorliegen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank. – Damit beende ich auch die Aussprache zu diesem Gesetzentwurf und rufe zur Abstimmung auf.

Wer in zweiter Lesung dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Aus

führungsgesetzes zum Betreuungsgesetz seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer enthält sich der Stimme? – Gegenstimmen? – Keine. Dann ist bei Zustimmung von CDU und FDP und Enthaltungen der übrigen Fraktionen des Hauses dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen und damit zum Gesetz erhoben.

Ich komme damit zu Tagesordnungspunkt 13:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Kindergesundheitsschutz-Gesetzes – Drucks. 18/6048 neu zu Drucks. 18/5720 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion. Zunächst erfolgt die Berichterstattung von Frau Abg. Ravensburg.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Der Sozialpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP bei Enthaltung der Stimmen der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung anzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Frau Abgeordnete, vielen Dank. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Spies für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird diese Änderung des Kindergesundheitsschutz-Gesetzes ablehnen, weil er wesentliche – –

(Günter Rudolph (SPD): Wir enthalten uns! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wir enthalten uns gemeinsam!)

Jetzt hat er mich ganz durcheinandergebracht, mein Gott.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Günter Rudolph (SPD): Die SPD enthält sich!)

Wir werden dem Gesetzentwurf jedenfalls – was machen wir?

(Günter Rudolph (SPD): Nicht zustimmen!)

genau – nicht zustimmen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Das sage ich doch. Ich weiß gar nicht, was ihr wollt. Was macht ihr denn hier für ein Durcheinander?

Meine Damen und Herren, wir sollen jetzt zuhören.

Wir werden

(Minister Stefan Grüttner: Nicht zustimmen!)

dem Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil er wesentliche Anforderungen, die dieses Gesetz erfüllen müsste, nicht erfüllt

(Heiterkeit bei der LINKEN und bei Abgeordne- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und weil er die Mängel, die im KindergesundheitsschutzGesetz stecken, leider nach wie vor nicht beseitigen wird.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Erster Punkt. Dieser Gesetzentwurf – –

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, zuzuhören. Das dicke Ende kommt für Sie noch.

Dieser Gesetzentwurf beschränkt sich weiterhin – das ist keine sinnvolle Entscheidung – auf die Verpflichtung zur Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen allein auf Kinder im Alter der Vorsorgeuntersuchungen bis U9 und unterlässt es, die Untersuchung J1 mit aufzunehmen. Wir haben dies im Ausschuss explizit beantragt, weil die Teilnahmequote in der Jugenduntersuchung J1 inzwischen so schlecht ist, dass es an dieser Stelle hilfreich wäre, die gesundheitspräventiven Ansätze des bestehenden Gesetzes in diese Änderung mit aufzunehmen.

Zweitens. Die Beurteilung der Qualität des bestehenden Kindergesundheitsschutz-Gesetzes durch die Landesregierung und die daraus von ihr abgeleiteten Änderungsbedarfe greifen leider zu kurz, weil die Landesregierung davon ausgeht, dass bereits die veränderte Teilnahmerate an den U-Untersuchungen der eigentliche Zweck des Gesetzes sei und das Gesetz damit erfolgreich. Gleichzeitig weist sie den Vorschlag, die J1-Untersuchung mit aufzunehmen, mit dem Hinweis zurück, es ginge gar nicht um die Teilnahme an U-Untersuchungen, sondern um Maßnahmen zur Entdeckung und Verhinderung der Kindesvernachlässigung und Kindesmisshandlungen.

Genau dieser Widerspruch führt aber dazu, dass dieser Gesetzentwurf das Kindergesundheitsschutz-Gesetz nur unzureichend verändern wird. Denn die gegenwärtige Lösung führt zu einem Mehraufwand der kommunalen Seite von insgesamt 17 Stellen zur Bearbeitung der Irrläufer, für die überhaupt keine Notwendigkeit besteht. Eltern, deren Kinder nicht im richtigen Zeitraum, bei einem anderen Kinderarzt oder außerhalb Hessens an den U-Untersuchungen teilgenommen haben, die also den Auflagen des Gesetzes gefolgt sind, tauchen als Irrläufer bei den Jugendämtern auf. Das sind insgesamt 4.500 Fälle pro Jahr. Das ist ein enormer bürokratischer Aufwand aufgrund der Fehlwarnungen.

Dabei geht es nicht darum, dass das Kindergesundheitsschutz-Gesetz immerhin eine sehr beschränkte Zahl an Fällen von Kindern entdeckt hat, die erst auf der Grundlage dieses Gesetzes der Jugendhilfe bekannt wurden. Mit dem gleichen Aufwand könnte man weitaus effizienter und wirksamer genau das Gleiche tun.

Das ist also eine unsinnige Lösung, die der kommunalen Seite einen erheblichen bürokratischen Aufwand zumuten würde. Das Problem könnte an der richtigen Stelle gelöst werden.

Ginge es allerdings tatsächlich um den Parameter, mit dem die Landesregierung das bestehende Gesetz beurteilt, nämlich die Teilnahme an den Untersuchungen, dann wäre die Aufnahme der J1 eine völlig schlüssige Konsequenz. Diese Widersprüchlichkeit im Verhalten der Landesregierung und die Widersprüchlichkeit in den Änderungsvorschlägen zum Gesetz führen dazu, dass wir dieser Lösung nicht zustimmen können.

Das Kindergesundheitsschutz-Gesetz ist richtig, wenn es zur Teilnahme an den U-Untersuchungen motiviert. Es ist hinsichtlich der von der Landesregierung, CDU und FDP, hauptsächlich behaupteten Wirkung ungeeignet, nämlich der Entdeckung von Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung. Sie sollen effizient und wirksam identifiziert werden. Es ist völlig klar: Dafür gäbe es bessere Methoden. Deshalb muss das Gesetz grundsätzlich revidiert werden, um diesen Anforderungen angemessen zu genügen. Deshalb greift die vorgesehene Änderung zu kurz und kann unsere Zustimmung nicht erfahren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Petra Fuhrmann (SPD): Deshalb enthalten wir uns!)

Das Wort erhält Herr Abg. Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich mache es in der gebotenen Kürze. Das ist die zweite Lesung. Wir haben während der ersten Lesung schon ausführlicher darüber gesprochen.

Im Widerspruch zu Herrn Kollegen Dr. Spies muss ich sagen, dass wir dieses Gesetzesvorhaben nicht für einen Widerspruch dazu halten, in diesem Gesetz weitere Maßnahmen vorzusehen, sondern das ist ein möglicher Baustein.

Herr Minister Grüttner, wenn ich es richtig in Erinnerung behalten habe, dann haben Sie gesagt: Wenn angesichts dieses Aufwandes auch nur zwei Fälle zutage treten oder verhindert werden, dann hat sich der Aufwand gelohnt. – Dazu kann ich nur sagen: Dem schließen wir uns an. – Diese durchaus bürokratische und aufwendige Angelegenheit hat in Hessen vermutlich dazu geführt, dass 25 Fälle entdeckt wurden. Ich glaube, das rechtfertigt den Aufwand.

Insofern stehen wir hinter den verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen und werden den Gesetzentwurf auch nicht ablehnen. Wir enthalten uns deshalb, weil wir der Auffassung sind, dass es vieler weiterer Bausteine der Prävention bedarf. Weil das alles nicht im Gesetzentwurf steht, ist also nicht das Entscheidende, was drinnen steht, sondern das, was fehlt. Deswegen ist er für uns nicht zustimmungsfähig.

Ich finde, die Landesregierung steht in der Pflicht, sich viel verstärkter darüber Gedanken zu machen, wie die Akteure vernetzt werden können, wie präventive Maßnahmen, wie frühe Hilfe, noch viel mehr vor Ort verstärkt

werden können. Das alles wird mit diesem Gesetzesvorhaben nicht bearbeitet. Deswegen wird es von uns auch keine Zustimmung erfahren.

Allerdings sind wir der Auffassung, dass die Vorsorgeuntersuchungen der richtige Baustein sind, und werden deshalb diesem Teil zustimmen. Weil so viel fehlt, führt das am Ende zu unserem Votum, dass wir bei der Enthaltung bleiben. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)