Ich muss sagen, ich wundere mich schon etwas darüber, wenn Sie sich hierhin stellen und sagen, wir würden den ÖPNV vernachlässigen. Das Gegenteil ist der Fall. Reden Sie einmal mit den Experten; dann werden Sie das auch zu hören bekommen.
Die 20 Millionen €, die gekürzt wurden, sind noch im KFA. Wenn es nach uns geht und die kommunale Familie mitmacht, dann nehmen wir die gern wieder in die ÖPNVFörderung zurück.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist jetzt nicht Ihr Ernst! Das gibts doch nicht!)
Wenn ich das Thema Energiepolitik höre, dann frage ich Sie: Meinen Sie etwa wirklich, dass es ausreicht, die Industrie ökologisch umzubauen, und dann funktioniert die Industrie auch in den nächsten 20 Jahren? – Da berühren Sie einen kleinen Teil der Industrie. Sie ökologisch auszurichten, ist das eine. Wir brauchen zukunftsfähige Industriezweige, die ökologisch arbeiten können. Wir brauchen aber auch zukünftige Industriezweige, die wir dann mit neuen, sicheren Arbeitsplätzen belasten können.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Von nichts eine Ahnung!)
Wenn es um die Privilegierung der Industrieunternehmen geht, was die Strompreise anbelangt, dann sind es doch die GRÜNEN, die fordern, dass diese Privilegierung abgeschafft werden soll. Dann sind Sie es doch, die mit ihrer Forderung dafür sorgen würden, dass noch mehr Industrieunternehmen abwandern würden – und damit die Arbeitsplätze. In Ihrer Welt sind an den fehlenden Arbeitsplätzen dann wieder CDU und FDP schuld, und das kann nicht sein. Genau diese industriepolitischen Unterschiede sind heute sehr schön deutlich geworden. – Vielen Dank für diese Debatte.
Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Damit sind wir am Ende der Aussprache. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Ich gehe davon aus, dass beide Anträge in den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr gehen. Das ist der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend marktwirtschaftliche Industriepolitik ist integraler Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft, Drucks. 18/5535, zusammen mit dem Dringlichen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend hessische Industrie stärken – Chancen der ökologischen Modernisierung nutzen, Drucks. 18/ 5886.
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte am Universitätsklinikum Gießen und Marburg – Drucks. 18/5861 zu Drucks. 18/5588 –
Berichterstatter ist Herr Abg. Dr. Müller (Gelnhausen). Herr Dr. Müller, Sie haben die Berichterstattung, bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe Ihnen die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Stärkung der Arbeit
Die Beschlussempfehlung lautet: Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst empfiehlt dem Plenum einstimmig, den Gesetzentwurf anzunehmen.
Vielen Dank, Herr Dr. Müller. – Es hat sich Herr Kollege Dr. Spies von der SPD-Fraktion gemeldet. Die vereinbarte Redezeit beträgt sieben Minuten und 30 Sekunden.
(Holger Bellino (CDU): Die muss man aber nicht ausnutzen! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Das kann man aber!)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle noch einmal meinen Respekt für die Mehrheitsfraktionen im Hessischen Landtag zum Ausdruck bringen. Dass wir angesichts eines so streitigen Themas wie der Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, wo auch weiterhin sicherlich an vielen Punkten unterschiedliche Auffassungen bestehen, zu einer gemeinsamen Linie in dieser Frage kommen, ist, wie ich finde, ein hervorragendes Zeichen, ein Hinweis darauf, dass es weiterhin den Versuch lohnt, auch in der Lösung all der anderen Probleme zu einem gemeinsamen Weg zu kommen.
Lassen Sie mich für die SPD-Fraktion vorneweg noch einmal klarstellen, damit wir auch über die Uneinigkeiten keine Zweifel haben, dass sich an unserer Vorstellung, dass die Privatisierung gescheitert ist, nichts ändert. Nicht nur wir haben diese Auffassung, sondern der Medizinische Fakultätentag, beide Standorte, beide Hochschulen, beide Fachbereiche und ganz viele darüber hinaus haben sie. Ich mag Ihnen gar nicht erzählen, wer mir diese Einschätzung alles bestätigt.
Die Frage, ob die Privatisierung in Gänze gescheitert ist oder nicht und was daraus folgt, muss heute nicht im Zentrum stehen. Heute stehen die Situation der Beschäftigten am Universitätsklinikum Gießen und Marburg und die Auswirkungen im Zentrum, die die Entwicklungen der letzten Wochen, Monate und Jahre auf die Situation vor Ort gehabt haben. Wir erinnern uns, dass vor einigen Monaten die Behauptung eines Stellenabbaus von 500 Beschäftigten im Raum stand, dass das entschieden bestritten wurde, auch gegenüber dem Ministerpräsidenten, wie ich ihn vernommen habe, und dass wir anschließend festgestellt haben: All Lögen und Schiete, es war die Wahrheit, wie inzwischen Dokumente, die einzelnen Presse organen offenkundig vorliegen, deutlich gemacht haben. Diese Pläne gab es allerdings, und aktuell gibt es den Plan, 236 Arbeitsplätze abzubauen.
Die Verunsicherung ist genauso groß angesichts der Möglichkeit, über die wir heute noch gar nichts aussagen können, dass ein Eigentümerwechsel zu Fresenius Helios stattfindet. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich klarstellen: Wer in Berlin-Buch 1.000 Arbeitsplätze abschafft, wer aktuell zur Prophylaxe von Arbeitskampfmaßnahmen, unter klarer Missachtung der rechtlichen
Konsense in diesem Land, 1.000 Beschäftigten der DampGruppe kündigt, um den anderen Angst vor einem Streik zu machen, wer von seinen eigenen Mitarbeitern, von fast 700 Ärzten, schriftlich bestätigt bekommt, dass der Personalabbau Grenzen erreicht hat, in denen die Patientensicherheit gefährdet ist, der ist jedenfalls kein Garant für Vertrauen in die zukünftige Sicherheit der Beschäftigungsverhältnisse in Mittelhessen. Auch das beunruhigt die Beschäftigten außerordentlich.
Meine Damen und Herren, was ist die Konsequenz? – Selbst der Wissenschaftsrat hat uns bestätigt, dass, auch wenn die Investitionen, die das Land nicht tätigen wollte, entsprechend der Vereinbarung getätigt wurden, dies tatsächlich zulasten der Beschäftigten ging und aus den Einkommen, aus der Zahl der Beschäftigten erwirtschaftet wurde. Auch der Wissenschaftsrat hat falsche Benchmarks und Arbeitsverdichtung kritisiert. Die Betriebsräte beschreiben dies sehr eindrucksvoll; lassen Sie mich den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden zitieren, der sagt, selbst sie könnten es kaum mehr ertragen, was täglich an weinenden Mitarbeitern in den Büros und Überlastungsanzeigen der Beschäftigten zu erleben sei. Das war schon vor zwei Monaten der Fall.
Meine Damen und Herren, die Bedingungen sind schwierig. Eine Mitarbeiterin schreibt in einer E-Mail, als sie fragt, wann denn jetzt die Entscheidung komme und wie denn das Ergebnis dieses Gesetzgebungsverfahrens sei – Zitat –:
Ich bin immer mit Freude zur Arbeit gegangen. Ich bin stolz, wie wir die Inbetriebnahme des Neubaus gemeistert haben, und hoffe, dass die Regierung einsieht, dass es ein Fehler war, das Klinikum Marburg und Gießen zu privatisieren, weil ich mit meiner Arbeit nicht mehr hinterherkomme, weil die Arbeitsverdichtung kontinuierlich zunimmt, weil die Auszubildenden nicht übernommen werden, weil aus den Examenskursen nur ein Bruchteil übernommen wird und weil gerade in den Intensivbereichen kaum mehr genügend Personal vorhanden ist. Die Headhunter laufen durch die Flure und versuchen, qualifiziertes Personal im Bereich der Pflege, der Ärzte und der Wissenschaftler für andere Standorte abzuwerben. Man kann es keinem verdenken.
Deshalb ist es dringlicher denn je, dass wir an diesem Punkt für Ruhe sorgen und für Beruhigung eintreten – gerade in einer Situation, in der wir nicht wissen, was morgen oder am Montag in Bezug auf die Übernahme verkündet wird. Alle Optionen sind für die Beschäftigten sicherlich nicht unmittelbar leicht. Deshalb ist es richtig, dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten einen guten Grund haben, nicht jetzt eine Veränderung ihrer Arbeitsplatzsituation zu suchen, dass diejenigen, die zum Land zurückkehren können, diese Option weit über den Tag hinaus besitzen, damit sie diese, wenn die Verhältnisse so sind, dass sie glauben, diese Option ziehen zu müssen, auch noch ziehen können und nicht auf übermorgen beschränkt sind, sondern ein weiteres halbes Jahr haben.
Deshalb ist diese Entscheidung richtig. Deshalb ist der Weg richtig. Deshalb glaube ich, dass es ein gutes Zeichen des Bemühens des gesamten Landtags ist, an dieser Stelle einen für die Beschäftigten, Patienten, Forschung und Lehre richtigen und sinnvollen Weg einzuschlagen. Ob wir am Ende tatsächlich auf eine gemeinsame Linie kommen, werden wir sehen müssen. Das hängt von Entscheidungen
Ich freue mich, dass wir gemeinsam die Interessen der Beschäftigten verbessern werden, jedenfalls in dem kleinen Umfang, der sich aus der Verfassungswidrigkeit der Überleitung der Beschäftigten ergeben hat. Richtiger wäre – das will ich an der Stelle noch einmal deutlich sagen –, wenn das Land für seine Pflichten konsequent eintreten und die Garantie übernehmen würde, dass jeder, der dann zum Land zurückkehrt, auch wohnortnah beim Land beschäftigt bleibt.
Ich möchte noch eine Ergänzung vornehmen. Die zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD, Drucks. 18/5861 zu Drucks. 18/5588, wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 20 aufgerufen:
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Privatisierung der Universitätskliniken Gießen und Marburg war „falsch“ – Verträge offenlegen – Rücknahme in die öffentliche Hand – Drucks. 18/5587 –
Als nächste Rednerin hat sich nun Frau Kordula SchulzAsche von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Die LINKEN wollten später reden. Bitte schön, Frau Kordula Schulz-Asche.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat, als Roland Koch damals in seiner Leuchtturmphase war, die Privatisierung des Universitätsklinikums Marburg-Gießen immer sehr kritisch begleitet. Wir waren schon damals der Meinung, dass die Umsetzung schlecht gemacht ist. Wir müssen jetzt feststellen, dass sie unter Roland Koch schlecht gemacht und unter Ministerpräsident Bouffier gescheitert ist.
Die gesamte Phase, auf die wir zurückblicken, ist von immer wieder neuen Aufregungen geprägt. Es ist schon erwähnt worden: Dies gilt auch für den Abbau von Arbeitsplätzen. Ich glaube, damit ist relativ deutlich geworden, dass die Privatisierung eines Universitätsklinikums zumindest sehr viel genauer betrachtet werden muss, als es damals geschehen ist. Hoffentlich wird das in Zukunft nicht weiter so sein.
Ein Beispiel dafür, wie schlecht diese Vertragsgestaltung und die Überlegungen waren, war der Umgang mit den Landesbediensteten. Deswegen begrüßen wir ausdrücklich den Gesetzesvorschlag der Sozialdemokraten, der eine Verlängerung der Rückkehrfrist für Landesbediens tete vorsieht. Ich persönlich hoffe, dass eine Phase ohne Verunsicherung der Beschäftigten eintritt, in der sie sich entscheiden können.
Meine Damen und Herren, im Moment befinden wir uns allerdings nicht in der Phase nicht vorhandener Verunsicherung, sondern es gibt einen Kampf um die Übernahme der Rhön-Klinikum AG seitens des Fresenius-Konzerns. Das Auszählen, ob diese Übernahme funktioniert hat, ist momentan in vollem Gange. Wir werden morgen oder am Anfang der nächsten Woche sehen, was sich daraus ergeben hat. Wir werden sehen, welche Konsequenzen sich daraus für das Land Hessen ergeben.
Aber ich möchte Ihnen schon jetzt sagen, dass einige der Probleme mit der Privatisierung zu tun haben, vieles allerdings auch mit der zunehmenden Ökonomisierung unseres Gesundheitswesens; denn oft steht die ökonomische Ausrichtung im Vordergrund und nicht die Qualität.
Von daher ist die jetzige Auseinandersetzung um das Universitätsklinikum Gießen-Marburg der Höhepunkt der Verunsicherung. Ich hoffe, dass das bald ein Ende hat, ein Ende, auf das wir uns vorbereiten müssen.
Wir haben gestern im Ausschuss, wie ich finde, sehr einträchtig darüber diskutiert, was jetzt ansteht. Wir haben einen Antrag von uns, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und einen Antrag von den Regierungsfraktionen gehabt, die in weiten Teilen Übereinstimmung gezeigt haben.
Ich hoffe, dass die Rede, die Wirtschaftsminister Rentsch gerade gehalten hat, nicht ein Beispiel dafür war, wie in Zukunft mit solchen Fragen umgegangen wird, sondern dass man weiter sachlich an inhaltlichen Fragen diskutieren kann.
Das Land Hessen steht vor Entscheidungen. Es gibt im Wesentlichen drei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist, dass Fresenius die Übernahme der Rhön-Klinikum AG gelingt. Dann kommt es darauf an, dass das Land sofort in die Lage versetzt wird, von Fresenius ein belastbares Konzept zur Führung des Universitätsklinikums vorlegen zu lassen. Das ist eine Aufgabe, die für diesen Fall auf der Tagesordnung steht.
Sollte die Übernahme von Fresenius gelingen, tritt die zweite Option mit dem Konsortialvertrag in Kraft, der ausdrücklich vorsieht, dass dem Land die Möglichkeit des Rückkaufs angeboten werden muss. Deswegen muss auch dieser Rückkauf mit einem belastbaren Konzept ausgearbeitet werden. Ich war gestern sehr froh darüber, dass auch von der CDU so deutliche Signale kamen, dass man bereit ist, alle drei Optionen zu prüfen, darunter auch den Rückkauf.