Protocol of the Session on May 30, 2012

Als Politik stehen wir dabei vor neuen Herausforderungen. Ich nenne als Beispiel nur das illegale Glücksspiel im Internet. Spieler können sich weltweit in der virtuellen Welt verirren, ohne dass deutsche Behörden einen unmittelbaren Zugriff auf Server haben, die inzwischen in Gibraltar, in der Karibik oder anderswo stehen.

Was wir regeln können und was regelungsbedürftig auch im Bereich des legalen Glücksspiels ist – dort haben wir als Stichpunkte, die der Innenminister schon genannt hat, den Betrieb von Spielhallen, die Sicherstellung des staatlichen Lotteriemonopols und als ganz große Aufgabe die europarechtskonforme Ausgestaltung des Angebots von Sportwetten.

Zu den Spielhallen ist in der letzten Sitzungsrunde und im Ausschuss schon vieles gesagt worden. Wir haben dort einen Wildwuchs mit negativen Begleiterscheinungen. Wir machen uns auch in den Kommunen Gedanken darüber, wie wir in den Innenstädten entsprechende Regelungen erreichen können. Zugleich freuen sich die Städte – das gehört auch zur Wahrheit – über zum Teil steigende Einnahmen. Das ist eine Sache, die man von zwei Seiten betrachten und begleiten muss. Die Landesregierung hat auf diesem Gebiet schon gehandelt. Wir beraten darüber derzeit im Innenausschuss; die Stichpunkte sind allen bekannt.

Mit dem Glückspielstaatsvertrag, der dem Landtag heute vorliegt, ist ein weiterer Schritt zur Regelung des Spannungsverhältnisses zwischen der Gewerbefreiheit auf der einen Seite und dem Schutz der Menschen vor den Bedrohungen illegalen Glücksspiels auf der anderen Seite erfolgt. Es ist eine höchst komplexe Materie, wie wir alle wissen.

Zu beachten sind – das sagte ich eingangs schon – das Europarecht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Was wir als Einzelne und auch als Politik – ich glaube auch sagen zu können – parteiübergreifend wollen und was aus Sicht einer gelungenen und sinnvollen Prä

vention vor den Folgen des Glückspiels wünschenswert wäre, ist aus unserer Sicht leider rechtlich nicht so umsetzbar, wie wir das alle gerne hätten. Dennoch ist dem Ministerpräsidenten hier ein guter Wurf gelungen.

(Beifall bei der CDU)

Zu dem Gesamtkomplex zählt auch – damit beschäftigt sich der Antrag der LINKEN – das Thema Lotterieeinnahmen. Gestern haben sich die Freunde des Sports getroffen.

(Günter Rudolph (SPD): Das stimmt, ich habe Sie vermisst! – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU): Er hat Sie aber ganz gut vertreten!)

Ich war bei einer anderen Veranstaltung zum Urheberrecht; die war auch hochinteressant. Herr Rudolph, bei der anderen Veranstaltung gab es nichts zu essen. Die war aber genauso erfolgreich und gehaltvoll. Sie können sich bei Frau Wolff erkundigen.

(Beifall bei der CDU)

Auch hier ist eine kluge Regelung getroffen, soweit es um die Lotterieeinnahmen geht. Die fünf Destinatäre erhalten weiter ihre prozentualen Anteile an den Einnahmen. Der Antrag, der dazu gestellt ist, den Deckel aufzuheben, geht aus unserer Sicht fehl. In einem breiten Konsens haben wir vor zwei, drei Jahren eine gute Regelung gefunden, die beiden Seiten gerecht wird. Wir haben den Deckel etwas angehoben. An diesem damals parteiübergreifenden Konsens sollten wir heute nicht rütteln.

Das besonders anspruchsvolle Feld, das regelungsbedürftig ist – ich sagte es schon eingangs –, ist das Gebiet der Sportwetten. Hier erfolgt, das begrüßen wir ausdrücklich, eine kontrollierte Öffnung mit dem Konzessionsmodell, das wegweisend von Staatsminister Wintermeyer und von allen Ländern, leider bis auf Schleswig-Holstein, mitgetragen wurde.

(Günter Rudolph (SPD): So, so! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat vor der Debatte keiner gewusst!)

Es soll Privaten eine Marktteilnahme ermöglicht werden, ohne dass es zu einem vollständigen Wildwuchs kommt. Vorgesehen ist ein Erprobungszeitraum von sieben Jahren, die sogenannte Experimentierklausel. Das hat der Herr Innenminister schon vorgetragen. Das halten wir für eine ganz hervorragende Regelung, da wir hier rechtlich völliges Neuland betreten. Es kann auch sein, dass wir im Laufe der sieben Jahre vielleicht noch die eine oder andere Nachjustierung vornehmen müssen.

Es ist aber trotz dieser Herausforderungen und trotz des EuGH, den wir bei diesem Thema im Nacken haben, doch gelungen, einen guten Kompromiss zu erzielen. Wir werden als CDU-Fraktion deshalb diesen Gesetzentwurf konstruktiv begleiten, freuen uns auf die Ausschussberatung und dann auf die zweite Lesung. Ich kann heute schon ankündigen: Wir werden das mittragen und werden diesen Gesetzentwurf verabschieden, wenn er denn in der zweiten Lesung zur Beschlussfassung ansteht. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Heinz. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Rudolph von der SPD-Fraktion gemeldet.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Von Glücksspiel versteht er was!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Heinz, ob das jetzt alles wirklich so ein toller Gesetzentwurf ist, ob der Staatsvertrag so brillant ist, wie er sowohl vom verehrten Innenminister

(Minister Boris Rhein: So, verehrter?)

als auch von Ihnen dargestellt wurde, das weiß ich nicht, auch wenn viele Ministerpräsidenten der SPD zugestimmt haben. Herr Kollege Heinz, deswegen werden wir uns trotzdem erlauben, darüber kritisch nachzudenken, und am Schluss des parlamentarischen Verfahrens entscheiden, ob wir einem solchen Staatsvertrag zustimmen werden. Die Freiheit nehmen wir uns. Deswegen ist es auch schade, dass man in Schleswig-Holstein aus dem Konzert der Länder ausgeschert ist. Sie haben auch die Quittung dafür bekommen und sind dort abgewählt worden.

Meine Damen und Herren, der vorgelegte Gesetzentwurf hat das Ziel, die einzelnen Glücksspielarten im Hinblick auf ihr jeweiliges Gefahrenpotenzial differenzierter zu behandeln. Das ist vom Grundsatz her zu begrüßen. Es ist vorgesehen, das Entstehen von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, das Glücksspielangebot zu begrenzen, den Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten und die ordnungsgemäße Durchführung von Glücksspielen sicherzustellen, soweit es möglich ist, der Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken. Das ist vom Grundsatz her zu begrüßen. Die Frage ist nur, ob der dazu vorgelegte Gesetzentwurf ausreicht.

Deswegen sehen wir das durchaus kritisch. Wir wissen, dass Herr Wintermeyer für die B-Länder mit federführend verhandelt hat. Aber das Problem bleibt auch: Die Bekämpfung der Spielsucht ist ein wichtiges, ein zentrales gesellschaftspolitisches Thema.

Herr Kollege Heinz, wenn jeden Tag 18 Millionen € in Hessen verspielt werden, kann man diesen Tatbestand ignorieren. Aber ich finde, wir haben gemeinsam die Verantwortung, darauf zu reagieren. Die gesellschaftlichen Folgen tragen wir alle, wenn Arbeitsplätze verloren gehen, wenn Familien auseinandergerissen werden und Leute in persönliche Tiefen fallen können. Deswegen muss die Spielsucht wirksamer als in der Vergangenheit bekämpft werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden einmal abwarten – Sie haben Ihren Gesetzentwurf zum Spielhallengesetz noch einmal geschoben –, ob sie ihn wirklich nachbessern. Die Anhörung war relativ eindeutig. Wenn ich von der Lobby der Automatenaufsteller absehe, haben alle anderen gesagt: Die Instrumentarien in Ihrem Spielhallengesetz reichen nicht aus; der Entwurf der GRÜNEN geht deutlich weiter. – Warten wir einmal ab, ob Sie den Mut haben, das Gesetz an der Stelle zu verbessern, um die Spielsucht wirksam zu bekämpfen.

Zu dem Staatsvertrag will ich darauf hinweisen, ich habe das hier im Landtag gesagt, wir hätten das Sportwettenmonopol gern behalten. Aber wir wissen, es ist nicht machbar, weil es aus Brüssel mehr als deutliche Hinweise gibt. Das Modell sieht vor, 20 Konzessionäre zu ermöglichen. Wir werden das kritisch begleiten müssen. 5 % des Spieleinsatzes sind als Abgabe festgelegt. Bisher waren es 16 2/3 %.

Wichtig ist, wir brauchen die Einnahmen, damit – das steht auch im Hessischen Ausführungsgesetz – die Destinatäre in Hessen auch ihre Aufgaben wahrnehmen können. Das haben wir gestern gemeinsam erörtert. Da gibt es Sorgen. Wenn der Sport in Hessen 3,75 % der Einnahmen bekommt, dann ist das zurzeit auf 20,1 Millionen € gedeckelt. Wenn die Liga der Freien Wohlfahrtspflege 1 % bekommt, dann ist das auf rund 5,3 Millionen € gedeckelt. Der Jugendring und die Träger der außerschulischen Bildung sowie der Ring politischer Jugend bekommen Mittel.

Aber wir haben in den letzten Jahren den Deckel kaum erreicht, sondern hatten im Jahre 2010 sogar den Fall, dass wir nur 17,1 Millionen hatten. Bei allen Destinatären hat Geld gefehlt, das für wichtige gesellschaftliche Aufgaben bestimmt war. Jeder Euro, den wir in den Sport, in die Liga der Wohlfahrtsverbände, in die außerschulische Bildung geben, ist gut angelegtes Geld, fließt in präventive Maßnahmen. Deswegen brauchen die Träger auch Planungssicherheit, damit sie ihre Aufgaben wahrnehmen können.

(Beifall bei der SPD)

Das ist eine gemeinsame Aufgabe, die wir gestern besprochen haben. Wie sich Wetteinnahmen entwickeln, wissen wir nicht. Das ist übrigens auch der große Punkt bei dem Staatsvertrag: Die großen Risiken – erreichen wir die Umsätze, was machen wir, wenn das nicht der Fall ist?

Im Gegensatz zur Landesregierung sehen wir kritisch, dass die Möglichkeit der Übertragung realer Klubspielangebote im Internet geprüft werden soll. Sie schreiben sich das auf Ihre Fahnen. Wir sehen eher das Risiko, dass die Ausbildung einer Spielsucht über das Internet anonymer möglich ist. Ja, da kann man Sperren einbauen. Aber die Gefahr, dass Einzelne damit nicht umgehen können, ist relativ groß. Wir sehen da Gefahren.

Wichtig für uns ist aber auch das, was die Länder zu Recht mit dem Bund ausgehandelt haben, nämlich dass endlich eine Novellierung der Spielverordnung erfolgt. Das ist eine Aufgabe des Bundes. Das ist Bundesrecht. Es muss nämlich darum gehen, die Expansion des Automatenspiels deutlich zu bremsen. Dazu brauchen wir wesentliche Veränderungen. Die Mindestspieldauer muss heraufgesetzt werden. Die durchschnittliche Möglichkeit des Verlustes muss reduziert werden. Der maximale Gewinn muss reduziert werden. Die Ausgestaltung der Spielpause nach einer Stunde muss wirkungsvoll möglich sein. Damit könnte die Bekämpfung der Spielsucht effektiver erfolgen.

Ich weiß, dass das möglicherweise nicht von allen Fraktionen geteilt wird. Herr Kollege Greilich, ich weiß, dass die FDP gesagt hat: Wir wollen das eigentlich viel liberaler handhaben. – Das haben Sie immer gesagt. Deswegen finden Sie den Ansatz, den Schleswig-Holstein gewählt hat, gut.

Natürlich gibt es Anbieter, auf die wir keinen Zugriff haben, die ihren Sitz woanders haben, die in Deutschland keine Steuern zahlen und keine Verantwortung überneh

men. Können wir diesen Markt kanalisieren? – Das ist zugegebenermaßen schwierig. Wir wollen aber nicht wie die FDP letztlich das dem freien Spiel der Kräfte unbeherrscht zugänglich machen. Denn da sind die Risiken für die Allgemeinheit viel größer. Deswegen ist es wichtig, dass wir Regeln einbauen.

Herr Innenminister Rhein, Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf, Sie wollten auch wirksame Maßnahmen zur Prävention der Glücksspielsucht ermöglichen. Dann müssen Sie auch die finanziellen Mittel dafür bereitstellen. Dazu steht in dem Gesetzentwurf nichts. Das ist auch nicht notwendig. Bei der Gestaltung des Haushalts stellt sich die Frage, ob Sie denjenigen, die in der Suchtprävention tätig sind, auch die Möglichkeit geben, wirkungsvolle Suchtberatung zu machen. Denn in den letzten Jahren sind die entsprechenden Zahlen exorbitant gestiegen. Das haben uns die Mitarbeiter der Diakonie und der anderen Suchtberatungsstellen glaubhaft versichert.

Unserer Auffassung nach muss der derzeit in der Beratung befindliche Entwurf des Spielhallengesetzes noch einmal kritisch überprüft werden.

Die Änderung des Glücksspielstaatsvertrags soll zum 1. Juli 2012 in Kraft treten. Wir wollen aber auch ein vernünftiges parlamentarisches Verfahren im Landtag haben. Herr Innenminister, wie sollen wir eine ordnungsgemäße Anhörung innerhalb eines Monats durchführen? Dass Sie den Gesetzentwurf jetzt eingebracht haben, haben Sie zu verantworten, nicht wir. Ich glaube, bei einem so wichtigen Gesetzentwurf muss es dem Landtag ermöglicht werden, eine Anhörung mit Fachleuten durchzuführen.

Das wird zugegebenermaßen schwierig werden. Teilweise ist es Brauch in diesem Hause, dass CDU und FDP die Durchführung der Anhörungen generell ablehnen. Ich kann davon aber nur dringend abraten, und zwar nicht nur, weil es um die Rechte des Parlamentes geht, sondern auch, weil wir uns inhaltlich damit auseinandersetzen wollen.

Deswegen sage ich: Das ist ein wichtiger Staatsvertrag. Aber wir werden am Schluss der parlamentarischen Beratung entscheiden, ob wir ihm zustimmen können. Für uns muss die Frage im Vordergrund stehen: Wir können wir die Spielsucht wirksam bekämpfen? Wie können wir auf der anderen Seite sicherstellen, dass diejenigen, die bisher die Destinatäre sind, von den Einnahmen letztlich profitieren? – Hier geht es um rund 36 Millionen €,

Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

die sinnvoll angelegt sind. Da haben wir im Landtag, glaube ich, gemeinsam die Verantwortung, dass wir es wirtschaftlichen Hasardeuren nicht ermöglichen, dieses Geld zu entziehen, sondern dass, so hoffe ich, alle Fraktionen des Landtags da gesellschaftspolitische Verantwortung tragen werden. Ich werbe da für die entsprechende Unterstützung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Kollege Rudolph, vielen Dank. – Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich auf der Besuchertribüne ganz herzlich unsere frühere Kollegin Elisabeth Apel begrüßen. Sie ist jetzt Geschäftsführerin von HeRo. Herzlich willkommen im Landtag.

(Beifall)

Als nächster Redner hat sich Herr Frömmrich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Lieber Herr Kollege Frömmrich, bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich gleich den Ausführungen des Herrn Kollegen Rudolph anschließen, die er am Ende seiner Rede getätigt hat. Da ging es um die Frage des geordneten parlamentarischen Verfahrens.

Herr Innenminister und Herr Chef der Staatskanzlei, Sie haben über diesen Staatsvertrag lange verhandelt. Das war schwierig. Das ist eine schwierige Materie. Das ist klar.

Aber es kann jetzt nicht sein, dass der Gesetzentwurf im Schweinsgalopp durchs Parlament gebracht wird und wir nicht die Möglichkeit haben, zu diesem Gesetzentwurf ordnungsgemäß anzuhören und uns eine eigene Meinung zu bilden. Wir wollen auch wissenschaftlichen Sachverstand heranziehen, und zwar nicht nur, weil die Materie so komplex ist, sondern auch, weil, wie ich meine, die jetzt vorgesehenen Regelungen viele Fallstricke haben, von denen wir nicht wissen, ob das deswegen letztendlich nicht wieder vor dem Europäischen Gerichtshof eingefangen wird und ob die Regelungen, die im Staatsvertrag vorgesehen sind, dann letztendlich auch sachdienlich sind.