Besonders bitter ist es, daran zu erinnern, dass zu den ers ten Berufsverbotsopfern in Hessen Kinder von Widerstandskämpfern gegen den Faschismus gehörten. Die Töchter von Widerstandskämpfern wie Doris Fisch, Anne Kahn und Silvia Gingold, Tochter des jüdischen Widerstandskämpfers in der französischen Résistance, Peter Gingold, wurden in Hessen mit Berufsverboten belegt.
Die Vokabeln der Ablehnungsbescheide ähneln den Karlsbader Beschlüssen von 1819, zu denen ich als Student gearbeitet habe. Betroffen durch Verfolgung und Inhaftierung waren z. B. Ernst Moritz Arndt, Karl Marx, Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Christian Sartorius, der hier deutlich verehrte Georg Büchner, Fritz Reuter, Friedrich Ludwig Jahn und viele Weitere.
Es ging nicht mehr um die Konformität mit dem Grundgesetz, mit Rechtsgrundlagen und dem Normensystem, sondern um Treue zum Staat und damit zu den Machtverhältnissen.
Die vom Verfassungsgericht verordnete Einzelfallprüfung endete in der Regelanfrage beim Verfassungsschutz und bei dem Recht, angehört zu werden. Dieses vermeintliche Recht als Schutz vor Willkür wurde allerdings zum Instrument der Willkür, zur Einrichtung der Inquisition.
Deutschland hat die französische und die englische Sprache bereichert: „Berufsverbot“ und „Radikalenerlass“ waren nicht übersetzbar.
In keinem anderen europäischen Land, in keiner anderen europäischen Sprache gilt „radikal“ als Vorwurf oder Schimpfwort.
Stets sollte der Staatsapparat veränderungsfrei gehalten werden. Stets aber gab es auch Solidarität mit den Betroffenen, neuen Widerstand und einen neuen Anlauf zur Veränderung, auch heute.
Berufsverbote waren Unrecht, und um sie durchzusetzen, musste das Recht gebeugt werden. Das Prinzip des Rechtsstaates erfordert es, sich bei den Opfern der Berufsverbote zu entschuldigen. Ihre vollständige Rehabilitierung steht immer noch aus. Eine Entschuldigung bei den Opfern wäre Aufgabe des Landtags und der Landesregierung.
In der Bundesinitiative gegen die Berufsverbote arbeiteten Menschen über die Parteigrenzen hinweg zusammen. Juristen wie Wolfgang Abendroth und Helmut Ridder, Pierre Kaldor aus Frankreich, engagierte Rechtsanwälte – sogar zeitweilig, als er noch Jungsozialistenvorsitzender war, Gerhard Schröder – und Richter trugen dazu bei, die Ära der Berufsverbote zu beenden. Die europäischen Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg schafften dann die Berufsverbote 1992 endlich ab und trugen zur Wiederherstellung des Rechts bei.
Die GEW und der DGB werden am 17. März zu einer Solidaritätsveranstaltung Betroffene einladen, um ein Zeichen für die Rehabilitierung der Betroffenen zu setzen. Dies bleibt in Hessen immer noch zu tun, und dazu fordere ich Sie auf. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der LINKEN gibt keinen Anlass zur Zustimmung, sondern eher, sich zu schämen.
Alleine die Begrifflichkeit „,Bespitzelung’ kritischer politischer Opposition“ ist vollkommen deplatziert.
Meine Damen und Herren, was für eine Dreistigkeit. Ausgerechnet die SED-Nachfolgepartei wirft unserem bundesrepublikanischen Rechtsstaat Bespitzelung politischer Opposition vor.
Meine Damen und Herren, wenn es einen deutschen Staat gegeben hat, der sämtliche Patente auf den Begriff Bespitzelung innehatte, dann doch nur einen, den Staat, von dem Sie von der Linksfraktion Ihre politischen Wurzeln haben.
Das war ein Staat, in dem den Menschen, die für die Freiheit gekämpft haben, die Zukunft genommen wurde. Derselbe Staat hat Menschen, die in unserem Lande die Freiheit bekämpft haben, mit Freude aufgenommen. Ich erinnere beispielsweise an RAF-Terroristen, die in der DDR ein neues Zuhause gefunden haben.
Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik hat sich immer gegen die Feinde einer freiheitlichen Demokratie gewehrt. Das wird sie auch weiterhin tun.
Denn wir sind eine wehrhafte Demokratie, und wir wollen das auch bleiben. Deshalb sind Beamte in besonderer Weise an den Vollzug der Rechtsordnung und der Grundrechte gebunden. Wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Staates ablehnt, der kann nicht in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zu diesem Staat stehen.
Darauf müssen sich Bürgerinnen und Bürger verlassen können. Das war übrigens auch in Ihrem Staat, in der DDR, nicht anders. In Ihrem Staatsapparat war auch niemand zu finden, der nicht zumindest formal hinter dem Staat stand, jedoch mit einem großen Unterschied: dass bei Ihnen die sozialistische Ideologie entscheidend war und bei uns die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das ist der Unterschied.
Meine Damen und Herren, der Staat darf niemals so tolerant sein, dass er sich von jenen repräsentieren lässt, die ihn abschaffen wollen. Das war und ist die Lehre aus Weimar und aus dem Faschismus. Auch die damalige BrandtRegierung hatte in den Siebzigerjahren die richtigen Konsequenzen gezogen, als sie den Radikalenerlass verabschiedet hat. Heinz Kühn, seinerzeit sozialdemokratischer
Was damals galt, das gilt auch heute noch. Rechte oder linke Extremisten haben im öffentlichen Dienst nichts, aber auch gar nichts verloren.
Ein Staat darf von seinen Beamten Treue zur Verfassung verlangen. Wer das nicht akzeptiert, der kann ihn eben nicht vertreten. Darin sind sich auch die obersten Gerichte einig. Die Rechtsprechung hat aber auch schon korrigierend eingegriffen, um Missbrauch des Radikalenerlasses zu verhindern. Das muss man an dieser Stelle nicht verschweigen. Denn Betroffene müssen sich in einem demokratischen Rechtsstaat darauf verlassen können, dass unsere Justiz nicht ideologisch als verlängerter Arm der staatstragenden Parteien entscheidet. In unserem Land kann man sich darauf verlassen, anders als in Ihrem System der blauen Hemden, Herr van Ooyen. In unserem System ist auch das Gericht an den jeweiligen Sachverhalt gekoppelt. Bei uns überprüfen die Gerichte und nicht die Staatssicherheit.
Welche Bedeutung dieses Gesetz hatte, konnte man gerade nach der Wende sehen. Es war eine wichtige Rechtsgrundlage, um zu verhindern, dass alte SED-Getreue in der Bundesrepublik ihr ideologisches Unwesen unter einem neuen Dienstherrn fortsetzen.
Und DIE LINKE? Sie stellen heute einen Antrag, um allen, die aufgrund mangelnder Verfassungstreue nicht in den Staatsdienst übernommen wurden, Generalamnestie zu gewähren. Das ist eine Ungeheuerlichkeit.
Meine Damen und Herren, einem solchen Antrag werden wir niemals zustimmen. Ich hoffe, auch viele andere hier denken so und werden nicht zustimmen.
Sie machen sich zum Anwalt der Altkader. Schlimmer noch, auch die heutigen Linksextremisten finden Schutz bei der Linkspartei. Als einzige Partei haben Sie am letzten Donnerstag im Deutschen Bundestag gegen die Verbunddatei zur Bekämpfung des rechten Terrors abgestimmt. Ich frage die Linksfraktion: Warum haben Sie dem Kampf gegen die Rechte Ihre Zustimmung verweigert? Es drängt sich doch der Verdacht auf, dass Sie das nur aus einem einzigen Grund getan haben: um zu vermeiden, dass auch Linksextremisten in einer Datei gespeichert werden.
Ich sage Ihnen: Mit uns wird es keine Sonderrechte geben, weder für linke noch für rechte Extremisten.
Meine Damen und Herren, solange es Parteien gibt, die den Systemwechsel fordern, und Menschen, die sich dieser Ideologie anschließen, sollten wir nicht die Abschaf
fung des Radikalenerlasses fordern, sondern genau das Gegenteil. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.