Ich komme in zweiter Lesung zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Umsetzung des Personenstandsrechtsreformgesetzes. Wer möchte zustimmen? – Offensichtlich sind das die Mitglieder aller Fraktionen. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Somit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.
Bevor ich zum vorläufig letzten Tagesordnungspunkt komme, möchte ich Herrn Dr. Gerhardt ganz herzlich auf der Besuchertribüne begrüßen. Seien Sie ganz herzlich im Hessischen Landtag willkommen. Herr Dr. Gerhardt ist
Wer möchte den Beschlussempfehlungen zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Auch die gibt es nicht. Damit sind die Beschlussempfehlungen einstimmig angenommen.
Wir kommen damit zu der kleinen angedachten Zäsur. Herr Präsident, sollen wir eine Pause von einer Viertelstunde machen? – Wir werden uns um 14.10 Uhr hier wieder zusammenfinden. Bis dahin haben wir eine kleine Pause.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir setzen die kurz unterbrochene Sitzung fort.Ich will vorab noch zu einem Geburtstag gratulieren. Herr Staatssekretär Seif ist am Wochenende 65 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute für Sie.
Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE betreffend Selbstauflösung des Hessischen Landtags gemäß Art. 80 der Hessischen Verfassung – Drucks. 17/765 –
Dazu wird eine Aussprache erfolgen. Der Hinweis sei mir gestattet, dass nach § 81 der Geschäftsordnung persönliche Bemerkungen am Schluss der Beratungen vor Eintritt in die Abstimmung zulässig sind – deswegen, weil das so kommen wird,weise ich darauf hin.Als erstem Redner erteile ich dem Vorsitzenden der Fraktion der CDU, Herrn Abg. Dr.Wagner, das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 27. Januar haben die Wähler über die Zusammensetzung des Hessischen Landtags entschieden. Nicht alle Parteien haben damals das erhoffte Wahlergebnis erzielt, auch die CDU nicht. Die Wahl war für meine Partei der Ausgangspunkt eines Lernprozesses, den wir offen und selbstkritisch geführt haben. Nur wer aus Fehlern lernt, wird davor bewahrt, sie immer wieder neu zu begehen.
Die CDU hat damals ausdrücklich den drei demokratischen Parteien FDP, GRÜNE und SPD Verhandlungen angeboten und Kompromissbereitschaft signalisiert. Wir haben nicht sofort und leichtfertig nach Neuwahlen gerufen. GRÜNE und SPD haben sich verweigert, stattdessen eine rot-grüne Minderheitsregierung mit der Linkspartei als Tolerierungspartner angestrebt und damit genau das Gegenteil von dem getan,was Frau Ypsilanti vor der Wahl erklärt hat.
Dass wir heute, nach nur sieben Monaten, bereits am Ende der Wahlperiode stehen, ist das Ergebnis dieses Wortbruchs.
Vor der Wahl hat Frau Ypsilanti wörtlich gesagt: „Die Grundstruktur der hessischen LINKEN bleibt kommunistisch“. Und: „Wer Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl als Betriebsunfall des real existierenden Sozialismus beschreibt, der ist für uns kein Gesprächspartner.“
Meine Damen und Herren, dies hat Frau Ypsilanti unzählige Male wiederholt, und mit diesem Versprechen hat sie viele Wählerstimmen gewonnen.
Seit dem Wahlabend hat sich die SPD- und Fraktionsvorsitzende als Siegerin gefühlt. Sie hat ihr relativ gutes Wahlergebnis mit einem Wahlsieg verwechselt. Nach einer gewissen Ernüchterung hat Frau Ypsilanti festgestellt, dass es zusammen mit den GRÜNEN nicht reicht.
Daraufhin hat sie unter Bruch ihres Wahlversprechens zweimal den Versuch unternommen, sich in einem sogenannten Tolerierungsabkommen von den LINKEN zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen.Zuvor hat sie auf einem SPD-Landesparteitag einen bundesweit einmaligen Abgrenzungsbeschluss zur CDU herbeigeführt und eine Zusammenarbeit mit der CDU ausdrücklich ausgeschlossen.
Meine Damen und Herren, über 50 Jahre lang galt in unserem Land, dass grundsätzlich alle demokratischen Parteien für Koalitionen untereinander offen sein müssen.
Frau Ypsilanti, wir erwarten, dass Sie und Ihre Partei Ihren diesbezüglichen Parteitagsbeschluss rückgängig machen.
Die Vorsitzende der SPD-Fraktion ist an vier Mitgliedern ihrer Fraktion gescheitert, die den Wortbruch und einen Pakt mit den Kommunisten nicht mitmachen wollten. Diese vier Abgeordneten werden von Ihnen nun als „Verräter“ bezeichnet. Richtet sich dieser Begriff nicht gegen Sie selbst? Ist es nicht umgekehrt so, dass diese vier Abgeordneten das gegebene Versprechen gerade nicht verraten wollten?
Dass Sie diese vier Abgeordneten auch noch aus Ihrer Fraktion aussperren und sie aus den Parlamentsausschüssen abgezogen haben, obwohl es gar keine Ausschusssitzungen mehr gibt, sie für eine einzige Sitzung im Plenum umsetzen und sichtbar separieren, sie aus der Partei ausschließen wollen und gleichzeitig auch noch Ihren Vorgänger im Parteivorsitz, Gerhard Bökel, zum Austritt auffordern, wird in der bundesweiten Öffentlichkeit seit Wochen kommentiert.
Es wird gefragt, ob dies der neue Politikstil sei, den Sie, Frau Ypsilanti, unzählige Male für sich reklamiert haben. Haben Sie zur Kenntnis genommen,dass 80 % der Bürger das Verhalten der vier sozialdemokratischen Abgeordneten ausdrücklich unterstützen?
Seit Wochen beklagt Frau Ypsilanti, dass sich die vier Abgeordneten nicht einer Mehrheitsentscheidung der SPD gebeugt hätten. Hat aber der evangelische Landesbischof von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, nicht recht, wenn er am 5. November in der „FAZ“ wörtlich sagt: „Es kann
Situationen geben, in denen Fraktionsdisziplin und Gewissensfreiheit konkurrieren“? Darauf haben sich vier hessische Landtagsabgeordnete berufen.
Meine Damen und Herren, als Fraktionsvorsitzender kenne ich dieses Spannungsfeld sehr gut. Natürlich hängt die Handlungsfähigkeit einer Fraktion daran, dass eine in einer Abstimmung unterlegene Minderheit die Mehrheitsmeinung akzeptiert und diese Entscheidung im Parlament vertritt.
Aber da gibt es Grenzen. Diese Grenzen benenne nicht ich Ihnen, sondern die Verfassung. Sie gibt dem Abgeordneten ein freies Mandat.
Das freie Mandat ist kein freies mehr, wenn die Fraktionsführung Abgeordnete dazu zwingen will, wortbrüchig zu werden und eine Regierung unter Beteiligung von Kommunisten zu unterstützen.
Am 8. November spricht Frau Ypsilanti auf einer Pressekonferenz erstmals von einem Fehler. Sie sagt, der Fehler sei es gewesen, „im Wahlkampf so konsequent auszuschließen,dass wir mit der Linkspartei zusammenarbeiten können“.
Frau Ypsilanti sieht ihren Fehler darin, dass sie vor der Wahl ihr Wort gegeben hat. Meine Damen und Herren, kritikwürdig aber ist nicht, dass sie ihr Wort gegeben, sondern dass sie ihr gegebenes Wort gebrochen hat – es sei denn, Frau Ypsilanti wollte schon bei ihrem Versprechen damals die Öffentlichkeit täuschen. Dann aber müsste sie sich für einen dreisten Wählerbetrug entschuldigen.
Meine Damen und Herren, Frau Ypsilanti hat nun einen neuen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl vorgeschlagen. Sie begründete das in ihrer Pressekonferenz am 08.11. wie folgt:
Wir wollen niemandem gönnen, mit der Frage von Glaubwürdigkeit und Wortbruch die Themen zu überlagern, mit denen wir in den Wahlkampf ziehen.
Frau Ypsilanti erweckt den Eindruck, als ob ihr Kandidat mit dem Wortbruch nichts zu tun hätte. Er hat aber noch einen Tag vor der Landtagswahl, am 26. Januar dieses Jahres, in einer Zeitungsanzeige in Gießen Folgendes wörtlich behauptet:
Es wird auch nach der Landtagswahl keinerlei Bündnis mit der Partei DIE LINKE geben. Es ist infam, die SPD als Steigbügelhalter des Kommunismus zu diffamieren.
Frau Ypsilanti, trotz dieser klaren Aussage hat Ihr Kandidat mit Ihnen Seit’ an Seit’ nach dem 27. Januar die Zusammenarbeit mit den Kommunisten konsequent betrieben. Ihr Kandidat ist nicht nur nicht unbelastet von der Wortbruchdebatte, er ist vielmehr aktiver Teil des Wortbruchs.
Wir haben im letzten Wahlkampf und in dieser kurzen Wahlperiode immer wieder vor der SED-Nachfolgepartei DIE LINKE gewarnt. Wir haben auf die zum Teil verfassungsfeindlichen Ziele der Kommunisten im Landtag, auf deren Kooperation mit der verfassungsfeindlichen Roten Hilfe und auf die Tätigkeit van Ooyens als Einflussagent der DDR hingewiesen.
Meine Damen und Herren, wir haben darauf aufmerksam gemacht, dass die politische Programmatik der SEDNachfolgepartei den Rechtsstaat, die pluralistische Demokratie und die soziale Marktwirtschaft lediglich als ein Übergangsstadium auf dem Weg zum Sozialismus versteht.