Protocol of the Session on June 4, 2008

Die eine Möglichkeit wäre – so etwas gibt es in diesen vorläufigen Verfahren und im Vorfeld von Verfahren –, dass man die Betroffenen an einen Tisch holt. Die Fraport hat auch null beantragt. Die Luftfahrtgesellschaften haben ein anderes Interesse. Man kann in dieser Situation mit den Luftfahrtgesellschaften zu so einer Vereinbarung kommen, und das Regionale Dialogforum hat dies versucht.

Der zweite Weg ist das Flughafensystem. Sie selbst haben sehr, sehr lange erfolglos daran gearbeitet, dass wir ein Flughafensystem Frankfurt/Frankfurt-Hahn etablieren, das zur Folge gehabt hätte, dass die Bahn auf dem Hahn quasi die fünfte Bahn in der Nacht für den Frankfurter Flughafen gewesen wäre.

Beides sind Möglichkeiten,einen Planfeststellungsbeschluss zu erlassen, der ein absolutes Nachtflugverbot vorsieht. Dann allerdings – ich betone das noch einmal; es ist eine Antwort, über die Sie eigentlich sehr froh sein sollten –, wenn man diese Voraussetzungen nicht schafft, gebe ich Ihnen recht, dass Sie einen Planfeststellungsbeschluss mit null Nachtflügen wohl nicht rechtmäßig erlassen können.

Dies führt mich zu der Aussage, dass Ihr jetziger Planfeststellungsbeschluss eine hohe Wahrscheinlichkeit der Rechtmäßigkeit in sich trägt.Wir reden über 2.500 Seiten; ich bin da etwas vorsichtig – möglicherweise sind Verfahrensfehler darin,die ein Gericht zu beurteilen hat.Aber in der Grundentscheidung sehen wir ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit, deshalb auch diese Aussage.

Politische Bewertungen nehmen wir dauernd vor, aber es wird aus unserer Sicht keine mit Konsequenzen behaftete politische Bewertung über die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses geben, sondern ausschließlich eine Bewertung durch die Gerichte.Unser Schwerpunkt liegt darauf, dass wir nun alles tun wollen, was menschenmöglich und was im Bereich der Technik möglich ist. Herr Kollege Boddenberg, wir wollen auch Geld in die Hand nehmen, um für eine Reduzierung der Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger einzutreten.

Uns geht es nicht um diese politischen Links-Rechts-Diskussionen, sondern darum, 40.000 Arbeitsplätze in Verbindung mit der Reduzierung der Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger in unserer zentralen Region Frankfurt/Rhein-Main zu schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Walter. – Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Kollegen Schaus das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig: Es ist in der Tat die erste Debatte um den Flughafenausbau, an der es uns möglich ist, als Fraktion im Hessischen Landtag teilzunehmen. Ich muss gestehen, dass wir in der Vorbereitung auf diese Diskussion davon ausgegangen sind, dass es hier keine Grundsatzdebatte geben wird, sondern eine sachbezogene: auf die Frage des Dialogforums.

Insofern erlaube ich mir – wie Sie das auch getan haben –, sehr grundsätzlich zum Flughafenausbau Stellung zu nehmen. Ich wundere mich sehr über den bisherigen Verlauf der Debatte, weil alle Rednerinnen und Redner meines Erachtens so diskutiert haben, als ob es überhaupt keine Alternative zu der jetzigen Entwicklung und zum Flughafenausbau gäbe. Ich und wir als Fraktion sehen das ein bisschen anders. Denn die Klageverfahren, die Sie offensichtlich nicht für wesentlich genug halten, um sie in Ihrer Diskussion anzusprechen, stehen noch aus. Ich werde gleich noch einmal im Detail zu einer, wie ich finde, sehr wichtigen Frage Stellung nehmen.

Lassen Sie mich noch einmal grundsätzlich für unsere Fraktion hier erklären, dass wir nach wie vor der Meinung sind, dass der Flughafenausbau so, wie er geplant ist, nicht stattfinden soll, dass wir uns dagegen aussprechen und die drei zentralen Punkte, wie sie von Ihnen, Herr Walter, angesprochen wurden, ganz anders beurteilen.

Ich finde es schon interessant, wenn Sie sagen, das sei d i e zentrale Infrastrukturmaßnahme in der Rhein-MainRegion oder möglicherweise auch in Hessen. Es ist zweifellos eine große und nicht unwesentliche Infrastrukturmaßnahme.

(Leif Blum (FDP): Fällt Ihnen eine andere ein? – Michael Boddenberg (CDU):Gibt es etwas,was wir nicht wissen, Herr Kollege?)

Aber die Fokussierung auf den Flughafenausbau erweckt den Eindruck, als ob Leib, Wohl und Wehe der gesamten Region vom Flughafenausbau abhingen. Das bestreite ich mit aller Entschiedenheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, genauso wird hier von der Schaffung von zusätzlich 40.000 Arbeitsplätzen geredet. Ich kann mich daran erinnern, dass zu Beginn der Diskussion um den Flughafenausbau ein Gutachten vorgelegt wurde, das von 170.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen sprach. Das sind im Laufe der Zeit immer weniger geworden. Ich selbst war als Gewerkschafter an der Überprüfung dieses Gutachtens – –

(Horst Klee (CDU): Keine Ahnung! 100.000!)

Herr Klee, 170.000 in der Region. Ich bringe Ihnen das Gutachten vorbei. Es ging um die unmittelbare und die mittelbare Wirkung, wobei sich auch da immer die schöne Frage stellt,was man alles zur Region zählt.Aber das wäre ein extra Thema.

Fakt ist, dass dieser Punkt nach wie vor sehr strittig ist und dass namhafte Professoren in einem Gegengutachten der Hans-Böckler-Stiftung die Seriosität dieser Berechnungen sehr infrage gestellt und dies auch öffentlich gemacht haben.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Was hat Hans Böckler gesagt?)

Aber da hört ja keiner von Ihnen hin.

(Florian Rentsch (FDP): Dafür haben wir ja Sie! – Michael Boddenberg (CDU): Es gibt überhaupt keine Arbeitsplätze am Flughafen!)

Genauso hat es keine Arbeitsplatzschaffung bei der Einrichtung von Cargo City Süd gegeben, weil nur Verlagerungen aus der Region an den südlichen Teil des Flughafens stattgefunden haben, weil auf der einen Seite Arbeitsplätze abgebaut wurden, die auf der anderen Seite wieder entstanden sind. So wird hier auch schöngeredet und Arbeitsplätzen das Wort geredet. Wir werden sehen, was dies in der Zukunft bedeutet.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Herr Walter hat als drittem Punkt davon gesprochen, dass die zentrale Hub-Funktion des Frankfurter Flughafens erhalten bleiben müsse.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, Herr Präsident.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP) – Michael Boddenberg (CDU): Die sind nicht erlaubt!)

Sie können sich gerne mit einer Kurzintervention anschließen, dann reagiere ich darauf.Aber ich möchte jetzt mit meinen Ausführungen fortfahren.

Meine Damen und Herren, die zentrale Hub-Funktion des Frankfurter Flughafens wird immer betont. Wir wissen alle, dass es Konkurrenz gibt. Seinerzeit waren München oder Amsterdam in der Diskussion,in der Zwischenzeit spricht selbst die Fraport nicht mehr von dieser Konkurrenz, sondern von einer Konkurrenz von Dubai. Es wird von 700.000 Flugbewegungen gesprochen,die dann – nach dem Ausbau der Nordwestbahn – erreicht werden sollen.

Sowohl die Bürgerinitiativen als auch wir sind der Meinung, dass es aufgrund der technischen Entwicklung nicht ausgeschlossen werden kann, dass es weit mehr als 700.000 Flugbewegungen gibt. Es gibt durchaus Berechnungen, die bis 850.000 oder 880.000 Flugbewegungen gehen. Dass die Flugbewegungen in der derzeitigen Größenordnung für die betroffene Bevölkerung in der Region schon nicht mehr verkraftbar sind, steht offensichtlich überhaupt nicht in der Diskussion.Es wird weiter ausgebaut und erhöht. Die Umwelt wird weiter belastet. Vor allen Dingen wächst die Belastung für die Betroffenen in der Region.

Mit dem Bescheid im Planfeststellungsverfahren, ein Nachtflugverbot nicht festzustellen, sind alle, die am Mediationsverfahren beteiligt waren, betrogen worden.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie haben es doch nicht gelesen!)

Die Landesregierung und alle die, die dies unterstützen, haben die Betroffenen in den mehrjährigen Dialog einbezogen,um sie in Sicherheit zu wiegen.Im Ergebnis sind sie – das wiederhole ich noch einmal – in dieser Diskussion betrogen worden.

(Horst Klee (CDU):Was ein Quatsch!)

Wir als LINKE verstehen unter Nachtflugverbot auch nicht den Zeitraum von 23 bis 5 Uhr, sondern für uns ist der Zeitraum von 22 bis 6 Uhr von entscheidender Bedeutung. Das heißt eben nicht „nur“ 17 reguläre Nachtflüge, sondern das heißt in diesem Zeitraum 150 Nachtflüge – und die entsprechende Belastung.

Nun erlebe ich hier in der Diskussion,dass über rechtliche Abwägungen und Rechtssicherheit gesprochen wird

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

und gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass die Verwaltung, sprich: die Landesregierung, hier einen Planfeststellungsbeschluss getroffen habe, nach dem Motto: Damit haben wir nichts mehr zu tun, das waren ja die anderen. – Nein, Sie sind alle in der Verantwortung für die Situation und die Belastungen, die hier entstehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, da können Sie sich nicht herausreden. Ich will durchaus anerkennen, dass das Regionale Dialogforum dazu geführt hat, dass es Diskussionen und Informationen gegeben hat. Was es aber nicht vermochte, war, ein Dialog auf Augenhöhe zwischen den beteiligten Konfliktparteien so zu organisieren, dass letztendlich auch die berechtigten Interessen in angemessener Weise einbezogen worden sind. Das ist das Thema.

Nun komme ich zu der Entwicklung in der betroffenen Region, was die Schadstoffe angeht. Uns liegen Informationen vor, dass in einigen Klagen, die die Anrainergemeinden des Frankfurter Flughafens derzeit anstrengen, ein Umweltproblem, ein Gesundheitsproblem angesprochen wird, das offensichtlich bisher überhaupt noch nicht in der öffentlichen Debatte gestanden hat. Es geht darum, dass die Fraport hinsichtlich der Emissionen und der Luftschadstoffe nach der ersten Anhörung eine Veränderung ihrer Unterlagen vorgenommen hat, was die Luftschadstoffe Benzol und Benzo(a)pyren betrifft. Beide Schadstoffe sind stark krebserregend. Im Jahr 2000 wurde ein viel höherer Wert angegeben als im Jahr 2005,

(Michael Boddenberg (CDU): Da liegen fünf Jahre dazwischen!)

ein Wert, der für Benzo(a)pyren um mehr als die Hälfte, nämlich um 53 %, reduziert wurde.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist doch prima, wenn die Werte zurückgehen!)

Der Wert wurde in den Unterlagen der Fraport reduziert; denn hätte man den alten Wert hochgerechnet auf die Flugbewegungen im Jahr 2020, dann hätte es keine Genehmigung geben dürfen, weil dann die Grenzwerte überschritten worden wären.

(Michael Boddenberg (CDU):Ach du liebe Zeit!)

Herr Kollege Schaus, die verabredete Redezeit ist überschritten.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Dieses Thema wird weiterverfolgt. Wir werden in diesem Zusammenhang auch dem zuständigen Minister einige Fragen stellen. Wir sind nämlich der Meinung, dass die Unterlagen, die herauszugeben und über die zu informieren die Fraport derzeit verweigert, umweltrelevante Daten enthalten, die nach dem Umweltinformationsgesetz offengelegt werden müssen.

Herr Kollege, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

In diesem Sinne bleiben wir weiter am Ball. Nach dem Banner, das jetzt im Kelsterbacher Wald hängt: Im Bannwald darf es keinen weiteren Ausbau des Flughafens geben.