Protocol of the Session on March 29, 2006

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Sie versuchen zu vertuschen – und zwar aus gutem Grund, weil damit Ihre Glaubwürdigkeit auf dem Weg zum Familienland Nummer eins in Frage steht –, dass Sie hier lediglich umverteilen und nicht bereit sind, das, was Sie versprechen, umzusetzen. Sie nehmen das Geld von den Schulkindern, um es in der Kleinkinderbetreuung einzusetzen. Das ist das, was hier aktuell diskutiert wird. Da können Sie uns zutexten, so viel Sie wollen, meine Damen und Herren,

(Axel Wintermeyer (CDU): Wer wen zutextet, das ist die Frage!)

es ist und bleibt ein familienpolitischer Skandal, der den Eltern in Hessen bekannt gemacht werden muss. Das haben wir heute getan. Ich glaube, dass die Eltern sehr gut beurteilen können, was Sie hier heute vollführt haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächste hat Frau Kollegin Eckhardt für die SPDFraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Reißer, Sie wollen jetzt nichts mehr dazu sagen? – Nein. Interessant.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Nur ganz kurz zu Ihrem Antrag, den ich wirklich auch für eine Zutextung halte. Die 75 Millionen c, die Sie hier ansprechen, gehören den Kommunen. Jetzt schmücken Sie sich doch nicht damit!

(Beifall bei der SPD)

Dann sprechen Sie hier von den Grundschulen, die jetzt schon so satt mit zusätzlicher Betreuung ausgestattet seien.Wissen Sie, wenn ich Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern treffe und ihnen das zu erklären versuche, und die nur den Begriff „pädagogischer Mittagstisch“ hören,

(Petra Fuhrmann (SPD): Dann kriegen die das Heulen!)

dann schauen einige verschämt in die Luft,und wieder andere fallen vor Lachen fast unter den Tisch. Das hat nichts mit Qualität zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zu Punkt 5 Ihres Antrags würde ich sagen: Jawohl, da stimmen wir Ihnen hundertprozentig zu. Aber dann machen Sie das bitte richtig und auch mit der richtigen Finanzausstattung.

Meine Damen und Herren,ich zitiere jetzt aus dem Rundbrief der LAG „Freie Kinderarbeit in Hessen“:

An dieser Stelle

gemeint ist die Mittelverschiebung –

wird eine deutliche Schwerpunktsetzung der Landesregierung für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren gegen die Betreuung von Schulkindern deutlich. Ersteres ist zeitgemäß, Zweiteres leider weniger.

So die Kommentierung dieser Organisation, die natürlich auf eine gute Zusammenarbeit und auch auf die Förderung durch das Ministerium angewiesen ist. Deshalb, meine ich, kann man das Ganze auch etwas unverblümter formulieren: Die Hessische Landesregierung stopft Löcher und reißt an einer anderen Stelle wieder neue auf.

(Beifall bei der SPD)

Aber vielleicht haben Sie ja eine Erklärung dafür. Das, was Sie im Antrag geschrieben haben, reicht mir nicht. Die Frau Ministerin wird dazu noch etwas sagen. Vielleicht haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Betreuung von Schulkindern plötzlich einen so viel geringeren Stellenwert haben soll als die Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Wir könnten den Veränderungen der Fach- und Fördergrundsätze zustimmen, sogar mit Freuden zustimmen, wenn sie die Hortbetreuung überflüssig machen würden. Es wäre sogar eine pädagogische Weiterentwicklung, wenn an Hessens Schulen ein ausreichendes Ganztagsangebot zur Verfügung stehen würde, und es wäre noch erfreulicher, wenn nicht nur ein ausreichendes, sondern eines von höherer pädagogischer Qualität vorhanden wäre,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

wenn eine Ganztagsschule als Lebensraum begriffen würde, in der die Trennung in Vormittagsunterricht, pädagogischen Mittagstisch und Nachmittagsbetreuung abgebaut und das Ganze zugunsten eines rhythmisierten Tages umgebaut würde.

Meine Damen und Herren, es gibt diese Schulen, z. B. die Bodenseeschule. Aber auch in Hessen gibt es ein gutes Beispiel; das ist die Offene Schule in Waldau.Aber davon sind wir leider noch eine ganze Ecke entfernt. Deshalb brauchen wir immer noch die Zwischenzeitlösung der Hortbetreuung. Diese muss weiter ausgebaut werden.

(Beifall der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich gehe auch in keinem Fall davon aus, dass die Nachfrage geringer geworden ist.Allein aus meinem Wahlkreis weiß ich, dass das DRK – die liegen sozusagen in den Startlöchern – dringend diese Landesförderung braucht, um die geplanten Hortplätze an der Schule in Edertal einrichten zu können. Gerade im ländlichen Raum wird die Nachfrage ansteigen.Hier besteht ein Nachholbedarf,und die Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Ich nenne die Zahlen für 2005: Über 200 neue Betreuungsplätze für Schulkinder sind im vergangenen Jahr mit der Förderung entstanden. Das zeigt doch, dass auf einem hohen Niveau noch einiges zu leisten ist.

Meine Damen und Herren von der Union, was Sie hier machen, ist wirklich eine Mogelpackung, die Sie den Eltern vorhalten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erst werden Eltern durch Angebote für Kleinkinder in der Sicherheit gewogen, dass alles gut ist, dass sie eine gute Betreuung vorfinden,und wenn die Kinder im Schulalter sind, dann stehen sie da und sind allein gelassen.

(Reinhard Kahl (SPD): Richtig!)

Was Sie praktizieren, ist auch ein erneuter Schlag gegen die Eltern solcher Familien, die mehr Unterstützung als andere brauchen. Das sind die Alleinerziehenden, die ohne den nötigen familiären Background auskommen müssen, und vorwiegend die, bei denen beide Elternteile arbeiten müssen, um ein einigermaßen sicheres Familieneinkommen nach Hause zu bringen, die, die ohne Betreuung und Versorgung ihrer Kinder gar nicht arbeiten gehen könnten. Möglicherweise geht es hier auch um den Verlust von Arbeitsplätzen. Es gibt nämlich in diesem Land verantwortungsvolle Eltern, die dann eher auf den Arbeitsplatz verzichten, weil sie ihre kleineren Schulkinder nicht aufgrund mangelnder Betreuung auf der Straße stehen lassen wollen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Das ist ziemlich weit hergeholt!)

Sie wollen ihre Kinder eben versorgt wissen und nehmen dafür ein geringeres Familieneinkommen in Kauf, und verzichten möglicherweise auf das berufliche Fortkommen.Das haben Sie schon ein Stück weit zu verantworten. Diesen Eltern haben Sie nicht die nötige Unterstützung zugesichert.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich möchte jetzt vom sozialpolitischen zum wirtschaftlichen Aspekt kommen, weil dieser oft gar nicht so gesehen wird. Es gibt da ganz interessante Zahlen über die Einsparungen von Sozialhilfeleistungen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hat im vergangenen Jahr die möglichen Einsparungen bei einer Erwerbstätigkeit von allein erziehenden Müttern quantifiziert. Das Institut kommt auf eine Gesamtsumme von 1,5 Milliarden c. Interessant ist dabei die Aufschlüsselung. Auf die Gruppe der Mütter mit Kindern unter drei Jahren entfielen an Einsparungen 240 Millionen c. Bei den Müttern mit Kindern im Kindergartenalter wären es immerhin schon ca. 500 Millionen c. Aber bei den Müttern mit Kindern im Hortalter betrügen die Einsparungen rund 790 Millionen c. Ganz abgekoppelt von allen pädagogischen und entwicklungspsychologischen Überlegungen kommt also unter dem Einspareffekt bei der Sozialhilfe der Bereitstellung von genügend Hortplätzen eine ganz besondere Bedeutung zu.

(Beifall bei der SPD)

Solange wir die qualifizierte Ganztagsschule nicht überall dort anbieten, wo sie nicht nur pädagogisch wünschenswert, sondern ganz einfach notwendig ist, muss das bedarfsgerechte Hortangebot ausgebaut werden und darf nicht auf nicht ausreichendem Stand eingefroren werden. Sie können doch nicht einen Bildungs- und Erziehungsplan vorlegen und dann eines der wichtigsten Angebote – dazu steht doch einiges in Ihrem Plan drin, den wir übrigens gar nicht ablehnen – gleich am Anfang schon wieder als Auslaufmodell abqualifizieren.

Meine Damen und Herren, unsere Position ist eindeutig: Bildung, Betreuung, Förderung aller Kinder unabhängig vom Alter ist eine zentrale Aufgabe und muss Priorität vor anderen Politikfeldern haben. Das ist Zukunftssicherung, und das ist eine Voraussetzung für ein Land im Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Hessische Realität ist leider die Mangelverwaltung in diesem Bereich. Gerade in die Kinderbetreuung investiert das Land weniger als ein Drittel der Summe, die die Vorvorgängerregierung bereitgestellt hat. Da helfen alle mar

kigen Worte, ob sie jetzt mit Offensive oder sonst wie beginnen, nichts.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Solche Begriffe reichen nicht. Notwendig ist insgesamt mehr Geld im Landeshaushalt für diese Aufgabe.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Kollege Rentsch,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Guter Mann!)

nach Ihrer viertelstündigen Ausführung darauf hinzuweisen, dass wir uns auf eine Anhörung verständigt haben, ist natürlich spannend. Ich meine, diese Anträge von Ihnen sind alle in der Zeit des Wahlkampfes entstanden. Da hat man noch einmal etwas losgetreten. Wir haben uns übrigens an die Verabredung gehalten. Wir sind tatsächlich der Meinung, sich an dieser Stelle immer wieder im Kreis zu drehen und die gleichen Argumente auszutauschen bringt nicht besonders viel. Wenn allerdings solche Sachen von der Regierung oder von der CDU kommen, dann muss man schon ein bisschen nachhaken. Da gebe ich Ihnen Recht. Das kann man nicht alles so durchgehen lassen. Die glauben das nämlich alles auch noch.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist das Schlimme!)

Das ist das Allerschlimmste.

(Zurufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Jörg- Uwe Hahn (FDP): Halten Sie sich doch mal zurück mit Zwischenrufen!)