Protocol of the Session on January 26, 2006

Wenn Herr Kollege Beuth darauf verweist, Sinn der Maßnahme sei, mit Lehrerstellen effizient umzugehen, dann muss man aber auch die ganze Wahrheit sagen, Herr Kollege Beuth. Es war diese Landesregierung und die sie tragende Fraktion, die in dieser Legislaturperiode im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ 1.000 Lehrerstellen gestrichen hat.

(Zurufe von der CDU)

Das steht doch in Ihrer eigenen Vorlage. Es wäre gut, wenn die CDU-Fraktion sie lesen würde, bevor sie sie beschließt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Diese CDU-Landesregierung bzw. dieses Kultusministerium weist in ihrem eigenen Zuweisungserlass aus, dass in unserem Land 2.200 Lehrerstellen fehlen.Sie produzieren den Mangel an unseren Schulen und reden gegenüber den Schulträgern und Schulen von Effizienzgewinnen. Wenn Sie Ihre Hausaufgaben bei der Lehrerzuweisung machen würden, dann hätten die Schulen weit weniger Probleme, meine Damen und Herren. Das ist doch der Zusammenhang, um den es geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich nenne ein weiteres Beispiel, wie mit den Eltern, Lehrern und Schülern umgegangen wird, die sich für ihre Schule einsetzen. Ich zitiere aus dem „Wiesbadener Kurier“ vom 18. Januar 2006. Dabei handelt es sich um ein Gespräch mit dem Schulleiter der Kellerskopfschule, Dr. Manfred Schöneberger:

Bei einer Nacht- und Nebelaktion in den Weihnachtsferien hat das Schulamt beschlossen, den Hauptschulzweig auslaufen zu lassen. Damit können wir leben, denn für diesen Zweig gab es ohnehin nur drei oder vier Anmeldungen, erklärt Schöneberger.

Weiter heißt es:

Einige Tage später kam aber für uns völlig überraschend die Nachricht, dass es ab dem kommenden Schuljahr auch keine neue Klasse 5 des Realschulzweigs mehr geben soll, wenn wir nicht genügend Anmeldungen neuer Schüler bekommen. Dann würde der Schulbetrieb der Kellerskopfschule langsam auslaufen, fasst Schöneberger empört zusammen.

Ingrid Timm ist noch im vergangenen Jahr zur Lehrerin des Jahres gekürt worden, eine bundesweit nur einmal vergebene Auszeichnung. Sie betont: Was das Kultusministerium hier mit uns gemacht hat, ist nicht nur Rufmord, sondern auch eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Die Eltern denken, die Schule wird geschlossen, und sind verunsichert. Also melden sie ihre Kinder gar nicht erst hier an. Dann hätten wir wirklich zu wenig Anmeldungen, und das Schicksal der Schule wäre besiegelt.

Frau Kultusministerin, so kann man mit den Schulen in unserem Land wirklich nicht umgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Protest äußert sich in Kundgebungen, beispielsweise in Wiesbaden. Hierzu zitiere ich noch einmal aus dem „Wiesbadener Kurier“ vom 18. Januar 2006:

Eine Delegation, wie es sich der Elternbeiratsvorsitzende der Leuschner-Schule, Prof. Jürgen Oldenstein, in einem Brief gewünscht hatte, wurde vom Kultusministerium nicht empfangen.Das veröffentlichte stattdessen gestern die Pressemitteilung, dass man an der getroffenen Entscheidung festhalte.Die Demonstrierenden zitterten derweil vor der Treppe des Ministeriums im Schneegestöber und forderten weiter den Erhalt der beiden auf Förderung angelegten Schulzweige.

Meine Damen und Herren, zumindest empfangen müssen Sie die Leute, die gegen Ihre Maßnahmen protestieren, und dürfen sie nicht in der Kälte stehen lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kultusministerin, so geht es nicht. Sie verantworten einen erheblichen Mangel an unseren Schulen. Sie versuchen, die Verantwortung dafür an die Schulträger abzudrücken. Sie versuchen, sie an die Schulen abzudrücken. Die Leidtragenden sind die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern, die völlig zu Recht in unserem Land gegen Ihre Maßnahmen protestieren. Sie haben dabei unsere Unterstützung. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zustimmen. Herr Kollege Beuth, es wird noch viele weitere derartige Initiativen geben,bis wir Ihre verfehlte Schulpolitik korrigiert haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wagner. – Für eine Kurzintervention hat Herr Kollege Dr. Herr das Wort. Herr Dr. Herr, Sie haben eine Redezeit von zwei Minuten.

Frau Präsidentin, lieber Herr Kollege Wagner! Ich fürchte dass wir uns auch mit Ihren Vorwürfen, die unwahr sind, auseinander setzen müssen. Ich habe den Eindruck gewonnen – das ist im Übrigen auch in der Rede von Herrn Kollegen Quanz deutlich geworden –, dass Sie die Richtwerte mit den Höchstwerten der Klassen verwechselt haben. Diese haben sich überhaupt nicht geändert. Sie stammen noch aus der Zeit, als Sie Regierungsverantwortung trugen. Daran hat sich nichts geändert. Wird der Höchstwert erreicht, wird die Klasse geteilt.

Ich gebe zu, dass es auch Ausnahmen geben kann. Diese Ausnahmen haben aber einen Grund. Wenn ein Schüler neu in eine Klasse hereinkommt, wollen Sie dann mitten im laufenden Betrieb die Klasse teilen? Das ist doch unmöglich.

In meinem Wahlkreis gibt es folgenden interessanten Fall. Eine Klasse hat über 30 Schüler, eine andere Klasse 27 Schüler. Die Eltern wehren sich, weil sie die Freundschaften nicht auseinander reißen wollen. Es wäre ein Leichtes, diese Klassen umzugruppieren, aber die Eltern dulden 32 Schüler in der einen Klasse, während in der anderen Klasse nur 27 Schüler sind.

Die Richtwerte, die entscheidend sind, dienen doch nicht dazu, Klassen oder gar Schulen zu schließen. Nicht eine einzige der angesprochen Schulen wird geschlossen. Das ist sehr wichtig. Die Schulträger sind aufgefordert, sinnvolle Lösungen zu finden. Diese finden sie auch. Ausnahmegenehmigungen hat es in der Hälfte der Fälle im ländlichen Raum gegeben, wo die Entfernungen groß sind.

(Reinhard Kahl (SPD): Ist das authentisch? Können wir davon ausgehen?)

Sie haben gerade von Frankfurt gesprochen. Wo ist es denn am einfachsten, Klassen zusammenzulegen? In Hilders oder in Frankfurt? Im Kreis Kassel oder in Darmstadt? Das ist doch wohl keine Frage. Also jammern Sie uns doch nichts vor über Dinge, die einfach zu handhaben sind.Für die anderen sind Ausnahmeregelungen getroffen worden, und das ist gut so.

(Beifall bei der CDU)

Das ist doch das einzige Mittel, sinnvoll gegen die Vergeudung von Ressourcen vorzugehen, weil der demographische Wandel uns alle trifft. Deshalb werden Richt

werte festgelegt.Es ist wichtig,dass das im Protokoll steht, damit nicht nur Ihre unwahren Behauptungen den nachfolgenden Generationen erhalten bleiben, sondern damit man auch einmal nachlesen kann, was geleistet worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Wagner hat die Gelegenheit zur Antwort. Ihm steht ebenfalls eine Redezeit von zwei Minuten zur Verfügung.

Herr Kollege Herr, ich weiß zwar nicht, auf was Sie interveniert haben, aber eine Kurzintervention war das nicht.

(Zurufe von der CDU)

Ich verstehe zwar, dass nach dem Beitrag von Herrn Kollegen Beuth der Erklärungsbedarf vonseiten der CDU größer geworden ist. Insofern verstehe ich Ihren Redebeitrag einmal so.

Herr Herr, Sie müssen in der Schulpolitik einfach einmal etwas akzeptieren. Nicht die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern, die sich über die Auswirkungen Ihrer Bildungspolitik beschweren, haben eine Wahrnehmungsstörung, sondern Sie haben eine Wahrnehmungsstörung, weil Sie überhaupt nicht mehr wahrnehmen, was an den Schulen in unserem Land passiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Henzler von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß, Schulpolitik erregt immer alle Gemüter, weil alle etwas damit zu tun haben. Dennoch wollen wir in Ruhe und sachlich die Debatte fortsetzen.

Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD: Es ist richtig, dass es schon der vierte Gesetzentwurf ist.Vielleicht werden noch weitere Gesetzentwürfe eingebracht. Ich bin sehr froh, dass wir uns im Ausschuss darauf verständigt haben,alle Gesetzentwürfe gemeinsam aufzurufen und zu bearbeiten, wenn der letzte Gesetzentwurf eingebracht worden ist. Das bedeutet schon eine große Zeitersparnis.

Dieser Gesetzentwurf zielt darauf ab, die umstrittenen Richtwerte für Klassengrößen aus dem Schulgesetz zu streichen und eine Orientierung ausschließlich an den Mindestwerten vorzunehmen. Landesweit wird gegen jede Art der Umwandlung oder gar Schließung eines Schulzweigs oder Bildungsgangs protestiert. Dieser Protest wird auch von der SPD und den GRÜNEN geschürt. Das wollen wir hier einmal festhalten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Jürgen Walter (SPD): Vor Ort seid ihr mit Sicherheit irgendwo dabei!)

In Frankfurt will die grüne Stadträtin Ebeling einen nicht mehr nachgefragten Gymnasialzweig sogar mit eigenen Lehrern weiter betreiben.

(Widerspruch bei der SPD)

Das ist ihr gutes Recht. Die Zuständigkeit ist im Kommunalrecht festgelegt, Herr Quanz, und demzufolge sind die Kommunen hier auch nicht eingeengt.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich: Sie haben gestern der CDU vorgeworfen,dass sie das Thema Einbürgerung zum Wahlkampfthema für die Kommunalwahl macht. Glauben Sie nicht, auch die Bürgerinnen und Bürger merken, dass Sie die Schulrichtwerte und die Schulentwicklung zum Kommunalwahlkampfthema machen und das Thema gerade hochziehen?

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich habe Verständnis für die Eltern, für die Schüler und für die Lehrer, wenn sie beunruhigt und beängstigt sind, weil sich Dinge verändern und Schulzweige und Bildungsgänge geschlossen werden müssen. Das kann ich verstehen.Wenn sich Dinge verändern,muss man sich neu orientieren. Das schafft Unsicherheit und Angst. Ich denke aber schon, dass sich die Kommunalpolitiker da nicht so hineinhängen müssten, und insbesondere das breite Presseecho wird meiner Meinung nach von den Politikern vor Ort sehr stark geschürt.

Mit der Realität, mit Kostenbewusstsein und Qualitätsverbesserung an den Schulen hat das alles aber nichts zu tun.Aufgrund der Richtwerte müssen landesweit 28 Schulen einzelne Bildungsgänge auslaufen lassen. 18 Schulen müssen organisatorische Konsequenzen ziehen. Wir haben in Hessen ca. 800 weiterführende Schulen. Somit sind also knapp 6 % der Schulen von Veränderungen betroffen. Ich denke, das kann man nicht als eine „Zerstörung“ der Schullandschaft, als „Verwüstung“ bezeichnen, sondern das sind maßvolle Veränderungen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Man muss den Tatsachen auch als Politiker einmal ins Auge sehen.Die Schülerzahlen nehmen kontinuierlich ab. In Nordhessen,z.B.im Kreis Waldeck-Frankenberg,ist bis zum Jahre 2050 mit einem Bevölkerungsrückgang von 30 % zu rechnen. Es sind die jungen Leute, die weggehen, nicht die älteren. Das heißt, da müssen Sie doch Schulzentren bilden, da bleibt Ihnen doch gar nichts anderes übrig. Sie können nicht alle Schulen erhalten. Es müssen also Maßnahmen ergriffen werden, die unser Schulsystem zukunftsfähig erhalten.