Als der Professor bei uns im Ausschuss war, lief das Modellprojekt in Niedersachsen seit drei Monaten. Der Professor gab damals eine Prognose ab.Die Prognose lautete, dass die Zahl der Unfälle in dieser Altersgruppe um 15 % gesenkt werden könne.
Die wesentliche Frage, die er damals stellte, lautete allerdings: Fahren diese jungen Leute nach der Phase des begleiteten Fahrens sicherer, als wenn sie nicht an diesem Projekt teilgenommen hätten? – Dieser Frage wurde mittlerweile in Niedersachsen nachgegangen. Speziell dazu wurde eine Begleitstudie in Auftrag gegeben.Mittlerweile liegen uns die ersten Ergebnisse vor. Damit verfügen wir in Deutschland erstmals über eine gesicherte Datenbasis.
Herr Kollege Posch hat dazu schon einiges gesagt. Ich will das nicht im Einzelnen wiederholen. Zu begrüßen ist, dass dieses Projekt in Niedersachsen sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Eltern auf sehr hohe Akzeptanz gestoßen ist.
Herr Posch hat es gesagt: 20.000 Genehmigungen. Überaus spannend ist auch die Aussage, dass nach diesem begleiteten Fahren das Risiko in der Tat gesenkt werden konnte. Die Studie hat ergeben: Bei den begleiteten Fahrern, die also hinterher alleine fahren, konnten 40 % weniger polizeilich gemeldete Unfälle sowie 60 % weniger Bußgelder verzeichnet werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichts dieser positiven Ergebnisse halten wir das Modellprojekt für sehr sinnvoll und sind davon überzeugt, dass es auch in Hessen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen kann.
Nachdem die alte Bundesregierung bereits im vergangenen Sommer die rechtlichen Voraussetzungen für Projekte in den einzelnen Bundesländern geschaffen hat, haben inzwischen tatsächlich einige davon Gebrauch gemacht: Hamburg und Bremen vor etwa einem halben Jahr, Bayern im September, Schleswig-Holstein im Oktober, Rheinland-Pfalz im November, und einige andere befinden sich – so wie auch wir – in der Planungsphase.
Nach unserer Vorstellung sollte das hessische Projekt auf der Basis der Freiwilligkeit beruhen und sich durchaus an dem niedersächsischen orientieren. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang, dass Herr Minister Rhiel bei der Erarbeitung eines hessischen Konzeptes wichtige Fachverbände,wie den ADAC und den Fahrlehrerverband, einbeziehen möchte.
Wir halten die folgenden Eckpunkte, die in ein solches Konzept Eingang finden sollten, für sinnvoll: ein Mindestalter der Teilnehmer von 17 Jahren, eine abgeschlossene Fahrausbildung, eine bestandene Fahrprüfung, eine verpflichtende Teilnahme an einer neunzigminütigen Einführungsmaßnahme für den Teilnehmer und die Begleitperson sowie das ausschließliche Fahren mit der gemeldeten Begleitperson. Diese Begleitperson sollte ein Erziehungsberechtigter, also Vater oder Mutter, sein. Da treffen wir uns mit den Vorstellungen der FDP. Die Begleitperson sollte mindestens 30 Jahre alt und seit fünf Jahren im Besitz des Führerscheins der Klasse B sein sowie maximal drei Punkte in Flensburg haben.
Das wären durchaus Eckpunkte, die wir uns vorstellen können. Zudem sind aus unserer Sicht Sanktionen bei
Verstößen im Rahmen des begleiteten Fahrens vorzusehen – etwa bei Fahrten ohne Begleitung oder bei alkoholisierten Fahrten.Herr Minister Rhiel,wir erwarten in dieser Frage einen klar definierten Sanktionenkatalog, den Sie uns mit dem Konzept vorlegen sollten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein weiterer ganz wichtiger Aspekt ist die Rechtsklarheit, die jetzt nach anfänglichen Unsicherheiten in allen Haftungs-,Versicherungs- und strafrechtlichen Fragen besteht. Demnach hat ein Fahranfänger die gleiche Rechtsstellung wie jeder andere Verkehrsteilnehmer und Fahrzeugführer in Deutschland.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt für uns also keine Argumente mehr, Jugendlichen in Hessen, die das 17. Lebensjahr vollendet haben, die Möglichkeit des begleiteten Fahrens vorzuenthalten. Wir sehen mit Spannung dem Konzept entgegen, das die Landesregierung vorlegen wird. Über einzelne Fragen können wir uns im Ausschuss unterhalten.Ich bin überzeugt,dass es da keine allzu großen Probleme mehr geben dürfte.
Selbstverständlich ist ein solches Projekt kein Allheilmittel, das alle Probleme löst. Das ist auch uns klar. Das Thema Sicherheit im Straßenverkehr wird uns zukünftig weit über diese Altersgruppe hinaus begleiten. Es ist also eine dauerhafte Aufgabe.
In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, bedanke ich mich auch bei allen anderen Fraktionen für diese konstruktive Diskussion,die wir im vergangenen Jahr geführt haben. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss und darf an dieser Stelle unserem Projekt ein gutes Gelingen wünschen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Pfaff. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Lannert für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach diesen einvernehmlichen Redebeiträgen meiner Vorredner kann ich Sie heute so begrüßen.
Ich habe nicht vor, die 15 Minuten Redezeit für diesen Setzpunkt auszuschöpfen, zumal wir am 12. Januar nach einem einvernehmlichen Argumentationsaustausch sozusagen schon grünes Licht für das Modellprojekt „Begleitetes Fahren ab 17“ gegeben haben. Deswegen werde ich meine Ausführungen auf einige wenige wichtige Punkte begrenzen.
Herr Posch, ich möchte Ihnen gerne noch sagen: Wir haben das Modellprojekt nicht von Anfang an abgelehnt, sondern wir standen ihm abwartend gegenüber. Es war mir wichtig, das noch einmal deutlich zu machen.
Meine Fraktion hat mit den GRÜNEN und bei Enthaltung der SPD dem Antrag schon im Ausschuss zugestimmt. Wir sind auch der Auffassung, dass durch dieses
begleitete Fahren Wege eröffnet werden, um dem zentralen Fahranfängerproblem der praktischen Unerfahrenheit wirksam zu begegnen. Für die Fahranfänger ist auch ganz wichtig, dass sie damit eine kostengünstige Möglichkeit haben, ihre Fahrsicherheit und möglichst unfallfreie Teilnahme am Straßenverkehr noch vor dem 18. Geburtstag zu erlangen.
Für die CDU-Fraktion gilt nach wie vor, dass bestimmte Bedingungen sehr wichtig sind. Deswegen haben wir auch eigene Vorschläge eingebracht. Ich habe aber gerade den Redebeiträgen, auch von Frau Pfaff, entnommen, dass wir uns da einig sind. Sie hatte auch angesprochen, dass es wichtig ist, dass die begleitenden Personen Erziehungsberechtigte sind. Für uns spielt auch die 0-‰-Grenze eine große Rolle. Die sollte nach unserer Auffassung nicht überschritten werden.
Deswegen ist uns sehr wichtig,dass in dem hessischen Modellprojekt diese Dinge unbedingt verankert werden, um den Sicherheitsaspekt nachhaltig zu erhöhen.
Ich freue mich sehr, dass unser Minister Rhiel zugesagt hat, die Details zeitnah zu prüfen und auszuarbeiten und dem Ausschuss zu berichten.Wenn heute, wie es jetzt aussieht, alle Fraktionen dem Modellprojekt folgen können, können wir das in Zukunft auch zügig umsetzen.
Da die längere Erprobung gewährleistet war, weil die Auswertungen der anderen Länder vorliegen und sich 11 von 16 Bundesländern jetzt positiv mit diesem Modellprojekt beschäftigen, unterstützen wir das jetzt auch in Hessen. Damit haben über 70 % der bei uns in Frage kommenden Fahranfänger die Möglichkeit, an diesem Modellprojekt auf freiwilliger Basis teilzunehmen.
Ich möchte noch ganz kurz auf einen Aspekt eingehen, der mir schon bei meiner vorherigen Rede wichtig war. Da der Gesetzgeber so genannte Vorbereitungskurse oder Fahrtrainings auf freiwilliger Basis zulässt, möchte ich noch einmal für diese Fahrtrainings auf freiwilliger Basis werben. Ich habe es selber gemacht – das habe ich in meiner damaligen Rede angedeutet. Sie bringen eine unglaubliche Sicherheit, was den Umgang mit Gefahrensituationen wie Eis, Schnee und Aquaplaning angeht. Sie machen darüber hinaus auch noch Spaß. Wir alle sind in irgendeiner Form Verkehrsteilnehmer, die mehr oder weniger einem Unfallrisiko ausgesetzt sind. Mit diesem Projekt werden wir sehr nahe daran sein, dieses Unfallrisiko für alle Beteiligten zu senken. Deswegen beschließe ich hiermit meinen letzten Satz: Wir stimmen dem FDP-Antrag sehr gerne zu. – Danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin Lannert. – Nun hat sich für die Landesregierung der Herr Minister für Wirtschaft und Verkehr zu Wort gemeldet. Herr Dr. Rhiel, bitte schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Woche haben wir die aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes über die Verkehrsunfälle und die Verkehrsunfallhäufigkeit nachlesen können. Wir dürfen zufrieden zur Kenntnis nehmen, dass die Zahl zurück
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dennoch bin ich dankbar,dass alle Fraktionen deutlich gemacht haben, dass es in erster Linie um die Sicherheit geht. Jeder Unfall, insbesondere jeder Unfall mit Todesfolge oder Körperschäden, ist ein Unfall zu viel. Deswegen ist klar, dass dieses Modell, das wir jetzt gemeinsam angehen wollen, an erster Stelle auf das Sicherheitsbedürfnis eingeht und erst in zweiter Linie auf das Mobilitätsbedürfnis.
Alles ist gesagt worden, ich brauche dem nichts hinzuzufügen.Wir werden in Kürze die Unterlagen für das Modell vorlegen. Wir werden es im Ausschuss beraten, sodass es zügig umgesetzt werden kann. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Rhiel. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Daher kommen wir nun zur Abstimmung.
Zunächst stimmen wir über Tagesordnungspunkt 52 ab, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr zu dem Antrag der Fraktion der FDP betreffend Modellprojekt begleitetes Fahren in Hessen: mehr Sicherheit für Fahranfänger, Drucks. 16/5099 zu Drucks. 16/3617.Wer dieser Beschlussempfehlung die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist das gesamte Haus. Dann brauche ich keine weiteren Abstimmungen mehr zu machen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 53, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr zu dem Dringlichen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Mobilitätsbedürfnis von jungen Menschen sicher, kostengünstig und umweltverträglich gestalten, Drucks. 16/5100 zu Drucks. 16/3780. Wer dieser Beschlussempfehlung die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDUund die FDP-Fraktion. Gegenstimmen? – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Enthaltungen? – SPD-Fraktion. Damit ist auch diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen von CDU und FDP angenommen.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Viertes Gesetz zur Wiederherstellung der Chancengleichheit an Hessens Schulen – Drucks. 16/5074 –
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Kollege Quanz für die SPD-Fraktion.– Es sind zehn Minuten Redezeit pro Fraktion vereinbart.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum erneut eine Gesetzesinitiative der SPD-Fraktion zur Bildungspolitik – diesmal zur Abschaffung der Richtwerte? Dafür haben wir uns schlicht deshalb entschieden, weil wir uns von der Vision einer besseren Schule leiten lassen. Wir hören uns an, was Wissenschaftler, Wirtschaftsverbände und Lehrerverbände zu den Reformen sagen, die notwendig sind, damit sich in Deutschland – in Hessen – tatsächlich etwas verbessert.
Wir dürfen feststellen, dass es in keiner Stellungnahme heißt, Richtwerte würden tatsächlich eine Verbesserung bewirken.Vielmehr kommen wir zu der Feststellung, dass es zwar sinnvoll ist, an Mindestgrößen festzuhalten, aber keinen Sinn ergibt, durch die Festsetzung von Richtwerten im ganzen Land größere Klassen zu provozieren. Keine einzige Stellungnahme besagt, dass die Schüler in größeren Klassen erfolgreicher sind als in kleineren. Die Erfahrungen signalisieren selbstverständlich das Gegenteil.
Aber es gibt viele Studien, in denen festgestellt wird, dass staatliche Reglementierungen genau die falsche Antwort sind. Es wird immer aufgefordert: Entlassen wir doch die Schulen in Freiheit und Verantwortung. – Die praktische Politik der Regierung sieht ganz anders aus.
Die bestehende tiefe Differenzierung der deutschen Schulsysteme mit einer extrem hohen Dichte normativer Regelungsstrukturen führt bei Reformansätzen leicht zu einer Vielzahl operativer Veränderungen. Dabei droht der Blick für das Übergeordnete verloren zu gehen.
Genau das ist der Fall. Bei der CDU-Fraktion und der Regierung ist, was Reformnotwendigkeiten angeht, der Blick für das Wesentliche offensichtlich verloren gegangen.