Protocol of the Session on November 23, 2005

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das ist deren Aufgabe!)

Die Tätigkeit der in der Finanzverwaltung beschäftigten Mitarbeiter wird in den Augen von Steuerbürgern und steuerpflichtigen Unternehmen leider allzu oft mit den dahinter stehenden Personen identifiziert. Sagen wir es einfach und pauschal: Die Finanzverwaltung, insbesondere die Steuerfahndung, ist in der Öffentlichkeit nicht beliebt. Finanzbeamte, insbesondere Steuerfahnder, sind es ebenso wenig.Dies bedeutet für die Vorgesetzten in der Steuerverwaltung, ebenso aber für die Oberfinanzdirektion, die zuständige Abteilung im Ministerium und die Hausspitze: Sie alle müssen sich umso intensiver und solidarischer hinter die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen und ihnen bei ihrer schweren und verantwortungsvollen Tätigkeit den Rücken stärken.

Das ist eine ganz, ganz wichtige Aufgabe, denn unsere Frontleute in der Finanzverwaltung sind aufgrund ihrer Aufgabe natürlich nicht beliebt. Dass man allzu leicht die Aufgabe mit dem Menschen verwechselt, liegt nahe und kommt ihnen nicht zugute. Umso mehr müssen sie sich sicher sein, dass ihnen der Rücken freigehalten wird. Das

hat man früher Gefolgschaftstreue der Vorgesetzten genannt. Das ist zwar ein ziemlich altmodisches Wort, aber genau darum geht es hierbei.

Das Parlament und die Landesregierung erwarten von den Mitarbeitern in der Finanzverwaltung, dass sie ohne Wenn und Aber zum Staat stehen und sich nicht von zahlungsunwilligen Steuerbürgern oder von zahlungsunwilligen Unternehmen von ihrer Pflichterfüllung abbringen lassen. Das kann aber nur funktionieren, wenn der Staat, repräsentiert durch Vorgesetzte und die Ministeriumsspitze, im gleichen Umfang, ohne Wenn und Aber, hinter seinen Mitarbeitern steht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was meine ich damit, wenn ich „hinter den Mitarbeitern stehen“ sage? Damit meine ich, dass die Mitarbeiter als Individuen ernst zu nehmen sind, dass man das Verhalten gegenüber den Mitarbeitern hinterfragt und in Kauf nimmt, dass es hinterfragt wird, dass Entscheidungen der sachlich fundierten Kritik der Mitarbeiter ausgesetzt werden, dass das Gespräch mit den Mitarbeitern gesucht wird, dass die Mitarbeiter fair und gerecht behandelt werden, dass sie nicht über ihre Beurteilung im Unklaren gelassen werden und dass kritisches Denken und selbstständiges Handeln belohnt und nicht bestraft werden.All das ist aus meiner Sicht unter dem Ausdruck „hinter den Mitarbeitern stehen“ zu verstehen.

Zur Erfüllung der landespolitischen Aufgaben ist der bestmögliche Motivationsstand der Mitarbeiter unerlässlich. Motivation kann aber nicht nur aus den betroffenen Personen heraus generiert werden – man nennt das intrinsisch –, sondern es muss auch aus dem Umfeld heraus, also extrinsisch generiert werden.Wenn das Umfeld nicht motivationsgerecht ist, dann kann sich ein Mitarbeiter bemühen, sosehr er will, er wird es nicht schaffen, gute Arbeit zu leisten und dabei Erfolg zu haben. An dem motivationsfördernden Verhalten von Vorgesetzten aller Hierarchiestufen hat es in dem vorliegenden Fall gefehlt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich lasse die Frage der rechtlichen Würdigung völlig außen vor. Ich konzediere dem Minister und dem Staatssekretär,dass alles „irgendwie“ richtig gelaufen ist.Es bleibt zwar verwunderlich, wie die Dinge verkettet sind, aber mir geht es um das menschliche Verhalten. Die Solidarität von Vorgesetzten darf sich nicht nur auf andere Vorgesetzte erstrecken, die eine Stufe tiefer stehen, sondern sie muss sich eben auch auf die Mitarbeiter erstrecken. Das bedeutet auch Kritik gegenüber deren Vorgesetzten und ihrem Verhalten.

Herr Minister Weimar, Herr Staatssekretär Dr. Arnold, wahrscheinlich werden Sie das, was ich gesagt habe, bestreiten. Ich bitte Sie aber recht herzlich – ich sage das nicht im Sinne einer Beschuldigung, sondern als wirklich dringlichen Appell –, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass sich der Eindruck, den ich gerade geschildert habe, nicht nur aus den Aussagen und dem Verhalten der Führungskräfte ergibt. Wir haben einige im Ausschuss erlebt und vortragen lassen, und wir haben durchaus ein Bild davon gewinnen können, wie es in der Finanzverwaltung aussieht, wie das Verhältnis zwischen den Führungskräften und den Mitarbeitern ist.Dieser Eindruck ergibt sich auch aus dem direkten Gespräch mit den betroffenen Mitarbeitern. Ich bitte Sie, sich nicht allein durch andere Stellen gefiltert informieren zu lassen, z. B. durch die OFD, son

dern mit den Betroffenen zu reden, um zu erfahren, wo die wirklichen Probleme angesiedelt sind.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Verlassen Sie sich bitte nicht auf die rein formalrechtliche Seite.Verlassen Sie sich bitte nicht allein auf Berichte, die Ihnen Dritte über die Vorgänge geben.

Mitarbeiter, die motiviert an ihre Arbeit gehen sollen, müssen sich am Arbeitsplatz und in ihren Beziehungen zu den Kollegen und Vorgesetzten wohl fühlen. Mein Eindruck ist leider, dass zumindest in der Finanzverwaltung – über andere Bereiche kann ich mir kein Bild machen – nach wie vor nach einem eher autoritär-hierarchischen Führungsprinzip gehandelt wird und die Begriffe Kooperation und Teamorientierung als eher zweitrangig gesehen werden.

Dies zu analysieren, die Ursachen festzustellen und daraus die organisatorischen Konsequenzen zu ziehen, ist selbstverständlich nicht Angelegenheit des Parlaments. Aber wenn das Parlament Kenntnis von Missständen erhält, ist es natürlich die Aufgabe aller Abgeordneten, die Exekutive nachdrücklich an ihre Pflicht zu erinnern. Nichts anderes tue ich hier und heute im Namen meiner Fraktion.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wie auch immer Sie den formalen Ablauf der vorhin skizzenhaft geschilderten Vorgänge einschätzen mögen: Ein Mitarbeiter mit Frust, ein Mitarbeiter mit Enttäuschung und Wut im Bauch kann kein guter Mitarbeiter sein, egal an welcher Stelle er arbeitet.

Die Kolleginnen und Kollegen in diesem hohen Hause bitte ich darum, unserem Antrag zuzustimmen. Sie, Herr Minister Weimar,und Sie,Herr Staatssekretär Dr.Arnold, bitte ich darum, nicht mit dem Gefühl persönlicher Betroffenheit und vielleicht dem Gefühl, durch eine vermeintliche Einmischung des Parlaments beleidigt worden zu sein, an die Angelegenheit heranzugehen, sondern sich ganz persönlich der Vorgänge anzunehmen – um der Menschen und unseres Landes willen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr von Hunnius. – Herr Milde, Sie haben das Wort für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte gern direkt auf die Rede von Herrn Schmitt reagiert. Jetzt muss ich es zeitversetzt tun. Die Rede des Kollegen Schmitt hatte mit dem Antrag, den die SPD gestellt hat, nur noch sehr wenig zu tun. Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass auch der Kollege Schmitt nach immerhin zweieinhalb Jahren Arbeit im Untersuchungsausschuss gemerkt hat, dass das Thema Steuerfahndung und Amtsverfügung totgeritten ist.

Herr Kollege Schmitt, Sie haben in Ihrer Schlussbemerkung gesagt, dass die Finanzbehörden die Kleinen mit aller Härte jagen und die Großen laufen lassen. Die SPD hat gegen die Amtsverfügung aber den genau gegenteili

gen Vorwurf erhoben. Die Amtsverfügung, um die es sich hier dreht, besagt: Bis zu einer gewissen Größenordnung können sich die Finanzämter um diese Fälle kümmern, und ab einer gewissen Größenordnung, wenn es wirklich kompliziert wird, wenn die ganze Kraft von Steuerfahndern erforderlich ist, dann bleiben die Fälle bei der Steuerfahndung. Es ist genau umgekehrt: Die Großen wurden mit aller Härte und Schärfe angegangen, im persönlichen Umgang manchmal sogar zu hart. Es gibt durchaus Beschwerden von dieser Seite. Die anderen Fälle wurden in den Finanzämtern abgearbeitet.

Herr Kollege Schmitt, man muss wirklich den Eindruck haben, dass das Thema von Ihnen gar nicht richtig verstanden worden ist.Wir hätten uns deshalb die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der inzwischen rund 240.000 Blatt Papier verbraucht hat, ersparen können. Der Kollege Williges wird das nachher in aller Deutlichkeit erklären.

Mein Eindruck ist, Sie haben sich mit dem Untersuchungsausschuss nicht nur hier im Parlament, sondern auch bei der Presse und den hier anwesenden Journalisten blamiert und versuchen jetzt, über ein Hintertürchen dieses Thema noch einmal aufzumachen. Eine Kollegin hat mir zugerufen: Bei den Setzpunkten werden die Themen der SPD immer ärmlicher. – Man muss sagen: Wenn man einen Untersuchungsausschuss, der eigentlich ein wertvolles parlamentarisches Instrument der Opposition ist, so in den Sand setzt und dann noch einen Setzpunkt mit diesem Thema belegt, an dem wirklich nichts dran ist, dann muss man sich fragen, wie „hochwertig“ die Opposition in Wirklichkeit ist.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Keine falsche Verallgemeinerung!)

Jetzt wird der Versuch unternommen, die Personalmaßnahmen, die dort stattgefunden haben, noch einmal aufzugreifen. Zwei der betroffenen Personen haben sich in der Öffentlichkeit gemeldet und denselben Vorwurf erhoben, den sie schon vor drei Jahren erhoben haben. Alle Fragen, die Sie mit Ihren Berichtsanträgen im Haushaltsausschuss zu dem Thema gestellt haben, haben wir in den letzten zwei Jahren im Untersuchungsausschuss abgearbeitet.

Deswegen ist Ihnen nichts anderes mehr eingefallen, als sich an der Stelle darauf zu berufen, dass es Kollegen selbst aus der CDU-Fraktion gebe, die sich an die Landesregierung gewandt und auf die Seite der Steuerfahnder gestellt hätten, die versetzt wurden. Es ist zutreffend, dass es Nachfragen von Abgeordneten gegeben hat. Gute Abgeordnete machen das, wenn ein Bürger zu ihnen kommt und ein Anliegen hat. Dann wenden sich solche Abgeordnete mit dem Anliegen an die Landesregierung. Die Tatsache, dass Sie auch nach dreimaligem Nachfragen nicht gesagt haben, welcher fleißige Abgeordnete der CDU-Fraktion sich dreimal an die Landesregierung gewandt hat,weil ein Bürger bei ihm war,zeigt aber,dass Sie den Namen nicht sagen wollen.

(Gerhard Bökel (SPD):Wie heißt er denn?)

Ich habe inzwischen herausbekommen, dass der Kollege Irmer der fleißige Kollege war und die GRÜNEN ihn jetzt quasi zum Kronzeugen ihrer Argumente machen. Wie arm muss eine Opposition wohl dran sein, dass ihr größter Feind auf einmal zum Kronzeugen ihrer Argumente wird?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch erbärmlich! – Zuruf des Abg.Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

So viel Zeit haben wir nicht,Tarek.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn!)

Meine Damen und Herren, die SPD hat im Untersuchungsausschuss und auch mit der gerade aufgerufenen Initiative versucht, die Landesregierung zu treffen. Ich muss sagen, in den letzten zwei Jahren ist mir im Untersuchungsausschuss in dem Zusammenhang kein einziger Vorwurf der Opposition an die Landesregierung bekannt geworden. Sie haben es aber geschafft, die gesamte Verwaltung gegen sich aufzubringen,die ganze Finanzverwaltung in Misskredit zu bringen und einen großen Imageschaden anzurichten. Ich sage an dieser Stelle: Die 28 hessischen Finanzämter leisten eine hervorragende Arbeit – übrigens nicht nur für die Einnahmen Hessens, sondern auch für die Einnahmen des Bundes.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher haben es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzverwaltung überhaupt nicht verdient, von Ihnen so schlechtgeredet zu werden.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Mitarbeiter werden nicht schlechtgeredet! Es geht überhaupt nicht um die Mitarbeiter!)

Die CDU-Fraktion spricht sich gegen jeden Versuch aus, sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter in Misskredit zu bringen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie haben keine Ahnung, wovon wir eigentlich reden!)

Jetzt kommen wir zu den organisatorischen Maßnahmen: Was ist bei der Versetzung der Mitarbeiter eigentlich geschehen?

Es geht um die organisatorischen Maßnahmen zu Beginn des Jahres 2004 – also darum, wozu sich jetzt nochmals zwei Mitarbeiter der Steuerfahndung an die Öffentlichkeit gewendet haben. Das hat überhaupt nichts mit dem zu tun, was wir im Untersuchungsausschuss untersucht haben: mit der Amtsverfügung. Vielmehr ging es hier um die Situation, die im Jahr 2004 neu entstanden ist. Das konnten wir in der Sitzung des Haushaltsausschusses in der vergangenen Woche klären. Es handelt sich um neu hinzugetretene Aufgaben. Ursächlich war die Feststellung des Rechnungshofs über den Bearbeitungsstand der Rechtsbehelfsverfahren, der eine Entlastung des Innendienstes erforderlich gemacht hat. Herr Kollege Schmitt, zum anderen musste vor dem Hintergrund des am 01.01.2004 in Kraft getretenen Investmentsteuergesetzes und zur Stärkung des Bankenplatzes Frankfurt der Arbeitsbereich Körperschaftsteuer ausgebaut werden.

Für beide Aufgaben waren die Mitarbeiter der Steuerfahndung, die dorthin versetzt wurden, prädestiniert und fachlich qualifiziert. Im Übrigen war es immer möglich, durch eine Personalauswahl, die stattgefunden hat, die Steuerfahndung im Finanzamt Frankfurt I – früher war das Frankfurt V – wieder zu stärken.

Im Übrigen kann man auch sagen, dass die Anzahl der Dienstposten insgesamt unverändert geblieben ist.Weiter

ist anzuführen, dass die OFD Frankfurt am Main dem Finanzamt Frankfurt I insgesamt 41 Nachwuchsbeamtinnen und -beamte zugewiesen hat, d. h. auch hier eine Personalverstärkung vorgenommen hat. Das auch zu dem, was Herr von Hunnius gesagt hat.

Ich will auch sagen: Wenn ich es richtig sehe, hat der Kollege Wagner im Untersuchungsausschuss einem der Anzuhörenden – ich meine,es war Herr Schad – die Frage gestellt:

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Gab es einen Zusammenhang zwischen der Versetzung im Jahr 2004 und der Amtsverfügung? – Und was hat der Mitarbeiter Schad damals gesagt? Ich sage es jetzt einmal sinngemäß: Unfug, das gab es niemals, die Amtsverfügung ist ja auch schon Jahre her, die kann damit gar nichts zu tun haben.

Da sehen Sie,wie blödsinnig es von einigen war,drei Jahre später an die Presse zu gehen und zu behaupten, es gebe da einen sachlichen Zusammenhang. Nein, meine Damen und Herren, das war Jahre vorher.

Es ist noch etwas geschehen.Wir haben Herrn Schad auch gefragt: Waren Sie denn sehr glücklich über die Ergebnisse dieses „Spiegel“-Artikels,und waren Sie über diesen Untersuchungsausschuss glücklich? – Als einer der Betroffenen, der versetzten Steuerfahnder, hat er selbst gesagt – ich zitiere aus der Erinnerung –: Nein, darüber waren wir nicht glücklich, sämtliche Vorwürfe, die erhoben wurden, waren inkorrekt, und der Imageschaden der Steuerfahndung und der Finanzverwaltung war insgesamt riesengroß.

Das war das Ergebnis Ihres Untersuchungsausschusses und des Themas, das Sie heute erneut zu reiten versuchen.