Meine Damen und Herren, wie wenig man die Einlassungen des rechtspolitischen Sprechers der GRÜNEN, Dr. Jürgens, ernst nehmen muss, dokumentiert eindrücklich seine parlamentarische Anfrage zum angeblichen – jetzt hören Sie bitte genau zu – „Baumfrevel in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt“. In dieser Anfrage behauptet Dr. Jürgens,
dass Bäume in der dortigen Justizvollzugsanstalt gefällt und hierdurch Vogelnester vernichtet worden seien.
Wahr ist, dass Bäume im Interesse der Sicherheit der Anstalt beschnitten worden sind,um den freien Blick von der Überwachungskabine auf den Hof während des Freigangs zu sichern.
Meine Damen und Herren, ich dachte zunächst, das sei eine Faschingsanfrage von Herrn Dr. Jürgens gewesen.
Deswegen werden auch Grünlinge und Rotschwanz – und ich möchte auch sagen, wir dürfen die Schwarzamsel nicht vergessen – dort weiterhin Unterkunft finden.
Meine Damen und Herren, jetzt wollen wir uns aber wieder ganz ernst mit der Sache auseinander setzen und diese eigentümliche Presseerklärung von Dr. Jürgens beiseite legen. Der Fall zeigt einen klaren Unterschied zwischen uns und den GRÜNEN in der Vollzugspolitik: Während bei den GRÜNEN die Sorge um Rotschwanz und Grünling im Mittelpunkt stehen, hat bei uns die Sicherheit der Anstalt und die Sicherheit der Bevölkerung oberste Priorität. Das wird auch weiterhin so bleiben.
Meine Damen und Herren, um die Verhältnisse im Justizvollzug mit dem richtigen Maßstab zu messen, muss man sich stets eines vergegenwärtigen:Nur ein geringer Bruchteil aller Straftäter gelangt in den Vollzug.Tatsächlich sind es lediglich 5 % der rechtskräftig Verurteilten, die ihre Strafe in einer JVA verbüßen müssen. Bei dieser schwierigen Klientel können besondere Vorkommnisse auch bei einer noch so guten Politik und Arbeit im Vollzug nie zu 100 % verhindert werden.
Meine Damen und Herren, die Hessische Landesregierung hat aber die Voraussetzungen dafür geschaffen, besondere Vorkommnisse, soweit es eben möglich ist, zurückzudrängen. Ohne die Mitarbeiter des hessischen Justizvollzugs, die in allen Bereichen ausgezeichnete Arbeit leisten und Maßstäbe für modernen Justizvollzug gesetzt haben, wären diese Erfolge nicht zu erzielen gewesen. Ihnen gelten auch hier in aller Öffentlichkeit mein besonderer Dank, mein Respekt und meine Anerkennung.
Ich darf mit der Hoffnung schließen, dass auch die Oppositionsfraktionen von SPD und GRÜNEN zu einer konstruktiven Justizpolitik zurückfinden. Damit wäre allen gedient, denen der hessische Justizvollzug ein Anliegen ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich deshalb zusammenfassen: Sechseinhalb Jahre Justizvollzug in der Verantwortung dieser Landesregierung sind eine Erfolgsgeschichte. Dies gilt für die Sicherheit ebenso wie für die Resozialisierung.
(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Jür- gen Walter (SPD): Man merkt, dass Landau fehlt – ein enormer Qualitätsverlust!)
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Grundgesetzverstoß im hessischen Strafvollzug – Drucks. 16/4517 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt 20 Minuten; die Oppositionsfraktionen haben 22 Minuten Zeit. Das Wort hat Frau Abg. Faeser für die Fraktion der SPD.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Sich hier und heute hinzustellen und im Rahmen einer Regierungserklärung zu behaupten, der hessische Strafvollzug sei modern und sicher wie nie,
spiegelt weder die Realität wider, noch erscheint es angesichts der Häufung von Vorkommnissen politisch besonders glaubwürdig.
Herr Wagner, wenn Sie ausgerechnet den Justizvollzug zum Thema einer Regierungserklärung machen, mag man Ihnen gutwillig bei diesem Vorgehen eine gewisse Realitätsferne unterstellen,
die Sie in den letzten zweieinhalb Jahren und in der Zeit davor immer wieder gezeigt haben, wenn es um den Strafvollzug ging. Meine Damen und Herren, die Sacharbeit musste Ihr damaliger Staatssekretär machen. Er durfte für Sie auch immer wieder einspringen, wenn es unangenehm wurde. Böswillig kann man Ihr heutiges Auftreten als den Versuch bewerten, von den Missständen und zahlreichen Pannen im Strafvollzug abzulenken und die Muskeln der absoluten Mehrheit spielen zu lassen.
Sie haben uns in der Regierungserklärung mit vielen Zahlen bombardiert, wie Sie es auch bereits in Ihrer Presseerklärung vom 07.09. getan haben – getreu dem Motto: Traue nur der Statistik, die du selbst gefertigt hast.
Meine Damen und Herren, der Justizminister hat heute Vorfälle aus dem Jahr 1976 als Beispiele angeführt. Das kann nicht sein. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen,
Herr Wagner,ich sage Ihnen eines:Es fällt schwer,sich mit Ihnen als Fachminister seriös auseinander zu setzen – wenn man mit ansehen muss, wie Sie sich hier abmühen und sich von den von Ihnen zu verantwortenden Fehlentwicklungen distanzieren. Denn wer einen fast 30 Jahre alten Störfall aus dem hessischen Strafvollzug in einer Pressemitteilung und einer Regierungserklärung auflistet, um die eigenen Versäumnisse zu übertünchen, der arbeitet mit unlauteren Mitteln und versucht, unbefangene Beobachter zu täuschen.
Hier und heute geht es um das Scheitern des Justizministers im Strafvollzug in Hessen. Insbesondere geht es hier und heute um eine Serie von Ereignissen in den letzten zehn Monaten, die das Attribut „modern und sicher“ mit Sicherheit nicht verdienen.
Es begann im Dezember 2004: Fluchtversuch und Fund einer seit dem Jahr 2000 versteckten Waffe in der JVA Kassel – trotz der ach, so erfolgreichen Durchsuchungsmaßnahmen des hessischen Justizministeriums, die zum einen viel Personal binden und zum anderen enorme Kosten verursachen; sie erzielen überhaupt keine Erfolge, und in diesem Fall wurde sogar vier Jahre lang diese Waffe nicht gefunden.
Im Dezember 2004 eine wiederholte Weigerung von Gefangenengruppen, Russlanddeutschen, die sich nach dem Hofgang nicht in die Zellen zurückbegeben wollten. Hierüber gab es nicht einmal eine Berichterstattung im Unterausschuss Justizvollzug.
Aber dieser Vorfall war immerhin so bedeutsam, dass andere Justizvollzugsanstalten aufgefordert wurden, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Ende 2004, Anfang 2005: mehrere Hepatitis-Erkrankungen in der JVA Butzbach, gegen die erst verspätet und nach Intervention des zuständigen Gesundheitsamtes etwas unternommen wurde. Nach unseren Erkenntnissen hat das hessische Justizministerium trotz verstärkten Auftretens dieser Krankheit die routinemäßigen Untersuchungen danach eingestellt.
Im Januar 2005 Doppelausbruch und Flucht von zwei Gefangenen aus der Justizvollzugsanstalt in Kassel. Die Presse spekulierte, und der Minister hüllte sich in Schweigen. Eine Information des Unterausschusses erfolgte viel zu spät, und dann drückte sich der Minister auch noch vor der Verantwortung in der Sitzung dieses Unterausschusses am 02.02.2005.