Protocol of the Session on June 7, 2005

„Die Zuweisung des Landkreises zur Förderung sozialer Hilfen, wie sie nach dem Übersichtsblatt ‚Verträge mit freien Trägern‘ mit insgesamt 1.067.470 c dargestellt werden, sind in zwei Stufen abzusenken, und zwar 2005 um 15 % auf 907.350 c und 2006 um weitere 15 % auf 721.240 c.

Die im Rahmen der Förderung sozialer Hilfen beabsichtigten Regelungen haben daher die stufenweise Absenkung der Landkreiszuweisung zu berücksichtigen.“

Damit endet das Zitat der Nr. 2 der Begleitverfügung für den Haushalt des Jahres 2005 des Landkreises Gießen. Das Schreiben stammt vom 2. März 2005.

Darüber hinaus wird ausgeführt:

Bereits am 18.02.2005 wurde der hauptamtlichen Kreisbeigeordneten Dietlinde Elies nach vorausgegangenem Schriftwechsel, insbesondere auch nach der weiteren Gesprächsrunde am 23.12.2004, die beabsichtigte Auflage hinsichtlich der Förderung sozialer Hilfen, nicht aber des Sozialbudgets mitgeteilt und darüber hinaus angekündigt, dass in den anschließenden Haushaltsjahren dieses Budget jährlich um 3 % gekürzt werden müsse.

Ich verkürze das jetzt. Das geht so noch zwei Seiten weiter. Im Ergebnis heißt es dann:

Ich habe aufgezeigt, dass dies durch Einschränkungen von Leistungen bzw. durch Absenkungen von Standards beinhaltet werden kann, soweit freie Träger bestimmte Aufgaben nicht oder nicht mehr im bisherigen Umfang wahrnehmen wollen bzw. können und/oder auch der Landkreis selbst mit eigenen Ressourcen nicht an diese Stelle treten kann. Um jedoch eine moderate Anpassung zu ermöglichen, war ich ausnahmsweise für das Haushaltsjahr 2005 bereit, lediglich die Rücknahme der Kompensationsmittel in Höhe von 50 % zu fordern. Für das Haushaltsjahr 2006 allerdings sollten die Fördermittel wieder auf die Höhe der Mittel des Haushaltsjahres 2003 begrenzt werden.

Im Übrigen werden noch weitere Ausführungen zur Haushaltssituation des Landkreises Gießen gemacht.

Das ist der Bericht des Regierungspräsidiums. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Meine Damen und Herren! Wir, die Mitglieder des Präsidiums, haben entschieden, dass die Fragestunde heute nicht ganz eine Stunde dauern wird. Wegen der Verzögerung, die sich durch den Auftritt des Hessentagspaars ergeben hat, beenden wir jetzt die Fragestunde.

(Nicola Beer (FDP): Dann ist es nur eine halbe Fragestunde!)

Wir haben jetzt eine Fragestunde von einer Dreiviertelstunde Dauer gehabt.

(Die Fragen 411, 412, 414 bis 419 sollen auf Wunsch der Fragestellerinnen und Fragesteller in der nächs- ten Fragestunde beantwortet werden. Die Frage 413 wurde von der Fragestellerin zurückgezogen.)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Regierungserklärung des Hessischen Ministers der Justiz betreffend Justiz für den Bürger – Mut zu Reformen!

(Zuruf)

Herr Justizminister, das haben wir entsprechend getimt. – Die vereinbarte Redezeit beträgt 20 Minuten. Das Wort – –

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dafür haben wir Zeit!)

Das Wort hat Herr Staatsminister Dr.Wagner für die Hessische Landesregierung. Herr Staatsminister Dr. Wagner, bitte schön.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dafür haben wir Zeit! Das ist eine unsinnige Regierungserklärung! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sollten die Fragestunde fortsetzen und Herr Wagner seine Fingernägel schneiden!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Zwischenrufen des Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN entnehme ich, dass er an der Rechtspolitik des Landes Hessen und Deutschlands überhaupt kein Interesse hat.

(Beifall der Abg. Rüdiger Hermanns und Kurt Wie- gel (CDU))

Das wundert mich nicht. Dass dies so ist, haben wir auch in der Vergangenheit schon häufiger feststellen können.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, ich werde Ihnen gleichwohl ohne jede Irritation die Regierungserklärung zu dem Thema „Justiz für den Bürger – Mut zu Reformen!“ vortragen.

Herr Al-Wazir, Sie können das jetzt nur noch dadurch ertragen,dass Sie das Zuhören einfach einstellen.Das ist natürlich auch eine Möglichkeit. Ich will dazu aber ganz freimütig sagen: Es ist nach den parlamentarischen Bräuchen wenig höflich,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt der Richtige!)

dass Sie sich bereits zu Beginn einer Regierungserklärung auf diese Art und Weise kommentierend bemerkbar machen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie geht es denn Ihren Fingernägeln? Das ist ein unverschämter Auftritt!)

Verehrter Herr Fraktionsgeschäftsführer Kaufmann, ich finde, dass Sie hier, bevor ich überhaupt ein Wort zur Sache gesagt habe, es für richtig gehalten haben – –

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, Sie haben uns alle mit dem Schneiden Ihrer Fingernägel beleidigt!)

Herr Kollege Dr. Wagner, ich bitte Sie, einen Augenblick innezuhalten. – Herr Kollege Kaufmann! – Herr Kollege Wagner, bitte schön.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat hier gesessen und sich die Fingernägel geschnitten! Das gibt es doch wohl nicht!)

Herr Kollege Kaufmann, ich glaube, dass es bei der Frage um den richtigen Anstand auch immer darum geht, was gezeigt wurde. Ich bitte Sie herzlich, das, was das Fernsehen dort gezielt aufgenommen hat, nicht zum Gegenstand dieser Parlamentsdebatte zu machen. Das ist eine andere Frage.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wer ist denn der Verursacher?)

Herr Kaufmann, entschuldigen Sie bitte, aber das ist nicht Teil des Vorgangs.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident,Entschuldigung,das ist in der Tat Teil des Vorgangs!)

Die Entschuldigung habe ich zur Kenntnis genommen.– Herr Kollege Dr.Wagner, bitte schön, Sie haben das Wort.

Ich habe doch noch gar nichts Inhaltliches gesagt, nachdem ich zum Rednerpult gegangen war.

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zur Regierungserklärung.

Deutschland wird seine alte Leistungsstärke nur wiedererlangen können, wenn wir es reformieren und modernisieren. An die Stelle von Resignation und Immobilität müssen Zuversicht, Mut und Ehrgeiz treten.

Deutschland braucht ein schlüssiges Gesamtkonzept der Reformen. Dabei stehen die Wirtschaft, das Steuerrecht, die Sozialversicherungssysteme und der Arbeitsmarkt zweifellos im Mittelpunkt.

Die Reformüberlegungen dürfen sich hierauf aber nicht beschränken. Die Justiz als tragende Säule des Staates muss Teil der umfassenden Überlegungen hinsichtlich der Reformen in unserem Land sein.

Lassen Sie mich vorab ausdrücklich bemerken: Die Forderung nach einer Reform der Justiz ist keine Kritik an der Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter in der Justiz. Das

will ich hier ausdrücklich sagen, damit ich nicht missverstanden werde. Das Gegenteil ist sogar der Fall: Die hessische und auch die deutsche Justiz leisten gute Arbeit. Sie arbeiten zumeist zügig und mit hoher Qualität. Die dort arbeiten, sind kompetent und motiviert. Sie verdienen Anerkennung und Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Gleichwohl dürfen wir nicht mit uns selbst zufrieden sein. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass der Bürger möglichst schnell und unkompliziert zu seinem Recht kommt.

Ich will auch das noch klarstellend sagen, damit es auch hier zu keinem Missverständnis kommt: Die Reform der Justiz in der Form, in der ich Ihnen das jetzt vorstellen will, beschränkt sich nicht allein auf Hessen. Wir müssen die Justiz überall in Deutschland schlanker und leistungsfähiger machen. Dies setzt voraus, dass wir bei den Gerichtsverfahren alte Zöpfe abschneiden und Ballast abwerfen. Wir müssen deshalb unser Rechtssystem insgesamt vorurteilsfrei auf den Prüfstand stellen.

In Deutschland hat sich in den letzten Jahren allerdings die falsche Vorstellung breit gemacht, effektiver Rechtsschutz bedeute,dass der Bürger in einer Rechtsfrage möglichst viele Instanzen bemühen kann. Die opulente Ausgestaltung der Instanzenzüge,die es in unserem Land gibt, macht ihm das auch leicht. In vielen Fällen kann man mit ein und derselben Sache drei Instanzen beschäftigen.

Die daraus resultierende Einstellung vieler Bürger hat der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Zeidler zu Recht als deutsche Instanzenseligkeit beschrieben.

Der Bürger hat an den Rechtsstaat und die Justiz vor allem vier Erwartungen: