Protocol of the Session on April 27, 2005

Wir entscheiden hier nicht, ob eine Verwaltungsentscheidung überprüft wird,sondern wir entscheiden darüber,wo das geschieht. Das aber hat etwas mit Kosten und Aufwand zu tun.

Die außergerichtlichen Streitschlichtungen haben sich bei der Konfliktlösung bewährt und waren für die Bürgerinnen und Bürger finanziell tragbar. Wenn Sie jetzt diese Krücke wählen und Widerspruchsverfahren dort entscheiden lassen, wo zuvor die Entscheidung über den Sachverhalt getroffen wurde, dann liegt doch auf der Hand, wie Widerspruchsverfahren künftig ausgehen werden. Hier wird es kaum noch zu ernsthaften Befriedungen kommen können.

Wenn Sie allerdings die Abschaffung der Widerspruchsverfahren mit dem Ziel verfolgen, dass aus Kostengründen weniger Bürgerinnen und Bürger Widerspruch bei Gericht einlegen werden, dann ist das nicht nur völlig inakzeptabel, sondern verstößt auch gegen das Gleichheitsprinzip. Wer es mit dem Kostensparen ernst nimmt, der muss gerade auf außergerichtliche Schlichtung setzen, damit keine aufwendigen Verfahren anfallen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, bei einem so umfangreichen Artikelgesetz aus über 30 Artikeln kann man in Anbetracht der Redezeit nur auf weniges eingehen. Daher werde ich jetzt noch zwei, drei Artikel beleuchten. Alles Weitere muss ich den Ausschussberatungen und der sicherlich sehr großen Anhörung überlassen.

Es wird deutlich, dass Sie mit der Änderung des Forstgesetzes nahtlos an die „Operation düstere Zukunft“ anschließen. Nachdem die Hälfte aller Forstämter aufgelöst und 600 Waldarbeiter für überflüssig erklärt wurden, kommt jetzt der nächste Kahlschlag bei den Forstausschüssen. Diese wollen Sie auf der unteren und oberen Ebene zugunsten eines einzigen Landesforstausschusses wegrationalisieren.

Ich denke, die Praxis hat bisher gezeigt, dass sich die Forstausschüsse auf Forstamts- und Bezirksebene bewährt und ihre Berechtigung haben. Mit diesem Schritt wird abermals deutlich, dass künftig regionale Interessen immer weniger Berücksichtigung finden. Das wird für die Zukunft unseres Waldes alles andere als gut sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gravierende Maßnahmen in Natur und Umwelt setzen sich auch in der beabsichtigten Änderung des Naturschutzgesetzes fort. „Nicht zugelassene Kraftfahrzeuge“ und „Fahrzeugwracks“ sollen künftig nicht mehr als Eingriff in die Natur gelten. Ich kann mir jetzt schon lebhaft vorstellen, wie das einmal aussehen wird.

Die Abschaffung der Naturschutzbeiräte auf RP-Ebene und vor allem die Beteiligungsbeschränkung sind weitere eindeutige Eingriffe in den Naturschutz. Mit der Streichung von Anfahrt-, Anhörungs- und Unterrichtungsrechten für die Naturschutzbeiräte wollen Sie diese zur Bedeutungslosigkeit herabqualifizieren. Das ist eine Ohrfeige für alle, die sich ehrenamtlich im Naturschutz engagieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine letzte Bemerkung zur Änderung des Reisekostenrechts. Mit der Änderung des Hessischen Reisekostengesetzes starten Sie einen weiteren Angriff auf die Beschäf

tigten. Sie schlagen vor, dass die volle Kilometerentschädigung bei der Benutzung eines privaten Pkws nur dann gezahlt wird, wenn „triftige Gründe“ vorliegen, und sagen gleichzeitig, dass diese nur vorliegen, wenn nicht zeitgerecht der ÖPNV genutzt werden kann.

(Silke Tesch (SPD): Unverschämtheit!)

Das zeigt, wohin die Reise gehen soll. Meine sehr geehrten Damen und Herren,diese Regelung wird dazu führen, dass Mitarbeitern künftig für viele Dienstfahrten nur noch die halbe Wegstreckenentschädigung gezahlt wird – denn der ÖPNV ist für sie vielleicht noch theoretisch zu nutzen, aber notwendige Unterlagen, Arbeitsmaterialien oder schwere Akten sprechen gegen diese Nutzung. Dann aber gibt es keine volle Entschädigung. Auch sinnvolle und Zeit sparende Anschlusstermine werden nach dieser Regelung künftig platzen.

(Frank Gotthardt (CDU): Die SPD war schon immer ein Freund des ÖPNV!)

Damit soll also keinesfalls eine praxisfreundliche Regelung geschaffen werden. Nach dem Zeitaufwand wird dabei in keiner Weise gefragt. Daher werden Sie auch hier die Kosten wieder einholen. Auch dies ist eine Regelung gegen die Beschäftigten, wie wir sie bei den Verwaltungsstrukturreformgesetzen der Vergangenheit schon mehrfach erlebt haben.

(Günter Rudolph (SPD): Immer gegen die Mitarbeiter, so ist es!)

Meine Damen und Herren, das übergeordnete Ziel dieses Gesetzentwurfes ist: Hauptsache weg von den Mittelbehörden, hin zu den Landkreisen, Städten und Gemeinden – egal, ob es dort Mehrkosten verursacht oder nicht. Herr Minister, auch in diesem Punkt lässt die Kommunalisierung grüßen. Die ständigen Kürzungen im KFA zeigen ihre Wirkung. Das zieht sich leider seit Jahren wie ein roter Faden durch die Beschlüsse der Landesregierung – ob es Jahr für Jahr 50 Millionen c weniger für Kinderbetreuung sind, ob es die einmalige hessenweite Kürzung der Schlüsselzuweisungen um 18 % ist, die es in keinem anderen Bundesland gibt. Haushaltslöcher werden seit Jahren durch Kürzungen im KFA und durch vieles mehr ausgeglichen.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Ein Gruß an Hans Eichel! – Gegenruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Lübcke ist aufgewacht!)

Ja, Herr Dr. Lübcke, wir haben gesehen, was die letzte Reform den Landkreis Kassel gekostet hat:minus 2,4 Millionen c im KFA,weil der Minister ein Haushaltsloch von 110 Millionen c nicht gesehen hat und mal locker 92 Millionen c aus dem KFA nimmt.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Das ist die Wahrheit, und dabei wollen wir auch bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viele, viele Beispiele, die letztlich dazu führen, dass heute die Kommunen pleite sind, dass 20 von 21 Landkreisen ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen können, dass zu Recht von den Landkreisen eine Verfassungsklage erwogen wird.

(Günter Rudolph (SPD): Zu Recht!)

Unter keinem Innenminister vorher mussten die hessischen Kommunen so bluten wie unter Ihnen. Herr Bouffier, wenn Sie so weitermachen, werden Sie noch als „Vampir der Kommunen“ in die Geschichte Hessens eingehen.

Wir wünschen uns eine gute Ausschussberatung. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Hofmeyer. – Herr Frömmrich, ich darf Ihnen das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteilen.

Ich fand auch, das ist ein schönes Bild: den Kollegen Lübcke als kleinen „Vampir“ zu bezeichnen, sehr schön. Das sollte man sich merken.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Verwaltungsreform murkst die Landesregierung fleißig weiter. Auf das Erste und das Zweite Gesetz zur Verwaltungsstrukturreform in Hessen folgt nun der dritte Streich von Volker Bouffier.

Ich fühle mich da ein bisschen an Max und Moritz erinnert, an diese alte Geschichte. Bekanntlich ging es beim ersten Streich von Max und Moritz ums Federvieh. Beim zweiten Streich wurde dasselbe verspeist. Beim dritten Streich wurde dann fleißig,„ritsche ratsche,voller Tücke“, wie Sie sich erinnern... Ich sehe da einige Parallelitäten.

(Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Denn beim ersten Streich ging es Ihnen um das Personal – in der Tat haben da viele Beschäftigte Federn lassen müssen. Beim zweiten Gesetz, das Sie dazu vorgelegt haben, ging es um die Standorte – da wurden, über Hessen verteilt,ganz viele Standorte verspeist.Meine Damen und Herren, beim dritten Streich wird – ritsche, ratsche, voller Tücke – nicht gesägt, sondern da werden bei uns im Naturschutzrecht, im Widerspruchsrecht regelrechte Schneisen in zurzeit geltende Gesetze geschlagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege,gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hahn?

(Der Redner verneint. – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wer ist Max, und wer ist Moritz?)

Diese Frage habe ich mir auch gestellt. Vorhin haben wir beschlossen, Max ist der Justizminister, Moritz ist der Innenminister. Aber Sie können sich das auch selbst aussuchen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Und wer ist Witwe Bolte?)

Meine Damen und Herren, im Widerspruchsverfahren, beim Hessischen Naturschutzgesetz und bei der Beteiligung von ehrenamtlichem Sachverstand gehen Sie in der Tat mit der Kettensäge vor. Herr Minister, aus Ihren ersten beiden Gesetzen haben Sie nichts gelernt. Ein Ge

samtkonzept ist nicht erkennbar.Triebfeder dieses dritten Gesetzes ist und bleibt die „Operation düstere Zukunft“, in der Sie einen Personalabbau von 10.000 Stellen festgelegt haben. Dieser muss jetzt durch zum Teil unsinnige Umstrukturierungen administriert werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht Ihnen nicht um sachgerechte Lösungen. Es geht Ihnen nicht um Verwaltungsreform als Modernisierung und als Reformschritt. Es geht Ihnen einzig und allein darum, Stellen abzubauen.

Wenn man Stellen abbauen muss, dann muss man auch Aufgaben weglassen oder verlagern. Das tun Sie jetzt.

Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen schon mehrmals vorgeworfen, dass am Beginn einer Verwaltungsstrukturreform eine umfassende Aufgabenkritik stehen muss. Ich bin immer noch der Auffassung, dass Sie diese Aufgabenkritik bisher nicht geleistet haben. In Ihrer Begründung dieses Gesetzentwurfs schreiben Sie aber: Die Regierungspräsidenten haben auf der Grundlage einer umfassenden Aufgabenkritik ein Maßnahmenbündel zur Aufgabenreduzierung und Neuorganisation der inneren Behördenstruktur vorgelegt.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, wir werden Sie in der Anhörung daran erinnern, dass Sie offensichtlich eine umfassende Aufgabenkritik erarbeitet haben.Wir möchten,dass Sie die für die zukünftigen Beratungen dieses Gesetzentwurfs vorlegen. Dann werden wir in der Tat sehen, ob Sie diese Aufgabenkritik gemacht haben.

(Beifall des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) – Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da warten wir noch ein paar Jahre!)

Meine Damen und Herren, solange diese Ausarbeitung nicht vorliegt, gilt das, was in den Vorbemerkungen dieses Gesetzentwurfs unter der Überschrift „Finanzielle Auswirkungen“ zu lesen ist. Dort steht:

Der Gesetzentwurf ist ein wesentlicher Beitrag zur mittelfristigen Einsparung von 908 Stellen bei den Regierungspräsidien.